Aufsätze

Bewertung von SPL/NPL aus Sicht des Distressed Debt Investors

Deutschland ist auch weiterhin der größte und attraktivste europäische Markt für den Verkauf von notleidenden Krediten durch Banken und den Erwerb durch überwiegend internationale Käufer. Die Bewertung von Sub-performing Loans (SPL) und Nonperforming Loans (NPL) durch Distressed Debt Investoren wird jedoch zu oft als undurchsichtig und willkürlich angesehen. Dies kann bei den Verkäufern zu Argwohn in Bezug auf die angebotenen Preise führen und die Durchführung von Transaktionen verhindern, die sich letztlich für alle Beteiligten als vorteilhaft erwiesen hätten.

Dieser Argwohn ist unbegründet. Grundsätzlich ist der Wert eines Darlehens schlicht der Barwert aller Cash-Flows, die aus dem Darlehen zu erwarten sind, und zwar entweder aus seiner regelmäßigen Bedienung oder im Falle größerer Wertbeeinträchtigung aus der Verwertung der zugrunde liegenden Sicherheiten. Wenn ein Verkäufer alle diese Elemente kennt und die potenziellen Käufer in offenem Dialog eingehend informiert, sollte sich der Preisfindungsprozess also tatsächlich als transparent und einvernehmlich darstellen.

Information als Einflussfaktor bei der Bewertung von SPL/NPL

In der Vergangenheit haben sich NPL- Investoren in Deutschland auf den Erwerb und die Abwicklung von hauptsächlich durch Grundschulden besicherte Darlehen konzentriert. Eine Bewertung auf Grundlage von Immobiliensicherheiten ist relativ unkompliziert. Unter der Voraussetzung eines offenen Austauschs aller Daten zwischen Käufer und Verkäufer können unterschiedliche Auffassungen auf der Grundlage einer sachlichen Diskussion gelöst werden.

Hinsichtlich der Verwertung von Sicherheiten sind drei grundlegende Fragen zu beantworten, das heißt erstens: sind rechtlich durchsetzbare Sicherheiten wirksam bestellt, zweitens: wenn ja, was sind die Sicherheiten wert, und drittens: wie und wann kann der Darlehensgeber auf sie zugreifen?

Für den Verkäufer ist die Bereitstellung ausreichender Unterlagen zur Ausräumung jeglicher Zweifel an der Verwertbarkeit der Sicherheiten eine Voraussetzung für die Anerkennung des Darlehenswertes. Wesentlich in dieser Hinsicht ist die Sicherstellung der Vollständigkeit und Aktualität der Sicherheitendokumentation. Die Bewertung von Grundvermögen als wichtigster wertbeeinflussender Faktor vergangener Transaktionen ist üblicherweise der am wenigsten umstrittene Teil des Preisfindungsprozesses. Unabhängige Gutachten können jederzeit von qualifizierten Bewertungsfirmen eingeholt, Vergleichswerte üblicherweise im Markt ermittelt werden.

Kaufpreisermittlung: Erfahrung hilft

Bei komplexeren Vermögensgegenständen wie unbebauten Grundstücken mit ablaufenden Baugenehmigungen in zweitrangigen Lagen oder Gebäuden mit möglicherweise erheblichen Sanierungserfordernissen ist jedoch die Lieferung präziser und aktueller Informationen wie etwa detaillierter Mietaufstellungen, tatsächliche Mietzahlungen beziehungsweise Mietrückstände, Grundbucheintragungen, Instandhaltungsrückstände, vertraglich verbleibende Mietdauern sowie sämtliche einschlägige Verlängerungsklauseln und -optionen zum Zwecke des Preisfindungsprozesses unmittelbar wertsteigernd. Während sich unerfahrene Käufer auf grobe Leitlinien externer Berater stützen müssen, können erfahrene Käufer, denen bereits größere Bestände gehören, aus Vorgängen der Vergangenheit ziemlich genau einschätzen, wie lange die verschiedenen Schritte im Vollstreckungsverfahren sowie die Vollstreckung in die vom Darlehensnehmer mit dem Sicherheitenpaket gestellten Sicherheiten dauern wird. Schon wegen ihrer Marktkenntnis können erfahrene Käufer Verkäufern zuverlässigere Kaufpreise und eine größere Transaktionssicherheit bieten.

Darüber hinaus kann aus der möglichen Realisierung im ungesicherten, die zugrunde gelegten Sachwerte übersteigenden Bereich erheblicher zusätzlicher Wert für NPL entstehen, insbesondere mittels sogenannter DPOs, das heißt außergerichtlicher Vergleiche zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer (Discounted Payoffs). Dies trifft noch mehr bei SPL zu, bei denen eine genaue Einschätzung der Bonität der Darlehensnehmer oder Garantiegeber, das heißt ihrer Fähigkeit und Bereitschaft, die Bedienung des Darlehens ganz oder teilweise wieder aufzunehmen, ein entscheidender Gesichtspunkt bei der Preisfindung für ein Darlehen ist.

Einschaltung von "Datentreuhändern"

Wenn der Barwert sogar einer teilweisen Bedienung des Darlehens höher ist als der Barwert nach Kosten und Verzögerungen eines Vollstreckungsverfahrens in die Sicherheiten, dann kann es sinnvoll sein, mit dem Darlehensnehmer über eine Umschuldung oder einen Teilerlass seines Darlehens zu sprechen. Bei Letzterem sind Darlehenshöhe und Darlehensbedingungen so festzulegen, dass der Darlehensnehmer das Darlehen bis zur Endfälligkeit bedienen kann.

Die deutschen Gesetze zum Bankgeheimnis und das deutsche Datenschutzgesetz haben in der Vergangenheit Verkäufern geschadet, weil Informationen über Darlehensnehmer entweder Erwerbern überhaupt nicht zur Verfügung gestellt oder nur in anonymer Form preisgegeben werden können. Generell versucht der Markt, diese Hürde zu überwinden, und zwar durch die Einschaltung von "Datentreuhändern" oder die Schaffung "roter" Datenräume, wobei nur diejenigen Berater des Käufers nicht anonymisierte Daten sehen dürfen, die dem deutschen Berufsgeheimnis unterliegen.

Der Umstand jedoch, sich auf die Bewertung von Informationen aus zweiter Hand verlassen zu müssen, die von Dritten ausgewählt wurden, welche die finanzielle Realität der Situation des Darlehensnehmers nicht notwendigerweise aus der gleichen Perspektive sehen, die ein Erwerber wertverminderter Vermögensgegenstände hätte, wirkt sich unmittelbar auf die Preisfindung aus.

Kapitalstrukturelle und makroökonomische Einflussfaktoren

Opportunity-Fonds und Investmentbanken als die in der Vergangenheit vorherrschenden NPL-Käufer werden durch die Kosten des in ihren Akquisitionen eingesetzten Kapitals gesteuert. Neben der Eigenkapitalrendite, nach der die Käufer streben und die theoretisch von der Eigenkapitalrendite nur unwesentlich abweichen sollte, die der Markt von den Verkäufern selbst als Finanzinstitute verlangt, sind die Fremdkapitalkosten ein wichtiger Preisfindungsfaktor.

NPL-Käufer setzen wie alle Finanzinstitute im Vergleich zum Gesamtwert der Investition nur einen relativ kleinen Eigenkapitalanteil ein. Ausgehend von der erheblichen Abweichung zwischen den Eigenkapital- und den Fremdkapitalkosten von NPL-Investoren ist die Fähigkeit, für den Kaufpreis der erworbenen Darlehen Fremdkapital aufzunehmen, für die Wirtschaftlichkeit von NPL-Investitionen entscheidend.

Vor diesem Hintergrund wird Fremdkapital für NPL üblicherweise von internationalen Investmentbanken aufgenommen, die in gleicher Weise und unabhängig den für die zugrunde liegenden Sachanlagen gezahlten Preis einer kritischen Prüfung unterziehen, da er das Sicherheitenpaket gestaltet, auf dessen Grundlage sie finanzieren. Dies vermittelt dem NPL-Käufer wiederum eine nützliche Überprüfung durch einen Dritten.

Marktstimmungen

Ferner spielen makroökonomische Faktoren und Marktstimmungen eine erhebliche Rolle bei der Darlehensbewertung und beim Umfang des NPL-Käufers zur Verfügung stehenden Fremdkapitals. Wenn Fremdkapitalgeber davon ausgehen, dass der Wert der zugrunde gelegten Sicherheiten, zum Beispiel Grundvermögen oder andere liquide Sicherheiten (etwa Lebensversicherungen, Bankgarantien), mit der Zeit steigen wird, können zur Finanzierung des Transaktionsvolumens höhere Fremdkapitalbeträge aufgenommen werden.

Bestehen jedoch Zweifel über die künftige Bonität der Darlehensnehmer, werden Fremdkapitalgeber in ihren Annahmen betreffend den nicht gesicherten Anteil der erworbenen NPL oder SPL vorsichtiger sein; demzufolge wird weniger Fremdkapital zur Verfügung stehen. Und als solche führt eine höhere Hebelkraft mit Fremdkapital zu einem höheren Preis.

Obwohl dies eigentlich nicht zum makroökonomischen Bereich gehört, muss man schließlich das aufsichtsrechtliche und gesetzliche Umfeld berücksichtigen, in dem zwei wesentliche Elemente von überragender Bedeutung sind, nämlich erstens die Aufsicht und Rechtsprechung in Bezug auf die Durchsetzung von Gläubigerrechten und zweitens die Besteuerung.

Bis vor Kurzem wurde die Rechtmäßigkeit von Darlehensverkäufen als solche vor den Gerichten durch Darlehensnehmer angegriffen, deren Darlehen an Investoren verkauft worden waren. Diese Frage ist nun glücklicherweise für Verkäufer und Käufer auf der Ebene der höchsten Gerichte geklärt worden, und damit sind die Risiken in Bezug auf gerichtliche Auseinandersetzungen nicht mehr so relevant wie in der Vergangenheit und die Kosten dieser rechtlichen Risiken sind entsprechend gesunken, was einen positiven Effekt auf die Preise hatte.

Rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen

Neben Kostenfaktoren und finanzieller Unsicherheit in Bezug auf gerichtliche Verfahren gibt es verschiedene Wege, auf denen die Gesetzgebung den Wert von NPL unmittelbar beeinflussen kann und dies auch tut. In den Vereinigten Staaten und Großbritannien zum Beispiel haben Änderungen der Gesetze betreffend die Privatinsolvenz einen merklichen Einfluss auf den Wert von Krediten im Zweitmarkt gehabt. Die deutsche Insolvenzgesetzgebung war in der jüngeren Vergangenheit stabil und vorhersehbar, sodass es deshalb keine unmittelbaren Unsicherheiten gibt, die nach derzeitigem Status in NPL- und SPL-Transaktionen eingepreist werden müssten. Künftige Änderungen in der Gesetzgebung hätten jedoch sicherlich einen Einfluss auf die Bewertung von NPL und SPL.

Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den steuerlichen Rahmenbedingungen um einen Gesetzgebungsbereich, der sich in Deutschland ständig verändert. Einerseits haben Änderungen bei der Grunderwerbsteuer, wie die in Berlin verabschiedete, den Nettobetrag der Erlöse aus der Vollstreckung in Grundvermögen negativ beeinflusst und damit auch die NPL-Preise.

Andererseits hat die Unsicherheit bezüglich der derzeit noch nicht endgültig gesetzlich oder durch die Rechtsprechung klargestellten umsatzsteuerlichen Behandlung von NPL-Verkäufen eine unmittelbare Auswirkung auf den Preis jeder einzelnen NPL- oder SPL-Transaktion gehabt. Dies wurde weiter verschlimmert durch die kürzliche Erhöhung des Umsatzsteuersatzes.

Spezifische wertbeeinflussende Faktoren: der "Zaubertrank"

In vielen Fällen, in denen Banken ihre Bestände an NPL und SPL angemessen wertberichtigt haben, sind Portfolioverkäufe zu oder über den geprüften Buchwerten erfolgt. Das heißt nicht notwendigerweise, dass rationale Erwerber bisweilen zu viel zahlen. Käufer, insbesondere solche mit engen oder exklusiven Verbindungen zu spezialisierten Abwicklungsdienstleistern können einen Mehrwert schaffen, indem sie den Abwicklungsprozess nach einer anderen Methode angehen.

Beispielsweise wird die Abwicklung notleidender Kredite für spezialisierte Käufer, im Gegensatz zu Verkäufern, als Kerngeschäft behandelt. Sie profitieren als solche nicht nur von Skaleneffekten, sondern es gibt auch eine größere Interessenübereinstimmung zwischen den hoch spezialisierten Mitarbeitern in der Abwicklung und den Investoren. Vor allem veräußernde Banken sind höchst sensibel in Bezug auf ihre etablierten Kundenbeziehungen und ihren Ruf, was sich als wesentliche Einschränkung der Effizienz im Abwicklungsprozess auswirken kann.

Dies bedeutet unter sonst gleichen Voraussetzungen, dass spezialisierte Investoren oftmals dazu in der Lage sind, höhere Realisierungsquoten aus dem gleichen Darlehen zu erreichen als dies Banken möglicherweise können. Beispielsweise mag eine örtliche Sparkasse im Umgang mit Darlehensnehmern, die aus ihrem Einzugsgebiet wegziehen, durch ihre beschränkte regionale Handlungsmöglichkeit eingeschränkt sein, während Investoren mit einer bundesweit operierenden Ser-vicing-Plattform und einer breiteren geografischen Abdeckung darin weniger eingeschränkt sind.

Mehrwert schaffen

Ferner ist die Umgestaltung von Sicherheiten oder sogar von Darlehen in einheitlichere Bestände für ausgewählte Investoren im sekundären Buyout-Markt etwas, mit dem die Erwerber großer Volumina von NPL and SPL den Vermögenswerten einen Mehrwert verschaffen können. Nicht zuletzt haben SPL/NPL-Investoren mit einem nachgewiesenen Track Record und Erfahrung im Handel von Darlehen mit einer breiten Palette von Finanzinstituten sowohl größere Fachkenntnis als auch die Möglichkeit, größere Flexibilität betreffend Vertragsverhandlungen und optimale Erwerbsstrukturen anzubieten. Das bedeutet weiter, dass sie die Dokumentation erleichtern und die Transaktion vom bindenden Angebot bis zum endgültigen Closing des Geschäfts beschleunigen können.

Obendrein können erfahrene Käufer mögliche Risikobereiche in Darlehensportfolios besser quantifizieren, die oftmals nicht nur weniger Verkäufergarantien erfordern, sondern auch zu geringeren Preisanpassungen bei der Berücksichtigung der vorhandenen Risiken führen.

Möglichst viele Informationen im Veräußerungsprozess

Die deutschen Finanzinstitute haben seit 2003 von einem dynamischen SPL/NPL-Markt in Deutschland profitiert. In der Vergangenheit hat ein ausgewählter Kreis von überwiegend ausländischen Investoren zahlreiche Portfolios notleidender Kredite von ihnen erworben. Während der Markt für deutsche leistungsgestörte und notleidende Darlehen weiter reift, ist es jedoch wichtig, aus früheren Fehlern zu lernen. Insbesondere Verkäufer müssen erkennen, dass der anhaltende Erfolg eines künftigen Portfolioverkaufs nicht nur von einem eingehenden Verständnis der Informations- und Bewertungsanforderungen eines rationalen Käufers abhängt, sondern auch von dem eigenen tiefgehenden Verständnis des wirklichen Marktwerts der zum Verkauf anstehenden Darlehen, insbesondere auch des zugrunde liegenden Sicherheitenpakets.

Dies wird Verkäufer dementsprechend befähigen, mit Käufern in produktiver und konstruktiver Weise zusammenzuwirken, um Missverständnisse zu vermeiden. Es ist deshalb wichtig, dass während des Veräußerungsprozesses möglichst viele Informationen zur Verfügung gestellt werden, um willkürliche Anpassungen der Angebotspreise seitens der Käufer zu minimieren. Mit anderen Worten kann im Ergebnis festgehalten werden: Je besser die Informationen und je reibungsloser das Verfahren, desto besser ist der von einem rationalen Investor letztlich gezahlte Preis.

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