Chancen und Risiken durch ESG im Finanzmarkt der Zukunft

Lukas Simon, Foto: BNP Paribas

Unternehmen müssen die Risiken durch den Klimawandel in ihrem Geschäftsmodell berücksichtigen. Dabei spielen laut Autor vor allem ESG-Faktoren, aus denen messbare und relevante Key-Performance-Indikatoren abgeleitet werden können, einen sehr wichtige Rolle. Diese müssen demnach basierend auf dem Ambitionsniveau des Unternehmens identifiziert und definiert werden. Damit könne dann der Beitrag des entsprechenden Unternehmens zur Erreichung der Klimaziele gemessen werden. Das bietet laut Simon ein Mehr an Transparenz und eine bessere Überprüfbarkeit. Auch können damit nachhaltige Finanzprodukte selektiert werden. Dennoch müsse im Einzelfall der Zweck der Finanzierung und die ESG-bezogenen Ambitionen des Unternehmens überprüft werden. Das Erreichen oder Nichterreichen der KPIs hat dann Einfluss auf den Preismechanismus der Finanzierungsinstrumente. Daneben gibt es dann noch Finanzierungsprodukte nach dem Prinzip der Mittelverwendung wie Green Bonds. (Red.)

Ein Tag, der in die Geschichtsbücher eingehen könnte: Am 23. September 2019 gründeten die Vereinten Nationen auf dem UN-Klimagipfel in New York die Net-Zero Asset Owner Alliance. Die Mitglieder dieser Gruppe verpflichten sich, die CO2 -Emissionen ihrer Anlageportfolios bis 2050 auf netto Null zu reduzieren. Zu den Gründungsmitgliedern gehören beispielsweise die Allianz oder SwissRe, weitere Player wie Nordea Life und Pension, Zurich, Axa, Aviva und die Church of England haben sich seither der wachsenden Gruppe angeschlossen.

Sie alle wollen einen Beitrag zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad leisten, besser noch auf unter 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. So wollen sie die Energiewende voranbringen, auch durch Anlageentscheidungen bezüglich der von ihnen verwalteten Vermögen von mehr als vier Billionen US-Dollar. Hierdurch steigt der Druck auf Finanz- und Realwirtschaft, eine Dekarbonisierungsstrategie zu entwickeln und umzusetzen, deutlich.

Diese Initiative kann tatsächlich ein weiterer Schritt hin zu einem nachhaltigen globalen Finanzsystem sein. Diesen Ansatz verfolgt auch Larry Fink, Chairman des Asset Managers Blackrock. In seinem jährlichen Brief zum Jahresanfang an die Chief Executive Officer namhafter internationaler Unternehmen kündigte er im Januar 2020 die grundlegende Umgestaltung der Finanzwelt an. Er interpretiert das Klimarisiko als Anlagerisiko und fordert die Konzerne dazu auf, die Bedürfnisse der verschiedenen Stakeholder zu berücksichtigen.

ESG-Strategien einsetzen

Unternehmen müssen die potentiellen physikalischen und transitorischen Risiken des Klimawandels und die damit verbunden Herausforderungen und Opportunitäten für das aktuelle und das zukünftige Geschäftsmodell berücksichtigen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei ESG-Faktoren, aus welchen messbare, relevante und realistische Key-Performance-Indikatoren (KPIs) abgeleitet werden können.

Die ESG-KPIs sind in Abhängigkeit zum Ambitionsniveau des Unternehmens zu identifizieren, zu definieren und zu messen, mit dem Ziel, einen positiven Beitrag zur Erreichung der Klimaziele des Pariser Klimaabkommens zu leisten. Unternehmen definieren so ESG-relevante Schlüsselthemen wie beispielsweise Wasser- und Energieverbrauch, Abfallentsorgung oder Treibhausgasemissionen, die für den Industriesektor von hoher Relevanz sind und das Engagement für ambitionierte und messbare mittel- bis langfristige Ziele klar unterstreichen. ESG-Faktoren erhöhen die Qualität bestehender Risikomanagementsysteme. Zu den Vorteilen aus den ESG-Faktoren abgeleitete KPIs gehören:

- KPIs bieten Transparenz.

- KPIs sind einsetzbar zur Überprüfung und Berichterstattung von strategisch relevanten Nachhaltigkeitszielen.

- Messbare KPIs dienen der Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens.

- Das Erreichen beziehungsweise Verfehlen der KPIs kann zu einer vertraglich vereinbarten Verbesserung beziehungsweise Verschlechterung der Zinsmarge führen.

Die messbaren KPIs spielen auch hier bei der Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung anderer Produkte auf dem Finanzmarkt eine entscheidende Rolle und werden in die Berücksichtigung finanzieller Entscheidungen einbezogen.

Kopplung der Kredite an SDG

Bereits seit zehn Jahren verfügt beispielsweise BNP Paribas über eine Nachhaltigkeitsstrategie, indem sie in ihr Risikomanagement ESG-Faktoren integriert - und das verbindlich für sämtliche Finanzierungen und Investments weltweit. Im Fokus stehen hierbei die aktive Unterstützung und Begleitung von Kunden im Transformationsprozess. Langfristige Kundenbeziehungen sind auf einer Vertrauensbasis mit dem klaren Ziel Nachhaltigkeit aufgebaut. Zudem hat sich die Bankengruppe durch zahlreiche Nachhaltigkeitsinitiativen verpflichtet. Allein 15 Prozent der von der Bankengruppe vergebenen Unternehmenskredite sind mit den Sustainable Developement Goals (SDG) der Vereinten Nationen verknüpft.

Grundsätzlich sind ESG-Scorings und ESG-KPIs hilfreich, um nachhaltige Finanzprodukte zu selektieren, mit internen und externen Stakeholdern in einen strategischen Dialog zu treten und die Visibilität für relevante ESG-Faktoren zu erhöhen.

Die Finanzierungskosten können bezogen auf das im Vorfeld vereinbarte ESG-Scoring-Raster oder die Nachhaltigkeits-KPIs variieren, was zur Verbesserung oder Verschlechterung der festgelegten Zinsmargen der Kreditnehmer führen kann.

Neue Varianten statt reiner Grüner Anleihen

Dennoch sind derlei Finanzierungsprodukte keine vorgefertigte Lösung für alle, sondern müssen auf Basis der Anforderungen und der Finanzierungsstruktur individuell besprochen und entschieden werden. Relevant sind dabei der Zweck der Finanzierung sowie die ESG-bezogenen Ambitionen des Unternehmens. Welches Finanzierungsprodukt dann mit den ESG-Faktoren verknüpft wird, ob ein Kredit, ein Schuldschein oder eine Anleihe, ist eine nachgelagerte Entscheidung. Grundsätzlich bieten an ESG-Kriterien gekoppelte Anleihen den Anlegern Transparenz über die gesamte Entwicklung des Geschäftsmodells anstatt nur auf bestimmte Projekte zu fokussieren.

Auch Investoren setzen immer häufiger auf Diversität im Anlageportfolio, um ihre Risiken zu diversifizieren. Problematisch ist in diesem Zusammenhang oftmals die Limitierung des Verwendungszwecks bei den Emittenten von Green Bonds.

Doch: Nur Grün allein - das reicht nicht. Denn es zeigt sich, dass beim breitgefächerten Themengebiet Nachhaltigkeit auch die Wechselwirkungen zwischen Environment, Social und Governance relevant sind. Grundlage dafür ist ein bereichsübergreifend messbarer Verwendungszweck, der die relevanten ESG-Faktoren berücksichtigt. Der Bedarf an flexibleren nachhaltigen Lösungen wie ESG-linked oder SDG-linked Bonds steigt.

Für Emittenten gibt es mittlerweile verschiedene Produktoptionen im Bereich nachhaltiger Finanzen mit bewährten und innovativen nachhaltigen Finanzierungslösungen. Dies sind zum einen nachhaltige Produkte, die auf ESG-Leistungsindikatoren basieren. Hier bieten sich vor allem Sustainability-linked Loans (SLL) an. Diese werden als Revolving Credit Facility (RCF) oder Laufzeitdarlehen vergeben, deren Preismechanismen an die ESG-Gesamtunternehmensleistung oder an die Erreichung messbarer individueller ESG-KPIs gekoppelt sind. Daneben gibt es die nachhaltige Finanzierung des Betriebskapitals mittels ESG-gebundener Lieferantenfinanzierung, nachhaltiger Forderungs- und Rohstofffinanzierung.

Nur die Mittelverwendung ist anders

Auf der anderen Seite basieren nachhaltige Finanzierungsprodukte auf dem Prinzip der Mittelverwendung. Hierzu zählen Green- und Social-Bonds, -Loans oder -Schuldscheine für Projekte, die einen dezidierten Verwendungszweck haben. Prinzipiell unterscheiden sich nachhaltige Anleihen in ihrer Rechtsform nicht von anderen Anleihen, sondern in der Verwendung der Gelder: Diese werden zur Finanzierung von Projekten mit ökologischen und/oder sozialen Benefits eingesetzt.

Eine neue Art von Anleihen sind die sogenannten Transition Bonds. Sie dienen zur Finanzierung von Projekten, die das Unternehmen dabei unterstützen, die Geschäftstätigkeit auf ein nachhaltigeres Geschäftsmodell umzustellen. KPI-linked Bonds sind ebenfalls eine neuer Anleihentyp, bei welcher der Kupon an die für einen Industriesektor relevante KPI-Leistung gebunden ist. Dieses Finanzierungsinstrument ist vor allem für Emittenten interessant, die bereits eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen und relevante ESG-Faktoren identifiziert haben.

Meilenstein: erster SDG-linked Bond

Vor wenigen Monaten wurde im Herbst 2019 von Enel der erste SDG-(Sustainable Development Goals)-linked Bond lanciert - ein Meilenstein in der Entwicklung KPI-gebundener nachhaltiger Finanzierungen.

Enel, ein weltweit agierendes Energieunternehmen, das in 34 Ländern auf fünf Kontinenten mit fast 73 Millionen Endverbrauchern tätig ist, hat sich zum Ziel gesetzt, einen aktiven Beitrag zur Erreichung von 6 der 17 UN SDGs beizutragen. Im Bereich erneuerbarer Energien ist Enel technologisch stark diversifiziert (Wasserkraft, Windkraft, Geothermie, Sonne, Thermoelektrik). Fast die Hälfte der von Enel erzeugten Energie wird ohne Kohlendioxidemissionen erzeugt, und damit ist das Unternehmen einer der führenden Produzenten erneuerbarer Energie.

Der von Enel begebene SDG-linked Bond im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar ist die erste KPI-gebundene Anleihe. Dabei geht die Transaktion über den Use-of-Proceeds-Bond-Standard hinaus. Im Gegensatz zum Green Bond sind die mit dieser Transaktion aufgenommenen Mittel nicht an einen dezidierten Verwendungszweck des Erlöses gebunden, sondern an die Erreichung von bestimmten Sustainable Developement Goals der UN.

Nukleus der Unternehmensstrategie: Nachhaltigkeit

In diesem Falle verpflichtet sich das Unternehmen, einen definierten und messbaren KPI (Erhöhung des Anteils der installierten Kapazität aus erneuerbaren Energien auf mindestens 55 Prozent) bis Dezember 2021 zu erreichen. Die Erreichung dieses KPIs ist verbunden mit dem UN SDG Nummer 7 ("Bezahlbare und saubere Energie"). Wird dieses Ziel nicht erreicht, akzeptiert der Emittent eine Erhöhung des Kupons.

Weltweit aktive Banken wie BNP Paribas sind beim Thema Nachhaltigkeit stark engagiert und verpflichten sich, zu verantwortungsvollem und nachhaltigen Wachstum beizutragen, indem sie die Wirtschaft finanzieren und Kunden nach höchsten ethischen Standards zu Finanzierungs- und Nachhaltigkeitsthemen beraten.

Lukas Simon Senior Advisor Sustainable Advisory & Finance, BNP Paribas Corporate & Institutional Banking, Frankfurt am Main
 
Lukas Simon , Senior Advisor Sustainable Advisory & Finance, BNP Paribas Corporate & Institutional Banking, Frankfurt am Main
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