Städte brauchen ein klares Profil

Horst Bertram

Wie oft wurde der ehemalige regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, für seinen Satz, "Berlin ist arm, aber sexy", angefeindet. Dabei hatte er Recht, Berlin ist in den vergangenen Jahren zu einer attraktiven Stadt nicht nur für Touristen geworden, sondern auch für Studenten und für Unternehmensneugründungen. Das ist gelungen. Eine relativ klare Identität haben sich über die Jahre beispielsweise Köln, München und auch Münster zugelegt. Alle drei stehen salopp für Lebensqualität, Kultur und Bildung. Möglicherweise einen Ausreißer stellt Frankfurt am Main dar, das bei vielen Menschen eher über ein relativ schlechtes Image verfügt, aber trotzdem starkes Bevölkerungswachstum verzeichnet.

Leider hat eine eindeutige Positionierung Seltenheitswert. Dabei ist dies durchaus von großer Bedeutung für die langfristige Städteplanung und den Erfolg oder Misserfolg von Städten. Städte konnten schon immer mit ihrer Identität, Politik und ihrer Strategie den großen Unterschied machen. Auch wenn es im Zeitalter von Digitalisierung und Vernetzung erstmals übertrieben erscheint, es waren oftmals Städte - und nicht die Staaten - die aufblühten. Die aktuellen Beispiele des kalifornischen Silicon Valley, von Tel Aviv oder von Toronto, wo sich die digitale Revolution abspielt, beweisen die Richtigkeit der These. Gerade die genannten Städte verfügen über ausgeprägte Identitäten. Die Positionierung einer Stadt ist in Zeiten ungünstiger demografischer Entwicklungen von besonderer Relevanz. Darüber hinaus ist es im Zeitalter der Digitalisierung wichtig, als attraktiver Arbeits- und Lebensmittelpunkt auch "gefunden" zu werden. Dies gilt speziell für den möglichen Zuzug von künftigen Einwohnern, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen.

Potenzielle Einwohner und Arbeitgeber dürfen aber nicht nur auf eine klare Identität schauen, sondern müssen darauf achten, dass der neue Wohn- oder Standort in vielerlei Hinsicht attraktiv ist. Dazu gehören neben einem guten kulturellen Angebot vor allem ein vielfältiges Portfolio von Wohnungen, ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr und damit eine möglichst enge Verzahnung von Wohnen und Arbeiten. Gerade diese Punkte werden in der Städteplanung oftmals zu wenig gemeinsam betrachtet, dabei gehören Verkehrspolitik, Baulandpolitik, gewerbliche Entwicklung und die strategische Ausrichtung der Regionalentwicklung eng verbunden. Eine aktuelle Studie der TU München (TUM), die sich auf die Metropolregion München konzentriert, zeigt, dass die Themen Wohnen, Arbeiten und die entsprechende Mobilitätsnutzung in diesem Wechselspiel den Menschen extrem unter den Nägeln brennen. Dazu gehört auch, dass die meisten Menschen an ihrem Wohnort Einkaufsmöglichkeiten und die Dienstleistungen möglichst in der Nähe haben wollen und kein Interesse an abgegrenzten Gewerbegebieten und Schlafstädten haben.

Eine wichtige Aufgabe kommt hierbei auch der lokalen Verkehrspolitik zu, die den engen Schulterschluss aller Beteiligten braucht. Wer künftig als Großstadt oder Stadt attraktiv sein möchte, darf nicht alles auf einen Kern ausrichten. Sie sollten dagegen, auch das ist ein Ergebnis der Studie der TUM, über ein Spinnennetz mit Knoten verbunden sein. Diese Knoten müssen über eine entsprechende Verkehrsinfrastruktur verfügen. Wenn diese vorhanden und Stadt und Umland gut verbunden sind, siedeln sich dort auch zukunftsträchtige Industrien und Dienstleister leichter an. Durch eine Verbesserung des Verkehrsflusses steigt automatisch das Angebot an zugänglichem Wohnraum und attraktive Knoten könnten dazu beitragen, den Druck auf die zentralen Lagen zu mindern.

Bei aller Euphorie für das Thema "Attraktivität" einer Stadt, es bereitet aber auch massive Probleme, das ist die Kehrseite der Medaille und zeigt die brutale Gratwanderung, die eine erfolgreiche Stadtplanung absolvieren muss. Gerade in den attraktiven Städten und dort aus den so sehr gefragten zentralen Lagen werden immer mehr Menschen verdrängt, da anlagesuchendes Geld dort Luxuswohnungen als Kapitalanlage erwirbt, ohne dass die Menschen diese Wohnungen auch zum Leben nutzen. Eine klare Identität und eine vernetzte Städteplanung, hieran sollte verstärkt gearbeitet werden. Ach ja, fast vergessen, schnelles Internet gehört auch dazu. Letztendlich brauchen die politisch Verantwortlichen auch ein glückliches Händchen, damit aus Attraktivität kein Problem wird.

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