Aufsätze

Verbriefungskonstrukte - heilsame Einsichten und attraktive Aussichten

In den letzten Wochen und Monaten geisterten die Schlagworte Subprime- und Liquiditätskrise durch die Medien. In diesem Zusammenhang sind auch deutsche Banken durch Engagements in strukturierten Krediten, denen unter anderem Suprime-Kredite zugrunde liegen, in Schieflage geraten. Beim Subprime-Sektor handelt es sich global gesehen nur um einen relativ kleinen Kreditbereich, der offensichtlich dennoch immense Auswirkungen auf das Finanzsystem hat. Daher ist es selbst für Spezialisten schwer, die Zusammenhänge, die zur Krise führten, zu verstehen.

Marktübliche Verbriefungskonstrukte

Unter einer klassischen Verbriefung versteht man die einmalige oder revolvierende Bündelung geeigneter Assets zu einem Pool, der dann auf eine Zweckgesellschaft beziehungsweise ein Special Purpose Vehicle (SPV) übertragen wird. Der Ankauf des Pools durch das SPV wird durch die Emission von Wertpapieren (Asset Backed Securities, ABS) am Geld- oder Kapitalmarkt refinanziert. Diese Wertpapiere sind durch den vom SPV angekauften Pool (Assets) gedeckt (Backed) und werden aus deren Zins- und Tilgungszahlungen bedient. Das SPV dient dabei nur als "Hülle" und leitet die Performance des zugrunde liegenden Pools direkt an die Investoren in die Wertpapiere weiter.

Bei der in Abbildung 1 dargestellten Transaktion verkauft der Originator die Kreditrisiken an das SPV, welches den Kaufpreis durch die Emission von ABS-Wertpapieren (Asset Backed Securities) refinanziert. Das herausragende Merkmal eines ABS-Wertpapiers ist die Tranchierung der Kreditrisiken des Pools mit Hilfe des sogenannten "Wasserfalls". Das bedeutet, dass die Zahlungen (Zinsen, Tilgungen) aus dem verbrieften Pool von "oben herab", beginnend mit der AAA-Tranche bis hinunter zur Erstverlustposition (First-Loss-Tranche) fließen, Ausfälle aber beginnend mit der First-Loss-Tranche von "unten beginnend" die Position reduzieren.

Die von der Bonität her schlechtesten Kredite des zugrunde liegenden Pools finden sich demnach nicht zwingend in den unteren Tranchen wieder. Umgekehrt sind die qualitativ guten Forderungen nicht automatisch der oberen Tranche zugeordnet. Bei einer Verbriefung befindet sich gedanklich jede Forderung in allen Tranchen. Sollte als erstes der am besten geratete Kredit des relevanten Pools ausfallen, trägt der Investor in die First-Loss-Tranche den Ausfall, und sollte andererseits nur die am schlechtesten geratete Forderung des Pools nicht ausgefallen sein, werden die Cash-Flows dieses Kredites zur Zinszahlung der Senior-Tranche herangezogen. Das unterschiedliche Risikoprofil spiegelt sich auch in den Renditen der ABS-Papiere wider: Die Spreads können von nur wenigen Basispunkten für die AAA-Tranche bis zu beispielsweise zehn Prozent für die First-Loss-Tranche variieren.

Da der Originator (Verkäufer der Forderungen) in aller Regel bessere Informationen über den zugrunde liegenden Pool hat als der potenzielle Investor in die vom SPV emittierten ABS-Papiere, übernimmt der Originator oft als "Beweis" der Werthaltigkeit der Kredite im Pool die riskanteste Position, die First-Loss-Tranche. Aufgrund des hohen Zinssatzes ist diese Tranche aber auch für risikobereite Investoren interessant.

Eine Spezialform von ABS sind sogenannte ABS squared. Bei diesen Geschäften werden Tranchen aus "einfachen" Verbriefungen gepoolt und über ein SPV wiederum am Kapitalmarkt platziert. Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass durch das "Hintereinanderschalten" mehrerer Spezialgesellschaften das originäre Kreditrisiko nur noch sehr schwer erkennbar ist.

ABCP-Programme

Die zweite Art von am Markt gängigen Konstrukten sind sogenannte ABCP-Programme (Asset Backed Commercial Paper), bei denen länger laufende Forderungen über ein SPV (hier "Conduit" genannt) durch kurz laufende Commercial Papers refinanziert werden. Commercial Papers haben in der Regel eine Laufzeit von bis zu einem Jahr und sind demnach Geldmarktpapiere. In ABCP-Programmen dürfen nur Forderungen bester Qualität in das Conduit eingebracht werden, um eine hohes Rating der emittierten CPs zu gewährleisten.

Durch das Stellen von Kreditlinien (Liquiditätsfazilitäten) sichert die Bank, die das jeweilige Conduit betreibt (der Sponsor), die Spezialgesellschaft vor Liquiditätsengpässen ab. Solche Engpässe können entstehen, wenn das Conduit nicht mehr in der Lage ist, die emittierten Commercial Papers (die Refinanzierung beziehungsweise die Passivseite des Conduits) zu platzieren oder die angekauften Forderungen (die Aktivseite des Conduits) am Markt zu veräußern. In einem derartigen Fall kann nur mithilfe des Bankkredites, der aus der Ziehung der eingeräumten Kreditlinie resultiert, eine Liquidation des Conduits verhindert werden.

Generell dürfen nur Forderungen mit sehr guter Kreditqualität von einem Conduit angekauft und gehalten werden, wenn die emittierten Commercial Papers ein sehr gutes Rating (A-1) erzielen sollen. Daher gibt es regelmäßig Mechanismen, die bei Eintreten von vorher definierten Gründen (Trigger Events) den Sponsor dazu verpflichten, das Conduit zu unterstützen. Das kann beispielsweise die Verpflichtung sein, Forderungen auch über dem aktuellen Marktpreis aus dem Conduit heraus zu kaufen, wenn beispielsweise das Rating der Forderungen unter eine kritische Schwelle fällt. Alternativ könnte zum Beispiel auch das Stellen zusätzlicher Sicherheiten vereinbart werden, wenn die Qualität der angekauften Forderungen unter eine vordefinierte Schwelle sinkt.

Eine Synthese der beiden oben vorgestellten Verbriefungsstrukturen stellt das folgende Konstrukt dar, in dem Verbriefungstranchen aus klassischen Verbriefungstransaktionen durch ein Conduit angekauft und durch die Emission von Commercial Papers refinanziert werden. Abbildung 2 veranschaulicht dieses Konstrukt.

Da die vom Sponsor gestellte Liquiditätsfazilität im Grundsatz I meist als Kreditzusage mit einer Laufzeit unter einem Jahr in der Regel nicht mit Eigenkapital zu unterlegen war, konnte vor dem Inkrafttreten der Solvabilitätsverordung (SolvV) durch Auslagerung der Forderungen an ein Conduit (Security Arbitrage Vehicle) Eigenkapital eingespart werden. Diese Möglichkeit ist mit dem Inkrafttreten der SolvV weggefallen.

Aktuelle Problematik

Auf Basis der vorgestellten Verbriefungskonstrukte stellt sich nun die Frage, wie es in den vergangenen Monaten zur Krise kommen konnte. Der Ursprung der gegenwärtigen Krise geht auf die expansive Geldpolitik beziehungsweise Niedrigzinspolitik der US-Notenbank ab 2001 zurück, die dazu führte, dass Immobilienkredite an Kunden niedriger Bonität vergeben wurden. Diese Kredite werden als Subprime- Kredite bezeichnet. Aus mehreren Gründen haben sich die Ausfälle in diesem Sektor in den USA erhöht. Primär waren dies die mehrmalige Erhöhung der Marktzinsen und der gleichzeitige Wegfall von Zinsbindungen in den Kreditverträgen sowie ein Rückgang der Immobilienwerte.

Dies führte dazu, dass bei den unteren Tranchen von Verbriefungen mit Sub-prime-Pool vermehrt Ausfälle aufgetreten sind. In weiterer Folge kam es zu einem teilweisen Downrating der oberen beziehungsweise vorrangigen Tranchen und zu einem damit einhergehenden Marktpreisverlust. Insbesondere Investoren, die Positionen in den unteren beziehungsweise nachrangigen Tranchen hielten, mussten demzufolge Verluste hinnehmen. Typischerweise gehören zum Beispiel manche Hedge Fonds zu den Investoren in nachrangigen Tranchen.

Investoren in den oberen Tranchen haben trotz der Verluste in den unteren Tranchen bisher meist nur einen "theoretischen beziehungsweise rechnerischen" Verlust erlitten. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass durch die Dicke der unteren Tranchen der Investor in die höchste Tranche erst dann effektiv Geld verliert, wenn fast alle Schuldner im Pool ausfallen und gleichzeitig die als Sicherheit dienenden Immobilien nur mehr weit unter Marktwert veräußert werden können.

Wenn zum Beispiel die oberste Tranche 50 Prozent des Volumens der verbrieften Kredite ausmacht und die Kredite voll mit Immobilien besichert sind, verliert der Investor erst dann effektiv Geld, wenn gleichzeitig alle Schuldner im zugrunde liegenden Pool ausfallen und die Sicherheiten (die Immobilien) nur unter 50 Prozent Marktwert verkauft werden können. Dies ist äußerst unwahrscheinlich. Dennoch ist die Nachfrage nach Subprime-Verbriefungen nicht zuletzt aufgrund psychologischer Effekte gesunken.

Zunächst ein Liquiditäts- und (noch) kein Verlust-Problem

Sollte ein Conduit in den mittleren Tranchen von Subprime-Verbriefungen investiert gewesen sein, welche ein Downgrade erfahren haben, musste der Sponsor die Wertpapiere aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen Conduit und Sponsor (Trigger Events) zu einem über dem Marktwert liegenden Kurs dem Conduit abkaufen. Es ist aber festzuhalten, dass, obwohl riesige Summen in diesem Zusammenhang genannt werden, der tatsächliche Verlust viel geringer ist. Beispielsweise entspricht der Verlust bei einer Ziehung von einer Milliarde zur Deckung eines Marktwertrückganges von beispielsweise drei Prozent "nur" 30 Millionen, da ja die angekauften Wertpapiere "noch lange nicht" ausgefallen sind. Dennoch war es für einzelne Banken schwer oder gar nicht möglich, die geforderte Liquidität aufzubringen. Folglich handelte es sich in erster Linie um ein Liquiditäts- und (noch) kein Verlust-Problem.

Sobald die Veröffentlichungen der Schwierigkeiten einzelner Conduits den Markt erreicht hatten, war eine weitere Refinanzierung über Commercial Papers aufgrund der Skepsis der Investoren de facto unmöglich. Das führte zu weiteren Ziehungen der eingeräumten Linien (Grund: Nicht-Platzierbarkeit der Commercial Papers zu vertretbaren Konditionen), was die Liquiditätssituation weiter verschärfte.

Da gleichzeitig aus den USA Bonitätsprobleme bei Banken, die Subprime-Kredite finanzierten offenkundig wurden, stieg die Skepsis der Marktteilnehmer gegenüber allem, was in irgendeiner Form mit Subprime zu tun haben könnte. Das Ganze verstärkte sich aufgrund der Komplexität der Geschäfte und der Unsicherheit über die Zusammensetzung der zugrunde liegenden Pools - speziell bei Produkten, in denen Tranchen aus fremden Verbriefungen mehrmals verbrieft wurden (ABS squared). Sämtliche Verbriefungen - ob Subprime oder nicht - wurden "in Sippenhaft genommen". Die Marktwerte von Verbriefungen - sei es auf europäische Immobilenkredite, Retailexposures, Leasingforderungen, Unternehmensforderungen oder Automobilfinanzierungen - brachen auf breiter Front ein.

In weiterer Folge entwickelte sich bei den Investoren ein Bewusstsein zu den Portfolien der ABCP-Programme und die Angst ging um sich, via Commercial Papers Subprime Risiken bei gleichzeitiger Illiquidität des Sponsors zu bekommen. Daher wurde es zunehmend schwieriger, Commercial Papers zu angemessenen Konditionen zu platzieren. Weil sämtliche Großbanken hohe Volumen in ABCP-Programmen halten, stieg die Sorge, dass die Liquiditätsfazilitäten in Anspruch genommen werden könnten (wie gesagt, ein Verkauf der Assets am Markt als Alternative zur Ziehung war kaum möglich, da kein Marktteilnehmer mehr Verbriefungen kaufen wollte). Das bedeutete, dass beinahe jede größere Bank wegen der drohenden Ziehung riesige Volumen an Liquidität bevorraten musste, was zu einer Austrocknung des Geldmarktes führte.

Das Dilemma der derzeitigen Situation ist Folgendes: Obwohl die drohenden Kreditverluste zwar sicher signifikant sind und eine Ausweitung der Spreads für sämtliche Forderungen schon lange fällig war, handelt es sich in erster Linie um ein Liquiditätsproblem. Selbst wenn die Banken in all ihren Kreditlinien in Anspruch genommen werden würden, muss das dennoch keinen Verlust bedeuten. Abgesehen von einigen wenigen Subprime-Exposures, die möglicherweise in einigen Conduits liegen, weist die Masse der Forderungen weiterhin eine relativ gute Bonität auf, und Zahlungsausfälle sind nach wie vor unwahrscheinlich. Das ist allein schon aufgrund der hohen Besicherung der meisten ABS-Wertpapiere sichergestellt. Sollten die Refinanzierungskosten aber weiterhin über Normalniveau bleiben und die Banken längerfristig zu sehr hoher Liquiditätshaltung gezwungen sein, kann sich das mittelfristig auf die Gewinne der Institute durchschlagen.

Gefahr einer Kreditklemme?

Derzeit sind keine Kreditausfälle auf breiter Basis zu beobachten, sodass offensichtlich kein reales Kreditproblem besteht. Trotzdem besteht die Gefahr, dass sich die Spirale immer schneller zu drehen beginnt und eingeleitet durch die hohe Liquiditätshaltung und die höheren Refinanzierungskosten der Banken eine Kreditklemme in der Realwirtschaft entsteht, die dann zu einer höheren Anzahl an Kreditausfällen führen könnte.

Das in den Conduits inhärente Liquiditätsrisiko ist wieder mehr ins Bewusstsein gerückt. Die schon aufgrund der neuen Regelungen zur Eigenkapitalunterlegung von Conduit-Linien (keine Eigenkapitalersparnis mehr im Gegensatz zu einer bilanziellen Forderung) erkennbare Tendenz zur "Rücknahme" der im Conduit ausgelagerten Assets auf die Bankbilanz dürfte sich verstärken. Es ist daher auch aus diesem Aspekt mit einer Reduzierung der Volumina der ABCP-Programme zu rechnen.

Es bleibt abzuwarten, wie lange es dauert, bis Investoren und Banken die Chancen und Risiken der Verbriefungskonstrukte erneut - jedoch mit kühlem Kopf - analysieren, und das gegenseitige Vertrauen der Banken wieder zurückkehrt. Langfristig werden jedoch sicherlich die ökonomischen Vorteile der alternativen Finanzierungsmöglichkeiten über Verbriefungen überwiegen und strukturierte Finanzierungen weiterhin attraktiv bleiben.

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