Geschäftsgeheimnisgesetz: Neue Handlungsfelder für geschäftsführende Organe

Michael Ziechnaus, Foto: robertkallenbach.de

Nach dem neuen Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) kommen Änderungen auf die Unternehmensführungen zu. Ziel des neuen Gesetzes ist es, das Know-how der innovativen Unternehmen zu schützen. Eine Ausnahme für Geheimnisverletzungen bilden jedoch Whistleblower, wenn diese damit das öffentliche Interesse schützen. Um die zivilrechtlichen Ansprüche aus Geheimnisverletzungen auch nutzen zu können, reicht nun ein subjektiver Geheimhaltungswille nicht mehr aus. Vielmehr müssen Unternehmen jetzt angemessene Schutzmaßnahmen treffen. Dazu gehört unter anderem eine Erfassung und Kategorisierung der geheimen Informationen. Am Ende des Artikels empfiehlt der Autor einige Maßnahmen, die insbesondere geschäftsführende Organe von Kreditinstituten bei der Vertragsgestaltung mit Mitarbeitern ergreifen sollten, um Geschäftsgeheimnisse nach der neuen Gesetzgebung angemessen zu schützen. (Red.)

Die Richtlinie (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung verpflichtete die Mitgliedsstaaten der EU, bis Mitte letzten Jahres ein Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu verabschieden. Ziel der Richtlinie war es, die Rechtslage im Hinblick auf den Geheimnisschutz in den Mitgliedsstaaten zu vereinheitlichen. Das Geschäftsgeheimnisgesetz ist nun in Deutschland mit zehnmonatiger Verspätung am 26. April 2019 in Kraft getreten. Es enthält, so die Beschlussempfehlung des zuständigen 6. Ausschusses des Bundestages, "eine zeitgemäße Neustrukturierung des Rechts der Geschäftsgeheimnisse, von der innovationsstarke deutsche Unternehmen in besonderem Maße profitieren werden".

Bis dato beschränkte sich der Schutz der Geschäftsgeheimnisse grosso modo auf die Vorschrift in § 4 Nr. 3c UWG, die Straftatbestände aus diesem Gesetz (§§ 17 bis 19 UWG), einzelne Vorschriften aus dem Gesellschaftsrecht (zum Beispiel § 404 AktG, § 151 GenG) sowie das allgemeine Deliktsrecht.

Ziel und Inhalte des GeschGehG

Ziel des neuen Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG) ist der rechtliche Schutz von Know-how und damit der von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidriger Erlangung, Nutzung und Offenlegung. Das Gesetz gliedert sich in 4 Abschnitte.

Der 1. Abschnitt (die §§ 1 bis 5 GeschGehG) (legal-) definiert (erstmals im deutschen Recht) das Geschäftsgeheimnis sowie in diesem Zusammenhang erlaubte und unerlaubte Handlungen. Darüber hinaus formuliert § 5 GeschGehG drei Rechtfertigungsgründe für Geheimnisverletzungen. Nach dieser Vorschrift liegt eine rechtswidrige Verwendung eines Geschäftsgeheimnisses dann nicht vor, wenn dessen Erlangung, Nutzung und Offenlegung zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt. Als eines von drei Beispielen nennt die Vorschrift die Verwendung des Geschäftsgeheimnisses zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung beziehungsweise eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens, wenn die Verwendung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Gemeint sind hier die Hinweise eines Hinweisgebers beziehungsweise Whistleblowers.

Der 2. Abschnitt (die §§ 6 bis 14 GeschGehG) des Gesetzes formuliert, welche zivilrechtlichen Ansprüche dem Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses zustehen. Hier werden die Ansprüche der Inhaber von verletzten Geheimnissen gegenüber der bisherigen Rechtslage erheblich erweitert. Neben den Ansprüchen auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz werden auch Ansprüche auf Vernichtung, Herausgabe, Rückruf, Entfernung und Rücknahme vom Markt normiert. Darüber hinaus wird dem Inhaber von Geschäftsgeheimnissen nach § 8 Abs. 1 GeschGehG ein Schadensersatz bei einer vorsätzlich oder grob fahrlässigen Verletzung einer Auskunftspflicht des "Rechtsverletzers" zugesprochen.

Im 3. Abschnitt (die §§ 15 bis 22 GeschGehG) hat der Gesetzgeber einige wenige verfahrensrechtliche Regelungen getroffen. So sind zum Beispiel Streitigkeiten vor den Zivilgerichten unabhängig vom Streitwert stets den jeweils örtlich zuständigen Landgerichten vorbehalten.

Im 4. Abschnitt (§ 23 GeschGehG) findet sich schließlich eine Strafvorschrift, die im Übrigen die §§ 17 bis 19 UWG ablöst (vergleiche auch Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943).

Betriebs- und Geschäftsgeheimnis

Bisher verstand man nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis jede "im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis bekannt war und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichem Interesse beruhenden Willen des Unternehmens geheim gehalten werden soll".

Zentrale Norm des GeschGehG ist nun dessen Legaldefinition eines Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1. Demnach ist:

"Geschäftsgeheimnis eine Information ...

a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und

b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und

c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht."

Die bereits bisher in der Praxis nicht relevante Unterscheidung zwischen einem Geschäfts- und einem Betriebsgeheimnis fällt mit der neuen gesetzlichen Definition weg. Nach § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG reicht nun ein subjektiver Geheimhaltungswille nicht mehr aus. Vielmehr muss sich der Geheimhaltungswille in "angemessenen" Schutzmaßnahmen zeigen. Nur wenn solche getroffen werden, greift der nun gesetzlich vorgesehene Schutz. Damit haben die Institute die Darlegungs- und Beweislast, dass sie solche angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen haben, wenn sie sich auf ein Geschäftsgeheimnis berufen.

Welche organisatorischen, technischen beziehungsweise rechtlichen Geheimhaltungsmaßnahmen angemessen im Sinne von § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG sind, wird unter anderem von der Größe des Unternehmens, der Bedeutung und dem Wert des Geheimnisses (sowie dessen Entwicklungsaufwand) abhängen.

Aus Sicht der Institute wird es nun gelten, kurzfristig (schließlich kennt das Gesetz keine Umsetzungsfrist)

1. die im Sinne von § 2 Nr. 1 lit. a GeschGehG geheimen Informationen zu erfassen,

2. die Bedeutung und Wichtigkeit dieser geheimen Informationen für den unternehmerischen Erfolg zu kategorisieren,

3. (abhängig von der Einschätzung zu Ziff. 2) angemessene Schutzmaßnahmen zu treffen wie (a) körperliche und (daten-) technische Beschränkung des Zugriffs auf solche Informationen, (b) Abschluss von Vereinbarungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern über die Geheimhaltung dieser Informationen, (c) Dokumentation der getroffenen Maßnahmen, (d) die regelmäßige Überwachung der Einhaltung dieser Maßnahmen.

Notwendig ist es, diese Schritte in einem Compliance-Management-Prozess abzubilden, Zuständigkeiten im Institut zu definieren und schließlich Kontrollen der getroffenen Maßnahmen zu organisieren.

Geheimnisschutz im und nach dem Arbeitsverhältnis

Sowohl bei der Einstellung als auch beim Ausscheiden sollten Banken ihre Mitarbeiter in einem dokumentierten Prozess auf die Bedeutung der Geschäftsgeheimnisse und ihre Sicherung hinweisen.

In den Arbeits- und Aufhebungsverträgen mit den Arbeitnehmern wird es gelten, sogenannte Vertraulichkeitsvereinbarungen ("NDA" - non-disclosure agreement) zu schließen beziehungsweise bei passender Gelegenheit bereits bestehende Vereinbarungen in Arbeitsverträgen - soweit möglich - anzupassen. Bei diesen Vertraulichkeitsvereinbarungen wird es sich regelmäßig um sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB handeln. Nachfolgend zwei Beispiele für die zukünftigen Anforderungen an solche Regelungen:

Im Zuge der Verabschiedung des Gesch-GehG wird es nach hiesiger Auffassung notwendig sein, in den Vertraulichkeitsvereinbarungen die in § 5 normierten Ausnahmen vom Verbot der Erlangung, Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen (oder zumindest über einen Verweis auf die gesetzliche Regelung) anzusprechen. Ansonsten riskiert man, dass die vorformulierte (und nicht ausgehandelte) Geheimhaltungsvereinbarung als zu weitgehend und so wegen Verstoßes gegen das Angemessenheitsgebot unwirksam ist.

Jedenfalls aus Sicht der Kreditinstitute mag es sich in ausgewählten Konstellationen schließlich anbieten, die Verschwiegenheitsverpflichtung der (auch und vor allem ehemaligen) Arbeitnehmer durch Aufnahme einer Vertragsstrafe zusätzlich abzusichern. Hierbei haben die Arbeitgeber die Rechtsprechung zu vorformulierten Vertragsstrafeklauseln zu beachten.

Die Organisation, Delegation von einzelnen Aufgabenstellungen im vorgenannten Sinne sowie deren Kontrolle gehören zu den Aufgaben eines jeden geschäftsführenden Organs einer Gesellschaft. Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, Genossenschaften sowie die Geschäfts führer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung trifft gegenüber ihren Unternehmen die Dar legungs- und Beweislast dafür, dass sie die notwendigen Maßnahmen ge troffen haben, um den Geheimnisschutz nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz überhaupt sicherzustellen.

Michael Ziechnaus Rechtsanwalt, Ziechnaus Rechtsanwälte, Erfurt
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