Zur Nichtkonsolidierung von zu Handelszwecken gehaltenen Anteilen an Tochterunternehmen

Dr. Andreas Haaker, Grundsatzfragen Rechnungslegung, DGRV - Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V., Berlin - Im neuen Standardentwurf des DRSC zur Kapitalkonsolidierung findet sich eine Sonderregelung für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, nach der Anteile an Tochterunternehmen, welche als Teil des Handelsbestandes gehalten werden, nicht in die Erst- und Folgekonsolidierung einzubeziehen sind. Der Autor analysiert die mögliche Umsetzung dieser Sonderregelung anhand von Zahlenbeispielen und verweist in seiner kritischen Würdigung auf einen Widerspruch des Entwurfs zu anderen Regelungen des DRS. Die Konsultationsphase läuft bis zur dritten Maiwoche 2015. (Red.)

Am 12. März 2015 hat der DRSC einen neuen Standardentwurf E-DRS 30 zur "Kapitalkonsolidierung (Einbeziehung von Tochterunternehmen in den Konzernabschluss)" veröffentlicht, welcher den bisherigen Standard DRS 4 "Unternehmenserwerbe im Konzernabschluss" ersetzen soll. Bis zum 22. Mai 2015 kann dazu Stellung genommen werden. Nach E-DRS 30 sind "bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten Anteile an Tochterunternehmen", welche "als Teil des Handelsbestandes gemäß § 340e Abs. 3 HGB gehalten werden, [...] nicht in die Erst- und Folgekonsolidierung einzubeziehen" (Tz. 18).

Relevanz für den HGB-Konzernabschluss

Diese Sonderregelung ist nach Umsetzung und Bekanntgabe des endgültigen Standards potenziell für alle Kreditinstitute relevant, welche einen Konzernabschluss nach HGB erstellen. Dabei bleibt unklar, wie diese Regelung auszulegen und ob sie handelsrechtlich überhaupt zulässig ist. Nachfolgend wird die mögliche Umsetzung dieser Sonderregelung anhand von einfachen Zahlenbeispielen analysiert und kritisch gewürdigt. Hierbei wird auf konsolidierungstechnische Details so weit wie möglich verzichtet. Zunächst wird auf die Möglichkeiten der Anwendung der Sonderregelung zur Nichtkonsolidierung von zu Handelszwecken gehaltenen Anteilen an Tochterunternehmen eingegangen.

1. Konsolidierung gemäß Wortlaut des § 301 Abs. 1 HGB: Gemäß § 301 Abs. 1 HGB wird im Rahmen der Kapitalkonsolidierung der "Wertansatz der dem Mutterunternehmen gehörenden Anteile an einem in den Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen [...] mit dem auf diese Anteile entfallenden Betrag des Eigenkapitals des Tochterunternehmens verrechnet." Auch Anteile an Tochterunternehmen, welche dem Handelsbestand (Aktiva 6a gemäß Formblatt 1 der RechKredV) und nicht den verbundenen Unternehmen (Aktiva 8) zugeordnet werden,1) wären demnach bei der Konsolidierung zu berücksichtigen. Beispiel 1 illustriert das Vorgehen im Rahmen der Erstkonsolidierung.

- Beispiel 1: Die Mutter-Bank (MU) hat im Jahresabschluss 100 Prozent der Anteile an der Tochter-Bank (TU) zu Anschaffungskosten (= Fair Value) von 200 GE aktiviert. TU weist als Vermögen einen Kassenbestand in Höhe von 100 GE (= Geldeinheiten) aus. MU weist im Einzelabschluss 10 Prozent der Anteile an TU als Handelsbestand (Aktiva 6a) und nicht als Anteile an verbundenen Unternehmen (Aktiva 8) aus.2) Dennoch sind nach § 301 Abs. 1 HGB 100 Prozent der Anteile an TU zu konsolidieren.

Entsprechend ist im Konzernabschluss nach der Erstkonsolidierung ein Kassenbestand von 100 GE und ein Goodwill in Höhe von 100 GE (= 200 - 100) auszuweisen. <-

Die GoB-konforme Behandlung nach dem Wortlaut des § 301 Abs. 1 HGB steht im Widerspruch zur nach E-DRS 30, Tz. 18, vorgeschlagenen Sonderregelung, wonach eine Einbeziehung der als Handelsbestand klassifizierten Anteile in die Kapitalkonsolidierung unterbleibt. Dieses Vorgehen ist trotz des Widerspruchs zum E-DRS 30 handelsrechtlich als zulässig anzusehen und spiegelt etwa bei Nutzung der auf die Anteile des Handelsbestands entfallenden Stimmrechte auf der Hauptversammlung die gesellschaftsrechtliche Realität wider.

Da E-DRS 30, Tz. 18, als Vereinfachungsregelung gedacht ist, überrascht die Kodifizierung als Muss- ("sind nicht einzubeziehen") statt als Kann-Vorschrift (Wahlrecht). Schließlich kann durch einen Deutschen Rechnungslegungs Standard (DRS) eine den gesetzlichen Vorgaben des § 301 Abs. 1 HGB entsprechende Einbeziehung in die Konsolidierung nicht untersagt werden.

Analogie zur Behandlung eigener Anteile

Zu prüfen ist jedenfalls, ob sich überhaupt handelsrechtliche vertretbare Lösungen im Einklang mit E-DRS 30, Tz. 18, finden lassen. Hier bietet sich zunächst eine Analogie zur Behandlung eigener Anteile an.

2. Nichtkonsolidierung aufgrund einer Behandlung als eigene Anteile: Eigene Anteile sind nach § 272 Abs. 1a HGB offen vom gezeichneten Kapital abzusetzen.3) Diese Regelung hat stets Vorrang vor der Bilanzierung als Handelsbestand.4) Hinsichtlich des Doppelcharakters von eigenen Anteilen als Korrekturposten einerseits und Vermögensgegenstand andererseits hatte der Gesetzgeber mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) nämlich eine eindeutige Wertung getroffen, nach der nach § 272 Abs. 1a HGB unabhängig vom Verwendungszweck eine offene Absetzung vom Gezeichneten Kapital zu erfolgen hat und somit faktisch wie eine Kapitalrückgewähr zu behandeln ist.5)

Interpretation nach der Einheitstheorie

Aus Konzernsicht können nach der Einheitstheorie nicht in die Konsolidierung einbezogene Anteile des Mutter- am Tochterunternehmen analog zu den Anteilen des Tochterunternehmens am Mutterunternehmen (§ 301 Abs. 4 HGB) als eigene Anteile interpretiert werden.

Insofern könnte Tz. 18 dahingehend verstanden werden, dass in Bezug auf das obige erste Beispiel 10 Prozent der Anteile am Tochterunternehmen deshalb nicht berücksichtigt werden, da bei Nichtkonsolidierung eine Verrechnung mit dem Eigenkapital des Mutterunternehmens vorzunehmen ist und der Handelsbestand an Anteilen am Tochterunternehmen daher nicht im Konzernabschluss ausgewiesen wird (vergleiche Beispiel 2).

- Beispiel 2: Die zu Handelszwecken gehaltenen Anteile an TU (200 x 0,1 = 20) sind vor Konsolidierung mit dem Eigenkapital der MU zu verrechnen und nur 90 Prozent der Anteile (200 x 0,9 = 180) mit dem Eigenkapital von TU zu konsolidieren.

In der Konzernbilanz wird somit ein Kassenbestand von 100 GE und ein Goodwill in Höhe von 80 GE (= 180 - 100) angesetzt. <-

Die Differenz beim Goodwill im vorstehenden Beispiel 2 beläuft sich verglichen mit dem Vorgehen laut Wortlaut des § 301 Abs. 1 HGB (vergleiche Beispiel 1) auf 20 GE (= 100 - 80). Zudem erfolgt kein Ausweis der Anteile des Handelsbestands in der Konzernbilanz.

Durch die Verrechnung würden - zumindest soweit die nur der Nichteinbeziehung der Handelszwecken dienenden Anteile am Tochterunternehmen in die Kapitalkonsolidierung geschuldeten Interpretation als eigene Anteile nicht greift - das Vollständigkeits- und Anschaffungskostenprinzip verletzt, da nach § 246 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 298 Abs. 1 und § 301 Abs. 3 HGB der Goodwill als (fiktiver) Vermögensgegenstand zu aktivieren und nach § 253 Abs. 1 HGB mit den Anschaffungskosten zu bewerten ist.

Seperater Ausweis der Anteile

3. Separater Ausweis der zu Handelszwecken gehaltenen Anteile am Tochterunternehmen: Die Regelung des Tz. 18 zielt auf einen Ausweis des Handelsbestands an Anteilen am Tochterunternehmen in der Konzernbilanz ab, wofür zwar wie im Beispiel 2 nur 90 Prozent der Anteile zu konsolidieren wären, aber keine Absetzung als eigene Anteile vom (Konzern-) Eigenkapital erfolgen dürfte (vergleiche Beispiel 3).

- Beispiel 3: Die Handelszwecken dienenden Anteile an TU werden nicht in die Konsolidierung einbezogen. Somit sind nur 90 Prozent der Anteile (200 x 0,9 = 180) mit dem Eigenkapital von TU zu konsolidieren. Der Handelsbestand (200 x 0,1 = 20) wird als solcher in die Konzernbilanz übernommen.

In der Konzernbilanz wird demnach ein Kassenbestand von 100 GE, ein Goodwill in Höhe von 80 GE (= 180 - 100) und wie im Einzelabschluss von TU ein Handelsbestand von 20 GE angesetzt. <-

Hierbei wird im Konzernabschluss der Handelsbestand an Anteilen am Tochterunternehmen analog zum Vorgehen im Einzelabschluss mit dem risikoadjustierten Fair Value bewertet (§ 340e Abs. 3 HGB), womit dieser die Anschaffungskosten von 20 GE übersteigen kann. Dies ist besonders bedenklich, weil es sich aus Konzernsicht nach der Einheitstheorie entweder um einen Anteil am Goodwill (vergleiche Beispiel 1) oder um einen Korrekturposten zum Eigenkapital handelt (vergleiche Beispiel 2).

Doppelzählung

Zudem kommt es zu einer Doppelzählung, weil die dem Handelsbestand zugeordneten Anteile an dem Tochterunternehmen 10 Prozent des bilanziellen Eigenkapitals und des dahinter stehenden Vermögens repräsentieren und nur 90 Prozent der Anteile mit 100 Prozent des Eigenkapitals des Tochterunternehmens verrechnet werden. Insofern kommt es im Beispiel zu einer Doppelberücksichtigung von 10 Prozent der Anteile auf der einen und 10 Prozent des Nettovermögens (hier des Kassenbestands) auf der anderen Seite.

4. Separater Ausweis der zu Handelszwecken gehaltenen Anteile am Tochterunternehmen und quotale Konsolidierung: Um die Doppelberücksichtigung zu vermeiden, scheint der DRSC eine quotale Konsolidierung vor Augen zu haben, da nach E-DSR 30, Tz. 48, die "von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten gehaltenen Anteile an Tochterunternehmen, die als Teil des Handelsbestandes gemäß § 340e Abs. 3 HGB anzusehen sind (vgl. Tz. 18), [...] bei der Ermittlung des anteiligen Eigenkapitals nicht zu berücksichtigen" sind (vergleiche Beispiel 4).

- Beispiel 4: Es werden gegenüber Beispiel 3 entsprechend der "Konsolidierungsquote" nur 90 Prozent des Kassenbestands quotal konsolidiert. 10 Prozent des Nettovermögens des Tochterunternehmens (hier des Kassenbestands) werden nicht in den Konzernabschluss übernommen.

Entsprechend beinhaltet der Konzernabschluss einen anteiligen Kassenbestand von 90 GE (100 x 0,9), einen Goodwill in Höhe von 90 GE (= 180 - 90) sowie einen Handelsbestand von 20 GE. 10 GE des Kassenbestands (= 100 x 0,9) werden nicht ausgewiesen. <-

Verstoß gegen das Vollständigkeitsprinzip

Die der Intention von E-DRS 30 entsprechende Abbildung gemäß Beispiel 4 widerspricht den Regelungen der Vollkonsolidierung nach der Einheitstheorie und ist unter anderem wegen Verstoßes gegen das Vollständigkeitsprinzip handelsrechtlich unzulässig. Schließlich wird das Nettovermögen des Tochterunternehmens nur anteilig ausgewiesen. Ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögenslage (§ 264 Abs. 2 HGB) wird auf diese Weise nicht vermittelt, da nur eine unvollständige (quotale) Erfassung des dem Konzern einheitstheoretisch zuzurechnenden Vermögens des Tochterunternehmens erfolgt.

Die Sonderregelung zur Nichtkonsolidierung kann nur umgesetzt werden, wenn die betreffenden Handelszwecken dienenden Anteile am Tochterunternehmen im Widerspruch zum Wortlaut des § 301 Abs. 1 HGB behandelt werden. Je nach Auslegung der in E-DSR 30, Tz. 18, vorgesehenen Sonderregelung für den handelsrechtlichen Konzernabschluss von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten käme es bei einer separaten Weiterführung der dem Handelsbestand zugeordneten Anteile am Tochterunternehmen zur Doppelberücksichtigung von Anteilen am Tochterunternehmen und dem dahinterstehenden Vermögen oder zu einem verzerrten beziehungsweise unvollständigen Vermögensausweis. Bei einer alternativen Behandlung als eigene Anteile wäre der Goodwill gegenüber der Konsolidierung gemäß dem Wortlaut des § 301 Abs. 1 HGB entsprechend niedriger. Da dieser aber entgeltlich erworben wurde, ist einem Ausweis nach dem Vollständigkeitsprinzip der Vorzug zu geben.

Eindeutiger Widerspruch zu anderen Regelungen des DRS

Somit sind entgegen der Sonderregelung des E-DRS 30, Tz. 18, die betreffenden Anteile am Tochterunternehmen nach § 301 Abs. 1 HGB bei der Konsolidierung zu berücksichtigen. Unbeschadet davon könnten die für Handelszwecke gehaltenen Anteile aufgrund der "Veräußerungsabsicht" bei der Frage der Einbeziehung des betreffenden Tochterunternehmens in den Konzernabschluss analog zu DRS 19, Tz. 96 in Verbindung mit Tz. 94, in Abzug zu bringen sein.

Doch auch in diesem Zusammenhang besteht ein eindeutiger Widerspruch von E-DSR 30, Tz. 18, zu der Regelung des DRS 19, Tz. 96, der weiterhin für alle Nicht-Banken gilt. Dort heißt es: "Ansonsten [das heißt bei Konsolidierung eines Tochterunternehmens] sind auch die zur Veräußerung bestimmten Anteile in die Erstkonsolidierung einzubeziehen." Zur Lösung dieses Widerspruchs muss die Sonderregelung des E-DRS 30, Tz. 18, im endgültigen Standard entfallen.

Fußnoten

1) Vgl. Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz, 5. Auflage, Düsseldorf 2013, S. 584ff.

2) Nach § 340e Abs. 3 HGB sind diese zum risikoadjustierten Fair Value zu bewerten. Zudem ist dafür gemäß § 340e Abs. 4 HGB ein besonderer Bestand des Sonderpostens nach § 340g HGB zu bilden. Im Beispiel werden beide Aspekte vereinfachend vernachlässigt.

3) Vgl. Brösel/Haaker, § 272 HGB, in: Hofbauer et al. (Hrsg.), Bonner Handbuch Rechnungslegung, 2. Auflage (60. Erg.-Lfg.), Köln 2012, Tz. 41-57.

4) Vgl. Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz, 5. Auflage, Düsseldorf 2013, S. 587.

5) Vgl. analog zur Behandlung von eigenen Anteilen als Deckungsvermögen Velte/Haaker, EWS 2014, S. 212.

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