Aufsätze

Finanzplatzgestaltung statt Finanzplatzverwaltung

Die Gesellschaft hadert mit ihren Banken. Offensichtlich wurde in den vergangenen fünf Jahren die in Jahrzehnten gewachsene Reputation der Branche verspielt. Warum? In Thomas Manns Familiensaga "Die Buddenbrooks" gibt der alte Getreidehändler Johann Buddenbrook seinem Sohn den Rat mit auf den Weg: "Sei mit Lust bei den Geschäften am Tag, aber mache nur solche, dass wir bei Nacht ruhig schlafen können." Und es ist genau diese auf Nachhaltigkeit des Gewinns und der Reputation angelegte Selbstbeschränkung des klugen und ehrbaren Kaufmanns, die die Vertreter des Finanzgewerbes nicht beachtet, nicht geachtet haben.

Realwirtschaftlich verankerte Banken unerlässlich

Wurden Banken früher von den Bürgern als wichtiges und angesehenes Grundelement der Wirtschaftsordnung angesehen, so wird dies derzeit immer häufiger in Frage gestellt. Von Teilen der Bevölkerung, aber zunehmend auch seitens der Politik, wird die Systemfrage gestellt. Parteien beabsichtigen gar, gegen "die Banken" und "die Märkte" Wahlkampf zu führen.

In dieser, leider oftmals sehr undifferenzierten, Betrachtung der gesamten Finanzbranche wird darüber hinweggesehen, wie wichtig die der Realwirtschaft verbundenen Teile der Finanzbranche für entwickelte Volkswirtschaften sind. Dies trifft naturgemäß in besonderer Weise auf die Industrie- und Exportnation Deutschland zu: Ohne die Bereitstellung etwa von Projekt- und Handelsfinanzierungen, Zins- und Wechselkursabsicherungen und Cash-Management-Lösungen wäre es für deutsche Unternehmen wohl kaum möglich, global voll integrierte Produktionsprozesse aufzubauen und zu steuern. Und nicht zuletzt finanziert sich das wirtschaftliche Aushängeschild Deutschlands, der Mittelstand, überwiegend über Bankenkredite.

Das refinanzieren Banken, indem sie sicher verwahrte Gelder als Tages-, Termin- oder verbriefte Einlagen entgegennehmen. Oder sie bieten Anlegern auf vielfältige Weise den Zugang zu Kapitalmärkten - mit Blick auf die Demografie ohne Alternative. Es bleibt also festzuhalten: Realwirtschaftlich verankerte Banken sind integraler und unerlässlicher Bestandteil einer erfolgreichen Volkswirtschaft.

Hieraus lässt sich auch die Notwendigkeit eines starken und integrierten Finanzplatzes ableiten. Und Deutschlands führender Finanzplatz ist ohne jeden Zweifel Frankfurt. Dabei ist Frankfurt nicht nur nationaler Champion, sondern spielt auch europa- und weltweit eine wichtige Rolle. In Frankfurt haben sich rund 220 Banken mit zirka 74000 Mitarbeitern niedergelassen. Hierunter finden sich die vier größten deutschen Banken ebenso wie rund 200 Auslandsbanken aus 40 Ländern. Mit der Deutsche Börse AG beheimatet Frankfurt einen der weltweit führenden und innovativsten Marktplatzbetreiber. Dank ihrer breiten Aufstellung im Handel von Aktien, Anleihen und Terminmarktinstrumenten, aber auch in der Abwicklung von Transaktionen und der Verwahrung von Wertpapieren ist die Deutsche Börse AG ein wichtiger Baustein für den Finanzplatz und die deutsche Volkswirtschaft.

Finanzplatz Frankfurt: Stabilität durch breite Aufstellung

Die Stärke des Finanzplatzes Frankfurt ist ohne Zweifel seine breite Aufstellung, die von Universalbanken kontinentaleuropäischer Tradition geprägt ist. Diese in der Vergangenheit oftmals als konservativ und langweilig belächelte Ausprägung zeigte in der Finanzkrise ihre ganze Stärke: Sie verleiht Stabilität. Gerade der Bankenstandort Frankfurt hat sich in der Krise als äußerst stressresistent erwiesen. Die zentrale Lage der Stadt in Europa, die Nähe zu Kunden und Märkten und die große Bedeutung der deutschen Volkswirtschaft tragen ebenso zur Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt bei wie die räumliche Nähe zu staatlichen beziehungsweise multinationalen Institutionen wie beispielsweise der Deutschen Bundesbank, der Europäischen Zentralbank oder nationalen wie europäischen Aufsichtsbehörden, wie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) und der europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA).

Natürlicher Bestandteil des Finanzplatzes Frankfurt

In der Beschreibung des Finanzplatzes Frankfurt finden sich viele Attribute der genossenschaftlichen Finanzgruppe Volksbanken Raiffeisenbanken wieder: Stabil, stressresistent und breit aufgestellt zeigte sich die Gruppe auch in der Finanzmarktkrise - und war als einzige Säule der deutschen Kreditwirtschaft nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen. Daher verwundert es kaum, dass die genossenschaftliche Finanzgruppe, und hier insbesondere die DZ Bank Gruppe, ein natürlicher und treuer Bestandteil des Finanzplatzes Frankfurt ist. Neben der DZ Bank AG haben mit der Union Investment, der VR Leasing, der R+V Versicherung und der DVB nahezu alle großen Unternehmen der Gruppe ihren Sitz in Frankfurt beziehungsweise in der Rhein-Main-Region. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Diese Unternehmen erzielten 2010 einen Gewinn von 768 Millionen Euro, zahlten 352 Millionen Euro Ertragssteuern und beschäftigten 21878 Mitarbeiter.

Zudem hat mit der dwpbank - sie wird jeweils zur Hälfte von der genossenschaftlichen und der öffentlich-rechtlichen Bankengruppe getragen - das säulenübergreifend tätige und im deutschen Markt führende Transaktionsinstitut für die Wertpapierabwicklung seinen Sitz in der Mainmetropole. Sie alle nutzen und partizipieren von einer öffentlichen, aber auch finanzindustriellen Infrastruktur mit der Deutschen Börse und den Zentralbanken.

Es gab nie einen Zweifel, welches der richtige Finanzplatz für die DZ Bank Gruppe ist. Den vermeintlichen Verlockungen anderer Finanzplätze ist sie nie erlegen. Diese "Finanzplatztreue" ist fest in der Strategie der Gruppe verankert. "Verbund First" ist die Leitlinie des Handelns. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die genossenschaftliche Finanzgruppe und ihre Firmen- und Privatkunden im Fokus der Geschäftstätigkeit stehen. Dies impliziert einen nationalen Fokus; ohne Wenn und Aber. Gleichzeitig werden die Kunden mit ihren Unternehmungen oder Investitionswünschen ins Ausland begleitet - auch dafür bietet Frankfurt alle notwendigen Ausgangsvoraussetzungen.

Mitarbeit in allen relevanten Gremien

Für die DZ Bank ist es eine Selbstverständlichkeit, engagiert in den maßgeblichen Gremien am Finanzplatz Frankfurt mitzuarbeiten. So bringen sie sich aktiv in den Börsenräten der Frankfurter Wertpapierbörse und der Eurex Deutschland ein sowie im Präsidium von Frankfurt Main Finance, in den Vorständen des Trägervereins des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) und des Deutschen Aktieninstituts sowie in den Kuratorien der Gesellschaft für Kapitalmarktforschung - Center for Financial Studies und des House of Finance.

Nach dieser kurzen und zwangsläufig eher skizzenhaften Beschreibung des Status quo und der Rolle der DZ Bank als verlässlicher Partner des Finanzplatzes Frankfurt sollen nachfolgend einzelne wichtige Punkte einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Welche Entwicklungen gibt es also zu beobachten?

Regulierung gegen Stabilitätsanker geht fehl

Die seit Beginn der Finanzmarktkrise einsetzende Regulierungswelle entwickelt sich zunehmend zu einem undifferenzierten "Potpourri", das sich zudem an angelsächsischen Usancen orientiert. Dabei werden stabile und sichere Strukturen in einzelnen Ländern außer Acht gelassen. Im Ergebnis werden auch Marktteilnehmer, die in der Krise Stabilität gezeigt haben wie die gesamte genossenschaftliche Finanzgruppe, ohne sachliche Rechtfertigung geschwächt. Basel III soll hier als Stichwort für erschwerte Mittelstandsfinanzierung oder Liquiditätssteuerung genügen. Aber auch dem Finanzplatz Frankfurt droht Gefahr: Stichwort Finanztransaktionssteuer. Es soll an dieser Stelle nicht über das Für und Wider gestritten werden. Fakt ist jedoch, dass mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer unter Ausschluss Englands das perfekte Finanzplatzförderinstrument für den Finanzplatz London geschaffen wird - zulasten Frankfurts und aller anderen Finanzplätze, die eine solche Steuer einführen werden.

Um an dieser Stelle nicht falsch verstanden zu werden: Es soll hier nicht die Notwendigkeit von regulatorischen Maßnahmen als Lehren aus der Finanzmarktkrise in Abrede gestellt werden. Es geht hier um die Berücksichtigung sachlich gerechtfertigter Differenzierungsmöglichkeiten. Denn eine Regulierung, die die Schwächung von Stabilitätsankern, sei es ein Finanzplatz oder eine Bankengruppe, als Kollateralschäden billigend in Kauf nimmt, geht fehl.

Bündelung der Kräfte ist anzustreben

Wenn der Finanzplatz Frankfurt eines gegenüber den anderen europäischen Finanzplätzen zur Genüge hat, sind es Institutionen, die sich um das Wohl des Platzes kümmern sollen. Hieran herrscht in der Mainmetropole kein Mangel: So kümmern sich Frankfurt Main Finance, Frankfurt Rhein-Main, Hessenagentur, DAI oder auch die IHK Frankfurt um die Belange des Finanzplatzes Frankfurt. Ob jedoch ein vielstimmiger Chor hier hilfreich ist, muss stark angezweifelt werden. Eine Bündelung der Kräfte scheint dringend geboten, um durch gebündelte Ressourcen die Durchschlagskraft im Sinne des Finanzplatzes deutlich zu erhöhen. Hier machen die City of London oder auch Paris Europlace vor, welche Durchschlagskraft entsprechend aufgestellte Institutionen zum Wohle ihres Finanzplatzes entfalten können. Die Bündelung der Kräfte muss in naher Zukunft angegangen werden.

Als Konsolidator beziehungsweise Kompetenzcenter für alle Belange rund um Finanzplatzthemen böte sich Frankfurt Main Finance als Dach in idealer Weise an. Auf dieser Basis lassen sich politische und wirtschaftliche Gestaltungsspielräume erschließen. Insbesondere gilt es, den Blick auf Standortfaktoren wie Risikomanagement oder die Nähe zu Osteuropa zu richten.

Stärkeres Commitment aller Finanzplatzakteure notwendig

Die vorgenannten Aspekte ordnen sich jedoch dem entscheidenden Aspekt unter: dem Commitment der originären Akteure des Finanzplatzes Frankfurt. Dies ist der alles entscheidende Faktor. Ob es um Durchschlagskraft, öffentliche Wahrnehmung, Einfluss oder auch Bedeutung des Finanzplatzes geht: Ohne das Commitment der wichtigsten Akteure inklusive der persönlichen Bereitschaft ihrer Gremienvertreter, sich hier aktiv mit einzubringen, wird eine Stärkung des Finanzplatzes und seine Positionierung in der gewünschten Art und Weise kaum gelingen.

Vielleicht belegt die nicht zustande gekommene Börsenfusion diese These. Während inhaltlich sehr viel für die Fusion sprach, gelang es offensichtlich nicht überzeugend, gemeinsam diese Fusion als Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt zu profilieren und mit diesem Tenor insbesondere Richtung Berlin und Wiesbaden zu transportieren oder die Gelegenheit zu nutzen, auch den Einfluss auf die Deutsche Börse in einer veränderten Governance zu erhöhen. Kurz gesagt, zeigte die eine Seite eher Desinteresse, die andere Seite eher Vorbehalte. Eine gemeinsame, vom gesamten Finanzplatz Frankfurt getragene Position wäre hier hilfreich gewesen und ist lohnenswert in zukünftige Überlegungen mit einbezogen zu werden. Ob dies alles Entscheidungen auf der europäischen Ebene beeinflussen kann, ist reine Spekulation. Aber sicher ist auch, dass "geschlossenen Reihen" eine erhebliche Schlagkraft innewohnt, wie die Solidargemeinschaft der genossenschaftlichen Finanzgruppe eindrucksvoll belegt. Gleichwohl muss der Blick konsequent nach vorne gerichtet werden. Gemeinsam gilt es nun, die Weiterentwicklung der Deutschen Börse in den Themenfeldern Regulatorik, Listing, Handel sowie Clearing und Settlement aktiv zu begleiten.

Gerade im Krisenmodus seine ganze Stärke offenbart

Der Finanzplatz Frankfurt hat gerade im Krisenmodus seine ganze Stärke offenbart. Dies muss ohne Zweifel eine Kernbotschaft für die internationale Vermarktung sein. Hierzu ist es notwendig, die Vermarktung in einer Hand zu bündeln, um die Schlagkraft zu erhöhen. Auf der Ebene der einzelnen Finanzplatzakteure sollte zunächst jeder Akteur für sich selbst die Frage beantworten, ob sein Commitment für den Finanzplatz ausreicht und wie dies zukünftig gestärkt werden kann. Dies ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Das Commitment der DZ Bank Gruppe ist, wie oben beschrieben, als strategieimmanent anzusehen. Daneben gilt es, gemeinsam für eine gute und somit auch differenzierte Regulierung zu kämpfen. Nicht im Eigeninteresse, sondern im Interesse der Industrie- und Exportnation Deutschland, deren Teil die Finanzwirtschaft ist. Im Ergebnis sollten wir stärker aktiv an der Gestaltung unseres Finanzplatzes arbeiten, als diesen lediglich zu verwalten.

Welche Prioritäten gilt es zu setzen? Mit der Europäischen Zentralbank im Rücken sollte die Positionierung des Finanzplatzes Frankfurt als Kompetenzcenter in Sachen Stabilität und Sicherheit beziehungsweise Risikomanagement und Regulatorik weiter ausgebaut werden. Als institutionalisierte Basis hierzu bietet sich das FIRM an. Eine hohe Priorität sollte ebenfalls der Konsolidierung aller um des Wohles des Finanzplatzes aktiven Institutionen beigemessen werden. Eine Bündelung von Themen und Ressourcen ist für die Erhöhung der Schlagkraft unerlässlich. Frankfurt Main Finance wäre hierzu die geeignete Institution. Als dritte Priorität wäre eine stärkere Vernetzung der Marktinfrastruktur erstrebenswert. So ist beispielsweise eine engere Vernetzung der Abwicklungseinheiten der Deutschen Börse mit nationalen Transaktionsinstituten eine denkbare Variante.

Lars Hille , Vorsitzender des Vorstands , V-BANK AG, München
Noch keine Bewertungen vorhanden


X