Aufsätze

Die Krise des staatlichen Geldes

Die Ursachen der internationalen Kreditkrise, die im Sommer 2007 ihren Ausgangspunkt im amerikanischen Markt für qualitativ geringwertige Hypotheken (Subprime) genommen hat, werden dem "Versagen" der freien (Kapital-)Märkte zugesprochen: Gewinngier, Risikoignoranz und Kreditspekulation der Finanzmarktakteure hätten, so ist vielfach zu hören, das globale Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs geführt, und nur das "beherzte" Eingreifen der staatlichen Zentralbanken hätte Schlimmeres verhindert. Um künftigen Krisen vorzubeugen, sollen nun Marktinterventionen der Regierungen wie zum Beispiel eine striktere Finanzmarktaufsicht, das Erhöhen von Eigenkapitalvorschriften und das Eingrenzen von Risikopositionen bei Finanzinstituten verschärft werden.

Grundlagen der heutigen Geldordnung

Bei genauer Analyse erscheinen jedoch die Diagnose der Krisenursachen und die aus ihr abgeleiteten Empfehlungen fragwürdig. Denn die allseits beklagten Entwicklungen scheinen im Kern das Ergebnis einer de facto planwirtschaftlich verfassten Geldordnung zu sein, bei der das Kredit- und Geldangebot von staatlichen Zentralbanken bereitgestellt wird, und in der staatliche Regulierungen das (Umgehungs-) Verhalten von institutionellen Finanzmarktakteuren maßgeblich beeinflussen. Vor diesem Hintergrund müssen daher auch die jüngsten Reform- und Präventionsvorschläge zweifelhaft erscheinen ja, sie könnten Konsequenzen nach sich ziehen, die alles andere als wünschenswert sind: die Erosion der freiheitlichen Gesellschaftsordnung.

Eine solche Schlussfolgerung drängt sich auf, wenn die Grundlagen der heutigen Geldordnung näher betrachtet werden. Über Jahrhunderte und Kulturen hinweg sah man Gold, zuweilen auch Silber, als das beste Geld an. Quantität und Qualität des Geldes waren das Resultat von Angebot von und Nachfrage nach Geld. Das freie Marktgeld war immun gegenüber staatlichen Manipulationen des Geldwertes, die, wie sich später zeigen sollte, immer wieder zu monetär bedingten Konjunkturschwankungen, Inflation und politischen und sozialen Krisen führten.

Der Goldstandard stand quasi für ein "Weltgeld", er brachte eine überaus hohe Integration des Welthandels und der Weltfinanzmärkte mit sich. Erst mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 ging die Phase des Goldstandards jäh zu Ende. Man ging vom Golde ab, doch nicht etwa weil es nicht funktioniert hätte, sondern weil wertbeständiges Geld der Finanzierung der Kriegsführung, für die Enteignung in größtem Stil notwendig war, im Wege stand. Mit der Ausbreitung sozialistischer Ideologien in der Nachkriegszeit war eine Rückkehr zu einem Goldgeld politisch unerwünscht. So mussten auch alle Versuche, den Goldstandard wiederzubeleben, scheitern.

Bretton Woods - halbherziger Versuch zur Wiederbelebung des Goldstandards

Das System von Bretton Woods, das das internationale Währungssystem für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Ordnung bringen sollte, war nur ein halbherziger Versuch, den Goldstandard wiederzubeleben. Mit dem Ende der Eintauschpflicht des US-Dollar in Gold am 15. August 1971 wurden die letzten Überbleibsel des Goldstandards beseitigt, und die Epoche des Papiergeldes brach an. Das Papiergeld brachte unerträglich hohe Inflation zu Beginn der siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die inakzeptabel hohen Kosten der Geldentwertung zwangen zum Umdenken: Den Regierungen wurde der Zugriff auf die Notenpresse entzogen, und die Zentralbanken wurden "politisch unabhängig". Dies sollte helfen, das Ziel niedriger Inflation zu erreichen.

Doch die Reformanstrengungen konnten den zentralen Konstruktionsfehler des staatlichen Papiergeldes nicht beheben: Die Zentralbanken als Monopolanbieter des Geldes stehen einer unüberwindbaren Wissenshürde gegenüber. Wie viel Geld und Kredit eine Volkswirtschaft braucht, und wie hoch der "richtige" Zins sein muss, sind Fragen, deren Antworten unbekannt sind. In einem freien Marktsystem werden die Antworten durch Angebot von und Nachfrage auf dem Geldmarkt gegeben. Ein Staatsgeldsystem ist hingegen der Wissen schaffenden Kräfte des freien Marktes beraubt.

Die Wissenslücke muss geschlossen werden, durch (wohlmeinende) Ideologien, (vermeintlich) fundierten wissenschaftlichen Rat, oder aber durch eine von Interessengruppen geleitete Politik. Welche dieser Faktoren letztlich auch immer dominieren mag: Mittlerweile ist es zur ökonomischen Mehrheitsmeinung geworden, dass die Geldordnung in die Staatshand gehört und dass eine Geldpolitik, die den Zins so niedrig wie möglich hält, und die auf diese Weise die Kredit- und Geldmengen immer weiter anwachsen lässt, förderlich für Investitionen, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum ist.

Störanfällig durch steigende Schuldenlasten

Das de facto beliebige Ausweiten der Geldmenge, wenn es sein muss abgekoppelt von der realwirtschaftlichen Leistung der Volkswirtschaften, sät jedoch die Saat für Konjunkturkrisen, so die Lehre der "Österreichischen Schule" der Ökonomik. Das erhöhte Geldangebot, so die Österreicher, verzerrt die relativen Preise, führt zu Fehlinvestitionen auf breiter Front (Cluster of Errors) und provoziert "Boom-and-Bust"-Zyklen. Zeichnen sich Produktions- und Arbeitsplatzverluste ab, so wird öffentlich nach weiteren Zinssenkungen gerufen, um eine Konjunkturkrise "abzuwehren". Zentralbanken geben früher oder später dem politischen Druck nach, senken die Zinsen und weiten die Kredit- und Geldmengen aus. Der Abschwung kann so zwar meist abgewehrt werden, dies jedoch zum Preis eines künftigen (noch stärkeren) Abschwungs.

Vor allem aber führt eine Geldpolitik des Niedrigzinses zu einer immer weiter anwachsenden Verschuldung der Volkswirtschaften. Denn Geld wird im Papiergeldsystem durch die Kreditgewährung der Banken quasi "aus dem Nichts geschöpft". Und weil die Zentralbanken die Kreditmengen stärker erhöhen, als die Einkommen der Volkswirtschaften zunehmen, steigen die Verschuldungslasten im Zeitablauf an und machen die Volkswirtschaften zusehends störungsanfälliger. Schon relativ kleine Produktions- und Beschäftigungsverluste können die Kreditpyramide ins Wanken bringen. Drohen verschuldete Gruppen unter ihrer Zinslast Bankrott zu gehen, werden Zentralbanken öffentlich aufgefordert, die Zinsen zu senken, um Arbeitsplatzverluste zu verhindern. Die künftigen Kosten eines weiteren Ausweitens des Kredit- und Geldmengenangebots durch Zinssenkungen werden den unmittelbaren Kosten, die aus dem "Bereinigungsprozess" in Form eines Konjunkturabschwungs erwachsen, vorgezogen.

Für diese polit-ökonomisch zu erklärenden Entwicklungen erweist sich vor allem das Teilreserven-System des Bankenapparates (Fractional Reserve Banking) als bedeutsam. Denn Banken brauchen qua staatlicher Duldung lediglich einen geringen Teil ihrer unmittelbaren Zahlungsverpflichtungen in Form von Zentralbankgeld zu halten. Folglich unterliegt das Banksystem latent dem Risiko eines "Bank Run": Verluste einer Bank, insbesondere eine Pleite einer "großen" Bank, können sich leicht zu einer allgemeinen Vertrauenskrise auswachsen - mit weitreichenden wirtschaftlichen und politischen Folgen. (Drohende) Verluste im Teilreserven-Banksystem ziehen daher unweigerlich weitreichende Staatsinterventionen nach sich - so auch im Zuge der jüngsten Kreditkrise. Um den Bankensektor vor (Bewertungs-) Verlusten - oder gar vor dem Zusammenbruch - zu bewahren, haben einige Zentralbanken begonnen, den Banken Risikoaktiva (auf Zeit) abzunehmen und ihnen im Gegenzug risikolose Wertpapiere und/oder Zentralbankgeld bereitzustellen. Einige Regierungen haben auch bereits das Geld der Steuerzahler verwendet, damit Banken nicht unter ihren Verbindlichkeiten zusammenbrechen. Wie immer auch die staatlichen "Rettungsmaßnahmen" im Detail aussehen mögen, sie laufen allesamt auf ein Kollektivieren der Bankverluste durch offene oder verdeckte Besteuerung, einschließlich der "Inflationssteuer", hinaus.

Gefahr von Fehlallokationen

Ein Herumkurieren an den Symptomen in Form von vermehrtem Regulieren wird das zugrunde liegende Problem der Konjunktur- und Finanzkrisen - die de facto beliebige Kredit- und Geldmengenausweitung im staatlichen Papiergeldsystem - nicht beseitigen. Vielmehr scheinen durch vermehrte Staatsinterventionen die wenigen noch verbliebenen disziplinierenden Marktelemente noch weiter zurückgedrängt zu werden. Das Geld- und Finanzsystem wird so zusehends dem staatlichen Dirigismus unterworfen, eine Entwicklung, die sich im Extremfall sogar zu einer (Voll-)Verstaatlichung auswachsen kann.

Doch allein schon das zunehmende Beherrschen des Finanz- und Kapitalmarktes durch den Staat dürfte - und dies lehrt die Vergangenheit unmissverständlich - die produktiven Kräfte der Volkswirtschaften schädigen. Die Spielräume für Investoren, ertragreiche Risiken einzugehen, werden geschmälert. Kreditnehmern wird es erschwert, Kredite und Risikokapital zu niedrigen Kosten zu erhalten. Letztlich werden so die Potenziale für Investition, Beschäftigung und Wachstum reduziert. Befehlswirtschaftliche Züge in der Geld- und Kapitalmarktordnung bergen die Gefahr von Fehlallokationen und verschärfen letztlich, weil Ausweichreaktionen für Geldhalter stark eingeschränkt werden, die Gefahr der Inflationspolitik zur Entwertung der aufgelaufenen Schulden herauf.

Privatisieren der Geldordnung?

Verlässliches und gutes Geld ist unverzichtbar für eine freiheitlich verfasste Gesellschaftsordnung. Eine Rückkehr zu gutem Geld wäre leicht möglich; sie ist letztlich eine gesellschaftliche Willensentscheidung. Der erste Schritt bestünde etwa darin, die nationale Geldmenge mit einem festen Umtauschverhältnis an das Gold zu binden, das noch in den Kellern der nationalen Zentralbanken lagert, und gleichzeitig den Geldhaltern das Recht einzuräumen, ihre Bankguthaben jederzeit in Gold umtauschen zu können.

In einem zweiten Schritt könnte das Geldsystem privatisiert und in ein System des "Free Banking" entlassen werden. Banken könnten wie bisher ihre Geschäftsaktivitäten verfolgen. Lediglich ihre Kreditgewährung würde die Geldmenge nicht mehr verändern können. Denn vermutlich würde das Privatisieren des Geldsystems ein Geld hervorbringen, das durch Gold oder Silber (oder beides - "Bimetallismus"), nicht aber beliebig vermehrbares Papier gedeckt ist.

Das Privatisieren der Geldordnung würde das Geld wieder zu dem machen, was es war, bevor sich die Regierungen die Hoheit über die Notenpresse aneigneten: eine Institution des freien Marktes. Gegenüber dem Status quo verspricht das freie Marktgeld viele Vorteile. So würden Konjunkturverläufe weniger schwankungsanfällig, weil freies Marktgeld Fehlinvestitionen und damit Wirtschaftskrisen entgegenwirkt. Der Spielraum für wachstumsschädliche Marktinterventionen, die regelmäßig aus Wirtschafts- und Finanzkrisen erwachsen, würde zurückgedrängt. Damit würde auch die Bedrohung der Freiheit, die latente Gefahr monetärer Planwirtschaft, entschärft.

Die jüngste Kreditkrise sollte aufhorchen lassen. Denn ökonomisch und ethisch lässt sich das staatliche Papiergeldsystem in der Tat kaum überzeugend rechtfertigen. Seine zweifelhafte Erfolgsgeschichte fordert geradezu auf, nach besseren Lösungen zu suchen, um Wohlstand zu erhalten. Freies Marktgeld ist unabdingbarer Baustein gesellschaftlicher Freiheit. In diesem Sinne schrieb Ludwig von Mises (1881 bis 1973), einer der wohl bedeutendsten liberalen Denker des 20. Jahrhunderts: "Die Goldwährung macht die Gestaltung der Kaufkraft von dem Einfluss der Politik und der schwankenden wirtschaftspolitischen Anschauungen wechselnder politischer Majoritäten unabhängig. Das ist ihr Vorzug."

Dr. Thorsten Polleit , Chefvolkswirt , Degussa Goldhandel GmbH, Frankfurt am Main
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