Aufsätze

Grundlegender Neuanfang nach gigantischer Vertrauenskrise

Die Krise an den Finanzmärkten ist weltweit in ihrem Kern eine gigantische Vertrauenskrise. Die Banken trauen sich gegenseitig nicht über den Weg, die lange ausgetrockneten Liquiditätsmärkte zeigen das deutlich. Viele Kunden der Banken haben Vertrauen in die Kompetenz und Seriosität ihres Bankpartners verloren. Sie sind zutiefst verunsichert, treffen kaum mehr Finanzentscheidungen und stellen sogar zunehmend die Zukunftsvorsorge ein.

Das ist nach einer durchaus mit 1929 vergleichbaren globalen Panik an den Finanzmärkten nicht verwunderlich, zumal die aktuelle Krise den Haushalten in den großen Industrieländern absolut und relativ um ein Mehrfaches höhere Verluste beschert hat als die vor 80 Jahren.

Interessenkonflikte zwischen Kunde und Bank

Die Folge ist, dass für die Kunden ihr Bankpartner immer unwichtiger wird und es diesen leichter fällt, sich aus dieser Beziehung zu lösen. Aktuelle Umfragen besagen, dass sieben von zehn Bundesbürgern im Zuge der Finanzkrise jegliches Vertrauen in die Banken eingebüßt haben. International zeigt das weithin anerkannte Edelman-Trust-Barometer für insgesamt 20 Länder, dass Banken - zusammen mit Versicherungen - am Ende der Vertrauensskala stehen. Das trifft sogar Banken, die für die Finanzmarktkrise nun wirklich nicht verantwortlich sind, wie etwa stark lokal verankerte Banken. Auch bei diesen ist das Vertrauenskapital zwar weniger, aber doch deutlich geschrumpft.

Es wäre allerdings falsch, für den Vertrauensverlust nur die Krise verantwortlich zu machen. Tatsache ist, dass dadurch der Prozess lediglich beschleunigt wurde, denn das Kundenvertrauen ist über viele Jahre erodiert. Schon vor der Krise hat nur noch ein Viertel der Westeuropäer geglaubt, dass Banken im besten Interesse ihrer Kunden handeln.

Im Brennpunkt stehen damit die zentralen Interessenkonflikte zwischen Kunde und Bank, die seit der Krise - und das ist neu mit hohem Zynismus öffentlich aufs Korn genommen werden. Die Kunden werfen ihrem Bankpartner vor, dass er den Geschäftserfolg über das Kundenwohl stellt und

- das Kundenvertrauen missbraucht, indem er sich mit aggressivem Produktverkauf die Taschen füllt,

- den Berater zum primären Interessenvertreter der Bank gemacht hat und nicht zum Diener zweier Herren,

- die Kunden zu risikoreichen Geschäften ermuntert, ohne die Risiken einer Anlage genügend transparent zu machen.

Kritik ernst nehmen

Diese Kritik muss man ernst nehmen, auch wenn sie in weiten Teilen überzogen erscheint. Die größte Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Partnerschaft von Bank und Kunde gibt es demnach auf drei Gebieten:

In der Krise haben alle in Geldangelegenheiten viel mehr Unsicherheit, Ängste und Sorgen erlebt, als in normalen Zeiten. Geld berührt fast jeden Aspekt des Lebens. Wenn dramatisches mit dem eigenen Geld geschieht, geschieht dramatisches im Leben. An erster Stelle steht deshalb das Thema Sicherheit: Wie sicher ist mein Geld bei der Bank? Wickelt die Bank meine Geldgeschäfte sicher ab? Sind die Produkte sicher? Die aktuell immer zahlreicher werdenden Klagen gegen Finanzdienstleister wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Falschberatung scheinen das zu belegen.

Vor der Krise haben viele Kunden darauf vertraut, dass der Staat schon auf alles schauen und der Bankberater rechtzeitig Bescheid sagen wird, wenn etwas im Busch ist. Diese Erwartung hat getrogen, an zweiter Stelle stehen deshalb Fragen zur Haltung und Ethik der Bank: Werde ich als Kunde ehrlich beraten? Sind die Produkte verständlich? Halten sie, was sie versprechen? Sind die Konditionen der Produkte für mich erkennbar und nachvollziehbar?

Für viele Bankberater ist die Finanz- und Wirtschaftskrise die härteste Zeit ihrer bisherigen Berufslaufbahn. Ungezählte haben sich die Identitätsfrage gestellt. Mancher wird auch mal selbst in Panik geraten sein - wohl wissend, dass das Letzte, was ein Kunde an Krisentagen braucht, ein zittriges Beraterhändchen ist. Deshalb steht auch die Beziehung zwischen Kunde und Berater, also die Kundenorientierung der Bank, im Blickpunkt: Sind Ziele und Bedarf des Kunden die Grundlage von Beratung und Produktangebot? Steht der Berater dem Kunden auch in schwierigen Situationen zur Seite? Hat der Kunde einen persönlichen Berater, und wie viel Zeit nimmt sich dieser?

Das sind kritische Fragen und Themen, die belegen, dass es für die Banken eine riesige Herausforderung ist, das Vertrauen der Kunden und der Öffentlichkeit wieder zurückzugewinnen und die Kundenbeziehungen neu zu beleben.

Vertrauen zu bilden ist wie Klettern in der Steilwand: ein falscher Schritt - und das wars dann. Jahrelanger Reputationsaufbau kann durch ein einziges Ereignis zerstört werden. Aber wie Kletterer sich mit Haken, Karabiner und Seilen sichern, können Banken das Vertrauen systematisch schützen und sorgsam damit umgehen. Entscheidend für die Zurückgewinnung des Vertrauens sind dabei: Erstens, ehrliche Aufklärung darüber, was schief gelaufen ist - verbunden mit der klaren Botschaft "wir haben verstanden". Zweitens, ein wirklicher Neuanfang, der glaubwürdig, transparent und konsequent durchgezogen wird.

Ansatzpunkte zur Erneuerung des Vertrauens

Ein fataler Irrtum wäre es, wenn die Banken darauf setzen würden, dass mit der nun allmählich wieder wachsenden Zuversicht in die wirtschaftliche Erholung auch das Vertrauen quasi automatisch wieder zunimmt. Es wird Jahre dauern, bis sich das Vertrauenskonto wieder füllt - und auch jetzt kann noch weiteres Vertrauenskapital verloren gehen, denn 2010 wird ein schwieriges Jahr. Wenn die Wirtschaftskrise den Tiefpunkt hinter sich hat und es langsam wieder aufwärts geht, sind erfahrungsgemäß viele Unternehmen knapp an Liquidität und gehen kurz vor dem Aufschwung doch noch in die Knie. Das kann das Vertrauen in das Finanzsystem zusätzlich belasten, weil in der Öffentlichkeit der Eindruck zunimmt, dass die Banken mit Staatsgeldern gerettet wurden, aber sich bei der Kreditversorgung der Wirtschaft verweigern. Die zunehmenden Klagen von Vertretern der Wirtschaft und die Äußerungen von Politikern zum Thema "Kreditklemme" belegen diese Gefahr sehr deutlich.

Die zusätzlichen Regulierungen werden diese Tendenzen noch verstärken. Restriktive Rahmenbedingungen haben nun einmal massive Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Stärkere Puffer für Eigenkapital und Liquidität sowie höhere Risikostandards, werden die Bankbilanzen säubern, umgekehrt aber auch zwangsläufig den Bankkredit knapper und teurer machen.

Zweifellos braucht es als Antwort auf die Krise eine bessere Regulierung. Ein lückenloser Zugriff auf die Welt der Schattenbanken, wie Hedge-Funds und Private-Equity-Firmen ist ebenso unumgänglich wie eine stärkere Fokussierung der Aufseher auf das Finanzsystem als Ganzes. Regulierung muss mehr die systemischen Risiken und die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen im Blick haben - statt vorrangig auf die Qualität der Exekution durch das Bankmanagement zu achten. Ob ein solcher neuer Ansatz das Vertrauen in das Finanzsystem wieder herstellen kann, lässt sich derzeit schwer beantworten. Zu sehr war die Regulierung nicht nur Teil der Lösung, sondern auch Teil des Problems.

Vor diesem Hintergrund steht fest, die Banken selbst müssen das Heft in die Hand nehmen, um den Vertrauensschaden zu reparieren - auch wenn das ein langsamer und schmerzhafter Prozess sein wird. Dabei wäre es geradezu lächerlich zu glauben, dass höhere Marketingetats und mehr Anzeigen oder Werbefilmchen ausreichen würden, um dieses Problem zu lösen. Nötig sind Transparenz, offene Kommunikation und eine maßvolle Managementvergütung, ebenso gute und verstehbare Produkte sowie Fairness gegenüber und Hinwendung zu Kunden, Mitarbeitern und Öffentlichkeit.

Beziehung zwischen Kunde und Bank neu beleben

Wenn verlässliche Strukturen wegbrechen und alles im Wandel ist, suchen Menschen Halt in persönlichen Beziehungen. Die Institution "Bank" kann dann nur über den persönlichen Kontakt ihrer Mitarbeiter zu den Kunden um neues Vertrauen werben und nicht ein letztlich anonymer Apparat. Diese wichtige Beziehung zwischen Kunde und Bank ist im Laufe der Zeit jedoch immer lockerer und konfliktreicher geworden:

- Das Vermögen der Kunden wurde weniger in klassischen Einlagen, sondern zunehmend in Kapitalmarktprodukten angelegt. Diese wiederum hatten häufig den Charakter einer komplizierten Wette, die oftmals die Kunden und manchmal sogar die Bankberater nicht verstanden haben trotzdem wurden sie massenhaft verkauft. Die Folge: Überproportional steigende Provisionseinnahmen der Banken und spürbare Mehrarbeit für Gerichte, die von enttäuschten Bankkunden angerufen werden.

- Die Banken haben sich in den vergangenen Jahren auf einen immer härteren Preiskampf eingelassen. Auf der Strecke blieb dabei das Beratungsgespräch. Insbesondere im Alltagsgeschäft und im Onlinebanking ging es nahezu ausschließlich um Produktverkauf, der zudem durch Preisanreize vorangetrieben wurde. Die Folge: Zwei Drittel der Kunde-Bank-Kontakte laufen mittlerweile über Internet oder Telefon und mehr als die Hälfte der deutschen Bankkunden sind nach einem Filialbesuch unzufrieden.

- Alles in allem sind die Bankkunden wenn nicht misstrauischer so doch zumindest unsicher geworden, ob sie von ihrem Berater tatsächlich einen unabhängigen Rat bekommen oder ihnen nur ein Produkt verkauft wird, bei dem die Interessen der Bank im Vordergrund stehen. Die Folge: Eine immer niedrigere Kundenbindung hat stetig Vertrauenskapital der Banken verzehrt bis davon dann in der Krise noch einmal ein großes Stück vernichtet wurde.

- Dies hat dazu geführt, dass die Deutschen in Finanzangelegenheiten zu allererst auf Familienangehörige, Freunde und Arbeitskollegen hören und mit großem Abstand dann erst auf den Bank- oder Finanzberater. Die deprimierende Konsequenz: Zwischen 50 und 80 Prozent der Verbraucher in Deutschland lösen laut EU-Kommission ihre Langfrist-Ersparnisse vorzeitig auf, weil sie den Eindruck gewonnen haben, beim Produktkauf falsch beraten worden zu sein. Der Schaden: 20 bis 30 Milliarden Euro jährlich.

Banken sind Unternehmen mit einer einzigen elementaren Geschäftsgrundlage, dem Vertrauen. Es ist der zentrale Kern jeder Bankmarke - ohne Vertrauen ist die Marke hohl. Verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, erfordert nun, die Beziehung zwischen Kunde und Bank neu zu beleben. Zwangsläufig rückt damit der Kundenberater in den Mittelpunkt der Reformanstrengungen der Bank und das in zweifacher Hinsicht. Erstens, Grundlage der Beziehung zwischen Kunde und Berater muss eine erneuerte Berufsethik des Bankberaters sein. Zweitens, die auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Beratungsansätze müssen für die Kunden klar und deutlich zu unterscheiden sein.

Neue Berufsethik in der Bankberatung

Nur auf den ersten Blick mag es unangemessen erscheinen, dabei eine Parallele zur Berufsethik des Arztes zu ziehen. Natürlich ist es ein Unterschied, ob es um die Gesundheit eines Menschen oder um Sicherung und Aufbau seines Vermögens geht. Aber für seine Zukunft ist sowohl das eine, als auch das andere von entscheidender Bedeutung.

Die im hippokratischen Eid und den modernen Alternativen formulierten Normen für den Arzt zum mitmenschlichen, vernünftigen Verhalten im besten Interesse des Patienten sind die Basis der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. In letzter Konsequenz würde eine solche Ethik für den Bankberater bedeuten, sich vorrangig darauf zu konzentrieren, seinen Kunden vor einem finanziellen Schaden zu bewahren. Das ist bei Entscheidungen, die manchmal Jahrzehnte in die Zukunft reichen, kaum ein Ziel, das man seriös versprechen kann. Trotzdem hat es weitreichende Konsequenzen für das Selbstverständnis und die tägliche Arbeit des Bankberaters (nebenbei: Auch ein Arzt kann seinen Patienten Gesundheit nicht garantieren).

Komplexität der Anlagemöglichkeiten reduzieren

Zuallererst fordert diese Ethik, ausschließlich im Interesse des Kunden zu handeln, für ihn die Komplexität der Anlagemöglichkeiten zu reduzieren und ihm die Angst vor den teils gravierenden Unsicherheiten seiner persönlichen Finanzdispositionen zu nehmen. Ehrlichkeit im Umgang mit den Kunden, Transparenz bei Risiken und Kosten einer Anlage sowie ein realistisches Erwartungsmanagement sind weitere wichtige Elemente dieser neuen Berufsethik. Interessenkonflikte sollten vermieden und im Zweifel im Kundeninteresse gelöst werden.

Klar ist: Ethisches Verhalten wird sich nur durchsetzen, wenn es vom Kunden auch belohnt wird - zum Beispiel durch Kundentreue. Wer dazu Ja sagt, muss allerdings auch den Beruf des Bankberaters deutlich aufwerten. Es ist unmittelbar einsichtig, dass ein Berater als weitgehend einflussloser Vertriebsarm mächtiger Produzenten diesem Anspruch nicht genügt. So wie er zu Kunden Nein sagen kann, muss er das auch gegenüber seinen Produktlieferanten sagen können. Das aber fällt aus objektiven Gründen ausgesprochen schwer, wenn solches Handeln nicht ausdrücklich Teil der gesamten Unternehmenskultur eines Hauses ist.

Beratungsmodelle klar voneinander abgrenzen

Subjektiv fällt das genauso schwer, wenn das persönliche Wohlergehen des Beraters, sein Gehalt und seine Tantieme, nur daran gemessen werden, wie viel Ertrag er gemacht und wie er die Vorgaben für Produktverkäufe erfüllt hat. Anders gesagt, es muss sich für den Berater lohnen, ebenso zufriedene wie loyale Kunden zu haben und neues Vertrauenskapital für die Bank aufzubauen. Im Ergebnis würde die Umsetzung eines aus dieser Ethik abgeleiteten Geschäftsmodells also bedeuten, den Wettbewerb in der Finanzberatung über den nachhaltigen Kundennutzen aufzunehmen.

Ein solches Geschäftsmodell wird kein Finanzdienstleister über Nacht und mit einem Anspruch auf Ausschließlichkeit einführen. Wahrscheinlich wäre das Risiko angesichts so manches in der Vergangenheit gescheiterten bedarfsorientierten Beratungskonzepts tatsächlich zu hoch. Dennoch wäre es ein interessanter Ansatz für eine Neupositionierung im Geschäft mit privaten Kunden. Nicht zuletzt durch die schlimmen Erfahrungen aus den beiden vergangenen Finanzkrisen hat sich die Haltung der Kunden hinsichtlich einer unabhängigen Finanzberatung doch gewandelt.

Immerhin ein Viertel der Deutschen denkt heute, dass eine Beratung gegen Honorar besser zur Bank passt als der traditionelle Produktverkauf - und dieses Viertel ist eine durchaus interessante Zielgruppe aus jüngeren, gut informierten und vermögenden Menschen. Es gehört also nicht viel Mut dazu, vorherzusagen, dass bis 2015 eine Reihe von Banken die unabhängige Beratung gegen Honorar im Angebot haben werden - zusätzlich zu einer individuellen Bedarfsberatung und der herkömmlichen Produktberatung. Ebenso wahrscheinlich ist, dass die Kundenzahl sich absolut auch in fünf Jahren in einem überschaubaren Rahmen halten wird - obwohl die unabhängige Beratung dynamisch wachsen wird.

Vieles spricht im Übrigen dafür, dass neben Herausforderern wie unabhängigen Fi-nanzberatungs-Unternehmen und fokussierten Anlagebanken auch große Flächenorganisationen nicht zurückstehen wollen. Zuvorderst gilt das für die individuelle Bedarfsberatung, die heute vom Einsteigermodell in das Private Banking für Besserverdienende bis zum hochwertigen Wealth Management für Millionenvermögen reicht. Gerade in diesen besonders attraktiven Geschäften schlug die Krise nach einer langen Schönwetterperiode hart ein. Zusätzlich zu dramatischen Margen- und Volumensverlusten mussten viele Institute auch noch eine sichtbare Beschädigung ihrer Reputation als Vertrauenspartner ihrer Vermögenskunden hinnehmen. Vor allem die Qualität der individuellen Bedarfsberatung wird infrage gestellt - und eine klare Kehrtwende gefordert.

Interessen der vermögenden Kundschaft wahrnehmen

Um das Geschäftsmodell im Private Banking und im Wealth Management zukunftssicher zu machen, müssen die Banken viel stärker die Interessen ihrer vermögenden Kundschaft wahrnehmen und für diese wieder den Nutzen schaffen, der im Dunst der Produkteflut immer weniger sichtbar war. Chancen für eine ehrlich gemeinte und überzeugend umgesetzte Neuausrichtung sind genügend vorhanden - und sollten in einem wieder verbesserten Marktumfeld zügig wahrgenommen werden: Die klar kommunizierte Einführung der ganzheitlichen unabhängigen Beratung gehört ebenso dazu wie die separate Bepreisung von Beratung einerseits und Transaktion andererseits sowie eine überzeugende und verstehbare Produktewelt. Kern dieses Beratungsmodells ist ein bedarfsorientiertes Finanz- und Anlagekonzept auf der Basis eines professionellen Planungsansatzes. Seine Umsetzung, also der Kauf und Verkauf von Produkten, ist nachgelagert und im Idealfall sogar organisatorisch getrennt, um Interessenkonflikte strikt zu vermeiden.

Daneben wird es auch künftig die herkömmliche Bankberatung geben, die im Wesentlichen über Produkte informiert. Diese wird 80 bis 90 Prozent aller Beratungssituationen ausmachen und damit auch auf längere Sicht das Massengeschäft der Banken sein. Den Kunden muss jedoch klar sein, dass bei dieser Beratung auch Interessen der Bank verfolgt werden. Das ist nicht per se schlecht, dennoch aber eine eingeschränkte Beratung, die zum Beispiel in Großbritannien strikt als solche gekennzeichnet werden muss.

Wechsel der Prozessmuster im Mengengeschäft

Im Mengengeschäft können die Banken Vertrauen und Loyalität zurückgewinnen, wenn sie schrittweise von Produkt-"push" auf Kunden-"pull" umstellen. Das heißt: Der Berater drückt seine Produkte nicht den Kunden auf, sondern diese werden von den Kunden am Ende eines Beratungsgesprächs gekauft. Damit rutscht das Produkt gewissermaßen vom Anfang an das Ende der Kette. Es kommt erst ins Spiel, wenn klar ist, was der Kunden will.

Das wird nicht von heute auf morgen gelingen, denn es erfordert nicht weniger als einen kompletten Wechsel der Prozessmuster im Mengengeschäft. Aus einem Transaktionsgeschäft wird eine echte Beziehung, aus dem Standardprodukt eine Dienstleistung, in die der Kunde als aktiver Verbraucher wieder stärker einbezogen ist. Warum sollte im Bankgeschäft - auch wenn es nur um kleinere Beträge geht das nicht möglich sein, was in Deutschland in unserer Paradeindustrie, der Autoindustrie, möglich ist? Wenn Autos auf den individuellen Geschmack des Kunden hin personalisiert werden können, sollte es mit Hilfe moderner Technologie im nächsten Jahrzehnt auch zu auskömmlichen Margen machbar sein, dass Bankdienstleistungen genauso individuell modular zusammengebaut werden.

Mit einer für die Kunden deutlich erkennbaren Abgrenzung dieser Beratungsmodelle und einer offenen und ehrlichen Kommunikation der unterschiedlichen Leistungen der Beratungsalternativen wird nicht nur Vertrauen zurückgewonnen, sondern damit lassen sich auch zusätzliche Marktpotenziale erschließen. Es wird interessant sein, zu beobachten, welches Institut sich entschließt, die Krise als die große Chance für eine grundlegende Erneuerung im Privatkundengeschäft zu nutzen und hier als Pionier voranzugehen.

Der "Thron" für einen solchen Neuanfang ist noch unbesetzt: Für eine Bank, die bescheiden und ohne Dünkel daherkommt; die so kommuniziert, dass es jeder verstehen kann; die den Kunden tatsächlich nach vorne stellt und nicht nur in den Hochglanzbroschüren; die eine neue Berufsethik in der Bankberatung lebt; die transparent ist, und das auch bei den Preisen; die Fairness und Partnerschaftlichkeit voranstellt, weil sie Interessenkonflikte mit ihren Kunden konsequent zu vermeiden sucht - und die mit langfristig gebundenen und loyalen Kunden auch noch eine faire Rendite für ihre Aktionäre erwirtschaftet.

Keine Rückkehr zu alten Zeiten

Was auch immer die Zukunft bringen wird, auf keinen Fall jedoch eine Rückkehr zu alten Zeiten. Der durch die beiden jüngsten Finanzkrisen beschleunigte Vertrauensverlust der Banken bei ihren Kunden und in der Gesellschaft, die strengeren Regulierungen der Aufsichtsbehörden und der wachsende Druck durch neue Wettbewerber zwingen die Banken dazu, ihre Geschäftsstrategie und ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Dabei wird der Heimatmarkt eine strategisch wichtigere Rolle spielen als in der Vergangenheit, was nicht ohne Folgen für Wettbewerb und Rendite bleiben wird.

In der Vergangenheit haben führende Anbieter bewiesen, dass das Geschäft mit privaten Kunden außerordentlich rentabel sein kann. Die veränderten Rahmenbedingungen werden zweifelsohne Renditepunkte kosten, ebenso wie die Neupositionierung dieses Geschäftszweigs. Aber eine etwas geringere Rentabilität ist bei Weitem besser zu verkraften als ein anhaltender Verlust an Vertrauenskapital und eine fortschreitende Erosion der Kundenbasis.

Dr. Herbert Walter , Beiratsmitglied , FondsFinanz
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