In der zweiten Reihe ist's gemütlicher

Horst Bertram

Der 21. September 2015 war ein guter Tag für die deutschen börsennotierten Immobilienaktien-gesellschaften. Denn an diesem Tag schaffte der erste Branchenvertreter, Vonovia, den Sprung in den deutschen Leitindex. Damit übt das Unternehmen für die gesamte Branche eine Leuchtturmfunktion aus. Dafür hat es aber auch zu strahlen, was ihm bisher gut gelang. Aber die Rahmenbedingungen für die gesamte Branche haben sich tendenziell eingetrübt. Die bisherigen Treiber für eine überdurchschnittliche Immobilienaktienperformance haben an Kraft verloren. Dazu zählen in erster Linie die niedrigen Zinsen, das von der Europäischen Zentralbank bereitgestellte "Wundermittel".

Bei den Immobiliengesellschaften wirkte es gleich mehrfach: Erstens konnten die extrem niedrigen Zinsen zur spürbaren Senkung der Refinanzierungskosten und damit zur Ergebnissteigerung genutzt werden. Zweitens stieg die Popularität der dividendenstarken Immobilienaktien, was dazu führte, dass sich neue Investoren aus reinen Renditeüberlegungen für Anlagen in Immobilienaktien begeisterten. Und drittens sorgte die Niedrigzinspolitik bei vielen Investoren für ein Umschichten ihrer Anlagen in Aktien und Immobilien, was zu entsprechenden Preissteigerungen führte. Davon profitieren die Immobiliengesellschaften gleich doppelt, da sie eine Hybride zwischen Aktie und Immobilie darstellen. Sie ziehen klassisch ausgerichtete Aktieninvestoren, die in der Regel auf kleinere und mittlere Unternehmen spezialisiert sind, ebenso an wie traditionelle Immobilieninvestoren, die als Sektorspezialisten ihr Geld in einer liquiden Form am Immobilienmarkt anlegen.

So geht es aber nicht weiter, denn von den Zinsen dürften kaum noch Impulse kommen, hier sollte bei einer Rendite von 0,5 Prozent für die zehn jährigen Bundesanleihen der Boden gefunden sein. Darüber hinaus sind viele Immobilienaktien gemessen am Kurs-, Gewinnverhältnis nicht mehr billig. Auf Basis der 2017er Gewinnschätzungen liegt das Verhältnis meist zwischen 15 und 20. Gemessen am Net Asset Value (NAV) sind viele Werte, vor allem die Wohnungsunternehmen, ebenfalls nicht mehr günstig und handeln häufig über dem NAV. Und in vielen Segmenten gehen die Renditen bei Neuanlagen spürbar zurück. Folglich wird es schwieriger werden, überdurchschnittliches Unternehmens- und damit Ergebniswachstum zu erzielen. Darüber hinaus gibt es von den Investoren auch klare Erwartungen bezüglich des maximalen Verschuldungsgrades und dem Mindestrating, damit auch in schwierigerem Umfeld die Refinanzierung problemlos klappt. Schwierig geworden ist auch die Beschaffung der für das Wachstum nötigen "Ware". Gerade der deutsche Wohnungsmarkt scheint praktisch leer gefegt und die Renditen gehen weiter zurück. Unentdeckte Schätze gibt es kaum mehr. Die meisten Unternehmen der Branche werden auch nicht in der Lage sein, über das Eingehen größerer Risiken (beispielsweise durch Projektentwicklung) höhere Erträge zu erzielen. Dazu sind die Investoren zu risikoavers und haben dem einen oder anderen, wie DIC Asset, auch schon die Gelbe Karte gezeigt.

Folglich haben sich die Unternehmen hauptsächlich dem Wachstum durch Übernahmen verschrieben. Gerade von der Vonovia ist bekannt, dass sie praktisch jedes verfügbare Portfolio in Deutschland kennt, um im Fall der Fälle, sprich wenn es auf den Markt kommt, sofort zuschlagen zu können. Da passt es natürlich gar nicht, wenn der Verfolger aufmuckt und die gleiche Strategie anwendet. Nachdem der Wettbewerber Gagfah vom Markt genommen wurde, steht nun die Nummer zwei der Branche, Deutsche Wohnen, auf dem Wunschzettel. Deutsche Wohnen hatte es selber auf die LEG Immobilien abgesehen und wäre, falls es geklappt hätte, eine noch größere Nummer zwei geworden. Aber das Thema ist vom Tisch, jetzt geht es darum, ob Vonovia zum Zuge kommt oder nicht. Es scheint im Markt der größeren Wohnungsgesellschaften derzeit, vor dem Hintergrund des fehlenden Angebots, keine Alternative zum Wachstum durch Merger & Akquisition zu geben.

In diesem Umfeld lebt es sich in der zweiten Reihe gemütlicher. Aber auch dort steigt der Druck und es dürfte nicht nur aus Wachstumsgründen, sondern wegen der Erzielung von Skaleneffekten zu weiteren Fusionen kommen. Für längerfristig orientierte Aktieninvestoren wird der Schlüssel zum Erfolg darin liegen, Unternehmen zu finden, die auch mittel- und langfristig "internes" Wachstum beim Substanzwert und bei den Erträgen liefern dürften.

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