(Wie gut) funktioniert im Baufinanzierungsgeschäft das Cross-Selling?

Dr. Heinz-Werner Schulte, Vorsitzender des Vorstands, Kreissparkasse Ludwigsburg - Angesichts der großen Bedeutung der Baufinanzierung für das Privatkundengeschäft der Banken sieht der Autor in diesem auf langfristige Zusammenarbeit angelegten Produktsegment grundsätzlich sehr gute Aussichten für ein Cross-Selling. Weil viele Kunden beim konkreten Abschluss allerdings sehr stark auf das eigentliche Vorhaben fixiert sind, legt er in dieser Phase Wert auf einen umfassenden Finanzcheck, der dann auch in späteren Lebensphasen zu Cross-Selling-Erfolgen führen kann. Die Kunden nach der direkten Finanzierung nicht aus dem Auge zu verlieren, heißt seine Devise - nicht nur bei einer anstehenden Prolongation. Um einen Finanzierungskunden ganzheitlich beraten und auch dauerhaft betreuen zu können, hält er eine Tandembildung zwischen Finanzierungsberater und dem Privatkundenbetreuer als Stammberater für geboten. (Red.)

Bei einer Bilanzsumme von fast 10 Milliarden Euro und einem Kundenkreditvolumen von über 5 Milliarden Euro weist die Kreissparkasse Ludwigsburg derzeit ein Baufinanzierungsvolumen von fast 2,4 Milliarden Euro auf. Damit ist sie unangefochtener Marktführer in ihrem Geschäftsgebiet. Pro Jahr werden zirka 2 500 Baufinanzierungen neu abgeschlossen.

Die Baufinanzierung gehört durch ihre lange Festzinsbindung und Gesamtlaufzeit zu den Produkten, die die größte Chance auf eine intensive und enge Verbindung zwischen Kunde und Sparkasse bieten. Sie bietet eine Vielzahl von Ansätzen für das Cross-Selling, die kurzfristig im Rahmen der Immobilienfinanzierung selbst, aber auch langfristig während der Laufzeit der Finanzierung relevant sind.

Zentrale Rolle des Sparkassen-Finanzkonzepts

Da die Immobilienfinanzierung für den Großteil der Kunden die größte Investition des Lebens bedeutet und neben der Chance auf selbstbestimmtes Wohnen ohne Mietzahlungen auch eine ganze Reihe von Risiken beinhaltet, ist zunächst für jeden Immobilienerwerber insbesondere die Absicherung gegen Risiken von Bedeutung. Eine zentrale Rolle kommt hier der Umsetzung des Sparkassen-Finanzkonzepts zu. In der Beratung mit einem eigenen Beratungsbogen werden alle relevanten Bedarfsfelder der Kunden erfasst.

Es ist Aufgabe des Finanzierungsberaters, dem Kunden im Rahmen des Finanz-Checks ein passendes, in dividualisiertes Versicherungspaket, das Rundum-sorglos-Paket, zu präsentieren. Je nach Vorhaben des Kunden werden Versicherungspakete für Eigentümer, Bauherren und Vermieter differenziert. Die unterschiedlichen Pakete, die gemeinsam von Versicherungsabteilung, Immobilien Center und Privatkundenmarketing entwickelt wurden, decken alle jeweils relevanten Risiken ab.

Durch die Ansprache im Beratungsgespräch werden die Versicherungen in die Finanzierung gedanklich integriert und können direkt bei der finanziellen Planung berücksichtigt werden. Je nach Prozess schließt entweder der Finanzierungsberater oder der Stammberater das Versicherungspaket ab. Die Informationsweitergabe erfolgt durch eine OSP-Aufgabe. Bei Potenzial für einen umfassenden Versicherungscheck wird ein Versicherungsspezialist eingebunden. Daneben können sich weitere Themen ergeben, die im Rahmen der Beratung abgedeckt werden können. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist die Altersvorsorge. Deshalb ist die Durchführung des Finanz-Checks fester Bestandteil der Kundenberatung bei Baufinanzierungen.

Kurzfristiges und langfristiges Cross-Selling

In der Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass Baufinanzierer in ihren Interessen sehr stark auf das konkret anvisierte Ziel, den Immobilienerwerb beziehungsweise -bau, fokussiert sind. Sinnvolle und nützliche Cross-Selling-Produkte schmälern aus Kundensicht das Budget für die Immobilie oder erscheinen zunächst zweitrangig, sodass das tatsächliche Cross-Selling-Potenzial während der Phase des Immobilienerwerbs nur eingeschränkt gehoben werden kann. In den ersten vier Monaten 2015 wurden in der Kreissparkasse Ludwigsburg lediglich 22 Lebensversicherungen und 26 Sachversicherungen direkt aus Baufinanzierungen heraus abgeschlossen. Im ganzen Jahr 2014 erfolgten zirka 1 200 interne Vermittlungen von Finanzierungsberatern zu Stammberatern etwa im Filialbereich; schwerpunktmäßig ging es um Girokonten, Geldanlagen und Bausparverträge.

Während der Laufzeit der Baufinanzierung ändert sich häufig die Lebenssituation eines Kunden: aus kleinen Kindern werden junge Erwachsene, deren Studium finanziert werden muss. Das Einkommen entwickelt sich weiter und damit auch die Anforderungen an die Vermögensbildung und die Vermögenssicherung. Für die Kreissparkasse bieten die sich ändernden Bedarfssituationen die Möglichkeit der langfristigen Kundenbegleitung und damit auch des Cross-Sellings. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, Baufinanzierungskunden nach der Finanzierung nicht aus dem Auge zu verlieren, sondern weiter zu begleiten. Bei der Kreissparkasse Ludwigsburg sind daher jährliche Kontakte durch den Stammberater vorgegeben.

Verstärkt wird diese Notwendigkeit durch die zunehmende Zahl von Vergleichsportalen, aber auch durch die Online-Präsenz aller Wettbewerber. Der Neuabschluss unterliegt mehr als noch vor wenigen Jahren dem Vergleich; zunehmend ist aber auch die Prolongation auslaufender Festzinsvereinbarungen kein "Selbstläufer" mehr, wie das in der Vergangenheit häufig der Fall war. Das Internet bietet die Möglichkeit, ohne großen Zeitaufwand einen Überblick über die aktuellen Konditionen aller relevanten Anbieter zu erhalten. Zunehmend erfordert deshalb die Prolongation die volle Aufmerksamkeit in der Kundenbetreuung, fast schon wie bei einem Neugeschäft.

Schnittstellenproblematik

Zu den Dauerthemen der organisatorischen Ansiedlung der Baufinanzierung gehört die Frage der Zentralisation oder Dezentralisation der Baufinanzierung. Mit der Zentralisierung ist die Möglichkeit der Spezialisierung verbunden. Der Anspruch der Qualitätsführerschaft in der Baufinanzierung beinhaltet eine auf jeden Kunden individuell zugeschnittene Finanzierung, konkret die Einbindung öffentlicher Fördermittel, der Riester Altersvorsorge oder von Bausparverträgen zur langfristigen Zinssicherung. Solch hochqualifizierte Bedarfsdeckung ist beratungsseitig durch einen Allrounder kaum darstellbar. Andererseits sind die Grenzen auch der bestqualifizierten Finanzierungsberater nicht beliebig in die Gesamtbedarfsdeckung verschiebbar. Um einen Finanzierungskunden ganzheitlich beraten und auch dauerhaft betreuen zu können, ist die Tandembildung zwischen Finanzierungsberater und dem Privatkundenbetreuer als Stammberater zwingend.

Bei der Kreissparkasse Ludwigsburg bildet das Immobilien Center eine zentralisierte Organisationseinheit, die auf Immobilienfinanzierung und den Immobilienhandel spezialisiert ist. Das bedarfsorientierte Cross-Selling bei der Baufinanzierung wird durch diese Aufbaustruktur zunächst nicht erleichtert, da sowohl das Immobilien Center wie auch die Filialbereiche als Profit Center geführt werden, die auf die eigene Zielerreichung fokussiert sind. Seit einiger Zeit sind bei der Sparkasse deshalb die Berater des Immobilien Centers (Finanzierungsberater und Immobilienmakler) Regionaldirektionen zugeordnet, bei denen sie auch vor Ort ihre Büros haben. Durch die räumliche Nähe soll eine engere Zusammenarbeit und Kommunikation gefördert werden.

Interessensteuerung und Kommunikationsgrenzen

Ob das Immobilien Center und die Filialbereiche miteinander, aneinander vorbei oder gar gegeneinander arbeiten, wird nicht zuletzt durch die jeweiligen Interessen gesteuert. Ist der Baufinanzierungsabsatz lediglich für das Immobilien Center verzielt, besteht auf Filialseite kein Bedarf an einer Zusammenarbeit in diesem Produktfeld. Selbst wenn die Immobilienfinanzierung im Zielkatalog der Filialbereiche auftaucht, aber nur zu einem kleinen Teil zur Zielerreichung beiträgt, bleibt dort das Interesse an Baufinanzierungen überschaubar. Daran ändert auch die Chance auf Cross-Selling wenig, wenn über andere Impulse aus Sicht der Filialen bessere Vermarktungschancen gesehen werden. Die Filialbereiche haben deshalb bei der Kreissparkasse Ludwigsburg eigene Ziele im Bereich Baufinanzierung, die entsprechend hoch gewichtet sind.

Die Interessensteuerung über das Zielsystem erwies sich bei der Sparkasse nach mehreren Jahren laufender Optimierung jedoch lediglich als notwendige, aber nicht als hinreichende Bedingung für eine Ausschöpfung der Cross-Selling-Potenziale aus Baufinanzierungen. Wie bei allen Regelungen und Systemen liegen die Grenzen im "Faktor Mensch". Abteilungsgrenzen bilden nicht selten auch Kommunikationsgrenzen. Jede Abteilung hat (im positiven Fall) ein eigenes Wir-Gefühl, das die Zusammengehörigkeit als Gruppe widerspiegelt. Angehörige anderer Abteilungen - insofern anderer sozialer Gruppen - sind in gewissem Sinne Fremde.

In der täglichen Kommunikation äußern sich die Gruppenzugehörigkeiten beispielsweise durch gegenseitige Schuldzuweisungen. Eine Seite wirft der anderen mangelnde Kommunikation, Anspruchsdenken, Qualitätsmängel und Ähnliches vor. Anstatt am gemeinsamen Erfolg zu arbeiten, entsteht im schlimmsten Fall eine kommunikative Abwärtsspirale, in der beide Seiten zu Verlierern werden.

In der Kreissparkasse Ludwigsburg herrscht insgesamt, wie wiederholt aus Mitarbeiterbefragungen ermittelt wurde, ein ausgezeichnetes Betriebsklima. Grabenkriege zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen sind nicht feststellbar. Dennoch gibt es auch Hinweise, dass die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit noch stark entwicklungsfähig ist. In einer der sieben Regionaldirektionen wurde die Zusammenarbeit mit dem Immobilien Center durch den zuständigen Regionaldirektor zur Chefsache erklärt und in einem Pilotversuch systematisch optimiert. Der Ansatz ging von der Prämisse aus, dass Menschen umso lieber und besser zusammenarbeiten, je besser sie einander und die jeweiligen Bedürfnislagen kennen. Ziel war es, die zwar zentral organisierten, aber räumlich dezentral angesiedelten Berater des Immobilien Centers so weit möglich in die Regionaldirektion zu integrieren.

Das Maßnahmenbündel betrifft alle Mitarbeiter der Regionaldirektion und die Berater des Immobilien Centers. Alle Einzelmaßnahmen zielen auf das personale Verhalten der Beteiligten und wirken auf die Beziehungsebene. Mittlerweile hat diese Vorgehensweise sogar einen Namen erhalten: Das "We-are-one-Prinzip".

Gezielte Optimierung der Zusammenarbeit - Willkommenskultur

Kern des "We are One-Prinzips" ist eine bewusste Willkommenskultur in der Regionaldirektion. Mitarbeiter aus dem Immobilien Center, die räumlich im Filialbereich eingesetzt werden, sollen sich dort zu Hause fühlen. Deshalb werden die Mitarbeiter des Immobilien Centers zu allen internen Veranstaltungen der Regionaldirektion eingeladen. Dies umfasst nicht nur Besprechungen, sondern insbesondere auch Freizeitveranstaltungen wie beispielsweise Sommerfeste oder Weihnachtsfeiern. Dadurch soll gezielt die Kommunikation außerhalb des Tagesgeschäfts gefördert werden.

Bewusste Feedbacks für besonderen Einsatz auf beiden Seiten, auch Hilfestellungen außer der Reihe sind häufig anzutreffen. So kommt es nicht selten vor, dass eine Sekretärin des Filialbereichs in eiligen Fällen Kopierarbeiten oder andere Leistungen für den Kollegen des Immobilien Centers übernimmt. Wichtig ist, dass nie vergessen wird, dass dies nicht selbstverständlich und deshalb einzufordern ist.

Eine besondere Rolle spielt der zuständige Regionaldirektor. Er nimmt sich ebenfalls des Mitarbeiters aus dem Immobilien Center an, als ob es ein eigener Mitarbeiter wäre - ohne dabei in die Kompetenzen des Immobilien Centers einzugreifen (im besten Sinne wird hier eine Matrixorganisation gelebt). In vielen Fällen sind kurze Wege mit Kenntnissen der Besonderheiten vor Ort hilfreich; wenn Entscheidungen sehr eilig sind oder die Kundenkenntnisse aus dem Filialbereich eine wichtige Bedeutung haben, kann der Regionaldirektor durch sein Votum zu schnellen Entscheidungen beitragen.

Direkter Draht zum Management - Finanzierungsberater als Kommunikator

Schnelligkeit und Kommunikationsfreude sind wesentliche Fähigkeiten, welche die Mitarbeiter des Immobilien Centers in die Partnerschaft einbringen. Durch häufige Treffen und regelmäßigen Austausch mit den Filialmitarbeitern verstehen beide Partnerseiten die gegenseitigen Ansprüche genau. Der Mitarbeiter des Immobilien Centers gibt dabei nachvollziehbare Hinweise und macht Schulungen zu den Anforderungen, die er beispielsweise an eine Finanzierung stellen muss. Alleingänge finden nicht statt - muss eine Finanzierung abgelehnt werden, so geschieht das in keinem Fall ohne vorherige Rücksprache und gemeinsam Lösungssuche. Wenn Filialen ihren Kunden einen Kundenrückruf durch den Mitarbeitern des Immobilien Centers versprechen, so erfolgt dieser sehr kurzfristig - wann immer möglich innerhalb der nächsten Minuten.

Auch in punkto Terminvereinbarung zeigen die Finanzierungsberater eine hohe Flexibilität. Finanzierungsberatungen finden möglichst gemeinsam statt. Die dadurch erreichte Kundenzufriedenheit wirkt auf alle tangierten Mitarbeiter positiv und verstärkt die Motivation für weitere gemeinsame Kundenprojekte.

Positive Ergebnisse

Das "We-are-one-Prinzip" erfordert von allen Beteiligten einen erhöhten persönlichen Einsatz, der sich nicht in einem einmaligen Workshop erschöpft, sondern dauerhaft erbracht wird. Insofern wird die neue Zusammenarbeit niemals zum Selbstläufer werden. Die bisher erzielten Ergebnisse zeigen jedoch auf, dass dieses Investment lohnend ist. Intern beschreiben beide Seiten die Zusammenarbeit als so gut wie noch nie. Auch extern, in der jüngsten After-Sales-Befragung (hier werden quartalsweise die Finanzierungskunden angeschrieben und mittels Fragebogen deren Zufriedenheit erfragt) erhielt die beschriebene Regionaldirektion außergewöhnlich positive Rückmeldungen: Während der Finanzierungsphase betrug die Beschwerdequote der Kunden nur ein Drittel im Vergleich zum Rest des zuständigen Immobilien Centers. Noch besser war die anschließende Weiterempfehlungsquote der Kunden. Sie betrug volle 100 Prozent.

Dieses Modell wird weiter ausgebaut, da es nach den bisherigen Erfahrungen geeignet erscheint, die vorhandenen Cross-Selling-Potenziale nicht nur zu heben, sondern die Kunden mehr denn je zu Fans der Kreissparkasse zu machen.

Dr. Heinz-Werner Schulte , Vorsitzender des Vorstands , Kreissparkasse Ludwigsburg, Ludwigsburg
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