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Golden Gate oder Tacoma Narrows? - Mezzanine-Kapital als Finanzierungsbrücke zwischen Mittelstand und Kapitalmarkt

Es ist keine neue Erkenntnis, dass speziell für mittelständische Unternehmen der Wettbewerb sowohl auf der Aktiv- als auch der Passivseite der Bilanz stattfindet. Auch wenn die offiziell geschätzten Eigenkapitalquoten mittelständischer Unternehmen aufgrund fehlender Informationen zur Privatvermögenshaftung des Unternehmers systematisch nach unten verzerrt werden, bestehen trotzdem ausreichende Hinweise für eine im internationalen Vergleich bestehende Unterversorgung mit Eigenkapital (vergleiche Hommel/Schneider 2003/2004, Ernst & Young 2005). Insbesondere die steuerliche Bevorteilung der Gewinnausschüttung hat neben der grundlegenden Gläubigerorientierung des deutschen Finanzsystems über viele Jahre zu einer Verknappung von unternehmensinternem Risikokapital geführt.

Strukturelle Finanzierungsdefizite des Mittelstands

Gerade in den letzten Jahren war daher die öffentliche Diskussion durch das Bemühen geprägt, mittelständischen Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern und damit die Abhängigkeit von den klassischen Formen der Finanzierung, dem Bankkredit und der Innenfinanzierung mittels der verdienten Cash-Flows, abzumildern. Während der unmittelbare Zugang zu den Börsen für den klassischen Mittelstand immer noch verwehrt bleibt, bieten die Verbriefungsmärkte indessen einen mittelbaren Zugang über die Aufnahme von Mezzanine-Kapital (mittels verbriefter Genussrechte).

Hierbei handelt es sich um eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital, das aus Sicht des Unternehmers fremdkapitalähnliche Charakteristika aufweist (also beispielsweise nicht unmittelbar dessen Kontrollrechte beeinflusst), aber gleichzeitig aus unternehmensexterner Sicht eine risikokapitalverstärkende Wirkung entfaltet.

Inwieweit Mezzanine-Kapital eine echte Finanzierungsalternative für mittelständische Unternehmen darstellt und welche Chancen und Risiken sich mit diesem Instrument verbinden, ist Fokus des vorliegenden Beitrags. Ob es sich hierbei um eine Brücke zwischen Mittelstand und Kapitalmarkt handelt, die analog zur Golden Gate Bridge erdbebenartigen Marktentwicklungen standhalten oder wie die Tacoma Narrows im rauen Wind des Marktes untergehen wird, werden die nächsten Jahre zeigen müssen. Die Vorzeichen stehen jedoch momentan so, dass keiner dieser beiden Entwicklungspfade von vornherein ausgeschlossen werden kann.

Entwicklung von Mezzanine- Finanzierung im Überblick

Begründet wurde der Markt für verbrieftes und am Kapitalmarkt refinanziertes Mezzanine Kapital im Jahr 2004 durch die erste Preps-Transaktion der Hypovereinsbank. Als Antwort auf diese Transaktion haben eine Reihe weiterer deutscher Banken ähnliche Produkte aufgelegt, und in diesem Jahr hat sich Merrill Lynch als erste amerikanische Investment-Bank mit dem "Puls"-Programm in den Markt gewagt. Dies ist einerseits überraschend, da die grundsätzliche Zielgruppe amerikanischer Invest-ment-Banken Großunternehmen sind. Gleichwohl unterstreicht dies die Attraktivität dieses Kundensegments für die strukturierenden Banken.

Die aktuell im Markt befindlichen Produkte sind in Tabelle 1 zusammenfassend dargestellt. Die Gesamtsumme des durch diese Transaktionen innerhalb von drei Jahren verbrieften Kapitals beträgt zirka 3,3 Milliarden Euro. Dies ist zwar noch immer weit entfernt von der zu Beginn des Jahres 2005 von der Hypovereinsbank geäußerten Schätzung, bis zum Jahr 2008 ein Marktvolumen von 15 Milliarden Euro zu bedienen (vergleiche Cavenagh 2005); dennoch zeigt sich, dass es sich hierbei nicht mehr nur um ein Randphänomen handelt.

Betrachtet man die einzelnen Programme, so fällt auf, dass sie sich zunächst durch das Volumen, die Losgrößen, Mindestumsatz sowie die Verzinsung des Kapitals unterscheiden. Volumen und Verzinsung sind dabei durch Schwankungen der Nachfrage nach Kapital sowie durch Veränderung der Risikoprämien im Zeitablauf zu erklären. Die grundsätzliche Differenzierung der Produkte erfolgt durch den avisierten Mindestumsatz und Restriktionen der Losgrößen. Grob untergliedern lassen sich die einzelnen Transaktionen damit in die Produkte, die auf den "gehobenen Mittelstand" abzielen, insbesondere Preps als Vorreiter, und solche, die auch kleinere Unternehmen ansprechen. Der originäre Mittelstand wird damit aufgrund seiner Größe zwar noch immer von den Platzhirschen verschmäht, jedoch ist ein Trend zur Bedienung kleinerer Losgrößen klar erkennbar.

Die Programme unterscheiden sich zusätzlich in einzelnen Vertragsklauseln, beispielsweise im Hinblick auf den Eintritt eines Ausfallszenarios, die aus Sicht der teilnehmenden Unternehmen im ungünstigen Fall eine negative ökonomische Wirkung entfalten können. Während die Preps- und Heat-Programme einen 90-tägigen Zahlungsverzug (plus 30 Tage Warte- und Informationsfrist) gewähren, bevor es zu einer gewinnmaximierenden Verwertung durch einen externen (Insolvenz-)Berater kommen kann, bieten andere Programme (zum Beispiel Equinotes) eine Frist von bis zu 180 Tagen an. Damit wird aber eine Scheidelinie für die Differenzierung zwischen Fremd- und Eigenkapital überschritten, die ausschlaggebend ist für die Refinanzierung am Kapitalmarkt sowie für die Eigenkapitalunterlegungssystematik von Basel II.

Attraktivität der Mezzanine- Finanzierung aus Unternehmenssicht

Im Rahmen einer explorativen Umfragestudie wurden 60 Teilnehmer der ersten Heat- und Preps-Transaktionen über die Vorzüge und Motive der Aufnahme von Mezzanine-Kapital befragt (Frölich 2006). Die Stärkung der wirtschaftlichen Eigenkapitalbasis wurde dabei als der signifikant wichtigste Grund für die Aufnahme identifiziert, gefolgt von einer Verbesserung des Unternehmensrating und der Vermeidung der Verwässerung unternehmerischer Kontrollrechte. Dies ist zu einem gewissen Grade überraschend, da eigentlich bekannt ist, dass Rating-Agenturen und Wirtschaftsprüfer verbriefte Genussrechte aufgrund der Endlichkeit der wirtschaftlichen Laufzeit bisher nur sehr eingeschränkt als bilanzielles Eigenkapital anerkennen (vergleiche auch Küting/Dürr 2005). Demgegenüber kann die begleitende Bank ohne weiteres die Anerkennung als ökonomisches Eigenkapital im Rahmen eigener Kreditentscheidungen gewähren. Hier entsteht neben dem unmittelbaren Zufluss nachrangiger Mittel der wesentliche Nutzen solcher Programme.

Gefragt nach der Zufriedenheit mit den gewählten Finanzierungslösungen, werden von den teilnehmenden Unternehmen drei Aspekte als besonders positiv herausgestellt. Von überragender Bedeutung ist die Flexibilität bei der Mittelverwendung, die unmittelbar aus der Nachrangigkeit der Genussscheine und dem Zurückbehalt der Kontrollrechte folgt. Allerdings muss hier qualifizierend angemerkt werden, dass eine Ratingabstufung im Regelfall die unmittelbare Einwirkung von außen über qualifizierte Berater auslöst und bei nachhaltiger Schlechtperformance zusätzlicher Druck auf die Unternehmensleitung durch die mögliche Veräußerung der Genussscheine beziehungsweise die Initiierung eines Insolvenzverfahrens ausgeübt werden kann. Weiterhin äußerten sich die Unternehmen in positiver Weise über die Laufzeit und die Losgröße der Finanzierung, wobei dieser Effekt jedoch ein Ergebnis der Selbstselektion ist, das heißt ein fehlender Fit in diesen Bereichen hätte wohl eine Programmteilnahme a priori verhindert.

Als vergleichsweise problematisch werden von den befragten Unternehmen die immer noch mangelnde Akzeptanz der Genussscheine als Eigenkapital durch andere Banken (vergleiche auch o.V.2005a/b) sowie die vertraglich festgeschriebenen Exit-Optionen angeführt. Es handelt sich daher um die weniger objektiven und im Vorfeld nicht eindeutig bestimmbaren Faktoren, die dennoch ein Spiegelbild der Pro-Argumente und Erwartungen der Unternehmen darstellen. Verbriefte Genussscheine erhöhen nur auf Basis eines Zugeständnisses der Counterparty das wirtschaftliche Eigenkapital, das beim Eintritt bestimmter Ereignisse auch nachträglich wieder zurückgezogen werden kann.

Bewertung der Entwicklungschancen des Marktes

Der Mezzanine-Markt hat mit der Insolvenz der Nici AG in der ersten Jahreshälfte erste Kratzer davongetragen. Betroffen waren insgesamt vier Mezzanine-Programme, darunter zwei Tranchen des Marktpioniers Preps. Dies alleine dokumentiert einen Nachholbedarf im Hinblick auf die Definition allgemeingültiger Mindeststandards für Transaktionsgestaltung und Informationsoffenlegung, zum Beispiel die zwingende Zustimmungspflicht der Alt-Investoren bei der Teilnahme an weiteren Mezzanine-Programmen.

Offensichtlich wurde in diesem Zusammenhang auch, dass nicht alle Programme eine ausreichende Risikostreuung aufweisen, da bei einem der Programme eine Rating-Abstufung nur durch den umgehenden Verkauf der nachrangigen Genussrechte vermieden werden konnte. Naheliegend wäre die Einführung einer einheitlichen Emissionsplattform, mit Hilfe derer der Markteintritt von myopisch handelnden Emittenten verhindert werden könnte, die fernab einer Strategie zur langfristigen Festigung des Marktes Reputationsverluste und hohe Ausfallquoten für sich (und den Gesamtmarkt) willentlich in Kauf nehmen (vergleiche Brockmann/Hommel 2006).

Es stellt sich auch die Frage, ob die wachsende Popularität der Mezzanine-Finanzierung zu einer Renaissance des Hausbankensystems führen kann (vergleiche unter anderem Brockmann/Hommel 2005, Hommel/Schneider 2004). Die Anerkennung von verbrieften Genussscheinen als wirtschaftliches Eigenkapital kann zwar als Hebel für die Erhöhung der Firmenkundenbindung genutzt werden. Dem steht jedoch gegenüber, dass sich aus dem Cross-Selling von Bankkrediten zwangsläufig Anreizprobleme ergeben, die die Glaubwürdigkeit des Finanzinstituts gegenüber ihren Mezzani-ne-Investoren beschädigen können. Es ist beispielsweise schwerlich vorstellbar, dass Banken als Investorenvertreter den Insolvenzantrag als "Bargaining Chip" konsequent einsetzen werden, wenn sie sich dadurch gleichzeitig als Gläubiger des Unternehmens ökonomisch überproportional stark beschädigen.

Folglich werden Bankinstitute entweder ihre Mezzanine-Programme primär mit Nichtkunden befüllen, das Investment-Management an Dritte delegieren oder durch risikovermeidende Screening-Kriterien den Eintritt eines Zielkonflikts präventiv zu verhindern versuchen. Jede dieser Vorgehensweisen wirkt einer Stärkung des Hausbankprinzips in elementarer Weise entgegen. Die wahrscheinlichste Variante ist hierbei, dass Genussscheinprogramme zur Kannibalisierung der Kundenportfolios anderer Banken herangezogen werden, unter Umständen verbunden mit der Hoffnung auf intertemporal verzögertes Cross-Selling weiterer Finanzdienstleistungen. Dass damit für potenziell teilnehmende Unternehmen ein Anreiz für myopisches "Cream Skimming" geschaffen wird, ist nur einer der unerwünschten Nebeneffekte.

Literaturverzeichnis

Brockmann, Malte/Hommel, Ulrich (2006): Exotische Genüsse: Verbrieftes Mezzanine-Kapital noch keine echte Finanzierungsalternative für den Mittelstand, Finance, Nr. 3, 2006.

Brockmann, Malte/Hommel, Ulrich: Jenseits des Kredits - Alternative Finanzierungsformen werden auch für Mittelständler attraktiv, Bankinformation, Nr. 12, 2005.

Cavenagh, Andrew (2005): A Model of Efficiency, International Securitisation Report, February 2005. Ernst & Young/EYLaw LutherMenold (2005): Wege zum Wachstum - Volkswirtschaftliche Impulse durch innovative Unternehmensfinanzierung, 2005, Frankfurt am Main.

Frölich, Lars (2006): Financing the German Mittelstand - Prospects and Limitations of Securitized Mezzanine Capital, Diplomarbeit (European Business School, Stiftungslehrstuhl für Unternehmensfinanzierung und Kapitalmärkte), 2006.

Hommel, Ulrich/Schneider, Hilmar (2004): Die Bedeutung der Hausbankbeziehung für die Finanzierung des Mittelstandes: Empirische Ergebnisse und Implikationen, Finanz Betrieb, Jahrgang 6, Nr. 9, 2004.

Hommel, Ulrich/Schneider, Hilmar (2003): Financing the German Mittelstand, EIB Papers, Vol. 8, No. 2, 2003.

Küting, Karlheinz/Dürr, Ulrike L. (2005): Mezzanine-Kapital - Finanzierungsentscheidung im Sog der Rechnungslegung, Der Betrieb, 58. Jahrgang, Heft 29, 2005.

o.V.(2006): Mezzanine-Programme deutscher Banken, Finance, http://www.peopleanddeals.de/file_ download/31.

o.V.(2005a): Deutsche Banken streiten über Mezzaninefinanzierungen, Deutsches Risk, Sommer, 2005.

o.V.(2005b): Der Streit um Mezzanine, Deutsches Risk, Herbst, 2005.

Reich, Hans W. (2005): Verbriefung und Beteiligungsfinanzierung - die nächste Runde, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 18-2005.

Prof. Dr. Ulrich Hommel , Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Hochschulfinanzierung , EBS Business School, EBS Universität für Wirtschaft & Recht, Wiesbaden
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