Konsequenzen aus Digitalisierung und Konsolidierung für kleinere Institute

Prof. Dr. Alexander Zureck
Foto: Tom Schulte

Wie sollen kleinere Kreditinstituten unter den bekannten Rahmenbedingungen von Niedrigzinsumfeld, Regulierung und nicht zuletzt eine durch Fintechs getriebene Digitalisierung reagieren? Durch Interviews mit Vorstandsmitgliedern kleiner Banken und der flankierenden Auswertung von Daten einer Umfrage bei jungen Bankkunden formulieren die Autoren Herausforderungen dieser Häuser im Wettbewerb und skizzieren die Anforderungen an erfolgversprechende Fusionen. Als wichtige Phase jeden Zusammenschlusses nennen sie die rechtzeitige Einbindung der Mitarbeiter und die Bedeutung der Integrationsphase der beteiligten Institute. Bei allen Herausforderungen durch von Big Data oder Robo Advice sehen sie die traditionellen Banken beim Vertrauen in die Sicherheitstandards derzeit noch im Vorteil und registrieren auch weiterhin einen Bedarf an Beratungsgesprächen. (Red.)

Alleine im Jahre 2016 mussten 71 deutsche Kreditinstitute ihren Betrieb einstellen.1) Die Bankenbranche befindet sich spätestens seit dem Beginn der Finanzmarktkrise im Jahre 20072) in einem starken Veränderungsprozess, sodass Experten zunehmend die Aussage "Banking is necessary, banks are not." von Bill Gates bestätigen.3)

Dieser Prozess basiert besonders auf einem schwierigen Marktumfeld. Die Zinsmargen der Kreditinstitute befinden sich aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase nach wie vor auf einem historisch niedrigen Niveau.4) Zum anderen steigen zunehmend die regulatorischen Auflagen an Kreditinstitute, sodass ebenfalls ein erhöhter zeitlicher und monetärer Aufwand mit der Einhaltung und Umsetzung der Regulatorik einhergeht.

Retailgeschäft schon stark betroffen

Folglich sind vor allem kleinere und regional agierende Bankhäuser zu Fusionen beziehungsweise zu Filialschließungen gezwungen.

Ein weiterer Grund für diesen Konsolidierungsprozess resultiert aus den veränderten Bedürfnissen und Erwartungshaltungen der Kunden. Während Banken sich vor der Jahrtausendwende noch in einem Verkäufermarkt befanden, müssen sie heutzutage ihr Geschäftsmodell zunehmend an den Kundenbedürfnissen orientieren.5) Die an die Finanzbranche gestellten Anforderungen zur digitalen Veränderung führen zu einer zunehmenden Situationsverschärfung.

Demzufolge ist unter anderem der Konkurrenzkampf innerhalb der Branche durch die sogenannten Fintechs, welche ihr Geschäftsmodell auf eine transparente und schnelle Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet haben, gestiegen.6) Insbesondere die Themen Big Data und Robo Advice können den Veränderungsprozess innerhalb der Bankenbranche intensivieren. Wie die zugrunde liegende Empirie verdeutlicht, ist insbesondere das Retailgeschäft von digitalen Veränderungen und folglich von Fusionen betroffen. Ziel dieses Papers ist es, die Anforderungen an ein zukunftsfähiges Retailbanking bei klein- und mittelständischen Banken kritisch zu hinterfragen. Ferner soll die Relevanz der Post Merger Integration (PMI) visualisiert werden.

Der medialen Berichterstattung ist zu entnehmen, dass die Fusionsanzahl von regional agierenden Banken in den letzten Jahren deutlich zunahm und anhält. Kleinere Bankinstitute nehmen diesen anhaltenden Trend zum Anlass, um durch entsprechende Zusammenschlüsse, Kostenersparnisse zu erzielen und die Zukunftsfähigkeit ihres Geschäftsmodells zu sichern. Somit nimmt Mergers & Acquisitions innerhalb dieses Veränderungsprozesses einen entscheidenden Stellenwert für den langfristigen Bankerfolg ein. Vor allem wegen des Fehlens eines einheitlichen Erfolgsmessungskonzeptes ist es für Unternehmen problematisch, sämtliche Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen. Speziell die sogenannten weichen Erfolgsfaktoren, wie unter anderem die Identifikation der Mitarbeiter mit der neuen Unternehmensstrategie, sind für den Transaktionserfolg elementar. Gemäß einschlägiger Meinungen der rekrutierten Experten stellt die Post Merger Integration einen Haupterfolgsfaktor dar.

Empirische Vorgehensweise

Um die aus der Literatur gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der Übertragbarkeit auf das praxisnahe Retailbanking zu analysieren und zusätzliches Deutungswissen zu gewinnen,7) wurde ein Mixed-Methods-Ansatz gewählt.

Zunächst wurden qualitative Interviews durchgeführt, um fundiertes Wissen zu generieren, welches theoretisches Wissen auf dessen Praxisrelevanz überprüfen sollte. Hierbei wurden fünf Experteninterviews durchgeführt, wobei eines mit einem Sperrvermerk versehen ist. Vier Befragte sind Vorstandsmitglieder regional agierender Banken mit Schwerpunkt auf den genossenschaftlichen Bankensektor. Zudem wurde ein Geschäftsführer eines Private-Equity-Unternehmens interviewt. Um mögliche regionale Sondereffekte im Vorfeld auszuschließen, stammen die Experten aus fünf unterschiedlichen Bundesländern.

Darüber hinaus wurde auf Datenmaterial8) des isf Institute for Strategic Finance an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Essen aus dem Jahre 2017 zurückgegriffen. Mittels des Rückgriffs auf diese Befragung konnte die fundierte Einschätzung zahlreicher junger Kunden im Kontext der sich verändernden Bankenbranche und deren Bedürfnissen gewonnen werden. Dem Datenmaterial liegen 36 Fragen zugrunde sowie kumulierte 1 911 erhaltene Antworten. Bei dieser Empirie wurden sowohl Externe als auch Lehrende sowie Studenten der FOM Hochschule im Alter von 18 bis 35 Jahren befragt.9)

Folgende Thesen sollten durch die wissenschaftliche Arbeit verifiziert werden:

1. These: Die neuen Regulierungsvorschriften sowie die zunehmende Konkurrenzsituation durch Fintechs erhöhen die Notwendigkeit zur Steigerung der Beratungsleistung sowie zur Reduzierung der Komplexität des Bankgeschäftes.

2. These: Die aktuelle Marktsituation führt zu anhaltenden Konsolidierungsmaßnahmen der Bankenbrache. Der langfristige Schlüssel zum Transaktionserfolg ist in der PMI ausfindig zu machen.

3. These: Die Implementierung von Robo Advice und Big-Data-Analyseverfahren stellen einen wesentlichen Bestandteil für das zukünftige Bankgeschäft dar.

4. These: Die veränderten Kundenbedürfnisse führen zu einer Zunahme von Kooperationen zwischen Fintechs und Finanzdienstleistungen.

Notwendige Steigerung der Beratungsqualität

Um die erste These anhand von Young Professionals zu validieren, wurde hierbei explizit auf die Forschungsergebnisse des isf Institute for Strategic Finance zurückgegriffen. Ausgehend von diesem empirischen Datenmaterial ist zu konstatieren, dass der Großteil der Befragten Young Professionals eigenständig Finanzentscheidungen trifft. Zur Validierung der Beratungsqualität wurde folgende Frage aufgenommen: "Würden Sie Ihren Finanzberater an Freunde weiterempfehlen?"

Hierbei ist zu betonen, dass 1 565 Befragte keine Antwort abgaben. Von den übrigen Befragten würden 266 Stück ihren Finanzberater an Freunde weiterempfehlen, wohingegen 80 dies nicht tun würden. Dementsprechend würden 23,12 Prozent, bezogen auf die 346 erhaltenen Antworten, ihren jeweiligen Berater nicht weiterempfehlen. Folglich sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Fachartikeln, welche eine zunehmenden Skepsis der Kunden gegenüber Bankdienstleistungen illustrieren, deckungsgleich.

1623 Befragte geben als Begründung ihrer vorherigen Antwort das "Vertrauen" an. Bei der Kategorisierung der einzelnen Wertigkeiten der erhaltenen Antworten konnten explizit neun negativ konnotierte Gründe ausfindig gemacht werden. Hierbei wird ersichtlich, dass als Gründe eine zu stark ausgeprägte hausinterne Anlageempfehlung, Ineffizienz oder eine zu geringe Rendite angegeben werden sowie die Tatsache, dass der jeweilige Berater "[...] auch nicht mehr Übersicht als ein interessierter Internetnutzer [hat]." Ebenfalls wurde die hohe Beraterfluktuation als ein Grund für die fehlende Weiterempfehlungsbereitschaft angeführt. Damit konnte diese Frage eine Brücke zur Literatur schlagen. Wie in der Literatur beschrieben, fußt der starke Konkurrenzkampf zwischen Kreditinstituten vor allem darauf, dass die angebotenen Produkte von hoher Immaterialität charakterisiert sind. Ausgehend von der fehlenden Haptik können Banken sich lediglich mittels hoher Beratungsqualität gegenüber anderen Instituten positionieren und somit den Endverbrauchern einen Mehrwert bieten.

Hoher Stellenwert von Sicherheitsstandards

Ferner verifizierte das Datenmaterial, dass die Endverbraucher zukünftig vor allem hohen Sicherheitsstandards einen signifikanten Stellenwert zumessen. Folglich haben 927 Befragte dies mit der stärksten Gewichtung "Stimme voll zu" selektiert. Gegensätzlich dazu wird dem Thema Robo Advice innerhalb der Befragten eher eine geringe Bedeutung beigemessen. Eine hypothetische Schlussfolgerung könnte sein, dass das Thema Robo Advice und der angesprochene Sicherheitsgedanke miteinander negativ korrelieren. Diese Hypothese wird jedoch im Folgenden nicht weiter thematisiert.

Darüber hinaus konnte die notwendige Anpassung der Beratungsleistung an die Kundenbedürfnisse herausgearbeitet werden. Kreditinstitute werden zukünftig vermehrt die Omnikanalstrategie umsetzen, wie zahlreiche Fachmedien appellieren.10) Während einige öffentlich zugängliche Medien einen signifikanten Substitutionscharakter der Fintechs thematisieren, konnte die Empirie diesen Aspekt teilweise revidieren. Trotz Filialschließungen sind sich die Experten einig, dass die Bankberatung nach wie vor eine Daseinsberechtigung genießt. Jedoch wird sich diese aufgrund der digitalen Möglichkeiten verändern.

So wird es künftig unter anderem zu digitalen Beratungsleistungen kommen. Ebenfalls werden sowohl im Retailbanking als auch im Firmenkundengeschäft die Beratungszeiten flexibler und die Beratung vermehrt in den Abendstunden stattfinden. Zukünftig wird es Beratungszentren geben, in denen dem Kunden ein Bankerlebnis geboten wird. Insbesondere bei individuellen komplexeren Themengebieten werden Kunden auch zukünftig die Beratungsleistung von Banken in Anspruch nehmen und wertschätzen. Schlussfolgernd wird die kompetente Beratungsleistung von Kreditinstituten das Kerngeschäft werden. Daher kann die Bankfiliale als ein "Bindeglied zwischen virtueller und realer Welt" agieren.11)

Konsolidierungsmaßnahmen

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Berichterstattungen über Banken von sinkenden Erträgen, verbundenen Kostenanpassungen und folglich von Bankschließungen charakterisiert. Kaum einer Mitteilung ist nicht zu entnehmen, dass sich Banken deutlich digitaler aufstellen müssen. Mittels der empirischen Vorgehensweise konnten elementare Erkenntnisse im Kontext der digitalen Konsolidierung gewonnen werden.

Beachtlich ist, dass vier von fünf Experten von einer Konsolidierung innerhalb der Bankenbranche ausgehen. Die Interviewten sind übereinstimmend der Meinung, dass einer der Hauptgründe in der Digitalisierung ausfindig zu machen ist. Somit konnten vorherige Berichte in ihrer Aussagekraft bestärkt werden. Folglich ist davon auszugehen, dass sich der deutsche Bankensektor an die europäischen Nachbarländer anpassen wird. In der Europäischen Union gibt es die meisten Bankfilialen im Jahre 2016 in Frankreich mit einer Anzahl von 37 261 Stück, auf Platz zwei folgt Deutschland mit rund 32 026 Zweigfilialen. Jedoch schließen in Deutschland zahlreiche Filialen. Während im Zeitraum von 2012 bis 2016 rund zwölf Prozent der Deutschen Bankfilialen schlossen, bleibt die Anzahl in Frankreich nahezu unverändert.12)

Insbesondere in ländlichen Regionen wird es zu einer starken Verdichtung des Filialnetzes kommen. Während Herr Stein, als Vorstand einer der kleinsten Banken Europas, der Auffassung ist, dass Fusionen keine Lösungen seien und innerhalb der Raiffeisenbank Tüngental eG keine Zusatzkosten für Bankdienstleistungen einführen wird, gehen andere Experten von einer "[...] drastische[n] Reduzierung des Filialnetzes [...]" aus. Ebenfalls betonen die rekrutierten Experten "dass Zusammenschlüsse und Fusionen nicht das Allheilmittel darstellen." Hierbei komme es häufig zu einer Überschätzung von möglichen Economies of Scale. Demzufolge konnte die in der Literatur beschriebene Komplexität von M&A-Transaktionen anhand der Interviewten bekräftigt werden.

Mithilfe der Auswertung des Experteninterviews konnte ebenfalls die Relevanz der PMI sowie die Signifikanz von Humankapital untermauert werden. Trotz einer intensiven Mitarbeitereinbeziehung in den M&A-Prozess ist kein vollumfänglicher Abbau der Mitarbeiterängste möglich. Bei der Auswertung des Datenmaterials konnten wichtige Erkenntnisse für einen idealtypischen PMI-Prozess gewonnen werden. Hierbei konnte herausgearbeitet werden, dass die Einbeziehung und auch der Zeitpunkt dieser Maßnahme unmittelbar mit der Unternehmensgröße zusammenhängt. Daraus kann abgeleitet werden, dass eine positive Korrelation zwischen Unternehmensgröße und Komplexität des Planungsprozesses besteht. Tenor: "Trotz Digitalisierung hängt die Leistungen einer Bank von Personen ab ... Das Leistungsversprechen gepaart mit der Qualität der Berater muss zu den Kunden getragen werden. Folglich stellen die Motivation, Qualifikation und das Engagement der Mitarbeiter einen Schlüssel des Erfolges dar."

Möglichkeiten durch Robo Advice und Big Data

Die Begriffe Robo Advice und Big Data dominieren aktuell die Medien. Dadurch, dass kaum eine Bank der Thematik von algorithmusbasierten Auswertungsverfahren entgehen kann, wurden die Möglichkeiten dieser Technologien für den genossenschaftlichen Bankensektor durch die Empirie kritisch erörtert. Mittels der Empirie konnten neue Technologien als Chance sowie als Substitution zu klassischen Bankleistungen ausfindig gemacht werden. Erzielen Robo-Advice-Anlagestrategien zukünftig im Vergleich zu "[...] klassischen Asset Managern [...] [langfristig höhere Renditen], ist der Technologie der Vorzug zu geben." Wenn es Banken gelinge "selbstlernende [...] System[e]" zu implementieren, könne man die Datenauswertung, ähnlich wie dies bereits Amazon seit über zehn Jahren tut, verwenden und somit die klassische Anlageberatung in Teilen ersetzen.

Trotz der herausgearbeiteten Chancen und Potenziale wird es nicht zu einer vollumfänglichen Kommunikation mit "Maschinen" kommen beziehungsweise die Anlageberatung wird nicht gänzlich digital stattfinden. Je größer die Volumina und das Knowhow der Kunden ist, desto häufiger werden diese auf die Bankberatungsleistung zurückgreifen. Folglich werden "gehobene" Kunden die Beratungsleistung wertschätzen und in Anspruch nehmen. Auch unter Berücksichtigung des Aspektes der Niedrigzinsphase, in der ein deutlich erhöhtes Risiko eingegangen werden muss, um ähnlich hohe Renditen wie in der Vergangenheit zu erzielen, nimmt die individuelle Kundenberatung und somit das Präsenzgeschäft an Bedeutung zu. "In der Beratung ist nichts wichtiger als das Vertrauen in sein Gegenüber", lautete eine der Kernaussagen.

Einzelne Experten thematisierten im Interview insbesondere die Potenziale und Chancen von Big Data und Robo Advice, welche mit wissenschaftlichen Befunden und öffentlichen Studien einhergehen.13) Jedoch ist dies bei den befragten Endverbrauchern ein noch nicht notwendiger zukünftiger Geschäftsbereich, welchen ihre Hausbank anbieten muss. Dieser empirische Befund ist mit Aussagen von UBS kongruent, wonach Endverbraucher aktuell bei komplexeren Finanzthemen noch nicht vollumfänglich auf eine digitale Beratung zurückgreifen wollen. Ein zentrales Ergebnis der Publikation ist die Unterstreichung der Chancen für traditionelle Bankhäuser durch technologische Prozesse. Durch eine mögliche Integration einzelner Technologien kann der Kundenbedarf erhöht und somit auch die Kundenloyalität analog zum Onlineshopping via Amazon gesteigert werden. "Am Markt gewinnt derjenige, der bessere Ergebnisse aufweist. Falls sich zukünftig Robo Advisory gegenüber klassischen Asset Managern durchsetzen wird, ist der Technologie der Vorzug zu geben."

Chancen digitaler Banken

Während einigen öffentlichen Meinungen zu entnehmen ist, dass klassische Banken durch Fintechs substituiert werden können, konnte die Empirie die Chancen von möglichen Kooperationen zwischen diesen Protagonisten hervorheben. Vor allem konnten die immensen Chancen einer digitalen Bankenlandschaft herausgearbeitet werden.

Ähnlich wie die empirischen Befunden darstellen, erachtet ebenfalls die Deutsche Bank die Digitalisierung als eine Chance, um die Kundenbeziehung durch individuelle Finanzlösungen und effizientere Prozesse zu intensivieren. Viele Fintechs haben gute innovative Ideen, besitzen jedoch kein breites Kundenportfolio, sodass sich interessante Beteiligungschancen für Banken bieten. Der Bankenverband geht von einer zukünftig verstärkten Zusammenarbeit zwischen Banken und Fintechs aus, sodass die Verzahnung zwischen den digitalen Fintechs und Banken vehement zunehmen werde.14)

Jedoch sind die Meinungen zu Fintechs in wissenschaftlichen Artikeln zweigeteilt. Viele Experten vertreten die Auffassung, dass Banken durch Fintechs in Teilen überflüssig werden. Andere wiederum empfinden die Bedrohung ausgehend von Fintechs als überschätzt. Der Schlüssel zum Erfolg in dieser schnelllebigen digitalen Industrie liegt in der Generierung von neuem Wissen und der Perfektionierung der Prozesse neuer Wertschöpfungsketten. So betont beispielsweise Frank Schwab, Mitgründer des Frankfurter Fintech Forums, dass es überspitzt sei, Fintechs als Revolution zu bezeichnen. Öffentlich zugängliche Expertenmeinungen sagen vorher, dass zirka 90 Prozent der Fintechs scheitern werden, neun Prozent werden in Kooperation mit etablierten Bankhäusern erfolgreich sein und lediglich ein Prozent wird die Finanzwelt verändern können.15) Wenn sich in den nächsten Jahren herausstellt, dass viele der Geschäftsmodelle von Fintechs auf Dauer nicht tragbar sind, drohe ein Szenario wie bei der Dotcom-Blase oder dem Internet-Hype vor rund 18 Jahren. Jedoch ist einer signifikanten Anzahl von Expertenmeinungen der disruptive Charakter von Fintechs zu entnehmen, welcher durch die durchgeführten Expertenmeinungen verdeutlicht wird. Dieser ist in der Lage, die Bankbranche tief greifend zu verändern. Bezogen auf diesen Aspekt ist zu betonen, dass sich Fintechs noch am Anfang ihrer Entwicklung befinden. "Momentan finden die Umwälzungen langsamer statt als gedacht, doch irgendwann wird eine Schwelle überschritten, und dann geht alles schneller als erwartet", dies sei in zirka 10 Jahren zu erwarten.16)

Bedarf an persönlichen Beratungsgesprächen

Fintechs haben technologische Möglichkeiten, die den Kunden schnelle, individualisierte und transparente Finanzdienstleistungen anbieten, in ihr Geschäftsmodell aufgenommen. Somit orientieren sich Fintechs unmittelbar an den durch die Empirie herausgearbeiteten Anforderungen von Young Professionals. Hierdurch konnte die immer stärker werdende Forderung der Bankenlobby zu Deregulierungen sowie der Forderung eines einheitlichen Regelwerks sowohl für Fintechs als auch für traditionelle Bankhäuser bekräftigt werden.17) Die medial zunehmende Gewichtung von Fintechs fußt neben den angesprochenen geringeren regulatorischen Anforderungen ebenfalls darauf, dass Fintechs sich primär an den Kundenbedürfnissen orientieren. Unter anderem konnte durch die quantitative Analyse herauskristallisiert werden, dass Bankkunden zukünftig von Kreditinstituten vor allem kostengünstige Produkte, schnelle Prozesse sowie eine hohe Transparenz fordern. Ebenfalls fordern Kunden ein vernetztes Banking.18) Dieser Aspekt des Omnikanal-Bankings konnte ebenfalls anhand der Empirie bekräftigt werden.

Handlungsempfehlungen für das zukünftige Retailbanking

Ein weiterer praxisrelevanter empirischer Befund ist, dass für Bankkunden das Vertrauen den wichtigsten Beratungscharakter darstellt. Zwar bleibt auch aufgrund der Immaterialität sowie der Komplexität einiger Bankprodukte der Bedarf an persönlichen Beratungsgesprächen bestehen, jedoch konnte die Empirie unterstreichen, dass dies nicht zwingend in einer Bankfiliale oder per Präsenzkommunikation stattfinden muss. Demzufolge konnte der Aspekt der zunehmenden Filialschließungen sowohl aus Experten- als auch aus Kundensicht unterstrichen werden.

Die qualitative Analyse im Kontext dieser Publikation kommt zu dem Ergebnis, dass ein verstärkter Konsolidierungsprozess innerhalb der Bankenbranche unumgänglich ist. Durch die notwendigen Kooperationen mit Fintechs sind Kosteneinsparungen im Front- und Backoffice zu reduzieren.

Gemäß der Befunde der qualitativen Inhaltsanalyse dieser wissenschaftlichen Arbeit stellen Fintechs eine sinnige Chance dar, um durch innovative Geschäftsmodelle das Bankgeschäft anwenderfreundlicher zu gestalten und die Kostentransparenz aufrechtzuerhalten. Großer Vorteil der Banken ist, dass die Endverbraucher hohe Sicherheitsstandards mit Bankdienstleistungen assoziieren, sodass traditionelle Banken aktuell gegenüber Fintechs in diesem Kontext im Vorteil sind.

Auch Verbraucher haben Vorteile

Ferner konnten mittels dieser empirischen Untersuchung die Chancen von Robo Advice und Big Data herausarbeitet werden. Dadurch, dass Banken über eine signifikante Anzahl von kundenbezogenen Informationen verfügen, kann durch Kooperationen zwischen diesen und Anbietern von selbstlernenden Algorithmen eine Win-win-Situation für die Akteure entstehen. Aus Verbrauchersicht ist der entscheidende Vorteil in individualisierten und kostengünstigen Anlagealternativen ausfindig zu machen. Damit den sinkenden Bankerträgen entgegengewirkt werden kann und die aktuellen Marktanteile beibehalten werden können, müssen sich Banken im genossenschaftlichen Segment digitaler und innovativer aufstellen.

Literaturverzeichnis

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Fußnoten

1) Vgl. Atzler, E., Osman, Y., Filialsterben. 2017; Kröner, A., Banken-Sterber, 2017.

2) Vgl. u. a. Spremann, K., Gantenbein, P., Finanzmärkte, 2017, S. 266 ff.

3) Vgl. Buffett, W. E., Corporate America, 1997, S. 15; Brost, M., Banking, 2000.

4) Vgl. Bain & Company, Digitalisierung, 2012, S. 4.

5) Vgl. Herrmann, A., Jasny, R., Vetter, I., Kundenorientierung, 1999, S. 11.

6) Vgl. Lüke, G., Banken, 2015, S. 1.

7) Vgl. Bogner, A., Littig, B., Menz, W., Interviews, 2014, S. 19.

8) Die Daten werden jährlich zur Erstellung der Studie "Finanzberatung - Eine empirische Analyse bei Young Professionals" erhoben.

9) Vgl. Reiter, J., Frère, E., Zureck, A., Bensch, T., Finanzberatung, 2017, S. 3.

10) Vgl. Fischer, M., Omnikanal, 2018, S. 37 ff.

11) Vgl. Schindler, S., Zukunft, 2018, S. 101 ff.

12) Vgl. Atzler, E., Osman, Y., Filialsterben, 2017.

13) Vgl. Deutsche Bank Research, Robo-Advice, 2017, Zureck, A., Krahnhof, P., Digitalisierung, 2017, S. 28 f.

14) Vgl. bankenverband, Mitglieder, 2017.

15) Vgl. Köhler, P., Landgraf, R., Scheitern, 2017.

16) Vgl. Platt, C., Fintech, 2017.

17) Vgl. BaFin Journal, Digitalisierung, 2017, S. 12 f..

18) Vgl. Oberle, S., Multikanal, 2015, S. 240 f.

Prof. Dr. Alexander Zureck Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Banking & Finance, FOM Hochschule, Düsseldorf
Philippe Krahnhof Berater für Freiberufler bei einer mittel ständischen Regionalbank, Master, FOM Hochschule, Bochum

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