Prioritäten der deutschen Präsidentschaft der Financial Action Task Force

Dr. Marcus Pleyer, Foto: Bundesministerium der Finanzen (Photothek)

Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und die Finanzierung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, sogenannte Proliferationsrisiken - die wirksame Bekämpfung dieser teilweise mit gravierenden humanitären Folgen verbundenen Delikte bedarf internationaler Zusammenarbeit auf höchster Ebene, um den ebenso internationalisierten kriminellen Netzwerken entgegentreten zu können. Die Financial Action Task Force (FATF) bietet ein Forum für diese Zusammenarbeit und ist ein international anerkannter Standardsetzer auf diesem Gebiet. Derzeit steht Deutschland, vertreten durch das Bundesfinanzministerium, an der Spitze der Organisation. Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft sind unter anderem die Digitalisierung der Finanzkriminalität, Geldwäsche im Zusammenhang mit Umweltverbrechen und die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Die Herausforderungen und Fortschritte der FATF in diesen Bereichen stellt Dr. Marcus Pleyer im vorliegenden Beitrag dar. (Red.)

Eine wirksame Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist Deutschland ein besonderes Anliegen. Aus diesem Grund verstärkt Deutschland seit 1. Juli 2020 sein Engagement im internationalen Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung mit der Präsidentschaft der Financial Action Task Force (FATF) unter Führung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF). Es handelt sich um die erste zweijährige Amtszeit unter dem erneuerten Mandat der FATF. Zuletzt hatte Deutschland im Jahr 2003 die Leitung der FATF inne, in Person des damaligen BaFin-Präsidenten Jochen Sanio.

Aufgaben und Arbeitsweise

Die FATF ist der internationale Standardsetzer für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und der Finanzierung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (sogenannte Proliferationsfinanzierung); gleichzeitig prüft die FATF auch die Umsetzung dieser Standards und listet Länder, wenn sie erhebliche Defizite feststellt.

1. Überblick: Die FATF wurde 1989 von den G7-Staaten gegründet und ist eine eigenständige internationale Institution mit aktuell 39 Mitgliedern. Die FATF ist zugleich die "Mutterorganisation" eines weltweiten Netzwerks aus weiteren neun regionalen Partnerorganisationen (sogenannte FATF Style Regional Bodies, FSRBs), die als assoziierte Mitglieder der FATF an den FATF-Beratungen teilnehmen und über deren Mitglieder sich - gemeinsam mit den FATF-Mitgliedern - weltweit über 200 Jurisdiktionen zur Umsetzung der FATF Standards verpflichtet haben. Die Aufgaben der FATF sind die globale Risikoanalyse inklusive Typologie-Arbeiten, die Entwicklung und Verabschiedung von Standards sowie die Überprüfung der Umsetzung in Form von Peer-Reviews.

Präsident(in) und Vizepräsident(in) der FATF werden von der Vollversammlung aus dem Kreis der Mitglieder gewählt. Ein Sekretariat mit rund 70 Mitarbeitern, das bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) angegliedert ist, unterstützt die Arbeit der FATF.

Im April 2019 haben die zuständigen Fachminister der FATF-Mitgliedsstaaten (überwiegend Finanzminister, aber in manchen Ländern auch Justiz oder Innenminister) das Mandat der FATF erstmals zeitlich unbegrenzt ausgestaltet. Diese Mandatsausgestaltung in Verbindung mit dem eigenen institutionellen Unterbau führt dazu, dass die FATF in der Praxis ähnlich einer internationalen Organisation agieren kann. Die institutionelle Verfestigung garantiert eine kontinuierliche Arbeit und unterscheidet die FATF von rein intergouvernementalen Einrichtungen wie G20 oder G7.

Die FATF entscheidet im Konsens, was nicht zwingend Einstimmigkeit erfordert. So gelingt es der FATF immer wieder, auch bei international kontrovers diskutierten Themen ihre politisch diverse Mitgliedschaft an einen Tisch und zu gemeinsam getragenen Entscheidungen zu bringen.

Deutschland ist Gründungsmitglied der FATF. Innerhalb der Bundesregierung liegt die Federführung beim Bundesministerium der Finanzen (BMF).

2. FATF-Standards: Im Jahr 2012 wurden die FATF Standards zuletzt komplett neu gefasst und werden seither fortlaufend an die aktuelle Risikolage angepasst. Sie umfassen heute insgesamt 40 Empfehlungen zu regulatorischen und operationellen Maßnahmen, um ein adäquates System zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus und Proliferationsfinanzierung zu etablieren. Diese reichen von der Analyse einschlägiger Risiken über präventive Maßnahmen, Aufsicht, strafrechtliche Verfolgung, Transparenzanforderungen an juristische Personen und Rechtsgestaltungen ("Beneficial Ownership") bis hin zur Ausstattung der zuständigen Behörden und zur internationalen Zusammenarbeit.

Die FATF-Empfehlungen stellen keine Rechtsnormen dar, die in Ländern unmittelbar Anwendung finden. Es bedarf für die Bindungswirkung der Empfehlungen (sogenanntes "soft law") vielmehr eines nationalen Transformationsaktes im Rahmen eines formellen Gesetzgebungsverfahrens.

Empfehlungen sind keine Rechtsnormen

In Europa erfolgt die Umsetzung der FATF Vorgaben in erster Linie über die EU-Geldwäscherichtlinien, die diese zum Teil wortwörtlich übernommen haben. Die EU Vorgaben wiederum sind in Deutschland vor allem im Geldwäschegesetz umgesetzt.  Soweit keine EU Kompetenz besteht, werden die FATF-Empfehlungen unmittelbar auf nationaler Ebene umgesetzt. 

Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) wenden die FATF-Standards bei den Evaluierungen von Stabilitätsrisiken in nationalen Volkswirtschaften an.  Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Staatengemeinschaft in seinen Resolutionen wiederholt zur Einhaltung der FATF-Empfehlungen aufgefordert.

3. FATF-Länderprüfung: Zweite Kernaufgabe der FATF ist die Überprüfung der Umsetzung der Empfehlungen in den Mitgliedsländern mittels eines Peer-Reviews. Die Länderprüfungen erfolgen in sogenannten Evaluierungsrunden.

Die aktuelle vierte Evaluierungsrunde beschränkt sich nicht auf die Prüfung der Umsetzung der FATF Standards in Rechtsvorschriften (sogenannte "technical compliance"), sondern legt den Schwerpunkt erstmals auf deren effektive Anwendung in der Praxis. Die Effektivität wird anhand von elf sogenannten Immediate Outcomes (IOs) gemessen, die als Zielbeschreibung ein idealtypisch funktionierendes System zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus- und Proliferationsfinanzierung skizzieren. 

Die vierte FATF-Evaluierungsrunde wurde 2013 eingeleitet und wird voraussichtlich zwischen 2023 und 2025 abgeschlossen sein. Eine Arbeitsgruppe befasst sich in der Zwischenzeit im Rahmen eines "strategic review" mit der Frage, wie der nächste Evaluierungszyklus ausgestaltet werden soll. Ein wichtiges Ziel ist dabei, die Evaluierungsrunden kürzer zu gestalten und noch stärker auf die Prüfung der Effektivität der Systeme zu fokussieren.

4. "Graue" und "schwarze Liste": Länder, die bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus und Proliferationsfinanzierung strategische Defizite aufweisen, werden von der FATF öffentlich identifiziert (informell spricht man von der "grauen Liste"). Die öffentliche Identifikation hat keine unmittelbaren Sanktionen zur Folge, kann sich jedoch negativ auf die Reputation des Landes als Wirtschafts- und Finanzstandort auswirken. In der Praxis führt dies dazu, dass Transaktionen stärker geprüft und in der Folge schwerfälliger und teurer oder sogar eingestellt werden. Rechtliche Folgen können sich aber für den Bereich der EU mittelbar aus Art. 9, 18 der vierten EU-Geldwäsche-Richtlinie ergeben, wonach Banken und andere Verpflichtete bei Transaktionen, an denen sogenannte "Drittländer mit hohem Risiko" beteiligt sind, erhöhte Sorgfaltspflichten anwenden müssen. Die EU-Kommission ist ermächtigt, den Kreis dieser Drittländer per Delegierter Verordnung zu bestimmen, wobei eine FATF-Listung regelmäßig ein hohes Risiko indiziert. 

In besonders schweren Fällen ruft die FATF ihre Mitglieder unmittelbar zur Einführung erhöhter Sorgfaltsmaßnahmen bei Transaktionen mit dem betreffenden Land oder sogar zu Gegenmaßnahmen auf (informell: "schwarze Liste"). Dies ist gegenwärtig für Nordkorea und den Iran der Fall.

Ziele der deutschen Präsidentschaft

Der Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismus und Proliferationsfinanzierung hat für Deutschland auch in der internationalen Zusammenarbeit eine hohe Priorität. Dieses Engagement beruht auf der Überzeugung, dass die Herausforderungen einer immer enger vernetzten Welt mit globalisierten Finanzströmen nur durch enge Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zu meistern sind. Der FATF kommt als multilateral und technisch ausgerichteter Standardsetzer gerade in Zeiten vielerorts wieder erstarkender unilateraler Tendenzen eine herausragende Bedeutung zu. Die Ausübung der ersten zweijährigen Präsidentschaft unter dem erneuerten Mandat der FATF, die mit dem Beginn der neuen Dekade zusammenfällt, ist daher für Deutschland eine wichtige Aufgabe.

Ein zentrales Anliegen der deutschen FATF-Präsidentschaft ist die verstärkte Zusammenarbeit mit den Regionalorganisationen des FATF Netzwerks sowie anderen internationalen Foren, wie den Vereinten Nationen, G7 und G20. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass die Arbeit der FATF kontinuierlich auf die globalen politischen Prioritäten ausgerichtet ist und zur Gestaltung nachhaltiger, ausgewogener und inklusiver Volkswirtschaften für die nächsten Generationen beiträgt, zum anderen, dass die Standards der FATF weltweit effektiv umgesetzt werden, um die Möglichkeiten, inkriminierte Gelder durch das "Tor" schwach regulierter Jurisdiktionen ins weltweite Finanzsystem zu verbringen, und regulatorische Arbitrage so weit wie möglich einzuschränken.

Zugleich legt die FATF unter deutscher Präsidentschaft einen besonderen Schwerpunkt auf eine Reihe von drängenden Fragen unserer Zeit. Hierzu gehören beispielsweise die zunehmende Digitalisierung des Wirtschaftslebens, das vermehrte Aufkommen rechtsextremer Anschläge, die illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die Ausbeutung und Gefährdung von Migranten durch kriminelle Schleuserbanden sowie der Zusammenhang zwischen Waffenhandel und Terrorismusfinanzierung. Hinzu kommen die beispiellosen Herausforderungen im Zusammenhang mit der aktuellen Covid-19-Pandemie.

1. Digitalisierung des Kampfes gegen Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Proliferationsfinanzierung: Seit vielen Jahren beobachtet die FATF die technologischen Entwicklungen im Bereich der Finanzdienstleistungen, um aufkommenden Risiken zügig und effektiv zu begegnen. Im Jahr 2019 hat die FATF beispielsweise die ersten weltweiten Standards für virtuelle Währungen (sogenannte Virtual Assets) eingeführt. Die deutsche Präsidentschaft hat den Fokus auf die Frage erweitert, wie neue Technologien die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Proliferationsfinanzierung unterstützen können, sowohl im Privatsektor als auch bei Aufsichts-, Financial Intelligence- und Strafverfolgungsbehörden. Ziel ist es, den Kampf gegen inkriminierte Finanzflüsse effektiver zu gestalten; digitale Technologie kann hier zum Gamechanger werden.

Beispielsweise kann der sinnvolle Einsatz von künstlicher Intelligenz Finanzinstitute dabei unterstützen, verdächtige Aktivitäten zielgenauer zu identifizieren und insbesondere die sogenannten "False Positives", also Fehlalarme, zu vermeiden. Dies kann die Umsetzung von geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten im Privatsektor schneller, effektiver und kostengünstiger machen. In ähnlicher Weise können Behörden ihre Aufsichts- beziehungsweise Ermittlungstätigkeit effizienter ausgestalten.

Ein erweiterter Austausch von Daten unter den Finanzinstituten kann ein Schlüsselelement für die effiziente Anwendung von künstlicher Intelligenz bei der Geldwäscheprävention sein, denn die produktive Nutzung von künstlicher Intelligenz hängt stark von Umfang und Qualität der Daten ab. Gleichzeitig kann Technologie helfen, einen Datenaustausch überhaupt erst unter Beachtung des Datenschutzes zu ermöglichen, denn es ist von immenser Bedeutung, das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren. Maßnahmen zur Geldwäscheprävention müssen sich im Rahmen des jeweils anwendbaren nationalen Datenschutzrechts bewegen. Geldwäschebekämpfung auf der einen Seite und wirksamer Grundrechts beziehungsweise Datenschutz auf der anderen Seite sind öffentliche Interessen, die sich nicht gegenseitig ausschließen. Der Einsatz von Technologien zur Verbesserung des Datenschutzes, sogenannte Privacy Enhancing Technologies, bieten Lösungen an, die Interessen in einen Ausgleich zu bringen. Ansätze, die in anderen Bereichen getestet wurden, in denen sensible personenbezogene Daten verschlüsselt werden, zum Beispiel im Gesundheitssektor, bieten potenziell Ansatzpunkte für neue Lösungen.

Enger Austausch von besonderer Bedeutung

Das FATF Projekt will Wege aufzeigen, wie ein solcher Interessenausgleich ausgestaltet werden kann. Von besonderer Bedeutung ist dabei ein enger Austausch zwischen Datenschutzbehörden, Anti Geldwäscheexperten und Technologieentwicklern. Die FATF hat daher eine Reihe von Konferenzen zur digitalen Transformation geplant. Eine erste Runde von Roundtable-Gesprächen hat im März 2021 in virtueller Form stattgefunden und eine hochrangige Konferenz ist für den Herbst 2021 geplant.

2. Bekämpfung der Finanzierung von rechtsextremem Terrorismus: Rassistisch motivierte Terroranschläge von Personen aus dem rechtsextremen Spektrum haben in den letzten Jahren weltweit zugenommen. Diese Angriffe, unter anderem in Christchurch, Pittsburgh, Halle oder Hanau, unterstreichen auf tragische Weise die globale Bedeutung dieses Phänomens. In einigen Regionen sehen die Verantwortlichen die Bedrohung durch Rechtsterrorismus mittlerweile als höher an als durch islamistischen Terror. Die Strukturen hinter den Tätern und Verbindungen zu anderen Terrorgruppen, vor allem grenzüberschreitende Netzwerke, liegen vielfach im Dunkeln.

Aktuelle Berichte deuten auf vielfältige Verbindungen zum Handel mit Waffen, Drogen und anderer organisierter Kriminalität hin. Die FATF hat unter der deutschen Präsidentschaft eine Untersuchung zu Mitteln, Spendern und Finanzierungswegen rechtsextremer Gruppen aufgenommen. Ziel des Vorhabens ist es, zum einen das Bewusstsein für die Gefahr des Rechtsterrors in der internationalen Gemeinschaft allgemein zu schärfen und zum anderen einschlägige Erkenntnisse zusammenzuführen, um Typologien und andere Hilfsmittel für Sicherheits- beziehungsweise Aufsichtsbehörden sowie den Privatsektor zu entwickeln.

3. Geldwäsche im Zusammenhang mit Umweltverbrechen: Unsere Umwelt ist vielen Bedrohungen ausgesetzt, einschließlich hoch lukrativer Umweltstraftaten wie illegalem Holzeinschlag, illegaler Brandrodung und illegaler Abfallentsorgung. Eine Untersuchung im Auftrag des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) schätzt den Wert allein der illegalen Gewinnung und des illegalen Handels mit natürlichen Ressourcen und Abfällen auf bis zu 259 Milliarden US Dollar pro Jahr mit deutlich steigender Tendenz. Die deutsche Präsidentschaft hat sich daher dazu entschlossen, mit dem globalen Netzwerk der FATF aus 205 Jurisdiktionen diese illegalen Finanzflüsse aus Umweltstraftaten in den Fokus zu nehmen. Dieses Vorhaben baut auf den jüngsten Arbeiten der FATF zum illegalen Handel mit geschützten Arten auf. 

In Zukunft sollen geldwäscherechtlich verpflichtete Unternehmen Geldflüsse aus Umweltstraftaten besser erkennen können. Mittelfristig muss man aber auch darüber nachdenken, bestimmte Handlungsformen international einheitlicher als Vortaten der Geldwäsche festzuschreiben, so wie dies für den Bereich der EU in der aktuell umzusetzenden Richtlinie zur strafrechtlichen Bekämpfung von Geldwäsche der Fall ist.

4. Geldwäsche im Zusammenhang mit Schleuserkriminalität: Die Schleuserkriminalität ist weltweit als Verbrechen anerkannt und in den nationalen Rechtsordnungen unter Strafe gestellt. Sinn und Zweck ist die Bestrafung der Schleuser, die die Not der Migranten, die oft aus Verzweiflung oder mangels anderer Alter nativen die Dienste von Schleppern in Anspruch nehmen, ausbeuten. Nach einer Studie des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) haben Schleuser im Jahr 2016 weltweit insgesamt zwischen 5,5 und 7 Milliarden US-Dollar erlangt. Diese Gewinne haben häufig einen schrecklichen menschlichen Preis, da Tausende auf gefährlichen Reisen sterben oder sich in den Händen krimineller Banden wiederfinden. Schließlich gibt es auch Zusammenhänge zwischen Schleuserkriminalität und Terrorismusfinanzierung.

In der zweiten Hälfte der deutschen Präsidentschaft wird die FATF eine Untersuchung von Migrantenschmuggelnetzen und ihren transnationalen Routen starten, um einen besseren Einblick in deren Finanzströme und die Verknüpfungen der Schleuserkriminalität mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu gewinnen. Das Vorhaben wird auf den bestehenden Arbeiten von UNODC, Interpol und anderen aufbauen und insbesondere auch auf Erkenntnisse aus der langjährigen Beschäftigung mehrerer regionaler Partnerorganisationen aus dem FATF-Netzwerk zurückgreifen. 

5. Illegaler Waffenhandel und Terrorismusfinanzierung: Der illegale Waffenhandel ist ein gefährliches Verbrechen, das Konflikte auf der ganzen Welt schürt. Er ist nicht nur eine Vortat zur Geldwäsche, sondern kann auch eine Quelle der Terrorismusfinanzierung sein, entweder indem die gehandelten Waffen zu Terroranschlägen genutzt werden oder sich Terroristen am illegalen Waffenhandel beteiligen, um ihre Operationen zu finanzieren.  Der UN-Sicherheitsrat hat wiederholt die Notwendigkeit betont, den Zugang für Terroristen zu Waffen zu verhindern. 

Handlungsfähigkeit bewiesen

Als Ergebnis einer Untersuchung während des ersten Halbjahrs der deutschen Präsidentschaft hat die FATF im Februar 2021 einen - nicht öffentlichen - Bericht verabschiedet, der die Zusammenhänge zwischen Waffenhandel und Terrorismusfinanzierung ausleuchtet und Maßnahmenempfehlungen für nationale Behörden enthält. Während die Ergebnisse des Berichts die Bedeutung der Thematik für die weltweite Bekämpfung des Terrorismus belegen, zeigen sie auch die Notwendigkeit auf, das Risikobewusstsein in den Staaten zu schärfen und verbleibende operative Herausforderungen anzugehen. Im nächsten Schritt wird die FATF die Erkenntnisse aus der Untersuchung in ihrem globalen Netzwerk aus mehr als 200 Jurisdiktionen streuen und auf eine breitflächige Umsetzung der Berichtsempfehlungen hinwirken.

6. Auswirkungen der Covid-19-Pandemie: Die FATF hat als eine der ersten internationalen Einrichtungen nach dem Aufkommen der Covid-19-Krise im April 2020 mit einem "Erste Hilfe Papier" reagiert und anschließend in einer Reihe von "Webinars" aktuelle Risiken für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Zusammenhang mit Covid 19 diskutiert. Im Dezember 2020 veröffentlichte die FATF einen ausführlichen Bericht zu den Covid 19 bedingten Kriminalitätsformen und damit verbundenen regulatorischen und operativen Herausforderungen sowie Maßnahmenempfehlungen für Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden.

Eine zentrale Rolle spielt dabei die konsequente Ausschöpfung der Flexibilität des risikobasierten Ansatzes der FATF Standards, um gerade in Zeiten anderweitig beanspruchter Ressourcen den aufkommenden Risiken effizient zu begegnen. Die FATF wird die Krisensituation weiterhin aufmerksam begleiten und die Staatengemeinschaft bei ihren Anstrengungen gegen Finanzkriminalität unterstützen.

Zugleich beeinflusst Covid 19 die eigene Arbeit der FATF. Die Arbeitstreffen der FATF finden seit Ausbruch der Krise vir tuell statt. Auf der jüngsten virtuellen FATF Vollversammlung im Februar 2021 beschlossen die Mitglieder eine Verschiebung sämtlicher noch nicht abgeschlossenen Länderprüfungen der vierten Evaluationsrunde, da sich gegenwärtig die erforderlichen mehrwöchigen Vorort Erhebungen pandemiebedingt in keinem der zur Prüfung anstehenden Länder realisieren lassen. Abgesehen von diesen Einschränkungen bei der Prüfungstätigkeit ist es der FATF gelungen, ihre Arbeiten auf allen anderen Aufgabengebieten fortzuführen und Handlungsfähigkeit zu beweisen. Gerade in diesen Zeiten weltweiter Unsicherheit und zunehmender Risiken, gerade auch durch Finanzkriminalität, ist dies ein wichtiges Signal.

Fußnoten

1) FATF-Mitglieder sind die Regierungen von Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Hongkong (China), Island, Indien, Irland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Malaysia, Mexiko, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Portugal, Russland, Saudi-Arabien, Schweden, die Schweiz, Singapur, Spanien, Südafrika, Südkorea, Türkei, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika sowie die Europäische Kommission und der Golf-Kooperationsrat. Indonesien ist als Beitrittsaspirant derzeit Beobachter.

2) Regionale Partnerorganisationen: Asia/Pacific Group on Money Laundering (APG), Caribbean Financial Action Task Force (CFATF), Council of Europe, Committee of Experts on the Evaluation of Anti- Money Laundering Measures and the Financing of Terrorism (MONEYVAL), Eurasian Group (EAG), Eastern and Southern Africa Anti-Money Laundering Group (ESAAMLG), Financial Action Task Force of Latin America (GAFILAT); Inter Governmental Action Group against Money Laundering in West Africa (GIABA); Middle East and North Africa Financial Action Task Force (MENAFATF), Task Force on Money Laundering in Central Africa (GABAC).

3) Vizepräsidentin ist gegenwärtig Elisa de Anda Madrazo (Mexico). Nach den Regeln der FATF vertritt die Vizepräsidentin den Präsidenten bei allen Anlässen, wenn der Präsident diese nicht selbst wahrnehmen kann, darüber hinaus zwingend bei allen Besprechungen und Entscheidungen, die das Land des Präsidenten betreffen.

4) https://www.fatf-gafi.org/media/fatf/content/images/FATF-Ministerial-Declaration-Mandate.pdf

5) https://www.fatf-gafi.org/publications/fatfrecommendations/documents/fatf-recommendations.html.

6) Aktuell maßgeblich ist die 4. EU-Geldwäsche-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2015/849 vom 20. Mai 2015), geändert durch Richtlinie (EU) 2018/843 vom 30. Mai 2018 (informell auch "5. Geldwäsche Richtlinie").

7) Zu diesem kaskadenhaft ausgestalteten Umsetzungsprozess in der EU am Beispiel des sogenannten risikobasierten Ansatzes s. Erwägungsgrund (22) zur 4. EU Geldwäscherichtlinie (Fn. 6). Im deutschen Recht vgl. Begründung im Gesetzentwurf zur Umsetzung der Vierten EU Geldwäscherichtlinie vom 17.03.2017, BT Drs 18/11555, S. 88, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/115/1811555.pdf.

8) Im Strafrecht sehen wir eine Teilharmonisierung hinsichtlich Geldwäsche durch Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche (ABl. L 284 vom 12.11.2018, S. 22).

9) Ein Beispiel ist das gemeinsam von Weltbank und IWF durchgeführte Financial Sector Assessment Program (FSAP), https://www.worldbank.org/en/programs/financial-sector-assessment-program.

10) S. zuletzt UN SC Resolution 2462 vom 28. März 2019 https://undocs.org/pdf?symbol=en/S/RES/2462 (2019).

11) S. FATF Methodology for assessing compliance with the FATF Recommendations and the effectiveness of AML/CFT systems, https://www.fatf-gafi.org/publications/mutualevaluations/documents/fatf-methodology.html.

12) Der Prüfkalender ist auf der FATF Website einsehbar: https://www.fatf-gafi.org/calendar/assessmentcalendar/d.en.371720?hf=10&b=0&s=asc(document_lastmodifieddate)&table=1. Zu den gegenwärtigen pandemiebedingten Verzögerungen, die auch die ausstehende Prüfung in Deutschland betreffen, s. unten (Teil II, Nr. 6).

13) Gegenwärtig befinden sich 19 Staaten auf der "grauen Liste": http://www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-february-2021.html.

14) S. Fn. 6.

15) Im deutschen Recht umgesetzt durch § 17 Absatz 3 Nr. 2 GWG.

16) S. Delegierte Verordnung (EU) 2020/855 der Kommission vom 7. Mai 2020. Ergänzend hierzu: Communication from the Commission on an Action Plan for a comprehensive Union policy on preventing money laundering and terrorist financing v. 7.5.2020, C(2020) 2800 final, https://ec.europa.eu/finance/docs/law/200507-anti-money-laundering-terrorism-financing-action-plan_en.pdf.

17) http://www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/call-for-action-february-2021.html.

18) S. Rede des FATF-Präsidenten auf dem G20-Gipfel in Riad v. 26. November 2020, erweiterte Fassung ("Lead by Example") abrufbar unter https://www.fatf-gafi.org/media/fatf/documents/speeches/G2O-Riyadh-Summit-Nov-2020-Lead-by-Example.pdf.

19) Börsen Zeitung vom 1. Juli 2020, S. 3; DIE ZEIT vom 24. 9.2020, S. 22.

20) S. http://www.fatf-gafi.org/publications/virtual-assets/documents/virtual-assets.html?hf=10&b=0&s=desc(fatf_releasedate).

21) Money Laundering Watchdog Turns Focus to Digital Tools, Extremism, in: The Wall Street Journal vom 28.12.2020.

22) United Nations, Counter-Terrorism Committee, Trends Alert 4/2020, S. 11, https://www.un.org/sc/ctc/wpcontent/uploads/2020/04/CTED_Trends_Alert_Extreme_Right-Wing_Terrorism.pdf.

23) Siehe die jüngsten Ergebnisse einer polizeilichen Durchsuchung bei Angehörigen eines rechtsradikalen Netzwerks in in Thüringen, Sachsen Anhalt und Hessen, https://www.ardmediathek.de/mdr/video/mdr-thueringen-journal/waffenhandel-und-geldwaesche-razzia-bei-nazi-netzwerk/mdr-thueringen/Y3JpZDovL21kci....

24) Nellemann, C. (Editor in Chief); Henriksen, R., Kreilhuber, A., Stewart, D., Kotsovou, M., Raxter, P., Mrema, E., and Barrat, S. (Eds), The Rise of Environmental Crime - A Growing Threat To Natural Resources Peace, Development And Security. (2016), S. 15, https://wedocs.unep.org/bitstream/handle/20.500.11822/7662/-The_rise_of_environmental_crime_A_growing_threat_to_natural_resources_peace%2c_devel....

25) https://www.fatf-gafi.org/publications/methodsandtrends/documents/money-laundering-wildlife-trade.html.

26) Artikel 2 Nummer 1 Satz 2 lit. l der Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche. Zum Anpassungsbedarf des Vortatenkatalogs im deutschen Strafrecht hinsichtlich Umweltstraftaten s. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9.11.2020, BT Drs 19/24180, S. 15.

27) S. Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land , See und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 1. September 2005, BGBl. 2005 II S. 954, 1007 ff. Der Tatbestand umfasst die Herbeiführung der unerlaubten Einreise einer Person in einen Vertragsstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht ist oder in dem sie keinen ständigen Aufenthalt hat, mit dem Ziel, sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen. In Abgrenzung zum sogenannten Menschenhandel ist die unfreiwillige, gewaltsame Verbringung von Menschen zum Zweck ihrer Ausbeutung am Zielort (Art. 3 lit. a Zusatzprotokoll Schleusung) nicht erforderlich.

28) UNODC Global Study on Smuggling of Migrants (2018), S. 22, https://www.unodc.org/documents/dataandanalysis/glosom/GLOSOM_2018_web_small.pdf.

29) S. insb. GIABA Typologies of Money Laundering and Terrorist Financing Through Human Trafficking and Migrants' Smuggling in West Africa (2019); APG Human Trafficking and People Smuggling Workshop (2019); CFATF Report on Human Trafficking and Smuggling of Migrants (2014); EAG Report on Money Laundering Risks Arising from Trafficking in Human Beings and Smuggling of Migrants (2011).

30) S. Global Study on Firearms Trafficking (2020), https://www.unodc.org/unodc/en/firearms-protocol/firearms-study.html.

31) S. etwa Bericht von Interpol zur Aushebung eines terroristischen Waffenhändlerrings in Westafrika (Dezember 2020).

32) UN Security Council, Resolutions 1373 (2001), 2178 (2014), 2195 (2014), 2220 (2015), 2253 (2015), 2309 (2016), 2322 (2016), 2341 (2017), 2370 (2017), 2462 (2019) and 2482 (2019).

33) FATF, Update on COVID 19 Related Money Laundering and Terrorist Financing Risks, http://www.fatf-gafi.org/media/fatf/documents/Update-COVID-19-Related-Money-Laundering-and-Terrorist-Financing-Risks.pdf.

34) S. näher zum risikobasierten Ansatz Fn. 7.

35) S. Zusammenfassung der Ergebnisse des Februar Plenums: https://www.fatf-gafi.org/publications/fatfgeneral/documents/outcomes-fatf-plenary-february-2021.html. Die FATF wird in den kommenden Monaten über eine Neuterminierung der ausstehenden Länderprüfungen in Abhängigkeit der weiteren Entwicklung der Pandemiesituation beraten.

Dr. Marcus Pleyer Ministerialdirigent, Bundesministerium der Finanzen, Berlin, seit 1. Juli 2020 Präsident der FATF, Paris
Dr. Marcus Pleyer , Ministerialdirigent, Bundesministerium der Finanzen, Berlin, seit 1. Juli 2020 Präsident der FATF, Paris
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