ZINS- UND ZEITENWENDE

Philipp Hafner Leitender Redakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi GmbH

Die Hoffnung, dass man nach zwei zermürbenden Pandemie-Jahren endlich wieder etwas optimistischer in die Zukunft blicken könnte, wurde mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine brutal zerschlagen. Fassungslos lässt einen die Erkenntnis zurück, dass nach über 75 Jahren Frieden plötzlich wieder Krieg in Europa herrscht. Ein Krieg, der die Welt politisch sicher noch ziemlich lange überschatten wird.

Aber wie sieht es mit Blick auf die wirtschaftlichen Konsequenzen aus? Russland ist mit einem Anteil von weniger als zwei Prozent am deutschen Export ein vernachlässigbarer Faktor für die deutsche Konjunktur. Für die Eurozone und die USA spielt Russland sogar eine noch geringere Rolle. Auf der anderen Seite wird die stark gestiegene Verunsicherung sicher eine gewisse Belastung für Unternehmensinvestitionen und die Konsumnachfrage darstellen. Was sich zu Redaktionsschluss (25. Februar) jedenfalls schon deutlich herauskristallisierte: Die ohnehin sehr hohe Inflation wird durch den Ukraine-Krieg aller Voraussicht nach weiter ansteigen. Dafür spricht insbesondere die unmittelbare Reaktion an den Rohstoffmärkten mit kräftigen Preissprüngen bei Rohöl und Erdgas. Auf bis zu 6,1 Prozent könnte die Jahresteuerung in Deutschland klettern, warnte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Mit Blick auf die bereits seit Längerem stark im Fokus stehende Geldpolitik bleibt also der Druck bestehen, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Im Einklang damit waren bis zuletzt die Erwartungen steigender Zinsen dies- und jenseits des Atlantiks unverändert stark ausgeprägt. Dieses Phänomen einer globalen Zinswende wirft ohnehin seit Monaten seine Schatten voraus. Beispielsweise musste der Bund Mitte Februar erstmals seit drei Jahren bei der Auktion einer zehnjährigen Anleihe wieder einen positiven Zins (0,31 Prozent) anbieten. Am Sekundärmarkt bekamen Anleger bereits im Januar nach langer Pause wieder Geld für ihre Kredite an den deutschen Staat.

Es scheint ganz so, als müssten die volkswirtschaftlichen Lehrbücher doch nicht umgeschrieben werden: Schuldner haben für das Leihen von Geld wieder einen Preis zu entrichten. Längst haben sich infolge dieser Zinsrückkehr auch in der Immobilienwirtschaft viele Dinge in Bewegung gesetzt. Vergegenwärtigt man sich das regelrechte Fusionsfieber der vergangenen Wochen und Monate, könnte man fast von einer Art Torschlusspanik sprechen: Schnell noch die extrem niedrigen Zinsen mitnehmen, bevor die Finanzierungskosten nach oben drehen und Akquisitionen sich dadurch verteuern.

Die Elefantenhochzeit zwischen Vonovia und Deutsche Wohnen ist zweifellos das prominenteste Beispiel dafür, doch es gibt so viele mehr: Die Deutsche Industrie Reit-AG wurde unlängst von der niederländischen CTP übernommen, Alstria Office befindet sich seit Kurzem in den Händen des kanadischen Investors Brookfield, TAG Immobilien hat sich die polnische Robyg einverleibt, DIC Asset greift nach VIB Vermögen und in Österreich baggert die tschechische CPI Property Group an Immofinanz. Und auch abseits der börsennotierten Gesellschaften ist der Transaktionsmarkt ziemlich heiß gelaufen. Der gewerbliche Immobilienmarkt in Deutschland hat im vergangenen Jahr bekanntlich erstmals die Marke von 100 Milliarden Euro überschritten. Auf europäischer Ebene summierten sich die Investments 2021 laut BNP Paribas Real Estate auf insgesamt 273 Milliarden Euro, was einem deutlichen Plus von 14 Prozent gegenüber 2020 entspricht und zugleich wieder unmittelbar an das Prä-Corona-Niveau heranreicht.

Zuversichtlich stimmen in diesem Zusammenhang sicher auch die Anfang Februar vorgelegten Ergebnisse des RICS Global Commercial Property Monitor für das vierte Quartal 2021: Inmitten der sich abzeichnenden Zinswende verbesserte sich dieser im sechsten Quartal in Folge und erreichte zum ersten Mal seit Ausbruch der Pandemie wieder einen positiven Wert. Dabei sind die Prognosen sowohl für die Mieten als auch für die Kapitalwerte stabil bis geringfügig positiv.

All das zeigt: Der Assetklasse Immobilie kann so schnell nichts anhaben. Hoffentlich gilt dies auch für die nun eingeläutete geopolitische Zeitenwende.

Die vom 15. bis 18. März anstehende MIPIM hätte zweifellos ein etwas unbekümmerteres Ambiente verdient gehabt, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um die erste reguläre März-MIPIM seit 2019 handelt. Wir wünschen Ihnen dennoch eine gute und erkenntnisreiche Lektüre des großen MIPIM-Specials von "Immobilien & Finanzierung".

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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