Die drei Säulen für die digitale Transformation von Banken

Michael Rudrich, Foto: M. Rudrich

Neben dem Topthema Nachhaltigkeit steht vor allem die Digitalisierung als weiteres großes Todo auf der Agenda der deutschen (und europäischen) Bankenlandschaft. Damit der digitale Wandel oder auch die digitale Transformation gelingen kann, müssen die Institute allerdings grundsätzlich ihr Mindset anpassen und in diesem Zuge ihre Geschäftsmodelle umbauen. Gerade der Einsatz von neuen Technologien, wie Künstliche Intelligenz, ist für diese umfassenden Geschäftsveränderungen von enormer Wichtigkeit, so der Autor. Dass derartige Entwicklungen voranschreiten, sei aber auch für das Kundenerlebnis, auf das sich die Häuser noch stärker ausrichten sollten, immer wichtiger. Daher sollten die Banken laut dem Autor eine robuste digitale Strategie entwickeln, die auf den folgenden drei Säulen basiert: Kundenerlebnis als zentraler Wettbewerbsfaktor, Neuausrichtung auf den Kundennutzen sowie die Gewinnung von Marktanteilen durch Ökosystem-Banking. (Red.)

Die Transformationswelle in der Bankbranche ist stärker denn je. Insbesondere durch die Pandemie hat sich die Umstellung auf digitale Dienstleistungen beschleunigt: Die Verbraucher verzichten zunehmend auf Bargeld zugunsten von kontaktlosen Zahlungen und nutzen Online- oder Mobile Banking für Finanzgeschäfte aller Art. Selbst diejenigen, die diesen Dienstleistungen vor der Pandemie eher skeptisch gegenüberstanden, haben den Schritt gewagt und die Vorteile von digitalen Dienstleistungen kennengelernt.

In welchem großem Ausmaß dies stattfand, unterstreicht eine Studie von Ernst & Young (EY): Demnach zahlt jeder vierte Verbraucher in Deutschland infolge der Corona-Pandemie und der zahlreichen Maßnahmen, vor allem mit Blick auf die Hygiene, häufiger mit Karte, jeder Sechste führt weniger Bargeld mit sich und jeder Siebte kauft öfter online anstatt im stationären Einzelhandel ein. Zudem erledigen inzwischen drei von vier Verbrauchern ihre Bankgeschäfte ausschließlich oder zum Großteil online. Jeder Zweite will dabei künftig häufiger Apps oder Online-Angebote für seine Finanzgeschäfte nutzen.

Die Führungskräfte der Banken müssen nun Strategien und Konzepte erarbeiten, wie sie die steigende Nachfrage nach digitalen Dienstleistungen erfüllen und gleichzeitig den Wert des Kundenerlebnisses in Filialen erhalten. Die Antwort lautet: Schaffung einer hybriden Erfahrung, die sich als eine einzige, konsistente Reise darstellt, auf der Kunden physische und digitale Kanäle beschreiten. Um dies zu erreichen, müssen Banken ihre Technologiestrategie möglichst schnell neu ausrichten. Ziel ist dabei eine umfassende Geschäftstransformation, die auf drei zentralen Säulen basiert.

Kundenerlebnis als zentraler Wettbewerbsfaktor

Banken bedienen heute mehr digitale Kunden als je zuvor mit unterschiedlichen digitalen Fähigkeiten, persönlichen Bedürfnissen und Erwartungen. Eine Universalmethode zur Befriedung aller Kundenbedürfnisse ist daher unmöglich. Zudem stehen interne Teams unter dem Druck neue Funktionen zu entwickeln und die Benutzerfreundlichkeit von Online- und Mobile Banking über alle Berührungspunkte hinweg zu verbessern, um maßgeblichere und innovativere Dienstleistungen anzubieten. Personalisierung allein reicht hierzu nicht aus; es kommt auf das Kundenerlebnis an. Und da Kunden zunehmend ihre Bankgeschäfte über viele verschiedene Kanäle tätigen, steigen auch ihre Erwartungen an eine nahtlose, qualitativ hochwertige operative Erfahrung.

Für Banken besteht die Herausforderung darin zu ermitteln oder zu identifizieren, wie sie das betriebliche Fundament für ein positives Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg erschaffen. Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass herkömmliche Strategien, die sich auf die Transformation des Frontends konzentrieren, sehr schlecht geeignet sind, um nahtlose Omnikanal-Erlebnisse zu gewährleisten. Sie legen deshalb jetzt den Schwerpunkt auf die Backend-Transformation und die operative Exzellenz. Damit stellen Banken sicher, dass sie über eine solide Basis inklusive der nötigen Flexibilität verfügen, um ihre digitale Agenda zu erfüllen.

Re-Platforming ist von entscheidender Bedeutung, damit Banken immer mehr Dienste von einer Legacy-Infrastruktur auf Cloud-native Architekturen umstellen können. Aufgrund dessen, dass die Migration fortschreitet, ist die Observability über hybride Multi-Cloud-Umgebungen erfolgsentscheidend, um nahtlose Kundenerlebnisse sicherzustellen.

Neuausrichtung auf den Kundennutzen

Der Mehrwert aus Kundensicht sollte bei allen Aktivitäten im Mittelpunkt stehen. Nur so können Banken ihre digitale Innovation zielgerichtet vorantreiben und passgenaue neue Angebote auf den Markt bringen. Aber wie kann die Ausrichtung auf den Kundennutzen praktisch umgesetzt werden? Das Management sollte sich für eine stärker kollaborative Unternehmensstruktur öffnen und diese einführen, unterstützt durch kleine, flexible und autonomere Teams. Experten aus der IT, Produktentwicklung und Geschäfts- oder Dienstleistungsbereichen konzentrieren sich dort gemeinsam auf ein bestimmtes Kundenbedürfnis, Produkt oder eine Dienstleistung.

Alle Beteiligten tragen die Verantwortung für die Entwicklung von echten Mehrwerten für die Kunden. Es ist deshalb wesentlich, Silos zu vermeiden, um sicherzustellen, dass die Performance konsistent gemessen werden kann. Dev-Ops-, Cloud- und der klassische IT-Betrieb müssen sich vollständig auf den Kunden und seine Erlebnisse ausrichten, ohne die Geschwindigkeit des von Unternehmen geforderten digitalen Wandels zu beeinträchtigen. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Teams und eine stärkere Automatisierung durch AIOps, also die Nutzung von künstlicher Intelligenz für den Betrieb, sind hierbei die Schlüssel zum Erfolg. Technologische und organisatorische Transformationen gehen damit zwingend einher.

Insgesamt verändert sich die Art und Weise, wie Banken arbeiten, da das Business nun eine zentralere Rolle als Innovationstreiber einnimmt. Dies führt jedoch auch dazu, dass mehr Teams Governance- und Betriebsprozesse verstehen müssen. Wie die Teams ihr Fachwissen kombinieren, entscheidet darüber, wie effizient die Dienstleistungen umgesetzt werden können und wie Kunden die operative Unterstützung erleben.

Marktanteile durch Ökosystem-Banking

Im Gegensatz dazu sorgen die Anforderungen an den operativen Service dafür, dass die zunehmende Komplexität der digitalen Services keine größeren Teams oder unvorhergesehene Kosten erfordert. Um dies zu ermöglichen, müssen Verantwortliche im Bankwesen ihre Teams mit datengestützten Einsichten, mit Servicekontext und verstärkter Automatisierung auf der Grundlage künstlicher Intelligenz ausstatten. Somit arbeitet jeder auf kundenrelevante Service Level Objectives (SLOs) hin, die auf operative Exzellenz ausgerichtet sind. Die Teams können so effektiver zusammenarbeiten, indem sie Einblick darüber haben, wie sie dazu beitragen, bessere Kundenerlebnisse zu schaffen und den Wert für die Bank zu maximieren.

Fintechs, die direkt in der Ära des digitalen Bankwesens aufgebaut wurden, treiben Innovationen in großem Umfang voran. Anstatt diese Unternehmen als Konkurrenten zu betrachten, haben traditionelle Banken eine weitaus größere Chance ihren Markt zu erweitern, wenn sie Partnerschaften eingehen und Angebote integrieren. Diese Erkenntnis hat zusammen mit dem Aufkommen des Open Banking zu einer zunehmenden Nutzung von APIs geführt und es Banken ermöglicht, neue ökosystemorientierte Geschäftsmodelle zu erforschen. Durch die Nutzung von Drittanbietern zur Schaffung eines besseren Kundenerlebnisses, können Banken ihre Dienstleistungen mit weitaus größerer Geschwindigkeit und in größerem Umfang in neue Bereiche auszuweiten.

Mit einem Ökosystem-Mindset öffnen sich Banken auch für die Integration anderer, zukunftsweisender Technologien. Durch die Integration von Software für die digitale Entscheidungsfindung können Banken beispielsweise Prozesse wie die Genehmigung von Kreditanträgen automatisieren. Oder Kunden können sich über das Telefonbanking selbst authentifizieren, weil Lösungen zur Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) integriert wurden. Das steigert die Effizienz und gewährleistet reibungslose Abläufe. Zudem führen diese Entwicklungen zu einer weiteren Umstrukturierung der Banken hin zu API-gesteuerten Architekturen, die digitale Erfahrungen, Abläufe und Innovationen miteinander verbinden. Dies trägt jedoch auch zu einer wachsenden Komplexität bei, die durch Multi-Cloud-Umgebungen und cloudbasierte Dienste entsteht. Die automatische und KI-gestützte Observability ist daher zunehmend entscheidend für die Skalierung der operativen Fähigkeiten und die Einlösung des Versprechens von AIOps - die Beschleunigung von Innovationen und die Bereitstellung nahtloser Omnikanal-Banking-Erlebnisse.

Zukunft des Bankwesens

Banken durchlaufen durch die digitale Transformation umfassende Geschäftsveränderungen. Diese Entwicklung schreitet weiter voran und Technologie wird für das Kundenerlebnis immer wichtiger. Deshalb brauchen Bankunternehmen eine robuste digitale Strategie. Indem sie ihre Digitalisierung auf die drei genannten Säulen stützen, haben die Verantwortlichen im Bankwesen eine solide Grundlage, mit der sie sicherzustellen, dass ihre Angebote auf konsistente, abgestimmte, integrierte und kundenorientierte Weise konzipiert und entwickelt werden. Genau das ist letztlich der Schlüssel für zukünftige, kundengerechte Angebote in der erforderlichen Breite. Indem Banken beispielsweise personalisierte, maßgeschneiderte Finanzdienstleistungen anbieten, wann und wo immer sie benötigt werden, können sie überzeugende, leistungsstarke Kundenerlebnisse schaffen.

Michael Rudrich , Vice President Central Europe , Dynatrace
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