NUR EIN THEMA UNTER VIELEN

Philipp Hafner, leitender Redakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

"Vom Autobauer zum Facility Manager." Mithilfe dieses Slogans versuchen zwölf führende Facility-Management-Unternehmen seit Kurzem Beschäftigten aus der kriselnden Automobilindustrie Lust auf einen Wechsel in die Gebäudebewirtschaftung zu machen. In dem dazugehörigen Werbespot der Brancheninitiative "Die Möglichmacher" ist ein Crash Dummy zu sehen, der sich kurz vorm Aufprall doch noch für den "Umstieg auf einen sicheren Job im FM" entscheidet. Insbesondere auf die vom drohenden Personalabbau in der Automobilbranche betroffenen Techniker und Monteure hat es die Initiative dabei abgesehen.

Hand aufs Herz: Wer hätte es vor einigen Jahren für möglich gehalten, dass das Facility Management, ein seit jeher mit gewissen Imageproblemen kämpfender Wirtschaftszweig, einmal so frech um Fachkräfte werben würde - noch dazu aus der stolzen deutschen Automobilindustrie, und noch dazu inmitten einer Pandemie? Das gestärkte Selbstbewusstsein der Branche scheint sich im Wesentlichen aus zwei Quellen zu speisen. Zum einen wäre da der Faktor "Systemrelevanz": So ist es in den vergangenen Monaten gut gelungen, die oftmals unverzichtbaren Leistungen einer breiteren, über die Fachkreise hinausgehenden Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen. Sei es die Reinigungskraft im Pflegeheim oder der IT-Spezialist im Rechenzentrum - sie und viele weitere Vertreter der Zunft leisten einen substanziellen Beitrag zur Aufrechterhaltung kritischer Sektoren und Infrastrukturen. Ein Umstand, der wohlgemerkt auch direkt in einer erhöhten Wertschätzung Ausdruck fand: So offenbarte unter anderem eine Forsa-Umfrage im April, dass insgesamt 96 Prozent der Deutschen die Arbeit der Gebäudereinigung in der Corona-Krise für sehr wichtig (67 Prozent) beziehungsweise wichtig (29 Prozent) halten.

Hinzu kommt der Faktor "Krisenresilienz": Wieder einmal scheint sich derzeit zu bewahrheiten, dass die gebäudenahen Dienstleistungen unter dem Strich eine vergleichsweise robuste Angelegenheit sind. So bringt eine Lünendonk-Blitzumfrage aus dem September ans Licht, dass eine Mehrheit (55 Prozent) der befragten Facility Manager mit einer Umsatzsteigerung im laufenden Jahr rechnet. Für 2021 sind es dann sogar schon 73 Prozent (siehe hierzu auch Beitrag Ball auf Seite 20). Das heißt im Umkehrschluss aber natürlich auch, dass längst nicht alle Branchenvertreter immun gegen das Virus sind. Während die technischen und kaufmännischen Gewerke tendenziell mit einem blauen Auge davon zu kommen scheinen, litt beziehungsweise leidet der Infrastrukturbereich teils erheblich unter Shutdown-bedingten Auftragsrückgängen.

Ganz besonders trifft dies ironischerweise auf die eben erwähnten Reinigungskräfte zu: Laut der aktuellen Herbst-Konjunkturumfrage des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) mussten 26,1 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr Beschäftigte krisenbedingt entlassen. 17,1 Prozent der Unternehmen haben zudem weiterhin Beschäftigte in Kurzarbeit. Wie für viele andere Menschen gilt dabei auch für die knapp 700 000 Beschäftigten in der Gebäudereinigung: Wie schlimm es noch kommt, wird ganz entscheidend davon abhängen, ob das zuletzt wieder verschärfte Infektionsgeschehen ohne zweiten Stillstand des Wirtschaftslebens unter Kontrolle gebracht werden kann.

Zumindest einige halbwegs gesicherte Lehren lassen sich aber trotzdem bereits aus den bisher gemachten Erfahrungen ziehen: Getreu dem Motto "Don't put all your eggs in one basket" dürften überregionale, mit einer breiten Angebotspalette ausgestattete und möglichst viele Nutzungsarten abdeckende Gebäudedienstleister vergleichsweise stabil durch diese unsicheren Zeiten manövrieren. Darüber hinaus darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Corona letztlich nur ein relevantes Thema unter vielen für die Branche ist. So wird in den Beiträgen dieser Schwerpunktausgabe von "Immobilien & Finanzierung" mehr als deutlich, dass sich die Megatrends Personalmangel, Digitalisierung und Nachhaltigkeit nicht einfach in Luft auflösen, ganz im Gegenteil: Hier voranzukommen, ist dringlicher denn je.

Doch um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind nicht zuletzt erhebliche Investitionen vonnöten. Der Faktor "Größe" könnte perspektivisch also an Bedeutung gewinnen und mit ihm dann natürlich auch die in den vergangenen Jahren etwas an Dynamik eingebüßte Marktkonsolidierung.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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