Aufsätze

Reformbedarf der Bankenaufsicht? - Qualitätswahrnehmungen der Kreditinstitute und politische Konsequenzen

In einer streckenweise hitzigen öffentlichen Diskussion wurden in den letzten Jahren unterschiedliche Problemfelder mit Blick auf die Aufsicht der Kreditwirtschaft durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und durch die Deutsche Bundesbank angesprochen. Diese betrafen vor allem die Strategie der Aufsicht im Zuge der Vorbereitung von Basel II, einzelne Instrumente (zum Beispiel die Prüfungen nach § 44 KWG), die Aufgabenteilung zwischen der BaFin und der Deutschen Bundesbank, die Kommunikation der Kreditinstitute mit den Aufsehern, aber auch die Finanzierung speziell der BaFin. Die in den Medien erhobenen Stimmen mündeten in die Klage über Wettbewerbsverzerrungen durch die überbordende deutsche Regulierungs- und Aufsichtspraxis.1)

Kundenorientierte Aufsicht?

Die Aufsicht selbst begegnet dieser Kritik inzwischen mit dem verstärkten Bemühen um mehr "Kundenorientierung". Der Präsident der BaFin bemerkte anlässlich der Jahrespressekonferenz der BaFin am 10. Mai 2006: "Wenn Sie mir einen Traum gestatten: Das ist die Aufsicht der Zukunft: Eine partnerschaftlich geprägte Aufsicht, die unseren 'Kunden' Beratungsleistungen höchster Qualität erbringt. Wenn wir sie in ein paar Jahren flächendeckend installiert haben, wird es um die BaFin keine Bürokratiediskussion mehr geben."

Mit Blick auf die Einordnung dieser prononciert vorgetragenen Standpunkte liegt nun eine im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen erstellte Studie für die deutsche Kreditwirtschaft vor ("BMF-Gutachten"), die erstmals auf einer repräsentativen Basis eine Einschätzung der Kreditwirtschaft über die Qualität der Aufsicht liefert.2) Die Anwendung von Evaluierungsuntersuchungen auf Aufsichtsbehörden im Finanzsektor ist relativ neu. Nur wenige Vorläufer einer solchen Befragung sind vorhanden: So wurde beispielsweise in Norwegen eine ähnliche Studie bereits im Jahre 2004 durchgeführt.3) Deutschland ist im internationalen Vergleich einer der "Front-Runner": Es existieren Mitgliederbefragungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zu diesem Thema4) sowie eine regional fokussierte Befragung bestimmter Kreditinstitute zu ausgewählten Problemen.5)

Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse des vorliegenden "BMF-Gutachtens" in kompakter Form aufbereitet und an der norwegischen Benchmark gespiegelt. Weil das "BMF-Gutachten" selbst keine Handlungsempfehlungen formuliert, werden darüber hinaus die Ergebnisse eines eigenen ökonometrischen Modells präsentiert, welches die zentralen Treiber der Zufriedenheit mit der Aufsicht identifiziert und zur Ableitung politischer Konsequenzen dient.

Methodische Vorbemerkungen

Für das "BMF-Gutachten" wurden im Sommer 2006 auf Basis eines schriftlichen Fragebogens 808 repräsentativ ausgewählte Kreditinstitute (Leitungsebene) zu unterschiedlichen Aspekten interviewt. Die Rücklaufquote betrug 65 Prozent. Die Aussagekraft des Fragebogens wurde durch fachliche Vorgespräche mit ebenfalls repräsentativ ausgewählten Vertretern der verschiedenen Bankenverbände, privater, genossenschaftlicher und öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute sichergestellt.

Die Ergebnisse werden hier in Form eines Qualitätsindexes gezeigt. Bei den meisten Fragen wurden den Banken skalierte Aussagen vorgelegt, wobei in der Regel die "1" für "trifft überhaupt nicht zu" und die "5" für "trifft voll und ganz zu" stand. Bei der Frage nach der Gesamtzufriedenheit stand der Wert 5 für eine sehr hohe, der Wert 1 für eine sehr niedrige Zufriedenheit. Jeder dieser Antwortstufen wurde ein Indexwert zugeordnet; dabei erhielt die 5 = 100 Punkte, die 1 = 0 Punkte.

Aus dem gesamten Set von Aussagen werden hier zum einen diejenigen betrachtet, die besonders positiv oder besonders negativ eingestuft wurden. Zum anderen werden diejenigen Aspekte kommentiert, die von den unterschiedlichen Bankengruppen (private Kreditbanken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken, Sonstige) stark unterschiedlich wahrgenommen werden. Vor allem Aussagen, die deutlich differenzierend oder negativ eingestuft werden, können unter Wettbewerbsaspekten Ansatzpunkte für Verbesserungen in der Bankenaufsicht darstellen.

"Verbändelücke"

In der einzig verfügbaren, norwegischen Vergleichsstudie wurden Punktwerte über 70 als sehr gut gewertet (Transformation aus einer ursprünglichen Sechserskala). Deshalb wurde in einigen der folgenden Abbildungen dieser Wert als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Messwerte abgetragen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass eine Einstufung als gute beziehungsweise nicht gute Werte von der Art der zugrunde liegenden Geschäftsbeziehung abhängt. Hier wird die Qualität einer Geschäftsbeziehung zwischen hoheitlich überwachenden Institutionen und den von ihnen Beaufsichtigten gemessen.

Die Studie deckt einen Teilbereich der Bankenaufsicht nicht ab: Bei aufsichtsrechtlichen Fragestellungen wenden sich die Kreditgenossenschaften und die Sparkassen primär an ihre Verbände. Diese stellen für ihre Mitglieder wichtige Informationen bereit und beraten sie. Zugleich sitzen Vertreter der Verbände als Repräsentanten der Branche im Verwaltungsrat der BaFin. Und vor allem verfügen der BVR und der DSGV über eigene Prüfungseinrichtungen, die bankaufsichtliche Aufgaben übernehmen, die zum Kernbereich des aufsichtlichen Instrumentenkastens gehören (zum Beispiel Jahresabschlussprüfungen, Sonderprüfungen).

Alles in allem sind also auch die Bankenverbände bedeutende Akteure im Rahmen der Bankenaufsicht. Umso bedauerlicher ist die "Verbändelücke" der Untersuchung. Nach Interventionen des DSGV und BVR konnte die Wahrnehmung der Qualität ihrer bankaufsichtlichen Aktivitäten nicht hinterfragt werden (einzige Ausnahme: Abbildung 4).

Bewertungen der Strategie der Bankenaufsicht

Wichtigste Anlaufstelle bei aufsichtlichen Fragestellungen ist nur für die Kreditbanken die Aufsicht selbst. Vor diesem Hintergrund fällt vielen eine Einschätzung der Strategie der Aufsicht offenbar schwer. Auffällig ist, dass vor allem Sparkassen (mehr noch als Kreditgenossenschaften) eine Urteilsabgabe nicht möglich ist. Dagegen sehen diejenigen, die sich ein Urteil zutrauen, mehrheitlich eine klare Aufsichts- und Prüfungsstrategie.

Die Aufsicht selbst postuliert, ihr Handeln am System- und individuellen Institutsrisiko zu orientieren. Kreditbanken nehmen diese Orientierung der Aufsicht am Risiko für das Bankensystem deutlicher wahr als andere. Besonders für Kreditgenossenschaften ist nicht erkennbar, dass sich die Aufsicht am individuellen Institutsrisiko orientiert. Dies ist ein Kritikpunkt, der sich bereits in den Vorab-Interviews gerade mit Vertretern kleinerer Häuser gezeigt hatte (Abbildung 1).

Im Zuge der weiteren Detaillierung der die Einzelvorschriften zur qualitativen Aufsicht umfassenden MaRisk ist die Diskussion über dieses für die Bankenaufsicht künftig zentralen Elements voll entbrannt. Kern der Auseinandersetzung sind einerseits Fragen nach Transparenz und (über die Sektoren der Kreditwirtschaft hinweg) Homogenität des aufsichtlichen Handelns und andererseits die Diskussion über die Tiefe des Eingriffs in den unternehmerischen Dispositionsspielraum. Dabei zeigt sich als Grundproblem:

Bleiben die Formulierungen der Regeln vergleichsweise allgemein, besitzen die Beaufsichtigten weite Handlungs-, die Aufseher spiegelbildlich weite diskretionäre Beurteilungsspielräume, was die Gefahr verborgener Handlungen einerseits, die ungleicher Behandlung andererseits nach sich zieht. Damit aber gerät auch das Ziel der Wettbewerbsgleichheit in Gefahr. Wird umgekehrt eine starre, stark detaillierte Regelbindung (dann fast schon wieder im Sinne quantitativer Normen) verankert, dann wird das Risikomanagement zumeist ohne feste Theoriegrundlage oder empirische Basis aufsichtsseitig vorgeprägt/genormt.6)

Aufklärungsbedarf bei operationellen Risiken

Wenn nach den Anforderungen der MaRisk mit Blick auf das Management der konkreten Risikokomplexe der Bank gefragt wird, trauen sich (anders als zuvor) nahezu alle Befragten ein Urteil zu. Über die Risikokomplexe hinweg sind die Anforderungen weitgehend, aber nicht vollständig klar. Am klarsten sind den Instituten - vor dem Hintergrund ihres Tätigkeitsschwerpunkts nicht überraschend - die Anforderungen in Bezug auf das Kreditrisiko. Aufklärungsbedarf besteht dagegen am stärksten im Bereich der erst jüngst im Zuge der Umsetzung von Basel II von der Aufsicht fokussierten operationellen Risiken.

Spielräume bei der Umsetzung der Anforderungen werden von den Banken auf mittlerem Niveau gesehen und umso geringer eingeschätzt, je klarer die Anforderungen seitens der Aufsicht erkannt wurden. Bemerkenswert ist, dass sich die Kreditgenossenschaften im Hinblick auf das in den MaRisk zentrale Kriterium der Risikotragfähigkeit deutlich stärker eingeengt sehen als die anderen Banken. Detailliertere Vorgaben der Aufsicht im Sinne von Soll-Vorstellungen werden in der Tendenz als nicht hilfreich eingestuft.

In der Gesamtsicht lassen die qualitativen Vorschriften den Instituten somit offenbar genug Luft zum Atmen. Drei Viertel der Banken sehen in der künftig dominierenden qualitativen Aufsicht eher Chance als Risiko. Auffällig ist jedoch, dass bei den Kreditgenossenschaften die Skepsis größer ist.

Erfahrungen mit Aufsichtsgesprächen

Die Aufsicht hat bei nahezu allen Instituten vom Instrument des Aufsichtsgesprächs Gebrauch gemacht. Mit Blick auf die bereits erörterte Strategiewahrnehmung gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen dieser und den Aufsichtsgesprächen: Die Häufigkeit der Gespräche ist positiv mit der Einschätzung korreliert, wie klar die Aufsichts- und Prüfungsstrategie der Aufsicht ist. In den Fällen, in denen häufiger miteinander gesprochen wurde, sind die Anforderungen an das Management der Risiken sowie an ein internes Überwachungssystem klarer.

Am häufigsten wurden einzelne Risikokomplexe, deren Management sowie die Gesamtbanksteuerung diskutiert. Wichtige Themen waren auch die aktuelle Geschäftsentwicklung und die Ertragslage. Erst mit deutlichem Abstand wurden strategische Fragen (zum Beispiel Positionierung im Wettbewerbsumfeld, Fusionen) beleuchtet. Nur in wenigen Fällen wurden organisatorische und personelle Fragen zum Thema des Aufsichtsgesprächs gemacht (zum Beispiel Outsourcing, Bestellung von Vorstandsmitgliedern). Die inhaltliche und formale Bewertung der Aufsichtsgespräche fällt positiv aus. Die Gespräche sind auf wichtige Themen fokussiert und strukturiert. Die Institute haben die Möglichkeit, ihre eigenen Belange einzubringen. Die Aufsicht ist mit den Geschäftsfeldern und den Spezifika der Institute vertraut. Auch der Gesprächsstil wird überwiegend als kooperativ eingestuft - über alle Bankengruppen hinweg! Nur im Hinblick auf das Kosten/Nutzen-Verhältnis ist die Bewertung aus Sicht der Banken negativ. Besonders ausgeprägt ist dies bei den Kreditgenossenschaften und Sparkassen (Abbildung 2).

Erfahrungen mit Prüfungen gemäß § 44 Abs. 1 KWG (Sonderprüfungen)

Neben dem Recht, Auskünfte und Unterlagen zu verlangen, hat die BaFin gemäß § 44 Abs. 1 KWG das Recht, eigene Prüfungen bei den Instituten durchzuführen. Seit Gründung der BaFin im Jahr 2002 hat die Aufsicht bei sieben von zehn Instituten vom Instrument der Prüfung nach § 44 KWG Gebrauch gemacht. Im Vergleich am seltensten wurden die Kreditgenossenschaften geprüft. Bei den Prüfungsgegenständen dominieren die Kreditengagements. Besonders auffällig sind hier die wesentlich häufigeren Kreditprüfungen bei Kreditgenossenschaften im Vergleich zu allen anderen Banken. Nur eine Minderheit der Institute bestätigt, diese Prüfungen hätten ihre Risikoaversion bei der Kreditvergabe erhöht. Die Mehrheit verneint eine durch die Prüfung ausgelöste gestiegene Risikoaversion. In diesen Fällen wird auf eine ohnehin betriebene vorsichtige Risikopolitik hingewiesen.

Die BaFin kann die 44er-Prüfungen selbst durchführen oder sich der Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank bedienen beziehungsweise die Aufgabe auf Dritte, wie beispielsweise Wirtschaftsprüfer, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder die Prüfungseinrichtungen der Verbände übertragen. Bei der Auswahl der Personen, an welche die BaFin diese Prüfungen überträgt, ist sie grundsätzlich frei. In jüngster Zeit erfolgt die Vergabe dieser Aufträge regelmäßig auf der Grundlage öffentlicher Ausschreibungen. Dies ist in Abbildung 3 zu berücksichtigen, die eine sehr heterogene Bewertung der inhaltlichen und formalen Qualität der Prüfungen nach Bankengruppen und nicht bezogen auf die Akteure der Aufsicht zeigt.

Nach Ansicht der Befragten waren die Prüfungen auf den Prüfungsauftrag begrenzt. Es bestanden klare Informationsanforderungen. Die Prüfer traten kompetent und fair auf. Die Kommunikation war offen. Aber auch hier wird das Kosten/Nutzen-Verhältnis ungünstig eingestuft. Der Nutzen wird von den Kreditgenossenschaften am geringsten eingeschätzt, von den Kreditbanken am höchsten; die Sparkassen liegen dazwischen.

Abbildung 4 zeigt dieselben Items, nur diesmal in der Auswertung nach Akteuren der Aufsicht. Bemerkenswert ist hierbei zum einen, dass die Prüfer der Bundesbank (und in einzelnen Fällen der BaFin) in acht von elf Bewertungskategorien jeweils die Bestnoten erzielen und sogar besser als die Prüfer der Prüfungsstellen der Verbände abschneiden. Besonders augenfällig: Der Nutzen aus einer Prüfung wird dann besonders hoch eingeschätzt, wenn Bundesbank oder BaFin beteiligt sind. Zum anderen zeigt Abbildung 4, dass die Prüfungen in fast allen Merkmalen schlechter bewertet werden, wenn "freie" Wirtschaftsprüfer von der BaFin mit der Prüfung beauftragt werden. Materiell am gewichtigsten dürften dabei die gemessenen Unterschiede in der Wahrnehmung der Kompetenz sowie der Vertrautheit mit den Geschäftsfeldern/den Spezifika der Institute sein. In der Konsequenz ist die Kosten/Nutzen-Relation bei den "freien Sonderprüfungen" am schlechtesten.

Die Reaktionen der BaFin auf das Prüfungsergebnis werden überwiegend als angemessen eingestuft. Vor dem Hintergrund des hoheitlichen Charakters fallen die Bewertungen im Hinblick auf Inhalt, Ton und Stil sowie Schnelligkeit positiv aus. Lediglich in jedem zehnten Fall wurde die Reaktion als unangemessen empfunden. Als Begründungen dafür wurden zum einen der zu lange Zeitraum zwischen Prüfung und Reaktion angeführt, zum anderen wurde auf den Ton beziehungsweise Stil des Reaktionsschreibens vor dem Hintergrund der materiell als wenig gewichtig eingestuften Vorwürfe verwiesen.

Erfahrungen mit dem Personal der Aufsicht

Gut die Hälfte der Befragten kann die Mitarbeiter von Bundesbank und BaFin im Hinblick auf einzelne Items nicht beurteilen. Dies dürfte indes darauf zurückzuführen sein, dass insbesondere von Kreditgenossenschaften und Sparkassen eine aktive Kommunikation mit der Aufsicht eher selten oder gar nicht gesucht wird.

Diejenigen, die sich eine Einschätzung zutrauen, haben positive Erfahrungen mit dem Aufsichtspersonal gemacht. Die Erfahrungen mit den Bundesbank-Mitarbeitern sind auf hohem Niveau durchgängig besser als mit dem BaFin-Personal. Bun-desbank-Ansprechpartner wechseln seltener, werden als kompetenter, vertrauter mit dem Geschäftsmodell, pragmatischer und schneller eingestuft. Auch besitzen sie nach Ansicht der Banken einen höheren Praxisbezug. Hierbei werden keine Unterschiede nach Bankengruppen gemessen (Abbildung 5).

Zusammenspiel BaFin/Bundesbank

Als problematisch erweist sich die Aufgabenteilung zwischen BaFin und Bundesbank. Im Gegensatz zur positiven Wahrnehmung der Kommunikation mit den beiden Trägern der Bankenaufsicht individuell, wird deren Zusammenspiel kritisch eingeschätzt (Abbildung 6). Bei denen, die sich ein Urteil zutrauen, wird klar, dass die grundsätzliche Aufgabenteilung als wenig transparent gilt. Hier besteht eine Informationslücke. Zugleich wird die konkrete Abstimmung der einzelnen Aufsichtsbehörden untereinander eher als eng empfunden. Die Kombination von beidem - wenig transparente Arbeitsteilung, aber enge Kooperation - deutet darauf hin, dass das Funktionieren der Behörden für die "Kunden der Aufsicht", also die Kreditinstitute, als "black box" gilt. Besonders stark ausgeprägt ist die wahrgenommene Intransparenz der Aufgabenteilung bei den Kreditgenossenschaften.

Finanzierung der Aufsicht

Jede fünfte Bank traut sich kein Urteil über die derzeitige Finanzierung der Aufsicht zu. Dies gilt sowohl für die Frage, ob sich das Prinzip der Umlagefinanzierung seit Gründung der BaFin bewährt hat, als auch für die Frage, ob die derzeitige 100-Pro-zent-Finanzierung durch die Kreditwirtschaft durch ein anderes Finanzierungsmodell ersetzt werden sollte.

Bei denjenigen, die ein Urteil abgeben, fallen die Bewertungen je nach Bankengruppe höchst unterschiedlich aus. Für Sparkassen und Kreditgenossenschaften hat sich die Umlagefinanzierung nicht bewährt. Das Votum der Kreditbanken fällt genau umgekehrt dazu aus. Sehr klar sprechen sich die befragten Sparkassen und Kreditgenossenschaften zudem für eine Abschaffung der 100-Prozent-Finanzierung der BaFin durch die Kreditwirtschaft und für den Ersatz durch ein anderes Finanzierungsmodell aus. Im Lager der Kreditbanken ist das Meinungsbild uneinheitlich: Pro und Contra-Stimmen halten sich die Waage.

Für eine verursachungsgerechte Finanzierung in dem Sinne, dass unter System- und Risikogesichtspunkten besonders gewichtige Institute, die die Aufsicht stärker beanspruchen, auch größere Finanzierungsbeiträge leisten müssen, wird nur in Einzelfällen eingetreten.

Bürokratieaufwand

Die Mehrzahl der Banken sieht einen erhöhten bürokratischen Aufwand seit Gründung der BaFin. Dabei zeigen sich erstaunliche Unterschiede zwischen den Bankengruppen. So liegen zwischen der Bewertung der Sparkassen (94 Prozent; obere Grenze) und den Kreditbanken (64 Prozent; untere Grenze) 30 Prozentpunkte.

Dabei verursachen in der Einschätzung der Institute vor allem die Regelungen zur Geldwäsche besonders großen Aufwand (87 Prozent). Damit wird ein Bereich als belastend empfunden, in dem die Banken für den Staat als Agenten in der Verbrechensbekämpfung tätig werden. Das aufsichtsrechtliche Meldewesen, und damit ein genuiner Aufsichtsbereich mit dem Ziel des Systemschutzes, folgt erst mit deutlichem Abstand an zweiter Stelle (50 Prozent). Mit noch deutlicherem Abstand wird das Kontenabrufverfahren genannt (36 Prozent), also eine Vorschrift aus dem Bereich des Steuerrechts zur Vermeidung der Steuerhinterziehung.

Dieses Resultat deckt sich mit einem aktuellen Gutachten der IW Consult im Auftrag des Zentralen Kreditausschusses, demzufolge die größten bürokratischen Lasten (775 Millionen Euro per annum; das allein sind 2,3 Prozent des Vor-Steuer-Jahresüberschusses der Banken) für die Kreditinstitute aus Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäsche, der Handhabung der Kapitalertragsteuer (628 Millionen Euro) sowie den Meldepflichten zu statistischen Zwecken (254 Millionen Euro) resultieren.7)

Erneut treten Unterschiede zwischen den Bankengruppen auf. Sparkassen und Kreditgenossenschaften fühlen sich besonders belastet durch die Anforderungen des Geldwäschegesetzes. Die Kreditbanken beklagen dagegen primär das aufsichtsrechtliche Meldewesen, was wohl vor allem mit internationalen Aktivitäten und damit zusammenhängenden Berichtspflichten an eine Vielzahl von Regulatoren in unterschiedlichen Formaten zusammenhängen dürfte.

Gesamtzufriedenheit mit der Aufsicht

Bei den Befragten wird eine seit 2002 per saldo gestiegene Qualität der Bankenaufsicht wahrgenommen. Gleichwohl fällt das Gesamturteil (52 von 100 möglichen Indexpunkten) hinter die im Detail erlebte Personalqualität sowie die inhaltliche und formale Qualität von Aufsichtsgesprächen und Prüfungen nach § 44 KWG zurück. Die Zufriedenheit bei den Kreditbanken ist deutlich höher als die der anderen Institute (60 Punkte). Die vertiefende ökonometrische Analyse deckt auf, dass die Gründe für diese Bewertung und den vielfach gesehenen Veränderungsbedarf in der Aufsichtspraxis zum einen in den zuletzt angesprochenen Bereichen, die nicht den Kern der Bankenaufsicht ausmachen, liegen: Änderungsbedarf wird gerade von Sparkassen und Kreditgenossenschaften empfunden, die Lasten bei Geldwäsche und Kontenabruf beklagen und gleichzeitig einen zu hohen Regulierungsumfang sowie eine zu weitgehende Regulierungstiefe anprangern.

Stärkster Treiber für die Gesamtzufriedenheit mit der Bankenaufsicht ist indes die jeweilige Einstellung des Bankmanagements gegenüber der qualitativen Aufsicht. Dieser Zusammenhang deutet darauf hin, dass in den Banken und Sparkassen unterschiedliche Unternehmertypen agieren, die aufgrund ihrer eigenen grundsätzlichen Einstellung zum Bankgeschäft - und weniger aufgrund ihrer unmittelbaren Erfahrungen mit den Instrumenten der Bankenaufsicht - zu einer unterschiedlichen Gesamtbewertung mit der Bankenaufsicht in Deutschland gelangen (Abbildung 7).

Veränderungsbedarf in der Bankenaufsicht

In der Gesamtschau und unter Berücksichtigung des speziellen Charakters der "Geschäftsbeziehung" schneidet die Bankenaufsicht nicht nur wesentlich besser ab, als es die hitzige Debatte erwarten ließ. Auch liegen die Qualitätsurteile der Beaufsichtigten über denen, die sie selbst in Kundenbefragungen erhalten.8) Insofern kann vor politischen "Schnellschüssen" mit Blick auf Reformen der Bankenaufsicht nur gewarnt werden.

Dennoch gibt es Optimierungsmöglichkeiten, die sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen bewegen, sowohl konzeptionellstrategischer als auch prozessbezogen-operativer Natur sind, mitunter institutionelle und letztlich auch finanzielle Fragen berühren. Setzt man die Prioritäten anhand der von den Befragten empfundenen Belastungen, so ergibt sich folgende Handlungsagenda:

1. Konzentration der Bankenaufsicht auf ihren materiellen Kern: Hierzu zählen Geldwäsche und Kontenabrufverfahren genau nicht. Gerade sie bestimmen aber das Qualitätsurteil der Beaufsichtigten. Diese Vorschriften müssen dringend entschlackt beziehungsweise die Kreditinstitute hierfür vom Staat entgolten werden.

2. Deregulierung: Basel II ist zu Jahresbeginn Realität geworden, wird aber selbst von der Aufsicht als "bürokratisches Monster" (Sanio) bezeichnet. Daher muss sich Deutschland in der beginnenden Diskussion über Basel III als Treiber für die Reduktion der vielfältigen aufsichtlichen Vorschriften auf ein Minimum positionieren und im Grundsatz der Markt- mehr Gewicht als der Staatskontrolle geben.

3. Stärkung von Transparenz und Kommunikation: Self-Marketing der Aufsicht ist eine Bringschuld, um Strategie (zum Beispiel qualitative Aufsicht), operatives Vorgehen (risikoorientierte Prüfungen unter Wahrung der Proportionalität, Handhabung des operationellen Risikos) und vor allem den Nutzen aus den Gesprächen beziehungsweise Prüfungen deutlicher zu machen.

4. Klarere Kompetenzzuweisung: An der Notwendigkeit eines "Aufsichtsdreiecks" aus BaFin und Bundesbank (sowie den für sie tätigen Wirtschaftsprüfern), aber natürlich auch den Verbänden lassen sich berechtigte Zweifel erheben. Will die Politik schon keine neue Grundsatzdiskussion über die Ansiedlung der integrierten Finanzmarktaufsicht bei der Bundesbank9), dann muss sie aber mindestens die Zuständigkeit in strategischen Fragen und die Verzahnung mit den operativen Prozessabläufen zwischen den Institutionen anhand nachvollziehbarer Kriterien eindeutiger regeln. Die Aufsichtsrichtlinie bleibt hier zu vage.

5. Modernisierung der BaFin-Governance: Auch wenn die Politik vor allem diesen Punkt intensiv diskutiert:10) Das "BMF-Gutachten" liefert keine Hinweise auf Reformbedarf. Und auch aus organisationstheoretischer Perspektive lassen sich keine Empfehlungen ableiten, ob die BaFin nun von einem "Präsidium" oder "Vorstand" geleitet werden sollte. Veränderungsbedarf zeigt sich am ehesten mit Blick auf den Verwaltungsrat der BaFin. Hier sollte der Einfluss der Politik gerade nicht weiter verstärkt werden (schon heute elf von 21 Mitgliedern); stattdessen ist mehr unabhängiger Sachverstand notwendig. Aus diesem Grunde plädieren wir gegen einen (wie auch immer bemessenen) Anteil von Steuerfinanzierung der BaFin. Dies würde den Staatseinfluss auf die Bankenaufsicht zwangsläufig verstärken und zu mehr Bürokratie durch eine "Aufsicht der Aufsicht" führen.

Prof. Dr. Stephan Paul , Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft , Ruhr Universität Bochum
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