Aufsätze

Exchange Traded Funds - die unterschätzte Größe

Institutionelle Anleger unterliegen heutzutage einer Vielzahl von internen und externen Anforderungen. Sie müssen die finanziellen Ziele der Kunden im Auge behalten, die eigene Buchhaltung, Anlagegesetze und nicht zuletzt die Bedürfnisse des eigenen Unternehmens. Auch ohne Kreditkrise ist das eine schwierige Aufgabe, die bei der stetig steigenden Zahl von Anlagevehikeln immer komplexer wird. Eine mögliche Lösung sind Exchange Traded Funds (ETFs).

Abbildung bestimmter Märkte

Hinter diesem Kürzel verbergen sich börsengehandelte Indexfonds. Diese Vehikel bilden einen bestimmten Markt ab und machen ihn dem Investor in einem einzigen Produkt gebündelt über die Börse zugänglich. In aller Regel erfolgt das durch die schlichte Replikation eines Index. Daneben gibt es verschiedene aktiv verwaltete Investmentfonds, die ebenfalls an der Börse gehandelt werden, dort aber bislang nur eine geringe Bedeutung haben.1)

ETFs können fortlaufend an der Börse gehandelt werden. Sogenannte Designated Sponsors (Market Maker) stellen hierbei während der gesamten Handelszeit An- und Verkaufsofferten zu fairen Kursen zur Verfügung und gewährleisten so eine hohe Liquidität. Investoren kaufen ETFs normalerweise direkt über die Börse. Im Falle von Transaktionen mit einem sehr hohen Volumen, können sie aber auch als OTC-Trade (Over the Counter) direkt beim Designated Sponsor oder Market Maker gehandelt werden.

Von Spinnen und Diamanten

Die Ursprünge der ETFs liegen in den USA. Als sogenannte Spiders wurden sie 1993 unter dem Tickersymbol SPDR (Standard and Poor's Depositary Receipts) aufgelegt. Schon bald folgte ein ETF auf den Dow Jones Industrial Average mit dem Namen Diamond Trust, der weitläufig als "Diamonds" bezeichnet wird. Seitdem haben die ETFs weltweit an Bedeutung gewonnen. Morgan Stanley sah die erstmalige Zulassung dieser Produktkategorie durch die amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC) als einen Meilenstein in der Finanzanlage.2) Dabei haben die ETFs heute längst nicht alle Märkte gleichermaßen durchdrungen. Am stärksten werden sie in ihrem Mutterland, den USA, eingesetzt. Dort gibt es inzwischen über 500 ETFs von 19 verschiedenen Anbietern, mit einem Volumen von über 600 Milliarden Dollar. Sie zählen inzwischen zu den größten Fonds in den USA.

Weltweit gab es Ende des ersten Quartals 2008 von insgesamt 70 Anbietern 1 280 ETFs. In diesen Produkten werden über 760 Milliarden US-Dollar an Anlagegeldern verwaltet. Das sind etwa 4,4 Prozent mehr als noch im Vorquartal. Auch in Europa sind die Produkte auf dem Vormarsch. Es existieren inzwischen 479 ETFs, die rund 100 Milliarden Euro von 29 Anbietern bündeln.3) Die Entwicklung der verwalteten Volumina zeigt die steigende Bedeutung dieser Anlageprodukte. Heute gibt es in fast jedem Europäischen Land eigene ETF-Anbieter, die teilweise ihre Produkte in verschiedenen Ländern an der Börse listen und vertreiben. Deutschland zum Beispiel bringt es 2008 auf zwei heimische und sieben ausländische Anbieter mit insgesamt 316 an der Deutschen Börse gelisteten ETFs. Dies entspricht annähernd einer Verdoppelung gegenüber 2006.

Das Spiel mit der Hantel

Dieser Trend wird sich weiter verstärken. Denn institutionelle Anleger müssen sich laufend an den Vorgaben der Kunden und den gesetzlichen Regularien ausrichten, und der Markt greift solche Veränderungen immer schneller auf. Gleichzeitig wächst der Konkurrenzdruck stetig - gerade in Deutschland, dessen Asset-Management-Markt im Vergleich zu den USA noch relativ wenig erschlossen ist.

ETFs erleichtern die Finanzanlage institutioneller Anleger entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Viele Investoren arbeiten inzwischen mit der sogenannten Asset-Manager-Barbell, der "Verwalterhantel". Diese Strategie trennt die zu verwaltenden Gelder in zwei Teile. Der eine Teil wird mit passiven Produkten wie ETFs verwaltet, der andere mit aktiv gemanagten Fonds. Gemischte Produkte werden dabei nicht verwendet, weshalb die grafische Darstellung dieser Strategie mit zwei Schwerpunkten und einem nur gedachten Mittelstück wie eine Hantel aussieht.

Der passive Teil der Strategie (ETFs) deckt jene Märkte ab, in denen nur sehr schwer eine Outperformance erzielt werden kann, da diese in der Regel eine hohe Effizienz besitzen. Mit ihm soll ausschließlich die Marktrendite (Beta) erzielt werden. Der aktive Teil der Strategie wird genutzt, um den Markt oder seine Benchmark zu schlagen - also Alpha zu generieren. Die Hantel-Strategie ist damit dem Core- Satellite-Ansatz eng verwandt, bei dem unter anderem passive Produkte den Kern eines Portfolios bilden, der von den aktiv verwalteten Fonds als Satelliten umgeben wird. Sie sollen zum Beispiel die riskanteren Segmente wie Private Equity oder Small Caps abdecken, während der Kern die weniger riskanten Investments umfasst.

ETFs in Deutschland

Die Chancen dieses Vorgehens erkennen auch zunehmend deutsche Investoren. So werden nach einer Studie der ETF-Lab4) inzwischen knapp drei Prozent der Assets under Management der befragten deutschen institutionellen Anleger mit ETFs passiv verwaltet. In aller Regel dient die ETF-Beteiligung einer effizienten Investition in kurzfristige Strategien, so die Studie. Sie eignen sich aber auch für den langfristigen Anlagehorizont. 1973 hatte beispielsweise Burton Malkiel5) die Kapitalmärkte untersucht und kam in seiner Schrift "A Random Walk down Wall Street" zu dem Ergebnis, dass Finanzmärkte effizient sind. Seiner Ansicht nach, kann es nicht zu Kursüberraschungen kommen, denn alle Nachrichten werden schnell in die Aktienkurse eingepreist. Diese Effizienz der Märkte lässt sich mit passiven Produkten bestens nutzen. Konsequenterweise war Malkiel jahrelang Direktor bei Vanguard, einem der größten Anbieter von Indexfonds.

Die Studie von ETF-Lab zeigt zudem, dass die Asset Allokation der entscheidende Parameter für den Anlageerfolg ist (Abbildung 1). Zu 90 Prozent hängt der von der richtigen Wahl und Gewichtung der Assetklassen ab. Nur zu fünf Prozent ist dagegen die Wahl der Einzeltitel entscheidend. Um die Anlageentscheidung zielführend zu treffen, sollte der Investor sein Hauptaugenmerk also auf die Auswahl des adäquaten Marktes beziehungsweise auf den ETF, der diesen Markt abbildet, lenken.

Mehr als nur Beta-Lieferant

Doch ETFs können heutzutage weitaus mehr leisten als die reine Generierung von Beta in effizienten Märkten. Denn inzwischen gibt es beispielsweise auch geeignete Indizes für weite Teile der Emerging Markets, den Private-Equity-Markt sowie für Sharia konforme ETFs, die die Vorgaben des Islam berücksichtigen. ETFs können also inzwischen nicht mehr nur als Core-Investment im Rahmen der bekannten Core-Satellite-Strategie verwandt werden.

Sie eröffnen heutzutage die Nutzung moderner Anlagestrategien, die bislang eher mit komplexeren Produkten darstellbar waren. So können Investoren auf fallende Märkte setzen, gehebelte ETFs kaufen oder Long-Short-Strategien umsetzen.

Dabei sind sie vergleichsweise preisgünstig. Denn sie werden zu den für Aktien üblichen Spesen an der Börse gehandelt. Neben den laufenden jährlichen Gebühren von rund 0,05 bis 0,85 Prozent liegen die einmal fälligen Spreads bei 0,05 bis 0,5 Prozent. Deshalb werden sie auch im Rahmen des Cashmanagements gerne eingesetzt - zumal Investitionen auf dem Geldmarkt über Exchange Traded Funds schnell und ohne Liquiditätsprobleme möglich sind.

Wie alle Fonds sind ETFs qua Gesetz Sondervermögen. Das heißt, selbst im Insolvenzfall der emittierenden Fondsgesellschaft besteht für die Investoren kein Risiko. Denn die Vermögensgegenstände des Fonds werden nicht dem Gesellschaftsvermögen zugerechnet.

Nachholbedarf bei Renten-ETFs

Auch bei der Bilanzierung nach IFRS/IAS gibt es Argumente, die für den Einsatz von ETFs sprechen. Da es sich um Publikumsfonds handelt, müssen in der Bilanz nicht die im Fonds enthaltenen Vermögensgegenstände einzeln aufgeführt werden, solange der Investor nicht mehr als die Hälfte des gesamten Volumens an einem ETF hält (Abbildung 2). ETFs kommen heute zudem immer öfter als Ersatz für Futures zum Einsatz. Im Gegensatz zu Termingeschäften gibt es bei ihnen keine Roll-Kosten für den Verkauf eines auslaufenden und den Kauf eines neuen Futureskontraktes. Die Entrichtung einer Sicherheitsleistung entfällt gleichermaßen.

Es bleibt dennoch Nachholbedarf: Das betrifft vor allem die Auswahl der Produkte. Während Aktien-ETFs auf die marktbreiten Indizes bereits weit verbreitet sind, waren beispielsweise Rentenprodukte noch vor wenigen Jahren kaum denkbar. Das hat sich zwar inzwischen geändert. Das Angebot an Renten-ETFs ist aber noch immer vergleichsweise gering. Auch exotische Märkte wie die der Schwellenländer lassen sich mit ETFs nicht so flächendeckend umsetzen wie mit aktiv gemanagten Fonds. Das ist offenbar auch die Einschätzung der Investoren. Denn lediglich 19 Prozent der im Rahmen einer Studie der EDHEC6) befragten Investoren nutzen ETFs für die Abdeckung verschiedener Anlagestile oder exotischer Märkte.

Doch die Nachfrage, auch nach komplexeren Strukturen, wird steigen. Entsprechend wird sich das Angebot weiter auffächern - in neue, noch nicht abgedeckte Assetklassen und Segmente. Schon jetzt sind Produkte am Markt, die vor einigen Jahren noch nicht absehbar waren. Neue Index-Modelle mit neuen Gewichtungsmethoden, die nicht die Marktkapitalisierung berücksichtigen, sondern zum Beispiel auch fundamentale Kennzahlen wie Dividendenrendite oder den Cash-Flow in die Gewichtungssystematik mit einbeziehen. Die Dow Jones Stoxx Strong Style Indizes sind hierfür ein gutes Beispiel.

Viele Börsen wollen am Geschäft mit den börsengehandelten Indexfonds partizipieren und planen entsprechend eine Plattform für den ETF-Handel einzurichten. Und viele weitere Produkte wurden von den Emittenten bereits avisiert. Nach einem Report von Morgan Stanley sind in Europa derzeit 58 neue Indexfonds in Planung, 423 in den USA und 69 im Rest der Welt.

Informationsdefizite beheben

Eine wichtige Aufgabe der ETF-Gesellschaften wird darin bestehen, den Investoren die gesamten Vorteile ihrer Produkte transparent zu machen. Denn die von ETF-Lab und der Steinbeis-Hochschule durchgeführte Befragung hat auch gezeigt, dass mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen wenig über das Produkt wissen.

Noch machen Exchange Traded Funds in Europa gerade einmal ein Prozent des gesamten Asset-Management-Marktes aus. Das wird sich in den kommenden Jahren ändern: Für 2011 wird weltweit ein in ETFs verwaltetes Volumen von zwei Billionen Dollar prognostiziert. Allein in Deutschland sollen es bis 2012 rund 230 Milliarden Euro sein (Abbildung3)7) Die Zukunft der ETF hat also gerade erst begonnen.

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