Digitalisierung in der Bankenwelt - fortlaufende Weiterbildung und Lernbereitschaft als Herausforderung

Jörg Ziesche, Prokurist, Opel Bank GmbH, Rüsselsheim - Gerade die Banken mit engem Bezug zum Handel und/oder zu Produzenten sind in ihrer Ausrichtung traditionell auf elektronische Vertriebswege ausgelegt und damit auch für die Digitalisierung aufgeschlossen. Für den Autor bietet das kluge Handling von Kundenbeziehungen und Daten immer wieder neue Möglichkeiten die Verkaufs- und Serviceprozesse zwischen Kunde, Bank, Handel und Produzent zu verbessern. Die Kunst der Führungskräfte sieht er darin, in einem hochdynamischen Umfeld eine unscharfe Vision der Zukunft und Meilensteine dahin so zu vermitteln, dass Teams zielgerichtet und engagiert auf ein Ziel hinarbeiten können, aber trotzdem flexibel genug sind, um bei unternehmerisch nötigen Veränderungen oder Strategiewechseln angemessen reagieren zu können. (Red.)

Mittlerweile gibt es wohl kein Unternehmen mehr, bei dem die fortschreitende Digitalisierung nicht auf der Agenda des Topmanagements steht. Digitalisierung bedeutet dabei nicht, einfach eine App zu bauen oder bestehende Produkte und Dienstleistungen online anzubieten. Digitalisierung bedeutet, Prozesse schrittweise zu automatisieren oder kundenorientiert zu ändern und unter Umständen ganze Geschäftsmodelle infrage zu stellen oder zu verändern. Dies ist ein komplexer Change-Prozess, der alle Bereiche des Unternehmens vor Herausforderungen stellt. Zwei Punkte sind dabei wichtig: Zum einen ist es nur eine Frage der Zeit, wann welcher Geschäftsprozess durch die Digitalisierung - in welcher Form auch immer - verändert wird. Die Herausforderung besteht im richtigen Timing und den richtigen Prioritäten der Änderungen. Zum anderen sollten Unternehmen hinsichtlich des Wettbewerbs sensibilisiert sein und welche Geschäftsbereiche dies betreffen könnte. Einer potenziellen Herausforderung durch alternative Wettbewerber sollte mit innovativen Geschäftsideen beziehungsweise Anpassungen des eigenen Geschäftes begegnet werden.

Kundenbeziehungen und Daten

Finanzdienstleistungen sind im Kern Kundenbeziehungen und Daten, jeder Funktionsbereich einer Bank ist von Digitalisierung betroffen. Der Zahlungsverkehr ist branchenweit stark standardisiert und digitalisiert, Transaktionen werden durch wenige Klicks aktiviert, über Schnittstellen weitergeleitet oder durch Kollege Computer geprüft. Die Kreditprüfung im standardisierten Massengeschäft ist ebenfalls stark digitalisiert und automatisiert, im Firmenkundengeschäft sind ähnliche Entwicklungen zu erwarten oder teilweise bereits Realität.

Noch vor drei Jahren konnten sich nur wenige Marketingabteilungen einer Bank vorstellen, dass Marketing im Internet nicht überwiegend von Menschen, sondern von Computern gesteuert wird. Heute liegt der Anteil der automatisiert eingekauft und ausgelieferten Internetwerbung je nach Zählweise zwischen 30 und 60 Prozent des Marktvolumens. Internetdienste für Vertrieb, Schulung und Kundenservice sind bei praktisch jeder Bank Standard, Mitarbeitergewinnung erfolgt über Onlinenetzwerke, Forderungen oder Assets können über spezialisierte Auktionsplattformen online an Meistbietende versteigert werden. Auch Gesamtbanksteuerung, Treasury, Finanzen oder Risikomanagement werden stark durch Software und Daten unterstützt. Compliance- und Auditabteilungen oder Wirtschaftsprüfer setzen immer ausgefeiltere Software für Prüfungen ein. Die effiziente Verknüpfung aller Systeme und Daten sowie die fortlaufende Weiterbildung der Mitarbeiter wird zur Herausforderung und kann einen Wettbewerbsvorteil darstellen.

Noch nicht alle Finanztransaktionen können vollständig digital abgewickelt werden, da in einigen Bereichen eine physische Unterschrift oder spezielle Identifikationen gesetzlich vorgeschrieben sind. Seit Juli dieses Jahres gelten neue europaweite Regelungen zur elektronischen Signatur, sodass in naher Zukunft auch viele Kredite und Finanzierungen nutzerfreundlich und zu 100 Prozent online abgewickelt werden können. Das Frankfurter Start-up Giromatch oder die Teambank AG mit Easycredit haben beispielsweise derartige Prozesse für ihre Kunden verfügbar gemacht.

Auswirkungen der Blockchain in Ansätzen erkennbar

Finanzinstitute werden sich zusätzlich eher früher als später mit einer weiteren disruptiven Technologie - der Blockchain - auseinandersetzen müssen: Die potenziellen Auswirkungen auf das bisherige Finanzgeschäft sind heute in Ansätzen erkennbar. Vereinfacht dargestellt handelt es sich bei der Blockchain um eine gemeinsam genutzte, dezentrale Datenbanktechnologie, bei der Vertragspartner beziehungsweise Transaktionspartner direkt miteinander verknüpft werden. Das Bitcoin-System (eine virtuelle Währung) ist auf Basis der Blockchain entstanden. Auf Grundlage der Blockchain-Technologie und Plattformen wie Ethereum lassen sich neue Applikationen entwickeln und komplett neue Systeme begründen.

Ein Beispiel ist das australische Unternehmen Full Profile, über das Farmer ihre Waren anbieten können. Wenn ein Käufer zugreift, wird ein smarter elektronischer Vertrag geschlossen, die Abwicklung automatisiert und überwacht. Diese generellen Ansätze lassen sich im Prinzip auf eine Vielzahl von Finanzgeschäften und deren Abwicklung übertragen. Über die konkreten Auswirkungen auf das heutige, bestehende Geschäft kann spekuliert werden. Als Gewinner werden in jedem Fall die Finanzinstitute hervorgehen, die ihren Kunden Finanzgeschäfte so einfach und bequem wie möglich machen.

Internet: Schlüsselrolle in den Verkaufs- und Serviceprozessen

Die neue Opel Online Bank mit dem vor einem Jahr gestarteten Einlagengeschäft funktioniert überwiegend digital und ohne Filialen, wogegen das Finanzierungsgeschäft über das Händlernetzwerk abgewickelt wird. Beide Bereiche erfahren durch die Digitalisierung und damit einhergehend deutlich verändertem Kundenverhalten und Ansprüchen starke Veränderungen. Das Internet spielt eine Schlüsselrolle in den Verkaufs- und Serviceprozessen für Fahrzeuge. Für gemeinsame Erfolge der Händler, Finanzdienstleister und Hersteller ist es entscheidend, dass die Bank - in enger Abstimmung mit dem Handel - in die digitalen Vertriebswege integriert ist und die Kundenansprache digital und analog hundertprozentig aufeinander abgestimmt ist. Kunden sind beim Autokauf und ihrem Besuch im Showroom schon gut vorab informiert. Umso wichtiger ist eine fundierte Kundenberatung beim Händler.

Die Prozess- und Produkttrainings, die für die Bank eine sehr hohe Priorität haben, werden den Handelspartnern auch webbasiert angeboten. Die Bank unterstützt die Handelspartner aktiv dabei, ihre digitalen Vertriebs- und Marketingkanäle auszubauen und erfolgreich zur Leadgenerierung zu nutzen. Der Endkunde erhält zum Beispiel über Webkalkulatoren schnell und unkompliziert Informationen, die er für seine Kaufentscheidung benötigt.

Wie der aktuelle DAT-Report (Deutsche Automobil Treuhand GmbH) zeigt, gehört beim Fahrzeugkauf der Anschaffungspreis beziehungsweise die Rate der Autofinanzierung zu den drei Topkriterien. Durch attraktive Finanzierungs- und Leasingangebote kann die Bank dem Kunden schon ganz am Anfang des Kaufprozesses Finanzierungsalternativen aufzeigen und damit die Entscheidung für ein Fahrzeug erleichtern. Eine abgestimmte CRM Strategie hilft dabei, die Kundenloyalität für Opel zu erhöhen und so Folgegeschäfte für die Handelspartner zu ermöglichen. Seit diesem Jahr setzt die Bank ein neues, noch benutzerfreundlicheres Händlersystem ein. Dies wird die Prozesse weiter beschleunigen und den Service für den Handel verbessern.

Abgestimmte Dienstleistungen entwickeln

Eine generelle Herausforderung für alle herstellerverbundenen Banken ist die fortschreitende Disruption im klassischen Autofinanzierungsgeschäft. Branchenfremde Institute drängen immer stärker in die Autofinanzierung, in Onlinevergleichsportalen wird sowohl Endkunden als auch Händlern angeboten, die besten Konditionen und Provisionsmodelle abzufragen. Mobilitätsdienste wie Carsharing und Ridesharing stellen eine weitere Herausforderung dar.

Für die Opel Bank ist es deshalb wichtig, optimal auf die Fahrzeuge des Herstellers abgestimmte Mobilitätsdienstleistungen zu entwickeln. Gemeinsam mit Opel hat die Bank dieses Jahr zum Beispiel die neue Flat Rate eingeführt. Dabei sind neben der reinen Finanzierung auch die Wartung und erweiterte Garantieleistungen abgedeckt. In Zusammenarbeit mit der Carsharing Community Car-Unity und weiteren Partnern hat die Bank den passenden Versicherungsschutz für Carsharing bereitgestellt. Die Produkt- und Serviceoffensive der Bank wird von den Handelspartnern honoriert: Die Bank ist Gewinnerin der Kategorie "Volumenfabrikate" beim Autohaus Bankenmonitor 2016.

Weitere Chancen der Digitalisierung bieten sich den Automobilfinanzierern zukünftig auch durch die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge und Dienste wie Onstar. Sowohl neue Angebote für Kunden, wie zum Beispiel eine kilometergenaue Abrechnung, als auch deutliche Vereinfachungen für Unternehmensprozesse wie Fuhrparkmanagement oder Bestandsinventuren können zukünftig realisiert werden.

Anforderungen an Manager und Teams

Digitalisierung stellt nicht nur an Unternehmen als Ganzes, sondern an alle Mitarbeiter neue und erweiterte Anforderungen. Insbesondere ist eine hohe Lernbereitschaft beim Entdecken und Bewerten der Möglichkeiten und Umsetzen von Initiativen gefordert. Die Fähigkeit, effizient mehrere komplexe Themen parallel umzusetzen, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, auch für kleine Teams. Agile Arbeitsmethoden unterstützen die effiziente Zusammenarbeit und permanente Verbesserung.

Schlüsselkompetenzen sind neben bankfachlichen Kenntnissen, hoher Kundenorientierung und kommunikativen Fähigkeiten vor allem technisches Grundverständnis und Erfahrungen im Umgang mit Software und digitalen Prozessen in unterschiedlichen Unternehmensgrößen. Die richtige Priorisierung, smartes, effizientes Arbeiten und Selbstorganisation sind genauso unabdingbar wie souveränes bereichsübergreifendes Arbeiten und neue Ideen zur besseren Lösung anstehender Herausforderungen.

Veränderungen durch Digitalisierung gehen teilweise sehr schnell, die Zukunft ist nicht exakt vorherzusehen. Es ist zwar klar, dass sich vieles ändert, aber die genaue Ausprägung in der Zukunft ist manchmal weder dem Chef noch den Teams bekannt. Führungskräfte müssen es schaffen, in diesem hochdynamischen Umfeld eine unscharfe Vision der Zukunft und Meilen steine dahin so zu vermitteln, dass Teams zielgerichtet und engagiert auf dieses Ziel hinarbeiten können, aber trotzdem flexibel genug sind, um bei unternehmerisch nötigen Veränderungen oder Strategiewechseln angemessen reagieren zu können.

Wandel durch Digitalisierung als Chance

Die erfolgreichsten Kolleginnen und Kollegen begreifen den Wandel durch Digitalisierung als Chance, nicht als Bedrohung. Sie haben Spaß daran, neue Dinge für interne und externe Kunden zu entwickeln, umständliche Prozesse zu vereinfachen und effizienter zu gestalten oder komplexe Zusammenhänge in großen Datenmengen zu analysieren. Und sie sind in der Lage, auch in ungewissen, sich ändernden Umfeldern sehr gute Ergebnisse zu erzielen.

Digitalisierung ist jedenfalls kein Thema, das an IT- oder Forschungs- und Entwicklungsabteilungen delegiert werden kann. Jeder ist von Veränderungen in seinen/ ihren Verantwortungsbereichen betroffen, und letztendlich sind es alle engagierten Mitarbeiter im Unternehmen, die den digitalen Wandel gemeinsam gestalten.

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