Aufsätze

Objektfinanzierung am Beispiel einer ratingkonformen Beleihung

Die Finanzierung von Objekten, oft, aber nicht zwangsläufig, in Verbindung mit einer Liegenschaft, gehört zu den elementaren Tätigkeitsgebieten für Kreditinstitute. Daher haben sich schon sehr früh Regeln für die Dimensionierung und Bepreisung von entsprechenden Fremdfinanzierungen herausgebildet, die im Zeitverlauf kaum größeren Revisionen unterzogen wurden.

Value at Risk

Indessen sind für das gesamte Kreditgewerbe in den letzten anderthalb Jahrzehnten gravierende Veränderungen zu beobachten, die teils durch das Aufkommen der modernen Informationsverarbeitung und ihren Einsatz an den Kapitalmärkten sowie teils durch die Entstehung eines internationalen Regelwerks, das heute üblicherweise mit der Stadt Basel und einer zugehörigen römischen Ziffer betitelt wird, gefördert wurden.

Trotz einer großen Bandbreite von theoretischen Ansätzen und Umsetzungsvorschlägen hat sich dabei bis heute eine Grundidee durchgesetzt, die ungeachtet einer Vielzahl von (oft berechtigten) Kritikpunkten die Beurteilung von Fremdfinanzierungen bestimmt. Diese Beurteilung, gemäß dem internationalen Jargon durchweg "Rating" genannt, orientiert sich an der Wahrscheinlichkeit, dass ein Kredit nicht vereinbarungsgemäß bedient werden kann, also der "Probability of Default" oder kurz "PD". Bei bestehenden Finanzierungen korrespondiert diese Größe direkt mit einer jeweiligen Ratingnote, die für die Bepreisung entsprechender Fremdkapitaltitel grundlegende Bedeutung hat. Bei Neu-, Erweiterungs- oder Anschlussfinanzierungen kann derselbe Weg eingeschlagen und für ein gewünschtes Finanzierungsvolumen das PD-unterlegte Rating mitsamt dem korrespondierenden Kreditzins ermittelt werden. Allerdings wird in der Regel der umgekehrte Weg eingeschlagen: Für ein vorgegebenes Zins- und damit Ratingniveau ist die PD-konforme Beleihungsgrenze beziehungsweise der "Value at Risk" oder "VaR" zu ermitteln.

Betrachtet man nun die Ermittlung der Beleihungsgrenze für Objektfinanzierungen gemäß den eingangs angesprochenen historisch gewachsenen Usancen, so wird immer noch in vielen - insbesondere kleinen und mittelgroßen - Kreditinstituten der PD-Ansatz nur mittelbar oder indirekt berücksichtigt. Dabei orientiert man sich oft an einem Verfahren, das bereits vor mehreren Jahrzehnten für die Ermittlung erstrangiger Hypotheken zum Einsatz kam.

Es soll dabei nicht verschwiegen werden, dass der Einsatz der nachfolgend beschriebenen Instrumente sowohl allgemein1) als auch im Zusammenhang mit der Risikoabschätzung und Bewertung von Objekten/ Unternehmen2) und speziell regenerativen Energieanlagen3) bereits häufig zum Einsatz gelangen. Im Zusammenhang mit der Beleihungsproblematik von Objektfinanzierungen/Projektfinanzierungen gibt es demgegenüber vergleichsweise wenige Arbeiten, die zudem eher allgemeine theoretische Strukturen aufzeigen wollen und von Bank-Praktikern oft nur schwer für den eigenen Bedarf umgesetzt werden können.4)

Frage der Sicherheiten

Wie eingangs skizziert, beruht die Grundidee des modernen Ratings auf der Wahrscheinlichkeit, mit der eine Fremdfinanzierung nicht vertragskonform bedient wird. Eine Objektfinanzierung/Pojektfinanzierung beschreibt die Finanzierung einer wirtschaftlichen Einheit, die ausschließlich aus einem Objekt/Projekt besteht (Special Porpuse Vehicle "SPV") und nur wenig oder gar keine Historie aufweist.5) Bei einer Objektfinanzierung wird nun - vorbehaltlich wie auch immer bedingter Spezifika - üblicherweise unterstellt, dass die Bedienung des finanzierenden Kredits vom Objekt selbst getragen wird. Damit korrespondierend sind im Normalfall zumindest die folgenden Regelungen zu beobachten:

- Der Kredit ist spätestens in dem Zeitpunkt vollständig getilgt, indem das Objekt wirtschaftlich oder/und rechtlich nicht mehr zu betreiben ist oder verkauft wird.

- Bis zur Tilgung werden das Objekt beziehungsweise die aus ihm fließenden Überschüsse über entsprechende Vereinbarungen zur Besicherungsmasse der Bank.

- Die Eigenkapitalgeber dürfen nur im Rahmen dort fixierter Bedingungen, wenn überhaupt, einen Teil der Objektüberschüsse abschöpfen.

Der einzige für die Praxis erhebliche Aspekt, der nicht für die große Mehrheit der Fälle in der Praxis einheitlich ist, betrifft die Frage der über das Objekt hinausgehenden Sicherheiten. Dies wirft regelmäßig die Frage auf, ob das Objekt in eine größere, mit anderen und insbesondere verfügungsfreien Objekten begüterte rechtliche Einheit eingebettet ist.6) Um den Fokus auf die Objektfinanzierung nicht einzuschränken, wird dabei unterstellt, dass das teilweise fremdfinanzierte Objekt (im Wesentlichen) das einzige Asset des unmittelbaren Kreditnehmers darstellt, was den häufig zu beobachtenden Fall einer Objektgesellschaft widerspiegelt, deren Haftung mittelbar oder unmittelbar auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist. Damit steht und fällt die Kreditbedienung zunächst ausschließlich mit der wirtschaftlichen Entwicklung des beliehenen Objekts. Reichen die Objektüberschüsse nicht aus oder sollen niedrigere Kreditzinsen erreicht werden, müssen die Eigentümer der Objektgesellschaft entsprechend zusätzliche Sicherheiten einbringen.

Ertragswert mit "Sicherheitspuffer"

In einer solchen Situation wird die Beleihungsgrenze für ein vorgegebenes Kreditzinsniveau heute immer noch oft gemäß einem Schema berechnet, das der beschriebenen Objektabhängigkeit dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass ein Ertragswert ermittelt wird, der gegenüber der normalen Ermittlung einige "Sicherheitspuffer" aufweist und abschließend nochmals um einen gebräuchlichen Prozentsatz auf die letztendliche Beleihungsgrenze gekürzt wird. Ergänzend wird

diesem noch oft ein ebenfalls "besicherungsreduzierter" Verkehrswert zur Seite gestellt, der die sofortige Verwertungsmöglichkeit des Objekts zum Ausdruck bringt. Die niedrigere der beiden Alternativen stellt dann im Regelfall die relevante Beleihungsgrenze für einen Kredit zum unterstellten Zinsniveau dar.

Ob die genannten Sicherheitspuffer die Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) auch nur näherungsweise korrekt berücksichtigen, darf angesichts dieser stark traditionsgetragenen Prozedur durchaus bezweifelt werden. Natürlich ist die "wahre" PD nicht bekannt. Dennoch erscheinen nach vielen Jahrzehnten mathematischer und empirischer Forschung die heute gängigen Verfahren zur Bestimmung der PD und des VaR deutlich verlässlicher: die analytische Bestimmung, die historische Simulation und die Monte-Carlo-Simulation.7) Normale Objekte weisen nun regelmäßig eine hohe Spezifität auf, sodass die beiden erstgenannten Alternativen üblicherweise nicht zum Einsatz kommen können. Woran ist dann aber eine Monte-Carlo-Simulation auszurichten? Dazu betrachte man in der Abbildung 1, in der die relevanten Cash-Flows eines Projekts auf der Zeitachse abgetragen sind:

Beispielhaft wird in dem betrachteten Objekt von einer zwanzigjährigen Laufzeit ausgegangen. Das teilfinanzierende Darlehen hat nach einer tilgungsfreien Anfangsphase, in der nur Zinsen als Schuldendienst anfallen, die erste Ratentilgung am Ende des dritten Jahres und soll bis zum Ende des 15. Jahres vollständig getilgt sein. Vorbehaltlich einzelner Details, wie im EBITDA definitionsgemäß noch nicht berücksichtigter Steuern, wird in dieser Cash-Flow-Betrachtung der Puffer für die Bedienbarkeit der Kreditverpflichtungen als Differenz zwischen den Flächen unter den Linien zu sehen sein.

Monte-Carlo-Simulation

Der entscheidende Aspekt ist nun, dass zwar die Sollvorgabe für den Schuldendienst, aber nicht die zukünftigen Werte für das EBITDA deterministisch sind. In der üblichen Investitionsrechnung, die auch der klassischen Beleihungswertermittlung zugrunde liegt, wird man hier von Erwartungswerten ausgehen, um welche die tatsächlichen Werte später mehr oder weniger stark streuen. An dieser Stelle setzt nun die Monte-Carlo-Simulation ein, die auf der Basis unterstellter Wahrscheinlichkeitsverteilungen zufallsbasierter Entwicklungen, ähnlich einer Szenarioanalyse, über die Objektlaufzeit durchspielen lässt.

Dabei ist nicht nur hinsichtlich der "normalen" Entwicklung eine konsistente Modellierung vorzunehmen,8) sondern auch eine Verarbeitung zwischenzeitlicher Unterdeckungssituationen. Kommt es in einem Durchlauf also dazu, dass der Schuldendienst nicht in der vereinbarten Form geleistet werden kann, muss geregelt sein, welche Konsequenzen daraus folgen. Da es für die Bank letztlich auf den wirtschaftlichen Schaden ankommt, wird dies analog der bei einem tatsächlichen Verzug regelmäßig nicht die Verwertung der Sicherheit sein, sondern das Einräumen eines zusätzlichen Kredits oder die Streckung des bisherigen, wobei der daraus resultierende zusätzliche Schuldendienst für die Folgezeit entsprechend zu berücksichtigen ist. Als Kriterium für den Eintritt des Verwertungsfalls könnte insbesondere herangezogen werden, ob der Barwert der restlichen Objektzahlungen die Restschuld übersteigt. Da man mit diesem Vorgehen wieder in eine Barwertermittlung9) oder ein Optionspreismodell10) einmünden würde, stellt sich die Frage, ob eine einfache Weiterführung aller Verzugsfälle nennenswerte Verzerrungen erwarten lässt. Um dies zu beurteilen, hilft folgende Überlegung:

Die PD ergibt sich über die empirische Häufigkeit, das heißt vorliegend den Anteil der final nicht voll bedienten Kredite an der Gesamtzahl der Fälle in der Simulation. Damit hat man gleichzeitig die Ratingklasse bestimmt, in welche diese PD fällt. Darüber hinaus kann auch der Verlust im Schadensfall beziehungsweise der "Loss Given Default" (LGD)11) und der insgesamt zu erwartende Schaden oder "Expected Loss" (EL) ermittelt werden, was eine wesentliche Information für die exakte Bepreisung des Kredits ist und entsprechend besondere Bedeutung in Phasen härteren Wettbewerbs aufweist. Da bei Weiterführung aller Verzugsfälle nach dem beschriebenen Muster einige Fälle auftreten, die im realen Verzug wegen ihrer Dimension oder aus anderen Gründen später wohl nicht nachfinanziert worden wären, aber in der Simulation wieder voll bedienungsfähig werden, ist eine Unterschätzung der tatsächlichen PD zu erwarten. Indessen stehen diesen wenigen (!) Fällen andere gegenüber, bei denen der LGD größer ausfällt als im Fall einer Verwertung vor Ablauf der projizierten Objektlebensdauer.

Wechselwirkungen

Damit ergibt sich bei diesem Vorgehen die ratingkonforme Bestimmung der Beleihungsgrenze: Prinzipiell ist die Beleihungsgrenze gerade die Investitionssumme abzüglich risikobedingt möglicher Verluste, die mit zum Beispiel 95 Prozent Sicherheit (1-PD) nicht überschritten werden. Dabei stößt man auf eine Problematik, die freilich in der Praxis zumeist keine abschreckende Dimension aufweist: Die gegenseitige Abhängigkeit von Beleihungsgrenze, Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und anzusetzendem Kreditzins.12) Eine PD geht zunächst am Beginn der Simulation in erwarteter Höhe als Annahme in den FK-Anteil an der Investition sowie den Kreditzins ein - nur wenn die durch die Simulation daraus neu ermittelte PD mit dem unterstellten Rating und damit Beleihungsgrenze und Kreditzins übereinstimmt, ist das System ausgewogen. Dieser Fall einer hinreichend guten Übereinstimmung zwischen unterstellter und ermittelter PD wird aber nur in Ausnahmefällen zutreffen.

Im Normalfall müssen iterativ weitere Simulationsrunden gefahren werden: Ist die PD höher als beim unterstellten Rating, muss eine niedrigere Beleihung für eine zweite Simulationsrunde unterstellt werden, um bei gegebenem Kreditzins die passende FK-Höhe zu erhalten, und umgekehrt. Dabei dürfte sowohl aus theoretischen Überlegungen als auch aus praktischen Erfahrungswerten sehr schnell eine Konvergenz auf einem akzeptablen Abweichungsniveau erreicht werden. Für die Praxis bietet sich an, zunächst wenige Simulationsdurchläufe pro Versuch zu verwenden und dann, wenn man ein kompatibles Niveau erreicht hat, zur Kontrolle eine ergänzende Simulation mit gegebenenfalls mehr Durchläufen zu vollziehen. All dies ist bei entsprechender Programmierung in einer akzeptablen Zeitspanne durchzuführen.

Anders ist die Situation, wenn der beim ersten Simulationsdurchlauf unterstellte, sich aus dem im Vorfeld "geschätzten" PD ergebende, Kreditzins in jedem Fall aufrechterhalten werden soll. Bei gemessen daran zu hohen PD und EL als Ergebnis der Simulation müssen entsprechend weitere Sicherheiten geliefert werden, während die "freie" Besicherungsmasse bei "zu niedrigen" PD und EL gegebenenfalls für weitere Kredite verwendet werden kann. Für beide Fälle kann entweder ebenfalls eine neue Simulation gefahren oder eine geeignete statistische Kenngröße der ersten Simulation (zum Beispiel CVaR) als Ausgangspunkt der Ermittlung verwendet werden.

Um dieses Vorgehen zu verdeutlichen, soll ein konkretes Beispiel vorgestellt werden, dessen Werte an die Verhältnisse eines realen Falls angelehnt sind. Dieser Fall betrifft eine Klasse von Objektfinanzierungen, die im letzten Jahrzehnt immer häufiger geworden sind und auch in der Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen dürften. Es geht um die Finanzierung von regenerativen Energieanlagen. Diese Anlagen weisen einige Eigenschaften auf, welche das Heranziehen eines solchen Objekts für eine Beispielrechnung begünstigten:

- Für 20 Jahre kann der Betreiber aufgrund des EEG seine Stromproduktion zu einem festgelegten Preis in das Netz einspeisen. Es besteht also für die Projektierungsdauer kein Absatz-, sondern nur ein Produktionsrisiko, das zudem nicht von wirtschaftlichen Entwicklungen abhängt, sondern von natürlichen Parametern.

- Gleichzeitig sind die laufenden Betriebskosten relativ gut planbar, besonderes wenn über umfassende Wartungs- und Versicherungsverträge Schadensrisiken an zuverlässige Partner verlagert werden können.

- Viele dieser Anlagen werden über eigene Objektgesellschaften betrieben, die jenseits des Objekts selbst beziehungsweise aus ihm fließender Zahlungen kaum weitere Haftungsmassen aufweisen.

- Der Fremdkapitalanteil der Finanzierung erfolgt zumeist über Festkredite, welche die Hausbank selbst ausreicht oder an Spezialinstitute wie die KfW weiterleitet. Diese Kredite haben regelmäßig zumindest für die ersten zehn Jahre eine Festverzinsung. Die ratierliche Tilgung beginnt üblicherweise nach einer Phase von zwei bis drei Jahren, in denen ein Schuldendienstreservekonto aufgebaut wird.

Beispielrechnung

Um das Beispiel möglichst einfach zu halten, wird nachfolgend auf die letztgenannten Spezifika verzichtet und der Kauf oder die Anschlussfinanzierung einer bereits acht Jahre laufenden Anlage betrachtet. Aus dem gleichen Grund werden auch Optionen wie das Weiterbetreiben der Anlage nach Ablauf der Einspeisegarantie nicht berücksichtigt.13) Für die Stromerzeugung wird aufgrund der bisherigen Ergebnisse sowie weiterer Informationen ein durchschnittlicher Einspeisewert von 250 000 Euro per annum unterstellt. Die laufenden Betriebskosten betragen im ersten Finanzierungsjahr 75 000 Euro und steigen danach mit einer verlässlich zu prognostizierenden Rate von zwei Prozent per annum. Dabei wird davon ausgegangen, dass aufgrund von Garantie- und Komplettserviceverträgen sowie entsprechenden Versicherungen die verbleibende Unsicherheit vernachlässigt und über die gesamte Kreditlaufzeit mit de facto festen Werten gerechnet werden kann. Diese Vereinfachung dient wie alle weiteren der Verständlichkeit dieses Basisbeispiels und kann jederzeit aufgehoben werden, indem auch für diesen Bereich eine Stochastik in die Simulation eingeführt wird. Der Käufer der Anlage möchte als Fremdkapitalanteil der Finanzierung einen Kredit von 990 000 Euro, der in neun gleichen Raten zu 110 000 Euro getilgt werden soll. Die Bank unterstellt für den ersten Simulationslauf einen Zins von 3,5 Prozent. Auf dieser Basis ergibt sich der Verlauf der betrachteten Cash-Flows in Abbildung 2.

Vier Annahmen

Für die Simulation sind nun noch folgende Punkte zu fixieren:

1. Es muss eine Verteilung der unsicheren Stromproduktion beziehungsweise ihres Einspeisewerts vorgegeben werden. Ergänzend zum genannten Erwartungswert sind dabei der Verteilungstyp sowie die ihn evaluierenden Parameter festzulegen. Dies ist der wichtigste Akt des gesamten Verfahrens. Vorliegend wird eine Normalverteilung unterstellt, deren Streuung zehn Prozent des Erwartungswerts beträgt, also 25 000 Euro. Dies steht im Einklang mit bislang in Praxis erfolgten Anwendungen.

2. Für den Fall einer zwischenzeitlichen Unterdeckung, das heißt, das EBITDA reicht nicht aus, den Schuldendienst zu decken, wird die Einräumung eines ergänzenden Darlehens zu einem Zins von fünf Prozent per annum unterstellt. Dessen Verzinsung und möglichst umgehende Tilgung ist im Folgejahr als zusätzlicher Schuldendienst vom EBITDA abzuziehen.

3. Für die Ermittlung der für den Schuldendienst heranzuziehenden Mittel sind noch die vom Unternehmen zu entrichtenden Ertragsteuern zu beachten. Diese hängen neben den bereits beschriebenen Parametern auch von der Rechtsform und dem gewählten Abschreibungsmodus ab. Um einerseits die Objektgesellschaft von den steuerlichen Verhältnissen ihrer Gesellschafter zu trennen und erneut das Beispiel möglichst einfach zu halten, wird nachfolgend eine GmbH unterstellt, deren kombinierter Ertragsteuersatz auf den handelsrechtlichen Gewinn bei 30 Prozent liegt.14) Außerdem wird eine lineare Abschreibung auf den ursprünglich Kaufpreis von zwei Millionen Euro über die gesamte Laufzeit von 20 Jahren, also 200 000 Euro per annum unterstellt.

4. Schließlich wird den Eigentümern zugestanden, dass sie den nach Steuerzahlung und Schuldendienst verbliebenen Teil des jeweiligen Periodenüberschusses entnehmen dürfen, das heißt, es werden keine Reservekonten aufgebaut.

Simulationslauf für virtuelle Kreditverläufe

Unter diesen Vorgaben liefert der erste Simulationslauf für 30 000 virtuelle Kreditverläufe interessante Ergebnisse. Zunächst zeigt Abbildung 3 eine Erweiterung von Abbildung 2 derart, dass dem vereinbarten Schuldendienst (graue Linie) eine Bandbreite von für den Schuldendienst zur Verfügung stehenden Cash-Flows gegenübergestellt wird, deren blaue Fläche insgesamt 99 Prozent und im dunkleren Teil 95 Prozent der Wahrscheinlichkeitsmasse repräsentiert.

Leicht erkennbar kommt es bereits ab dem ersten Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Inanspruchnahme des Zusatzdarlehens. Diese Wahrscheinlichkeit steigt bis zum Ende der vereinbarten Kreditlaufzeit auf praktisch 100 Prozent, sinkt dann aber auf null Prozent, weil in den letzten drei Jahren des Objekts keine planmäßigen Tilgungen mehr anfallen; vergleiche Tabelle. Gleichzeitig steigt die erwartete Höhe des ergänzenden Darlehens. Die Fläche in Abbildung 4 zeigt die Verteilung dieses Darlehens in zwei Blautönen analog der Konvention von Abbildung 3:

Im Prinzip ergibt sich ein gemessen an den Planungen interessantes Bild: Der Objektkredit wird während der Laufzeit immer unterstützungsbedürftiger und erweist sich doch am Ende als "sichere Anlage" für die Bank. Da Letzteres für das Rating ausschlaggebend sein sollte, ist für den Kredit (und entsprechend das ergänzende Darlehen) eine sehr hohe Ratingnote zu vergeben. Dies gilt umso mehr, als durch die Tilgungsprozedur entgegen dem Rating von Anleihen während der Laufzeit ein immer geringerer Teil der ursprünglichen Ausreichung ausfallgefährdet ist.

Angesichts dessen müsste also eine neue Simulation mit niedrigeren Zinsen gefahren werden, wenn den bislang unterstellten eine schlechtere Ratingnote zugrunde gelegt worden wäre und die Bank sich in einem harten Wettbewerb mit anderen Finanzierungsinteressenten befindet. Alternativ könnte bei zu schlecht unterstelltem Rating und damit korrespondierender PD eine höhere Kreditausreichung erfolgen, wobei angesichts des vorliegenden Überschussverlaufs dringend eine neue Simulation anzuraten wäre.

Dieser Verlauf legt schließlich auch einen anderen Tilgungsplan nahe, der die Inanspruchnahme des ergänzenden Darlehens reduziert - tendenziell eine Streckung der Kreditlaufzeit auf mehr als neun Jahre. Indessen zeigt gerade dieser Aspekt, dass hinsichtlich freihändiger Änderungen große Vorsicht geboten ist: Da die von den Eigentümern der Objektgesellschaft annahmegemäß zu entnehmenden Periodenüberschüsse im jeweiligen Erwartungswert steigen, wird in den Anfangsjahren mittelbar Besicherungsmasse freigegeben, die später bei einer Haftungsbegrenzung auf die Objektüberschüsse nicht mehr zurückzuholen ist.15) Letztlich ist der entstehenden Unsicherheit auch hier durch einen modifizierten Simulationslauf zu begegnen.

Spannungsverhältnis der Finanzierungspraxis

Die vorstehenden Äußerungen haben sich einem Spannungsverhältnis der Finanzierungspraxis gewidmet: Einerseits gibt es ein modernes Kreditrating, das an Ausfallwahrscheinlichkeiten und ihren Konsequenzen ausgerichtet ist, und den Einsatz von Simulationsverfahren für Bewertungs- und Risikosteuerungszwecke; andererseits werden die Bedingungen für Objektbeleihungen immer noch sehr häufig auf der Basis von alten Verfahren ermittelt, die dem nach heutigen Verständnis relevanten Risiko für Gläubiger nur bedingt Rechnung tragen können. Bislang werden zumeist Abschläge auf Beleihungswerte in Form vorsichtig ermittelter Objektwerte gemacht, um zur eigentlich relevanten Beleihungsgrenze zu kommen. Demgegenüber besteht die Grundidee des zur Lösung dieser Spannung vorgestellten Konzepts darin, dass über ein Simulationsverfahren die aus Sicht des Gläubigers allein interessierende Fähigkeit zur Leistung des Schuldendienstes abgeschätzt wird. Damit wird nicht nur eine methodisch stabilere Basis für die Festlegung von Beleihungsgrenze und Kreditzins geschaffen, sondern auch die Möglichkeit eröffnet, Variationsmöglichkeiten hinsichtlich dieser und weiterer Größen wie etwa zusätzlicher Sicherheiten oder ergänzender Finanzierungsquellen konsistent durchzurechnen.

Natürlich liefert auch dieser neue Weg keine perfekte Lösung des letztlichen Bewertungsproblems. Insbesondere die zu unterstellenden Parameterwerte bieten selbst bei sorgfältiger Evaluierung einen diskretionären Spielraum. Allerdings lässt sich der Effekt von Unsicherheit auf menschliches Handeln nie ganz reduzieren,16) sodass es immer auf den Vergleich zwischen unvollkommenen Verfahren ankommt. Nach dem heutigen Stand der Erkenntnis dürfte nun kein Zweifel bestehen, dass das vorgestellte Verfahren das für Gläubiger und daher für Fremdfinanzierungen relevante Risiko konsistenter verarbeitet als die bisherige Praxis, weshalb es auf mittlere bis lange Sicht diese Praxis ablösen dürfte. Die verbleibenden Aufgaben für und Anforderungen an den immer noch über die Kreditvergabe entscheidenden Menschen sollten schließlich insbesondere jene Fachvertreter etwas beruhigen, die gegenüber mathematischen Modellen und computergestützten Verfahren größere Skepsis zeigen: Ohne den Banker wird auch zukünftig in der Bank nichts Wichtiges passieren!

Literaturverzeichnis

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Böttcher, J. (2009): Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben, Jörg Böttcher, Oldenbourg Verlag, München 2009

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Gleißner, W. (2013): Die unterschätzte Gefahr: Refinanzierungsrisiken, in: die bank 2/2013, S. 51 bis 53 Gleißner, W. (2006): Serie: Risikomaße und Bewertung, in: Risiko Manager, Ausgabe 12/13/14/ 2006, S. 1 bis 11/17 bis 23/14 bis 20

Gleißner, W. (2009): Unternehmensbewertung und wertorientiertes Controlling: Risikoanalyse und Risikodeckungsansatz - ein Konzept für unvollkommene Kapitalmärkte und auch nicht-börsennotierte Unternehmen, in: Bewertungspraktiker 4/2009, S. 12 bis 23

Gleißner, W. (2011): Risikoanalyse und Replikation für Unternehmensbewertung und wertorientierte Unternehmenssteuerung, in: WiSt, 7/11, S. 345 bis 352

Gleißner, W./Kamarás, E. (2012): Ertragsrisiko und die Implikationen für Rating, Kapitalkosten und Unternehmenswert: Fallbeispiel Rheinmetall AG, in: Bewertungs-Praktiker, Heft 2/2012, S. 42 bis 55P
Lyutskanova, T./Kurz, M. (2010): Cashflow-basierte Ratingverfahren, in: Risiko-Manager Jahrbuch 2010/2011, S. 110 bis 114

Madlener, R./Siegers, L./Bendig, St. (2009): Risikomanagement und -controlling bei Offshore-Windenergieanlagen, in: Zeitschrift für Energiewirtschaft, Heft 2/2009, S. 135 bis 146

Pforte, R. (2010): Untersuchungen zur Integration der fluktuierenden Windenergie in das System der Elektroenergieversorgung, Dissertation, Technische Universität Karlsruhe 2010

Pforte, R./Groschke, M./Fichtner, W. (2008): Der Einsatz der Monte-Carlo-Simulation zur Bewertung von Investitionen in Windenergieprojekte, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Heft 5/2008, S. 66 bis 73

Tobias, S (2007): Investitionsrechnung von Projekten in Windkraftanlagen, Band 8 Reihe Nachhaltigkeit, Diplomica Wissenschaftlicher Fachverlag 2007

Fußnoten

1) Vgl. etwa Gleißner (2006), (2009) und (2011).

2) Vgl. beispielsweise Gleißner/Kamarás (2012).

3) Vgl. etwa Madlener et al. (2009), Pforte et al. (2008), Pforte (2010), S. 56 ff., und Gleißner/Garrn (2012).

4) Vgl. beispielsweise Lyutskanova/Kurz (2010).

5) Für weitere Ausführung von Projektfinanzierung siehe auch Gleißner/Garrn (2012).

6) Zur Bedeutung der Expected Loss, der neben der Ausfallwahrscheinlichkeit auch die Ausfallhöhe berücksichtigt, vgl. Gleißner/Wiegelmann (2012), und speziell für Immobilienfinanzierung Gleißner/Garrn (2012).

7) Albrecht/Maurer (2008), S. 892f.

8) Vgl. beispielsweise Gleißner, BewP 2009, S. 16.

9) Die auch ohne Nutzenfunktion in ein Sicherheitsäquivalent transformiert werden kann. Vgl. Gleißner (2011).

10) Vgl. Copeland/Weston/Shastri (2008), S. 723 ff.

11) Man beachte, dass dieser Durchschnitt 20 Jahre nach der Kreditausreichung realisiert wird und daher für eine Verlustberechnung entsprechend zu diskontieren ist.

12) Zur Abhängigkeit der PD und der Refinanzierungsrisiken von Krediten vgl. Gleißner (2013).

13) Solche Optionen können sich angesichts der heute absehbaren Entwicklung des Energiemarkts als überaus wertvoll erweisen und damit auch den Beleihungswert entsprechend erhöhen. Daher stellt diese Vereinfachung gleichzeitig eine konservative Annahme dar.

14) Für genauere Berechnungen sind vor allem die im Zeitverlauf unterschiedlichen Zinszahlungen wegen ihrer anteiligen Hinzurechnung in der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

15) Insofern wird der Sinn von Schuldendienstreservekonten, die oft am Beginn von originären Finanzierungen vorgeschrieben werden, sehr deutlich.

16) Oder wie Benjamin Franklin so schön sagte: "Zwei Dinge sind sicher: der Tod und die Steuer".

Werner Gleißner , Vorstand, Honorarprofessor für BWL, insbesondere Risikomanagement, TU Dresden , FutureValue Group AG, Leinfelden-Echterdingen
Leonhard Knoll , Lehrstuhl für BWL und Unternehmensfinanzierung , Universität Würzburg
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