Neues Geschäftsmodell zwischen Banken und Fintechs

Martijn Hohmann, Foto: Five Degrees

Der Autor sieht vor allem in der Kooperation zwischen jungen Fintech-Start-ups und den klassischen Banken den Lösungsweg in der digitalen Transformation, die die Bankenbranche erfasst hat. Er ist der Meinung, dass beide voneinander lernen können und ihre Stärken kombinieren sollten. Als einen entscheidenden Schritt zur digital integrierten Bank sieht er die Nutzung von Big Data. Dafür benötige es eine klare Strategie für die Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Auswertung der Daten. Seiner Meinung nach sollte es dabei das Ziel sein, einen Rundumblick auf alle Informationen zu bekommen. Dafür sei es ein entscheidender Schritt, alle oder wesentliche Teile der Daten zentral aufzubewahren. Er hält darüber hinaus einen Paradigmenwechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt bei den Banken für notwendig. Die digitale Transformation ist für den Autor zudem nicht nur eine Herausforderung für Banken, sondern biete auch Chancen zur Optimierung des Vertriebs. (Red.)

Junge Fintech-Unternehmen setzen etablierte Geldhäuser mit neuen kostensenkenden und effektiven Geschäftskonzepten unter Druck. Die Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen erweist sich als fortschreitende Herausforderung, dennoch beschäftigen sich die Banken damit nach wie vor mit unterschiedlichem Nachdruck. Digitalisierung bedeutet stets ein beschleunigtes Tempo des Marktes. Doch die traditionelle IT-Infrastruktur des Finanzmarktes ist nicht mehr flexibel genug, um die rasante Serviceentwicklung abzubilden. Junge Fintech-Start-ups sind daher immer öfter ein Impuls, um etablierte Unternehmen mit der neuen Geschwindigkeit mithalten zu lassen. Der Vorteil von Start-ups besteht vor allem darin, dass sie in der Regel kein fertiges Produkt auf den Markt bringen, sondern zunächst einen Prototypen. Dieser wird durch ständiges Austesten direkt beim Nutzer hinterfragt und im Sinne des Kunden verbessert. Auf diese Weise wird ein Produkt entwickelt und auf den Markt gebracht, welches den aktuellen Kundenbedürfnissen entspricht und somit gute Erfolgschancen mit sich bringt.

Zeit für Entwicklungen und Arbeitsfelder

Start-ups können gut experimentieren, einfach, weil sie es müssen. Die traditionellen Unternehmen hingegen haben eine widerstandsfähige, wertschätzende Kultur, die ihnen hilft, viele Stürme zu überstehen. Mehr strategische Partnerschaften sind demnach notwendig, um voneinander zu lernen. Ein wichtiger Schritt besteht darin, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Hierbei kann die Zusammenarbeit an einem ersten, kleinen Projekt sehr kraftvoll sein. Auf diese Weise können sich unterschiedliche Arbeitskulturen gegenseitig inspirieren, anstatt gegeneinander zu kämpfen. Mittlerweile verstehen die Beteiligten immer mehr, dass beide Seiten voneinander lernen und profitieren können, wenn ein offener Austausch stattfindet.

Die Nutzung von Big Data ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur digital integrierten Bank. Eine intelligente Auswertung bestehender Datenmengen durch eine Software kann zügig erste wichtige Informationen liefern, um wirtschaftlich und strategisch relevante Fragen besser beantworten zu können. Die Aufgabe für Banken besteht darin, die Rolle der im Unternehmen vorhandenen Daten in der eigenen Service-Strategie klar zu definieren und ein sinnvolles Ökosystem für die Datenerfassung, -verarbeitung, -speicherung und -auswertung zu kreieren und nachhaltig zu etablieren.

Modernes Banking: Matrix als digitales Ökosystem

Das Kernbankensystem Matrix von Five Degrees enthält alle Eigenschaften, die es braucht, um Bankgeschäfte komplett in der Cloud zu tätigen. Mit der Softwarelösung des niederländischen Unternehmens werden Prozesse geglättet und angepasst, sodass Papieraufwand sowie manuelle Eingaben im Geschäftsprozess vollständig eingespart werden können. Die Software kann dabei auf allen drei Ebenen des End-to-End-Prozesses eingesetzt werden. Statt dem überlieferten Altsystem (Legacy-System) nur eine erneuerte Oberfläche zu vermitteln, wird mit Matrix ermöglicht, neue Produkte auf der Backend-Ebene mit Frontoffice-Systemen zu verknüpfen. So können neue Anwendungen und Geschäftsprozesse einfach und kosteneffizient eingebettet und Nachfragen vonseiten der Kunden nach neuen digitalen Lösungen beantwortet werden.

Die Besonderheit der digitalen Kernbankenplattform Matrix ist das Architekturmuster des Systems. Durch die strikte Trennung der drei Ebenen bleibt die Architektur des Microservices-Systems stets stabil, weil Abhängigkeiten zwischen Microservices über die Programmierschnittstelle (API) eingeführt werden. Hierbei ergeben sich erhebliche architektonische Vorteile: Zum einen können sowohl externe Fintechs als auch die Datensysteme des Kunden in den API-Gateways recht einfach angebunden werden (Orchestrierungsschicht). Die Architektur erlaubt zudem eine strikte Trennung von Kundendaten (Kundenschicht) und Produktdaten (Produktschicht). Der Kunde kann die Darstellungsebene wie Website, Mobile App oder zukünftige Anwendungen frei nach seinen Vorlieben gestalten, ohne die Schichten darunter anpassen zu müssen.

Big Data: So nah wie möglich am Kunden

Durch innovative, digitale Technologien besteht nicht nur für Banken eine größere Kundennähe. Auch potenzielle Wettbewerber erhalten eine leichtere Möglichkeit des Markteintritts. Besonders in den letzten Jahren ist das vermehrte Auftreten neuer Player aus dem Nichtbankenbereich im Markt zu beobachten. Nicht nur die Zahl der Marktteilnehmer, sondern auch die Bandbreite der von ihnen beworbenen Finanzdienstleistungsprodukte ist im steten Wachstum.

Bankanwendungen für das digitale Zeitalter müssen demnach zügig und gewissenhaft zugleich entwickelt werden, über verschiedene Endgeräte hinweg skalierbar und einfach im Handling und vor allem kostengünstig erweiterbar sein. Die Anwendungen müssen durchweg eine hohe Flexibilität für die IT-Architektur der Banken bedeuten sowie die Abbildung von Produktvarianten, Mehrwert- und Partnerprodukten und auch Produktpakete anbieten. Durch die Nutzung von Cloud-Computing-Ansätzen können diese Anforderungen technologisch sichergestellt werden.

Höhere Kundenzufriedenheit mit Advanced Analytics

Durch die Verschärfung der Regularien vonseiten der Regierung müssen die Anforderungen an konsistente Aufsichtssysteme hierbei permanent beachtet werden. Daraus entsteht als Konsequenz die Integration von Geschäftssteuerung und Risikomanagement. Einerseits sind die Banken dazu verpflichtet, ihre Datenbasis zu bereinigen. Auf der anderen Seite ist für die gesamte Banksteuerung sowie das Risikomanagement eine unternehmensweit gefestigte Datenbasis zwingend erforderlich.

Die bestehende Systemarchitektur vieler Finanzhäuser ist mit ihren verschiedenen Organisationsstrukturen im Front- und Backoffice und der oftmals systemischen Trennung von Stammdaten und Kennzahlen für umfassende Analysen nicht ausreichend geeignet. Ziel sollte es sein, alte Strukturen durch zentral gesteuerte Informationsstrukturen zu ersetzen und somit eine 360-Grad-Sicht auf alle Informationen zu erhalten.

Das System öffnet aus unterschiedlichsten Segmenten den Zugang zur digitalen Transformation der alten, etablierten Systeme in der Firmensoftware. Die offene Programmstruktur unterstützt die verantwortlichen Stellen im Unternehmen bei der Implementierung und Anpassung an gesetzliche Vorschriften wie etwa die Zahlungsdienstrichtlinie (PSD2) oder die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Ein zweistufiger Ansatz erleichtert den Wechsel zum digitalen Banking, denn bei Matrix ist der Nutzer nicht verpflichtet, das vollständige Kernbankensystem zu ändern. Statt das Altsystem zu ersetzen, ermöglicht es die Matrix-Plattform, an bestehende Systeme effizient anzudocken.

Um diesen Zustand zu erreichen, ist ein zentraler Aufbewahrungsort für alle oder wesentlichen Teile der Daten, kurz Data Warehouse, ein entscheidender Schritt. Auf diesem Wege kann die Flut der Daten und Informationen aus verschiedenen Systemen zusammengeführt und für die Auswertung aufbereitet werden. Langfristig sollte jedoch die gesamte Informationsinfrastruktur des Unternehmens vereinheitlicht werden, da die nachgelagerte Zusammenführung von Datenbeständen aus diversen Systemen häufig nicht effizient gestaltet werden kann.

Das Datenmanagement ist demnach der zentrale Baustein im Unternehmen, hier erfolgt die Speicherung und Strukturierung der Daten. Interne und externe Unternehmensdaten bilden den Unterbau von BI-Systemen. Das Kernbankensystem von Five Degrees selbst ist keine Business Intelligence (BI) Software, dennoch ist die Plattform in der Lage, die vorgehaltenen Daten wie Kunden- und Produktangaben zu analysieren, zusammenzufügen und zu visualisieren. Analytische Informationssysteme durch externe Dienstleister können hierbei flexibel an das System angeschlossen werden.

Abhängig vom Anwendungsgebiet werden in den BI-Anwendungen unterschiedliche Technologien und Methoden angewandt. Die Auswahl reicht von simplen Berichtsgeneratoren über Komponenten für das sogenannte Online Analytical Processing (OLAP) bis zur multidimensionalen Analyse der Daten bis zum Data Mining.

Paradigmenwechsel: vom Verkäufer- zum Käufermarkt

Die Chancen durch die Digitalisierung für Banken liegen vorrangig darin, personalisierte Dienste und Konditionen über alle Vertriebskanäle hinweg anzubieten. Kurz gesagt: Die Finanzdienstleister müssen die individuellen Kunden besser verstehen lernen. Die Bankenbranche leitet sich bei ihren Vertriebstätigkeiten bis dato stark von Preisgestaltung und der Wirksamkeit des einzelnen Beraters ab.

Erst wenn der Paradigmenwechsel erkannt ist, dass ein Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt stattfindet, können die Kunden davon überzeugt werden, dass ihre persönlichen Bedürfnisse vollständig abgedeckt und nicht nur gewinnbringende Produkte verkauft werden. Auf der anderen Seite müssen aber auch Fehler der Vergangenheit erkannt werden und die digitalen Produkte konsequenter an die Kundenbedürfnisse sowie das veränderte Nutzerverhalten angepasst werden. Von den Finanztechnologie-Unternehmen zu lernen ist entscheidend, um die Innovationsführerschaft wiederzuerlangen.

Kundenansprache: Chancen durch Digitalisierung

Durch die Digitalisierung bieten sich auch umfangreiche Möglichkeiten zur Optimierung des Vertriebs von Dienstleistungen, wie beispielsweise eine persönliche Online-Beratung, das Nutzen von Chatbots zur Kundenkommunikation oder dem Angebot von virtuellen Filialen. Ein vollintegrierter Multi-Kanal-Ansatz sowie die Nutzung digitaler Technologien unterstützt Kreditanstalten demnach in der Transformation ihrer Vertriebskanäle.

Fest steht: Die klassische Hausbankbeziehung im Finanzwesen wird weiterhin abnehmen. Stattdessen verfügen die Kunden zunehmend über flexible Mehrbankverbindungen. Insbesondere bei der digitalen Generation verfügt die Bank über keine zentrale Bedeutung mehr als exklusiver Partner zur Abwicklung der Finanzgeschäfte. Um die Kundenbedürfnisse in der Zukunft abzudecken, muss ein funktionierendes Multi-Kanal-Zugangssystem für ihre Bankgeschäfte geschaffen werden.

Nur wenn Banken konsequent digitalisieren, mit geeigneten Partnern strategische Partnerschaften eingehen sowie ihre Datenschätze besser zu nutzen wissen, können sie sich im Markt als zukunftsträchtig und konkurrenzfähig erweisen.

Martijn Hohmann Geschäftsführer, Five Degrees, Amsterdam
Martijn Hohmann , Geschäftsführer, Five Degrees, Amsterdam

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