Ziemlich beste Freunde unter einem Dach

Horst Bertram

Es ist kaum zu glauben, wie heftig zu Beginn der Nullerjahre gestritten wurde. Leidenschaftlich und kräftig auseinandergesetzt haben sich gut saturierte Banker aus dem privaten und dem öffentlich-rechtlichen Lager, wer die besten und die schönsten Pfandbriefe hat; oder eher, wer die schlechteren Pfandbriefe hat. An manchen Tagen füllten Kommentare und Beiträge ganze Seiten von Fachzeitungen und -zeitschriften, was dem Qualitätsprodukt Pfandbrief durchaus nicht immer zuträglich war. Gerade internationale Investoren zeigten sich von der innerdeutschen Debatte irritiert.

Hintergrund dieses Disputes war die von der Europäischen Kommission verfügte und für den Sommer 2005 terminierte Abschaffung der Haftungsprivilegien der Landesbanken. Diese profitierten bis dahin von den Garantien seitens ihrer staatlichen Eigentümer, der deutschen Länder, und letztendlich auch von der impliziten Haftung durch den Bund. Durch den Wegfall der Haftungsmechanismen war auch die gesetzliche Grundlage für die Begebung von Pfandbriefen durch öffentlich-rechtliche Institute offen zur Diskussion beziehungsweise Disposition gestellt.

Das "Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten" - kurz ÖPG - enthielt durchaus laxere Qualitätsanforderungen als das Hypothekenbankgesetz, das für den privaten Sektor zur Verfügung stand. Diese unterschiedlichen Anforderungen störten im täglichen Kapitalmarktgeschäft nicht, waren doch die öffentlich-rechtlichen Institute aufgrund der Haftungsmechanismen bonitätsmäßig über jeden Zweifel erhaben.

Schnell war die Forderung des damaligen Verbandes deutscher Hypothekenbanken (VdH) und seiner höchsten Vertreter auf dem Tisch, dass die Landesbanken sich nun auch dem "höherwertigen" Hypothekenbankgesetz zu unterwerfen und folglich eigene Hypothekenbanktöchter - sogenannte Spezialkreditinstitute - zu gründen hätten. Es galt das Motto, nur eine "Spezialbank" habe das spezielle Know-how, um der Emission von Pfandbriefen würdig zu sein. So trat auch der ein oder andere Vorstand gegenüber der Aufsicht auf und einige Vertreter dieser Spezialkreditinstitute hatten im Bonner Amt durchaus den Ruf, auch "spezielle" Banker zu sein, die manche Regelungen nur akzeptieren wollten, wenn man ihnen mit der Keule drohte. Ein netter Nebeneffekt der Forderung des VdH wäre gewesen, dass die denkbaren Neugründungen dem Verband auch viele neue zahlende Mitglieder beschert hätten.

Das Interesse der damals noch sehr stolzen Landesbanken, eigene Hypothekenbanktöchter zu etablieren, war extrem gering, nur bei der etwas übereifrigen HSH Nordbank kam es zu einer Neugründung, die aber bald darauf wieder geräuschlos in die Mutter integriert wurde. Erschwerend kam hinzu, dass beispielsweise bedeutende Häuser, wie die Hypovereinsbank, als sogenannte "gemischte" Institute galten und direkt aus der Bank heraus Pfandbriefe begeben konnten. Auch ihre Verantwortlichen hatten keinerlei Interesse an einer teuren und komplexen Neugründung, hatten sie doch alles bequem, effizient und kostengünstig unter einem Dach. Mit der Verweigerungshaltung der Hypovereinsbank war auch die letzte Hoffnung des Verbandes deutscher Hypothekenbanken dahin, die Landesbanken auf seine Linie zu bringen.

Eine Lösung musste her, und zwar schnell. Und die Lösung lag eigentlich auf der Hand, es musste nur jemand vorpreschen und die Führung übernehmen. Beim VdH reifte die Einsicht, dass der Weg über die Unterwerfung der Landesbanken unter das Hypothekenbankgesetz und die damit verbundene Verpflichtung zur Gründung von separaten Hypothekenbanken strukturpolitisch nicht umsetzbar sein würde. Sie fanden, wenn vielleicht auch ein klein wenig zufällig, einen potenziellen Verbündeten. Dieser hieß Dietrich Jahn und er war an wichtiger Stelle im Bundesfinanzministerium in Berlin beschäftigt. Die vom VdH präsentierte Idee eines allgemeinen Pfandbriefprivilegs für theoretisch alle deutschen Banken, das auf der Basis eines strengen gesetzlichen Rahmens und einer kompetenten und handlungsstarken Aufsicht beruht, sagte Jahn sofort zu und er machte sich spontan zum Mentor des Vorhabens.

Der Ball lag jetzt wieder beim VdH, von dort musste in kurzer Zeit ein entsprechend fundierter Vorschlag für das entsprechende Allgemeine Pfandbriefgesetz kommen. Der Verband lieferte und Jahn hielt wie versprochen Wort. Am 19. Juli 2005 trat dann das Pfandbriefgesetz in Kraft. Es erlaubt prinzipiell den "deutschen" Banken, nach intensiver Prüfung und Genehmigung durch die BaFin, Pfandbriefe zu begeben. Die Häuser haben entsprechende Kompetenzen nachzuweisen, passende Strukturen vorzuhalten und sie müssen willens sein, das Geschäft dauerhaft zu betreiben.

Auf dem Weg zu einem allgemein nutzbaren Pfandbriefgesetz gab es noch einen weiteren aktiven Befürworter, es war Thomas Happel von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und dort damals unter anderem für die Überwachung von Hypothekenbanken zuständig. Die Meinung des VdH, dass ausschließlich das Spezialbankprinzip die hohe Sicherheit des Pfandbriefes und damit die Akzeptanz durch die Investoren sicherstellt, überzeugte Happel nicht. Pragmatisch wie er ist, suchte er auch den direkten Dialog mit führenden Investoren. Und die Botschaft, die er von ihnen vernahm, war klar: Ein allgemeines, strenges Gesetz und eine starke Aufsicht reichen aus, um die Sicherheitsanforderungen der Anleger zu befriedigen.

So kam es dann auch. Am 19. Juli 2005 stand das Gesetz prinzipiell allen geeigneten Instituten offen. Diejenigen Häuser, die davor schon Pfandbriefe begeben hatten, bekamen in relativ schlanken Prozessen ihre Lizenz zur Begebung der gedeckten Schuldverschreibungen. Erfreulich war auch, dass anders als vom VdH damals gemunkelt bei Landesbanken, wie beispielsweise der Bayern-LB und der Helaba, die Qualitätsstandards der Deckung und die Datenqualität problemlos mit denen der Hypothekenbanken mithalten konnten.

Mittlerweile nutzen private Banken wie die Deutsche Bank, öffentlich-rechtliche Institute wie Landesbanken und Sparkassen aktiv die Vorteile der Emission von Pfandbriefen. Es wären wahrscheinlich noch deutlich mehr Institute, wenn die Europäische Zentralbank den Markt nicht mit billigstem Geld fluten würde und bei vielen Banken Liquiditätsüberschuss herrschte. Aus dem Sparkassenlager emittieren beispielsweise derzeit schon über 40 Institute Pfandbriefe, nachdem die ehemalige Stadtsparkasse Köln (heute Sparkasse Köln Bonn) bereits im Februar 2002 den ersten Sparkassen-Pfandbrief begeben hat.

Zumindest für rheinische Gemüter mag es pikant sein, dass der Erfinder des ersten Sparkassen-Pfandbriefes, Arndt M. Hallmann, mittlerweile ein paar Kilometer rheinaufwärts gewandert ist und die Stadtsparkasse Düsseldorf anführt. Der Pfandbrief dürfte darüber hinaus neue Nutzer bekommen. Als frische Marktteilnehmer dürften künftig die Bausparkassen hinzukommen, denen der Gesetzgeber voraussichtlich das Pfandbriefprivileg übertragen wird, was auch wunderbar zum Geschäftsmodell passt.

Mittlerweile genießen alle Institutsgruppen die Vorteile des Produkts. Dabei tut dem Pfandbrief die enge Zusammenarbeit zwischen Kreditinstituten jeglicher Verbandszugehörigkeit und dem Gesetzgeber und der Aufsicht sichtlich gut. Wie eng die Institute bei der Pflege und Weiterentwicklung des Pfandbriefes kooperieren, zeigt sich daran, dass der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) institutsgruppenübergreifend im Sinne des Pfandbriefs schalten und gestalten darf und es beispielsweise zwischen vdp und DSGV klare Kooperations- und Aufgabenverteilungen gibt. Das ist in der stolzen Welt der Verbände durchaus selten. Aus ehemaligen Streithanseln wurden ziemlich beste Freunde, als Gewinner geht dabei das deutsche Vorzeigeprodukt, der Pfandbrief, hervor. Und wenn die Zinsen irgendwann wieder steigen und die Liquiditätswelle verebbt ist, dann werden noch mehr Häuser die Vorteile des Pfandbriefs für sich nutzen. Es lebe der Pfandbrief!

Noch keine Bewertungen vorhanden


X