Empirische Analyse zu Resistenzen bei Anlageentscheidungen

Prof. Dr. Constantin Schubart, Foto: IU Internationale Hochschule GmbH

Angesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfelds sollten Sparer ihr Vermögen heutzutage lieber nicht einfach nur auf dem Konto liegen lassen. Ein Großteil von Privatkunden hält trotzdem am Sparbuch fest und begegnet dem Aktienmarkt mit Skepsis, so die Autoren. Die damit einhergehenden Beweggründe können anhand der Behaviorial-Finance-Theorie erläutert werden. Diese beschäftigt sich nämlich mit der Psychologie der Kapitalanleger und untersucht, wie Anlageentscheidungen tatsächlich zustande kommen. Beispielsweise das Umfeld oder Emotionen seien hier wesentliche Einflussfaktoren. Daher empfehlen die Autoren den Banken und Beratern ein besseres Verständnis gebenüber ihren Kunden und deren Empfindungen beziehungsweise Bedürfnissen mit Blick auf Behaviorial Finance aufzubauen, damit der Wertpapierhandel nachhaltig gefördert wird. Die Kunden seien aber auch offen für mehr Wissensaustausch mit den Banken, wie anhand der angeführten Studienergebnisse aufgezeigt wird. (Red.)

Eine gesunde Vermögensstruktur ist die Grundlage eines langfristigen Anlageerfolges. Gerade in der jetzigen Phase relativer Negativverzinsung ist von Kunden eine aktive Portfoliogestaltung gefordert. Ein Großteil von Privatkunden hält trotz dieser Notwendigkeit am Sparbuch fest und begegnet dem Aktienmarkt mit Skepsis. Die Beweggründe können mithilfe der Behavioral Finance erklärt werden. Hierbei wird von irrationalen Einflüssen auf das Verhalten der Anleger ausgegangen, statt von einem Homo oeconomicus auszugehen.

Besonders "passiv-lastige" Kreditinstitute sind von den Anomalien in der Informationsverarbeitung der Kunden betroffen. Durch den Einlagenüberhang bricht ihnen nicht nur die originäre Einnahmenquelle weg, sondern es entstehen zusätzliche Kosten. Mit Umschichtung von Geldern zu Verbundpartnern oder in ein von der Bank betreutes Aktiendepot würde das Institut doppelt profitieren. Zum einen können die zu zahlenden Negativzinsen reduziert werden und zum anderen erhält die Bank Provisionszahlungen für Vermittlungen von Fonds, Zertifikaten, Aktien und kapitalbildenden Lebensversicherungen.

Um geeignete Maßnahmen zur Förderung des Wertpapierhandels ergreifen zu können, wurde im Rahmen einer empirischen Studie die Ursachen der Resistenzen der Anleger identifiziert. Als Grundlage wurden hierzu relevante Heuristiken und Anomalien im Anlageverhalten identifiziert. Die Studie macht deutlich, dass Bank und Berater zur erfolgreichen Kundenansprache einen starken Fokus auf Emotionalität legen müssen.

Anomalien im Anlageverhalten

Anders als es bisher in allen Kapitalmarkttheorien unterstellt worden ist, treten die Anleger nicht als rationale und effizient handelnde Marktteilnehmer auf, sondern zeigen gewisse Wahrnehmungsverzerrungen. Diese Anomalien treten bei der Informationswahrnehmelung, Informationsverarbeitung und beim Treffen einer Entscheidung auf.

Abbildung 1: Bewusstsein Inflation (in Prozent) Quelle: C. Schubart, C. Bernardy

Die Erkenntnisse der Behavioral-Finance-Theorie schaffen nicht nur das Verständnis für das Verhalten der Anleger, sondern erlauben das Kundenverhalten durch Reflexion zu optimieren. 

Informationswahrnehmung: Die Verfügbar keitsheuristik tritt in der ersten Phase auf und beschreibt die Leichtigkeit, Informationen aus dem Gedächtnis abzurufen. Anleger rechnen dem Eintritt von Ereignissen eine höhere Wahrscheinlichkeit zu, wenn ihnen schnell viele Beispiele hierzu einfallen und sie keine objektiven Informationsquellen zur Überprüfung abrufen können. Ein ähnliches Phänomen ist die selektive Wahrnehmung. Fakten, die der beabsichtigten Entscheidung des Anlegers widersprechen, werden vernachlässigt und verdrängt. Nur jene Informationen, die seine Vorstellung unterstützen, werden auch vom Anleger wahrgenommen. Das Umfeld der Anleger spielt eine wichtige Rolle bei der Informationswahrnehmung. So ist der Framing-Effekt eine Verbindung zwischen dem Umfeld und der Einordnung von Informationen.

Informationsverarbeitung: Aus Informationen sollen die richtigen Schlüsse gezogen werden, um effizient handeln zu können. Bei der Masse von Informationen greifen Anleger bewusst oder unbewusst auf Heuristiken zurück, um das Gelernte verarbeiten zu können, denn diese helfen bei der Vereinfachung und schnelleren Entscheidung. Anleger neigen bei der Informationsverarbeitung dazu, sich an einem Ursprungswert zu verankern und diesen durch weiterführende Analysen weiter bis hin zum wahren Wert anzupassen. Dies wird als "Anchoring" und "Adjustment" bezeichnet. Im Grunde ist diese Vorgehensweise nachvollziehbar, allerdings werden die Analyse und somit die Anpassung zu oberflächlich durchgeführt und der Wert ist zu sehr von dem zuvor gewählten Anker geprägt. Viele Anleger sind konservativ eingestellt und fürchten einen Kontrollverlust.

Der Wunsch, den Status quo aufrechtzuerhalten, führt dazu, dass neue Informationen verzögert verarbeitet werden. Aus diesem Grund leiden einige unter einer Verlustaversion, was bedeutet, dass sie Verluste stärker bedauern, als sie einen Gewinn in gleicher Höhe bejubeln. Zudem sehen sie Gewinne und Verluste nicht in absoluten Zahlen. Der Anlageerfolg wird relativ zu einem Referenzpunkt betrachtet. Liegen die Änderungen nahe an dem Referenzpunkt, werden sie als wichtiger empfunden als gleiche Änderungen mit einem größeren Abstand. Außerdem haben Anleger die Angewohnheit, ökonomische Zusammenhänge nicht zu sehen und auf getrennten mentalen Konten ihr Kapital zu führen. Mit dem Mental Accounting erreichen sie so zwar eine geringere Komplexität, setzen allerdings nicht die gleichen Bewertungsmaßstäbe für ökonomisch gleiche Ereignisse.

Entscheidung: Nachdem die Informationswahrnehmung und -verarbeitung abgeschlossen sind, wird abschließend in der dritten Phase die Entscheidung für oder gegen die Anlage getroffen. Entscheidungsanomalien erklären hier die affektiven Verhaltensmuster, die in dieser Phase auftreten: Kognitive Dissonanz führt dazu, dass die Anleger an ihrer einmal getroffenen Entscheidung festhalten, auch wenn sich diese objektiv betrachtet als Fehlentscheidung erweist und sie Unbehagen verspüren lässt. Gleiche Tendenzen zeigen sich bei der Regret Avoidance. Die Anleger schrecken vor einer aktiven Entscheidung, die zu einem Verlust führen könnte, zurück und entscheiden sich dazu, nichts zu tun. Ein Verlust durch dieses passive Verhalten wird geringer bewertet als die aktive Entscheidung, auch wenn es den gleichen Verlust erzielt. Wenn Anleger sich der Repräsentativitätsheuristik bedienen, haben sie die Angewohnheit, Personen, Objekte und Verhaltensweisen zu verallgemeinern. Besonders evident wird dies beim Einschätzen künftiger Ereignisse. Dabei werden kausale Zusammenhänge falsch interpretiert und die Wahrscheinlichkeit von repräsentativen Ereignissen wird überschätzt.

Diese einzelnen Bias in den drei Phasen lassen sich nicht deutlich voneinander trennen. Oft handelt es sich um ein Zusammenspiel verschiedener Anomalien und lösen andere aus oder ergänzen sich. Es gibt Verhaltensmuster, die in einer der Phasen stärker auftreten, aber sie beeinflussen auch die vorherigen oder folgenden Abschnitte. Neben diesen Anomalien gibt es weitere Faktoren, die die Anleger beeinflussen.

Emotionale Einflussfaktoren

Studien zeigen, dass Rationalität und Emotionalität komplementär miteinander verbunden sind. Rein kognitive Informationen werden nicht als relevant eingeschätzt und erreichen keine Aufmerksamkeit bei den Anlegern. Erst durch die emotionalen Anreize erzielen die Informationen den gewünschten Effekt, wobei irrelevant erscheint, wie oft sie zuvor wiederholt wurden.

Das Anlageverhalten kann laut verhaltenswissenschaftlichen Forschungen in drei verschiedene Bereiche eingeteilt werden: Motivation, Kognition und Inter aktion. Dabei bezeichnet die Motivation jene Auffälligkeiten im Verhalten der Anleger, die durch emotionale Einflussfaktoren wie Stimmungen, Erwartungen und Stress entstehen. Die Bias in der Informationswahrnehmung und gleichzeitigen Verarbeitung dieser werden in der Kognition berücksichtigt. Hierzu zählen ebenfalls Erinnerungen und Lernprozesse. Der Bereich der Interaktion beschäftigt sich mit Verzerrungen, die daraus resultieren, dass Anleger sich mit anderen austauschen, statt isoliert und unabhängig aufzutreten.

Geldanlagen gehören zu den emotionalen Themen, die zunächst im reflexiven Teil des Gehirns auftreten. Es erwächst eine Wunschvorstellung voller Erwartungen und Anforderungen. Erst im Folgenden wird diese Wunschvorstellung im reflektiven und analytischen Hirnareal mit Wahrscheinlichkeiten versehen, so etwa die Frage, wie wahrscheinlich der gewünschte Gewinn realisiert werden könnte. Der Reiz, der von den möglichen Gewinnen ausgeht, blendet dabei häufig die kritische Analyse des überhaupt Möglichen aus. Verluste werden mit Gefahr verbunden. Das reflexive Hirn erzeugt Angst und Wut und der Verstand schaltet in einen ähnlichen Schockzustand, als wäre der Anleger plötzlich mit einem gefährlichen Tier konfrontiert. Diese Panik führt infolgedessen zu unreflektierten Überreaktionen.

Abbildung 2: Befragungsergebnisse Newsletter (in Prozent) Quelle: C. Schubart, C. Bernardy

Den Anomalien im Anlageverhalten können mit unterschiedlichen Maßnahmen entgegengetreten werden. Durch die aktive Steuerung der Atmosphäre kann beispielsweise die Stimmung des Anlegers maßgeblich beeinflusst werden. Die Vereinfachung des Komplexen bei der Informationsverarbeitung kann dahingehend gesteuert werden, dass die Informationen von Anfang an empfängergerecht formuliert werden. Viele der kognitiven Heuristiken basieren auf falschen Annahmen und können dadurch durch Beratung und Aufklärung des Sachverhalts entkräftet werden. Dieser Umstand begünstigt ebenfalls den Umgang mit der Verankerung und der danach folgenden Anpassung eines Anlegers. Mit einer objektiven Beleuchtung des Status quo und der kritischen Frage an den Anleger, ob seine Renditeerwartung rational entstanden sei oder vielmehr an Vergangenem hänge, lässt sich diese Heuristik steuern.

Beratung und Aufklärung

Ebenso haben Berater Einfluss darauf, wie sie den Anlegern die Fakten präsentieren. Wenn es den Anleger bisher nicht gestört hat, durch die Inflation Geld zu verlieren, so lässt sich das ändern, indem der Berater ihm keine allgemeine Zahl präsentiert, sondern stattdessen auf den Wert seines Kapitals berechnet aufzeigt, was er in der Vergangenheit verloren hat und weiterhin verlieren wird, wenn er nicht handelt. Auf diese Art kann nicht nur der Framing-Effekt genutzt werden, sondern auch die Regret Avoidance wird entkräftet. Das ist ebenfalls eine Möglichkeit, um die Verlustaversion des Anlegers zu behandeln. Ein Berater kann sie ihm zwar nicht nehmen und er wird auch künftig verstärkt auf Verluste achten, aber dadurch, dass einem Anleger aufgezeigt wird, dass der Status quo unausweichlich zu Verlusten führt, kann ihn das für einen Anlagevorschlag öffnen. Darüber hinaus sollte ein Berater den Anleger auf die Vorteile von Diversifikation hinweisen und die negativen Effekte einer fehlenden Streuung.

Abbildung 3: Befragungsergebnisse Nutzung Banknewsletter (in Prozent) Quelle: C. Schubart, C. Bernardy

Schwieriger wird der Einfluss auf die Verfügbarkeitsheuristik und die selektive Wahrnehmung. Die Verfügbarkeitsheuristik hat einen kognitiven Hintergrund. Das bietet die Option, dass sie gelenkt werden kann, indem die Fehlinterpretation aufgeklärt wird. Ohne ein Umfeld mit positiven Kauferfahrungen werden einem Anleger allerdings keine Beispiele leicht einfallen und so wird seine Einschätzung der Erfolgschancen trotzdem nicht positiv beeinflusst. Ein Berater kann das nur indirekt beeinflussen, indem er immer wieder von Anlageerfolgen berichtet und so eine imaginäre Gruppe erschafft, in die der Anleger hineinpasst. Ähnlich wie die Erwartungen konditioniert werden können, kann hier ein Handlungsdruck für den Anleger erzeugt werden, indem suggeriert wird, dass viele Kunden in einer vergleichbaren Lage bereits Anlageerfolge erzielt haben und er bisher als Kontrastiv nicht.

Die selektive Wahrnehmung hängt stark mit der Einstellung und den Erwartungen des Anlegers zusammen. Ein Anleger kann die vorliegenden Informationen überprüfen und bei Unvollständigkeit um wichtige Hinweise ergänzen. Erst wenn er überzeugt wurde, sein bisheriges Anlageverhalten zu überdenken, wird er die Informationen wahrnehmen, die dies begünstigen. Daher zählt es, den Anleger zu einer realistischen Erwartungshaltung zu bewegen. Das führt nicht nur zu einer möglichen Anlage, sondern stärkt auch die Beziehung und das Vertrauen zwischen Anleger und Anlageberater.

Die kognitive Dissonanz ist nur sehr schwer zu beeinflussen, da es passieren kann, dass der Anleger trotz stringenter Argumentation und Aufweisens der Handlungsalternativen bei seiner Fehlentscheidung bleibt. Je größer seine emotionale Bindung zu dieser Entscheidung ist, desto wahrscheinlicher wird er sie beibehalten. Daraus ergeben sich drei Möglichkeiten mit einer kognitiven Dissonanz umzugehen: die Entscheidung rückgängig zu machen, sie zu Ende zu bringen oder die Wahrnehmung des Anlegers anzupassen. Bei geringem Commitment können die Entscheidungen rückgängig und die Dissonanz aufgelöst werden. Mit steigender Bindung ändert sich dies jedoch. Es bleiben die Varianten der Überzeugung oder der Durchführung der Entscheidung, auch wenn das mit Verlusten verbunden ist. Der zweite Fall wird als "sunk cost effect" beschrieben. Ein Berater muss folglich erfolgreiche Überzeugungsarbeit leisten, angefangen bei der Erwartung bis hin zur Motivation. Die Frage ist auch, ob er herausfinden kann, woher die starke emotionale Bindung kommt, um den Einwänden des Anlegers mit passenden und gewinnenden Gegenargumenten entgegentreten zu können.

Stärkere Eigeninitiative bei Männern

Zur Abfrage des Status quo zum Anlageverhalten und zur Ableitung einer Ansprache-Strategie wurde eine Studie erstellt, die sich an die Generation Y und Z richtete. Die Teilnehmenden befassten sich mit insgesamt 22 Fragen. An der Befragung nahmen 441 Personen teil, darunter 184 Männer und 257 Frauen. Die Generation Z ist mit 72 Prozent in der Studie deutlich überrepräsentiert.

Auffällig ist die Quote der Erfahrungen mit Wertpapieren. 72 Prozent der Befragten geben an, dass sie bereits in Wertpapiere investiert haben. Bei einem geschlechterspezifischen Vergleich wird ersichtlich, dass es kaum Unterschiede in den jeweiligen Ansichten gibt. Es scheint lediglich so, als wären männliche Anleger eigeninitiativer als weibliche. Auf die Frage, was die Befragten überzeugt habe, in Wertpapiere zu investieren, gaben 77 Prozent der Männer Eigeninitiative an und bei den Frauen sind es 58 Prozent. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich bei der Frage nach der Reaktion auf eine Einladung der Hausbank zu einem Beratungstermin zum Thema Vermögen. 35 Prozent der männlichen Teilnehmer kümmern sich vorzugsweise selbst um ihre Geldanlage, wohingegen nur 18 Prozent der Frauen dabei auf eine Beratung verzichten wollen.

Abbildung 4: Interesse am Finanzmarkt (in Prozent) Quelle: C. Schubart, C. Bernardy

Anleger der Generation Z legen mehr Wert auf einen Austausch zu Finanzthemen und Anlagemöglichkeiten. 42 Prozent geben an, dass sie sich einen stärkeren Austausch in diesem Bereich wünschen. Bei der Generation Y haben 28 Prozent diese Aussage als zutreffend bewertet. Diese Ausprägung zeigt sich gleichermaßen in der Reaktion auf einen Banktermin. Während 26 Prozent der älteren Generation gerne eine Beratung wünschen, sind es bei den Jüngeren sogar 39 Prozent.

Abbildung 5: Befragungsergebnisse Austausch Finanzthemen (in Prozent) Quelle: C. Schubart, C. Bernardy

Ein weiterer Unterschied besteht im spielerischen Erkunden von neuen Themengebieten und in dem daraus folgenden Interesse an einem Online-Wettbewerb. Die Generation Y tritt in diesen Dingen verhaltener auf. 28 Prozent fällt es leichter, Informationen zu verarbeiten, wenn sie diese vorher spielerisch testen konnten und 30 Prozent haben kein Interesse an einem Börsenplanspiel mit virtuellem Spielkapital. Im Gegensatz hierzu ist die Generation Z offener eingestellt, denn auf 38 Prozent der jungen Befragten trifft das spielerische Erkunden zu und 32 Prozent würden an einem Wettbewerb teilnehmen. Lediglich 19 Prozent können sich für etwas Derartiges nicht begeistern.

Fehlendes Fachwissen als Bremse

Dabei schrecken die Anleger, die aktuell noch keine Erfahrungen mit Wertpapieren gemacht haben, nicht etwa wegen des zu hohen Risikos vor einer Anlage zurück, wie viele Berater es vermuten. Vielmehr ist es das fehlende Fachwissen, was sie abhält. Bei dieser Frage hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, mehrere Gründe anzugeben und 87 Prozent haben sich für das Fachwissen und 19 Prozent für das Risiko entschieden. 13 Prozent haben nach den Auswertungsergebnissen keine Zeit, sich mit Wertpapieranlagen zu beschäftigen, 4 Prozent haben die Befürchtung, dass schlechte Erfahrungen von Anderen auch sie treffen können und 5 Prozent haben sonstige Gründe wie etwa fehlendes Einkommen oder Vermögen angegeben.

Abbildung 6: Reaktion Gesprächseinladung (in Prozent) Quelle: C. Schubart, C. Bernardy

Diejenigen, die sich in der Vergangenheit für eine Anlage entschieden haben, wählten hierzu meistens Fonds. Mit 99 Prozent ist diese Anlageform die Gefragteste unter den Teilnehmern, gefolgt von Aktien mit 66 Prozent und Zertifikaten mit 24 Prozent. Ein kleinerer Anteil hat Erfahrungen mit Anleihen und teilweise sogar mit hochspekulativen Hebelprodukten wie beispielsweise Futures.

Der Impuls für diese Anlageentscheidung kommt in den meisten Fällen entweder durch den Bankberater oder durch Eigeninitiative, wobei letztere mit 67 Prozent überwiegt. 50 Prozent wurden durch ihren Bankberater sensibilisiert. Für 20 Prozent der Befragten zählen Familie, Freunde oder Bekannte als Überzeugungsgrund und nur ein kleiner Anteil von 7 Prozent gibt Medien als Quelle an.

Als größter von den Befragten gesehener Vorteil einer Wertpapieranlage werden wie erwartet die attraktiven Ertragschancen mit einer Quote von 95 Prozent bewertet. Auch bei dieser Frage war wie bei den vorherigen eine Mehrfachauswahl möglich und so geben 50 Prozent an, dass sie die Flexibilität der Anlagen schätzen und 38 Prozent befürworten das professionelle Management. 4 Prozent wählen sonstige Gründe aus wie etwa die Alternativlosigkeit am Geldmarkt oder auch den Nachhaltigkeitsaspekt.

Informationsquellen und Mindset

Zu dem generellen Mindset konnten folgende Erkenntnisse gesammelt werden: Das Gros der Teilnehmer ist sich der Wirkung der Inflation auf ihr Vermögen bewusst (siehe Abbildung 1). Der gewichtete Mittelwert liegt bei 4,42, da 23 Prozent die Behauptung als "eher zutreffend" und 65 Prozent als "zutreffend" empfinden. Nur ein kleiner Teil wählt die neutrale Position in der Mitte oder sieht es als "unzutreffend" an. Ergänzend zu diesem vorhandenen Bewusstsein öffnet sich die Mehrheit ertragreicheren Anlagemöglichkeiten, wenn der Berater nicht nur den allgemeinen Schaden durch die Inflation erklärt, sondern konkret am liquiden Vermögen des Kunden berechnet, welchen Betrag er verliert respektive bereits verloren hat. Es errechnet sich ein Mittelwert von 4,07. Doch woher beziehen die Teilnehmer ihre Informationen? Newsletter scheinen eine weniger genutzte Informationsquelle für die befragte Kundengruppe zu sein.

Die Frage nach der Nutzung erreicht einen gewichteten Mittelwert von 2,11, da wie in Abbildung 2 ersichtlich, 45 Prozent aussagen, dass sie Newsletter uninteressant finden und nur 6 Prozent sich hierdurch informieren. Diese Verteilung ändert sich jedoch, wenn die Hausbank einen interessanten Newsletter mit echtem Mehrwert auflegen würde, der über aktuelle Bankthemen informiert.

Vorteile einer breiten Vermögenssteuerung anerkannt

In Abbildung 3 steigt der Mittelwert auf 2,96. Die vorherige Ablehnung verteilt sich nach rechts in Richtung "eher zutreffend" oder auch "zutreffend". Nur noch 22 Prozent schätzen sich als abgeneigt ein. 27 Prozent sehen die Aussage als "eher zutreffend" und 16 Prozent als "zutreffend" an. Ein größeres Interesse besteht hingegen an der aktuellen Lage des Finanzmarktes und dem Verständnis hierfür (siehe Abbildung 4). Mit einer Mehrheit von 51 Prozent wird dieser Standpunkt als "zutreffend" betrachtet, 29 Prozent entschieden sich für "eher zutreffend" und nur 4 Prozent für "unzutreffend". Damit ergibt sich ein Mittelwert von 4,16.

Der Wunsch, diese Informationen durch ein von der Bank erstelltes Factsheet zu beziehen, ist gleichwohl etwas geringer. Nur noch 38 Prozent stimmen dem Standpunkt voll und ganz zu, 36 Prozent sehen ihn als "eher zutreffend" an und 6 Prozent stimmen nicht zu. Dadurch sinkt der Mittelwert auf 3,93.

Kongruent zur Einschätzung der Folgen der Inflation kennen die Befragten die Vorteile einer breiten Vermögensstreuung. Eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent findet sich in diesem Eindruck wieder und 7 Prozent können nicht abschätzen, warum das Vermögen breit gestreut sein sollte. Diese Verteilung ergibt einen gewichteten Mittelwert von 4,3.

Wunsch nach mehr Austausch

Genauso sind sie sich bewusst, dass sie mit den Geldern oder Sparbeiträgen, die sich aktuell auf einem Sparkonto oder Tagesgeldkonten ansammeln, in den vergangenen Jahren deutlich mehr hätten verdienen können. Durch das mehrfache Auswählen von "zutreffend" wird eine Gesamtzustimmungsquote von 71 Prozent und ein Mittelwert von 4,45 erreicht.

Auf die Frage hin, ob das eigene Anlegerverhalten überdacht wird, wenn der Bankberater den Befragten mit konkreten Zahlen konfrontiert, welcher Gewinn in den vergangenen fünf Jahren möglich gewesen wäre und was stattdessen durch die Inflation verloren wurde, reagierten die Befragten etwas zurückhaltender, aber dennoch positiv. Der gewichtete Mittelwert liegt bei 4,15, da 49 Prozent dieser Idee zustimmen und 30 Prozent eher zustimmen.

In Abbildung 5 ist zu erkennen, dass 38 Prozent der Teilnehmer sich einen stärkeren Austausch zu Finanzthemen und Anlagemöglichkeiten wünschen. Die restlichen Prozente gehen mit 30 Prozent an "eher zutreffend", 21 Prozent vertreten eine neutrale Position, 6 Prozent sind eher uninteressiert an einem Austausch und auf 5 Prozent trifft diese Aussage nicht zu. Damit liegt der Mittelwert bei 3,89.

Dadurch stellt sich die Frage, wie dieser Austausch aussehen kann. Ein Vorschlag ist ein Forum von einem Kreditinstitut, bei dem die Anleger sich anmelden und austauschen können. Diese Idee spaltet die Teilnehmer recht gleichmäßig auf. 40 Prozent haben sich insgesamt auf den unteren beiden Positionen eingeordnet und 42 Prozent auf den oberen zweien. Dies spiegelt sich auch im Mittelwert von 3,02 wider.

Austesten und spielerisches Erkunden sinnvoll?

Wertpapieranlagen sind komplexere Themen als der klassische Anleger gewohnt ist. Daher war eine Frage, ob es dem Teilnehmer leichter fällt, Dinge zu verstehen und dann auch letztlich zu nutzen, wenn er sie vorher austesten und spielerisch erkunden konnte. Die meisten Befragten bestärken diese Perspektive, denn 37 Prozent sehen es als "eher zutreffend" an und 35 Prozent stimmen voll und ganz zu. Lediglich 12 Prozent haben sich für "unzutreffend" oder "eher unzutreffend" entschieden. Der gewichtete Mittelwert errechnet sich somit auf 3,89.

Dieses spielerische Austesten ist an der Börse selbst nicht direkt möglich, allerdings über einen Online-Wettbewerb, bei dem virtuelles Spielkapital an der Börse vermehrt werden soll. Die Befragten sollten eine Einschätzung abgeben, ob sie an so etwas für sich oder auch für ihre Kinder Interesse haben. Das Ergebnis ist eine 3,2 als Mittelwert. 30 Prozent sind interessiert und 23 Prozent uninteressiert und 19 Prozent können sich eine Teilnahme eher vorstellen.

Wie reagieren die Kunden, wenn man sie zu einem Termin einlädt, um sich mit ihnen gemeinsam über das Thema Geldanlage zu unterhalten? Berater erleben oft, dass Kunden schon am Telefon abblocken und kein Interesse daran haben. Die Befragungsergebnisse zeigen ein anderes Bild, denn nur 2 Prozent sind der Meinung, dass Anlegen aktuell sinnlos sei, wohingegen 35 Prozent eine Beratung explizit wünschen und 44 Prozent bereit sind, es sich einmal anzuhören. 25 Prozent wollen sich selbst um ihre Anlagen kümmern, siehe Abbildung 6.

Ableitung von Handlungsempfehlungen

Die Befragung hat klargestellt, dass viele Anleger bereits Erfahrungen mit Wertpapieren gemacht haben oder zu einem Beratungsgespräch bereit sind. Insbesondere haben die Ergebnisse gezeigt, dass Anomalien beim Anlageverhalten vorliegen und dass diesen durch gezielte Maßnahmen entgegengetreten werden kann.

Dazu gehören die Verteilung von Factsheets mit Informationen zur Situation am Finanzmarkt, die Einführung eines regelmäßigen Newsletters, das Auflegen eines Börsenplanspiel, das konkrete Berechnen der Inflation des Anlegers im Beratungsgespräch, das Aufzeigen von entgangenen Gewinnen und Vorteilen einer breiten Diversifikation bei der Vermögensverteilung sowie die Schaffung einer Austauschplattform für Anleger.

In einer Kosten-Nutzen-Betrachtung würde die Umsetzung der Maßnahmen in einer durchschnittlichen 2,4 Milliarden Euro Bank zu Kosten in Höhe von etwa 75 000 Euro führen. Dies kann eine Steigerung der Provisionserträge in Höhe von rund 9 Millionen Euro auslösen und etwa 1,5 Millionen Euro an Negativzinsen sparen (In dieser Rechnung wird von einer Vermögensumschichtung infolge der Maßnahmen in Höhe 10 Prozent ausgegangen).

Insbesondere hat die Umfrage gezeigt, dass Bank und Berater stark auf die emotionalen Bedürfnisse von Kunden eingehen müssen. Mit einem besseren Verständnis zur Behavioral Finance und den konkreten Empfindungen und Bedürfnissen der Kunden wird die Kundenansprache und damit der Wertpapierhandel nachhaltig gefördert.

Literaturverzeichnis

Fußnoten

1) Vgl. Rühl (2006), S. 265.

2) Vgl. Bundesbank (2015).

3) Vgl. Eckert (2018), S. 46f.

4) Vgl. Götte (2012), S. 60.

5) Vgl. Baker/ Nofsinger (2010), S. 3.

6) Vgl. Raab/ Unger/ Unger (2010), S. 121.

7) Vgl. Kohlert (2009), S. 78ff.

8) Vgl. Götte (2012), S. 60.

9) Vgl. Goldberg/ von Nitzsch (2004), S. 49 f.

10) Vgl. von Nitzsch (2006), S. 22 f.

11) Vgl. Edwards (2001), S. 359.

12) Vgl. Götte (2012), S. 61.

13) Vgl. Altman (2010), S. 191ff.

14) Vgl. Götte (2012), S. 61.

15) Vgl. Bodie/ Kane/ Marcus (2008), S. 398.

16) Vgl. Bies (2011), S. 37.

17) Vgl. Cooper (2007), S. 6.

18) Vgl. ebenda.

19) Vgl. Jordan (2004), S. 64.

20) Vgl. Heun/ Roßbach (2007), S. 152.

21) Vgl. Holtfort (2010), S. 9.

22) Vgl. Röckemann (2013), S. 33.

23) Vgl. Holtfort (2010), S. 32f.

24) Vgl. Zweig (2007), S. 177.

25) Vgl. Daxhammer/ Facsar (2017), S. 378.

26) Vgl. ebenda, S. 384f.

27) Vgl. Karlen (2004), S. 22.

28) Vgl. Zweig (2007), S. 177.

29) Vgl. Daxhammer/ Facsar (2017), S. 391.

30) Vgl. Daxhammer/ Facsar (2017), S. 381.

31) Vgl. ebenda, S. 382.

32) Vgl. ebenda, S. 382.

33) Vgl. von Nitzsch (2006), S. 45.

Prof. Dr. Constantin Schubart , Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre , IU Internationale Hochschule GmbH, Berlin
Carolin Bernardy , Filialleiterin und Privatkundenberaterin , Volksbank RheinAhrEifel eG, Koblenz

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