Rechtsfragen beim Einsatz der Blockchain

Dr. Michael Jünemann, Partner, Head of Banking & Finance Germany, Bird & Bird LLP, Frankfurt am Main

Dr. Michael Jünemann, Partner, Head of Banking & Finance Germany, Frankfurt am Main, und Dr. Angela Kast, München, Associate, Banking & Finance, München, beide Bird & Bird LLP - Die Blockchain gefährdet aus Sicht der Autoren einen elementaren Teil des Geschäftsmodells von Banken, nämlich Transaktionen gegen Gebühren auszuführen. Wo keine Formvorschriften oder regulatorische Vorgaben entgegenstehen, sich womöglich sogar schon ein Standard herausgebildet hat und die technisch programmierte Erklärung jeweils zum tatsächlichen Willen der Parteien passt, bescheinigen sie den Instituten zahlreiche Möglichkeiten, ihre Prozesse effizienter zu gestalten. Dennoch legen sie den Banken eine sehr präzise Abwägung nahe, ob sich der Einsatz einer Blockchain in Anbetracht der immensen Integrationskosten tatsächlich lohnt. Eine Rückabwicklung halten sie bei programmierter Pseudonymität der Beteiligten zumindest für zeit- und kostenintensiv, sofern nicht bereits eine Rückabwicklungsmöglichkeit vorsorglich einprogrammiert ist. (Red.)

Die Blockchain ist eine feste Dokumentation von Transaktionsabfolgen innerhalb eines öffentlichen oder privaten Peer-to-Peer-Netzwerks.1) Die Daten sind auf alle Rechner im System verteilt gespeichert, statt auf einem zentralen Server, und damit nur sehr schwer zu manipulieren. Freilich besteht die theoretische Möglichkeit einer sogenannten 51-percent-attack.2) Die Transaktionsdatensätze werden in Blöcken zusammengefasst und kryptografisch verpackt.3) Der Transaktionsdatensatz unterläuft einer Gegenprobe, ob der Absender berechtigt und die Transaktion möglich ist.4)

Die Zusammenfassung der Transaktionsdatensätze zu Blöcken nehmen die gewöhnlich neutralen, nicht an den Transaktionen beteiligten Miner durch Berechnung eines gültigen Hashwertes für den nächsten Block vor. Fällt die netzwerkweite Gegenprobe des Hashwertes positiv aus, ist der permanente Einschluss dieses Blocks in die Blockchain und damit die dauernde Anerkennung der enthaltenen Transaktionen (sofort oder nach kurzer Zeit) praktisch sicher.

Bewährung im messbaren Vergleich

Die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain im Bankenumfeld sind mannigfaltig.5) Flächendeckend durchsetzen wird sich deren Einsatz aber nur, sofern die Banken dadurch einen Effizienzgewinn gegenüber ihren herkömmlichen Systemen erzielen können. Das neue System muss sich also im direkten Vergleich messbar bewähren.6) Entscheidend sind mithin die Transaktionskosten, da diese in der Realität die wohlfahrtsmaximierenden7) Wirkungen von Transaktionen merklich mindern können. Transaktionskosten sind die Kosten, die die künftigen Vertragspartner an Koordination und Information zum Vertragsschluss und zur Vertragsdurchsetzung aufwenden müssen.8) Zu ihnen zählen insbesondere auch die Lese- und Verständniskosten der Vertragsschließenden.9) Infolge der Transaktionskosten können Entscheidungssubjekte nicht mehr als vollständig informiert gelten.10) Des Weiteren sind auch die enormen Integrationskosten nicht zu vernachlässigen, die in der Praxis typischerweise anfallen, wenn ein etabliertes und durchaus gut funktionierendes System ersetzt wird.11)

Das Ziel dieses Beitrags ist es, einige Rechtsfragen rund um den Einsatz der Blockchain im Bankenwesen zu besprechen. Für eine rechtliche Betrachtung eignen sich Smart Contracts am besten. Smart Contracts sind keine ferne Zukunftsmusik und haben das Potenzial, breite Bereiche in der Bankenpraxis abzudecken;12) etwa die von Banken in den Abwicklungsabteilungen durchgeführten Prozesse zu rationalisieren.

Rechtliche Herausforderungen bei Smart Contracts

Smart Contracts sollen Verträge nicht nur digitalisieren, sondern diese darüber hinaus auch direkt ausführen. Sie sind eine "Software, die rechtlich relevante Handlungen (insbesondere einen tatsächlichen Leistungsaustausch) in Abhängigkeit vom Eintreten oder Ausbleiben digital prüfbarer Ereignisse steuert, kontrolliert und/oder dokumentiert, mit dessen Hilfe aber auch dingliche und/oder schuldrechtliche Verträge geschlossen werden können".13) Programmierte Verträge werden also durch die an einem P2P-Netzwerk beteiligten Rechner direkt ausgeführt,14) es bedarf keiner Zwischenschritte mehr und insbesondere auch keiner zentralen Intermediäre.15) Der Vertragsinhalt wird hierfür in Codes und Befehlen abgefasst. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft werden so weitestgehend digitalisiert und auf der Blockchain als eine einzelne Transaktion dargestellt.16) Die durchzuführenden Leistungen müssen selbstredend digital abbildbar sein.17)

Durch diese Art der Vertragsabwicklung könnten die Transaktionsgeschwindigkeit gesteigert sowie die Transaktionskosten gesenkt18) werden. Erwartet wird eine daraus resultierende Steigerung der Effizienz.19)

Vertragsschluss: Verträge werden durch eine von zwei oder mehreren Personen erklärte Willensübereinstimmung geschlossen.20) Die Willenserklärungen der Rechtssubjekte müssen darauf gerichtet sein, einen bestimmten rechtlichen Erfolg herbeizuführen. Dieser rechtliche Erfolg kann vom Hinzutreten weiterer Tatbestandsmerkmale abhängen.21)

Vollzug logischer Operationen

Willenserklärungen bei Smart Contracts: Eine Willenserklärung besteht aus einem objektiven Tatbestand (der Äußerung eines Willens) und einem subjektiven Tatbestand. Dieser wird unterteilt in den Handlungswillen, der das äußere Verhalten beherrscht, das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen.22)

Die an einem Blockchain-Netzwerk beteiligten Computer sind nicht selbst willensfähig. Auch das komplexeste EDV-System kann keinen Willen betätigen und autonome Entscheidungen treffen, sondern vollzieht lediglich logische Operationen entsprechend seiner Programmierung.23)

Technisch abgewickelte Transkationen sind vielmehr auf den (menschlichen) Willen des Programmbetreibers/-nutzers zurückzuführen.24) Bezüglich des subjektiven Tatbestands der Willenserklärung ist also auf die Person abzustellen, welche das Programm als Kommunikationsmittel nutzt 25) oder welche die Maschine betreibt, sollte die Maschine (autonom) Transaktionen über eine Blockchain initiieren.26) Dies sind bei Smart Contracts die Netzwerknutzer.27) Der objektive Tatbestand der Willenserklärung, also die Kundgebung des Willens nach außen, wird durch das Programm erzeugt und der dahinterstehenden Person zugerechnet.28) Das gilt auch, wenn der Computer die Essentialia negotii der Willenserklärung erst konkretisiert und den Smart Contract ausfüllt.29)

Kopplung von Transaktionen an den Eintritt von Ereignissen

Eintritt des Trigger-Events: Bei Smart Contracts werden Transaktionen an den Eintritt zuvor programmierter Ereignisse (sogenannte Trigger-Events 30)) bedingt und in einem Quellcode fixiert.31) Ein Trigger-Event kann etwa die Betätigung eines Schalters oder einer digitalen Schaltfläche auf einer Homepage im Internet sein.

Die verschiedenen Smart-Contract-Transaktionen in einem Blockchain-Netzwerk können je nach Ausgestaltung der Erklärung im Einzelfall ein Angebot, beziehungsweise Annahme oder eine Invitatio ad offerendum sein.32)

Beispielsweise kann die Erklärung ein Angebot auf die Lieferung von Strom zu einem bestimmten Preis enthalten und wird durch den Vertragspartner angenommen, indem er den Lichtschalter betätigt. Das Betätigen des Schalters (Trigger-Event) bedingt den Vertragsschluss, sodass der Vertrag unverzüglich abgewickelt wird, sofern er dergestalt programmiert ist, dass er selbst unmittelbar über einen Vermögenswert verfügen kann. Der programmierte Vertrag (Quellcode) über die Stromlieferung ergibt sich also aus der zuvor erzielten Einigung der dahinterstehenden Rechtssubjekte. Die Vertragsdurchführung (Stromverbrauch) ist der Vertragseinigung nachgelagert.

Diskrepanzen zwischen Erklärung und Willen der Vertragsschließenden

Anfechtung von Smart Contracts: Auch bei Smart Contracts können Diskrepanzen zwischen der Erklärung und dem Willen der Vertragsschließenden vorliegen,33) die eine Anfechtung begründen. Um festzustellen, ob der Wille und die Erklärung auseinanderfallen, muss zuerst der Erklärungsinhalt, also der objektive Tatbestand der Willenserklärung, durch Auslegung ermittelt werden.34) Die Auslegung geht der Anfechtung vor, sodass das übereinstimmend Gewollte als Inhalt der Erklärung gilt und nicht das Erklärte.35)

Auslegung von Smart Contracts: Die Aufgabe der Auslegung liegt darin, den Sinn von Willenserklärungen zu verstehen sowie das Risiko von Missverständnissen gerecht zu verteilen.36) Teilweise wird für programmierte Verträge vertreten, dass diese nicht auslegbar seien.37) Gemeint ist damit, dass auf technischer Ebene die programmierten Anweisungen mit Eintritt des Trigger-Events automatisch ausgeführt werden, selbst wenn sie nicht dem tatsächlichen Willen der Parteien entsprechen. Durch die Programmierung kann nur eine bestimmte (vorhersehbare) Folge eintreten.38) Stichwort: "Code is Law".39)

Dies widerspricht dem Grundsatz, dass im deutschen Recht ein Vertrag nicht allein anhand seines Wortlauts zu beurteilen, sondern der "wirkliche Wille zu erforschen" ist (vergleiche §§ 133, 157 BGB).40) Auf der ersten Stufe der Auslegung ist der Erklärungstatbestand festzustellen; das heißt der Vertragstext. Auf der zweiten Stufe wird der Erklärungstatbestand gedeutet.41) Es ist nicht ersichtlich, weshalb für programmierte Verträge andere Grundsätze gelten sollten. Der Inhalt des Smart Contracts bestimmt sich folglich auch nach dem Willen der Parteien und nicht allein anhand seines Quellcodes.42)

Auslegungsfähige Erklärungen

Auslegungsfähig sind grundsätzlich auch widerspruchsvolle und scheinbar widersinnige Erklärungen.43) Ergibt die Auslegung des Smart Contracts, dass sich, etwa wegen eines Programmierfehlers, die objektiven Tatbestände der Erklärungen der Parteien nicht decken, so liegt ein versteckter Dissens i.S.v. § 155 BGB vor,44) sodass der Vertrag in der Regel nicht wirksam zustande gekommen ist.45) Bereits geleistete Verfügungen wären bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln.

Trotz ihrer grundsätzlichen technischen Unwiderruflichkeit gilt dies auch für Smart Contracts.46) Folglich müssen sie technische und rechtliche Vorkehrungen hierfür enthalten, beispielsweise durch den Einsatz fingierter Transaktionen (sogenannte Reverse Transactions47)), die durch das Abwickeln gegenläufiger Transaktionen den anfänglichen Status in der Blockchain wiederherstellen. Man stelle sich nur einen Smart Contract vor, der aufgrund eines Programmierfehlers in einer Endlosschleife liefe. Dieser Vertrag würde ansonsten so lange ausgeführt werden, wie die anfallende Transaktionsgebühr automatisiert abgewickelt werden kann.

Anfechtung wegen Irrtums denkbar

Sollten die dem Programm entnommenen Willenserklärungen widersprüchlich sein (und die Widersprüchlichkeit nicht durch Auslegung auflösbar sein) so dürfen hieraus nach allgemein anerkannten Grundsätzen keine Rechtsfolgen herrühren.48) Bleibt die Willenserklärung sinnlos oder mehrdeutig, so ist sie nichtig.49) Auf Smart Contracts übertragen würde ein Fehler in dessen interner Logik wohl zu einem schlicht nicht erwarteten Ergebnis führen oder er würde gar nicht erst ausgeführt werden. Entspricht dagegen die ausgelegte Erklärung nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden, so ist eine Anfechtung wegen Irrtums denkbar.50)

Anfechtungsmöglichkeit: Die auf den Abschluss eines Smart Contracts gerichteten Willenserklärungen können auch angefochten werden; etwa wegen eines Inhaltsirrtums i.S.v. § 119 Abs. 1 BGB, sofern einer der Vertragspartner den Vertragsinhalt (in Form des Quellcodes) nicht verstanden hat.51) Allerdings ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn der Anfechtende in dem Bewusstsein handelt, den Inhalt der Erklärung nicht zu kennen oder die Erklärungssprache nicht zu verstehen.52) Ist ein Vertragspartner der Programmiersprache nicht mächtig und kann Quellcodes nicht lesen, so nimmt er beim Vertragsschluss bewusst in Kauf, den Erklärungsinhalt nicht zu kennen.53) Insoweit teilen ihm die §§ 119, 121 BGB das sogenannte Sprachrisiko zu, das heißt das Risiko sprachlich bedingter Verständnisschwierigkeiten.54)

Anfechtungsgründe: In Bezug auf die Irrtumsanfechtung ist es naheliegend, bei Smart Contracts schon auf den Zeitpunkt der Programmierung abzustellen, sofern sich der Fehler unmittelbar auf den Inhalt der programmierten Willenserklärung ausgewirkt hat. Die für die Generierung eines Smart Contracts erforderlichen Angaben macht die anbietende Vertragspartei in der Regel zeitlich im Vorfeld der Abgabe der programmierten Erklärung. Entscheidend ist daher, ob der Fehler lediglich während der Vorbereitung der Willenserklärung oder aber im Zeitpunkt der Erstellung der Willenserklärung auftritt.55) Bei der Nutzung fehlerhafter Daten bereits im Zeitpunkt der Eingabe in das Programm kann kein Irrtum vorliegen, weil sich dieser allein im Vorfeld der Willenserklärung auswirkt.56)

Beschreitung des Rechtsweges nicht immer zielführend

Vertippt sich der Erklärende hingegen, während er das Programm schreibt, so irrt er in der Erklärungshandlung.57) Solche Irrtümer können sich nicht nur durch einen fehlerhaften Quellcode der Blockchain selbst, sondern auch aus Interdependenzen mit der sie umgebenden Softwarearchitektur (Betriebssysteme, Netzwerkprotokolle) ergeben.58)

Entspricht der objektive Tatbestand der Willenserklärung nicht dem tatsächlichen Willen des Erklärenden, so irrt der Erklärende über die Bedeutung oder Tragweite seiner Erklärung. Der Erklärungsinhalt weicht dann von den eigenen Vorstellungen ab.59) Dies setzt nicht zwingend voraus, dass der Erklärende den Vertragstext, das heißt den Quellcode, liest.60) Nicht anfechten kann jedoch derjenige, der sich vom Erklärungsinhalt gar keine Vorstellung macht, weil er etwa die Vertragssprache nicht versteht.61)

Wirkungen der Anfechtung: Die Anfechtung einer Willenserklärung hat rückwirkende Kraft, sodass der Vertrag als von Anfang an nichtig gilt.62) Eine Möglichkeit zur Rückabwicklung muss daher einprogrammiert werden, wenn man - wie bisher - dem menschlichen Willen den Vorrang vor dem geschriebenen oder programmierten Vertragsinhalt einräumt. Die Beschreitung des Rechtsweges wäre kaum zielführend, weil der Anfechtende seinen Vertragspartner nicht kennt.63)

Erfordernis einer programmierten Rückabwicklungsmöglichkeit

Das Erfordernis einer programmierten Rückabwicklungsmöglichkeit erfordert sehr tiefgehende juristische Kenntnisse oder Analysen, weil die jeweiligen Programmierer in einem frühen Stadium eine Vielzahl möglicher Rückabwicklungsszenarien vorhersagen oder -sehen müssen.64)

Vertragssprache bei Smart Contracts - Individualverträge: Aufgrund des Prinzips der Vertragsfreiheit können Parteien beim Vertragsschluss frei die Vertragssprache wählen65) (Gestaltungs- und Formfreiheit von Schuldverträgen).66) Allerdings unterliegen Smart Contracts nicht einer (Fremd-)Sprache, sondern einem Quellcode, welcher den Inhalt der schuld- oder sachenrechtlichen Verträge verkörpert.

Da jedoch nach herrschender Meinung selbst tote Sprachen67) und teilweise sogar Kunstsprachen wie Esperanto68) als eine taugliche Vertragssprache im Sinne der freien Sprachenwahl gelten,69) ist nicht ersichtlich, warum dies für Quellcodes nicht gelten sollte. Den Vertragsschließenden sollte es unbenommen bleiben, sich bei der Ausgestaltung ihrer rechtlichen Beziehungen einer Programmiersprache zu bedienen, wenn sie dies wünschen.70) Es liegt in ihrem Verantwortungsbereich, die notwendige Lese- und Verständnisfähigkeit mitzubringen.

Vorformulierte Verträge: Bei vorformulierten Verträgen ist das Prinzip der freien Wahl der Vertragssprache eingeschränkt,71) weil AGB gegenüber Verbrauchern nur Vertragsbestandteil werden, wenn diese die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatten.72) AGB sind so zu formulieren, dass ein Verbraucher sie mühelos lesen kann.73) In Bezug auf Smart Contracts erscheint es lebensfern, dass Verbraucher Quellcodes verstehen, sodass ihnen in der Regel die Kenntnisnahmemöglichkeit fehlen dürfte.

AGB: Ausrichtung nach der Verhandlungssprache

AGB sind darüber hinaus nach der Verhandlungssprache auszurichten.74) Dies führte dazu, dass Quellcodes zum Beispiel in die deutsche (oder englische) Sprache zu übersetzen wären, wenn der Abschluss eines Smart Contracts über eine deutsche oder englische Website unter Geltung der AGB angeboten würde.75) Eine Übersetzung des Quellcodes ist aber kostenintensiv. Daher wird sie teilweise als impraktikabel eingestuft und für eine Ausnahme vom Erfordernis der Kenntnisnahmemöglichkeit in der Vertragssprache votiert.76)

Dies benachteiligte allerdings den Vertragspartner des AGB-Verwenders unangemessen. Denn der Verwender nähme dann die Vertragsgestaltungsfreiheit alleine in Anspruch und der Vertragspartner könnte nicht unter vertretbarem Aufwand vom Vertragsinhalt Kenntnis nehmen, da er als menschlicher Entscheider Informationsaufnahme- und -verarbeitungsgrenzen unterliegt.77) Diese können auch in "Lesekosten" oder "Verständniskosten" übersetzt werden.78) Das Lesen eines Quellcodes ist selbst für Geübte vergleichsweise mühselig. Zudem erzeugt das Erlernen der Fähigkeit, Quellcodes zu lesen, enorme Transaktionskosten, da es immens zeitaufwendig wäre.

Anknüpfungspunkt im Bankenumfeld

Lässt man die vorgenannten Anfechtungsfälle und weitere in unserer Rechtstradition bestehende Rückabwicklungsfälle außer Betracht, dann ist den Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain gemein, dass sie durch ihre transparente Gestaltung keine Trusted Third Party als Vertrauensgeber benötigen.79) Denn durch den Einsatz von Smart Contracts ist die Gegenleistung garantiert.80) Bisher mussten sich Marktteilnehmer gegenseitig vertrauen, um Transaktionen durchzuführen.81) Banken waren in den letzten Jahrzehnten insbesondere erfolgreich, weil sie die Rolle als Trusted Party, das heißt als Vertrauenspartei, zwischen den Parteien eingenommen haben. Die Blockchain gefährdet daher einen elementaren Teil des Geschäftsmodells von Banken, Transaktionen gegen Gebühren auszuführen.82)

Derivate auf der Blockchain: Ein potenzieller Anwendungsbereich der Blockchain ist der Handel mit Derivaten mittels sogenannter Smart Derivative Contracts.83) Diese werden so programmiert, dass sie bei Erreichen eines zuvor festgelegten Aktienkurses selbstständig Aktienerwerbe oder -veräußerungen abwickeln.84) Zahlungsgarantien würden durch die Unveränderbarkeit der Blockchain überflüssig werden.85) Eine dritte Partei, zum Beispiel eine regulierte Börse, ein Börsenmakler, eine Depotbank oder sonstige Intermediäre zwischen den Erwerbern und den Emittenten der Wertpapiere, wäre nicht involviert.86) Diese Intermediäre verursachten bisher hohe Transaktionskosten (zum Beispiel Vergütungen für Kommissionäre und Broker, Börsengebühren).87)

Wertpapiere allgemein beziehen ihren spezifischen Wert daraus, dass sie einfach und zu möglichst geringen Transaktionskosten wiederholt umgeschlagen werden können.88) Wertpapiertranskationen mittels einer Blockchain könnten deren Handel beschleunigen.89) Durch die dezentrale Speicherung der Vermögensgegenstände und ihrer Inhaber könnten potenzielle Käufer und Verkäufer leicht identifiziert werden.90) Der Derivatehandel unter Nutzung der Blockchain, ohne Einschaltung weiterer kostenverursachender Intermediäre ist mithin aufgrund der geringen Transaktionskosten attraktiv. Daher verwundert es nicht, dass bereits Ende 2015 erstmals ein Wertpapier über das auf einer Blockchain basierende Nasdaq-Linq-System gehandelt wurde.91)

Rolle als Trusted Party

Low hanging fruit - Banken als Trustcenter: Die Nutzung der Blockchain kann sich bestens eignen, wo keine Formvorschriften oder regulatorische Vorschriften entgegenstehen. Denn regulatorische Vorgaben setzen hohe Barrieren für den Markteintritt.92) Ihrer bisherigen Rolle als Trusted Party könnten die Banken auch unter Nutzung der Blockchain weiterhin gerecht werden.

Denn bei Blockchain-Transaktionen auf öffentlichen Blockchains (beispielsweise der Bitcoin-Blockchain) gilt es zu beachten, dass der Schwierigkeitsgrad der Rechenaufgabe, die der Rechner zur Schaffung eines Blocks lösen muss, mit zunehmender Länge der Blockkette, das heißt mit wachsender Anzahl von Transaktionen, stark ansteigt. Dadurch sind mehr Rechenleistung und Zeit für die Durchführung der Transaktion nötig. Dies ist mit höheren Energiekosten verbunden. Das liegt am integrierten Sicherungsmechanismus, der bei jeder Operation zusätzlichen Rechenaufwand generiert, um so die wachsende Verarbeitungsgeschwindigkeit der Hardware in der Zukunft zu kompensieren.93)

Das Verfahren wäre dadurch mit Wahrscheinlichkeit langsamer und zeitaufwendiger, als die derzeit genutzten Systeme, sodass die Nutzung einer öffentlichen Blockchain nicht effizient wäre. Dieses Problem könnten Banken durch die Nutzung eines zugangsbeschränkten Netzwerks reduzieren. Dafür bedarf es wiederum einer zentralen Legitimationsstelle, die die Teilnehmer am Netzwerk als vertrauenswürdig einstuft.

Zudem wäre es naheliegend, die Smart Contracts in einem zugangsbeschränkten System zunächst nur im Verkehr mit Unternehmern anzubieten, da im Verkehr mit anderen Unternehmern die Beschränkungen des § 305 Abs. 2 BGB nicht gelten.94) Dies würde Effizienzverluste infolge einer notwendigen Übersetzung des Vertrages verhindern.

Effizientere Prozesse

Die Blockchain bietet Banken zahlreiche Möglichkeiten und kann sich bestens eignen, ihre Prozesse effizienter zu gestalten, wo keine Formvorschriften oder regulatorische Vorgaben entgegenstehen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die technisch programmierte Erklärung jeweils zum tatsächlichen Willen der Parteien passt. Anderenfalls würden unter Effizienzgesichtspunkten die Vorteile der Smart Contracts als selbstausführende Verträge verloren gehen. Denn die Rückabwicklung ist bei programmierter Pseudonymität der Beteiligten zumindest zeit- und kostenintensiv, sofern nicht bereits eine Rückabwicklungsmöglichkeit vorsorglich einprogrammiert ist.

Erfolgversprechend sind derzeit zugangsbeschränkte Blockchain-Lösungen, die sich nur an Unternehmer richten. Dennoch müssen Banken sehr präzise abwägen, ob sich der Einsatz einer Blockchain in Anbetracht der immensen Integrationskosten für sie lohnt. Bei der Nutzung von Smart Contracts sinken auch nicht immer die Transaktionskosten, sondern nur wenn die Lese- und Verständniskosten aufseiten der Vertragspartner begrenzt bleiben. Deshalb bieten sich derzeit vorwiegend Verträge für eine Umsetzung auf der Blockchain an, die nicht nur möglichst wenige regulatorische Vorschriften und Formvorschriften unterliegen, sondern für die sich bereits ein Standard herausgebildet hat (LMA-Standard, ISDA-Standard), der möglichst viele Rechtsthemen (Rechtswahl, Gerichtsstand, Steuern, Kosten, Aufrechnung) bereits vorab und außerhalb der Blockchain in Rahmenvereinbarungen abbildet. Wenn sich so stabile Anwendungen präsentieren, kann auch eine künftige Änderung des regulatorischen Umfeldes erwartet werden, die weitere Anwendungsbereiche eröffnet.

Die Autoren danken Timo Förster für dessen Unterstützung.

Fußnoten

1) Siehe zur initialen Beschreibung der Funktionsweise der Blockchain Nakamoto, S. 1 ff.

2) Nakamoto, S. 3; Kaulartz, InTeR 2016, 201, 202 Fn. 14; sowie Seitz, Die Bank 2017, 54, 56.

3) Bolesch/Mitschele, Kreditwesen 2016, 1125.

4) Nakamoto, S. 3; siehe ferner Jacobs/Lange-Hausstein, ITRB 2017, 10, 11 f.; Klein, DS-RITB 2015, 429, 433; Kaulartz, CR 2016, 474, 476; Bolesch/Mitschele, a.a.O. (Fn. 3), 1125 f.

5) So auch Seitz, a.a.O. (Fn. 2), 58.

6) So auch Beck/Milkau, Kreditwesen 2016, 576, 578.

7) Der Begriff der Wohlfahrtsmaximierung entstammt der Rechtsökonomie, mittels derer ineffiziente Zustände aufgedeckt werden können (vgl. Eidenmüller, S. 21; Kast, S. 40 m.w.N.; Schäfer/Ott S. 4).

8) Schäfer/Ott, Einleitung S. XXXIX.

9) Zu den Lese- und Verständniskosten von Anlegern vgl. Bode, S. 61.

10) Fleischer, S. 136.

11) So auch Beck/Milkau, a.a.O. (Fn. 6), 578.

12) Das Potential erforscht in diesem Sinne das Konsortium R3CEV (www.r3cev.com/).

13) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 2), 201, 203; Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431, 1431.

14) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 2), 201, 203.

15) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 2), 201, 203.

16) Klein, a.a.O. (Fn. 4), 434.

17) Heckmann/Kaulartz, Die Bank 2017, 60.

18) So etwa Heckmann/Kaulartz, a.a.O. (Fn.17), 60.

19) Ploom, S 107.

20) Antrag und Annahme, siehe statt nur Staudinger/Bork, § 145 Rn. 1.

21) Siehe nur Palandt/Ellenberger, Einf. v. §145 Rn.2f.

22) Siehe nur Palandt/Ellenberger, Einf. v. § 116 Rn. 1.

23) MüKoBGB/Säcker, Einleitung Rn. 185 m.w.N.

24) MüKoBGB/Säcker, Einleitung Rn. 185.

25) BGH, NJW 2013, 598, 599 entsprechend zum Vertragsschluss mittels Maschinen.

26) Kaulartz, DSRITB 2016, 1023, 1032.

27) Bräutigam/Klindt, NJW 2015, 1137, 1137 f. Da Programme zunehmend auch künstliche Intelligenz nutzen, wird vereinzelt gefordert, die Regelungen des Stellvertretungsrechts entsprechend anzuwenden (Sorge, S. 118 f.). Diese Ansicht führt im Falle der vollmachtlos handelnden Software allerdings zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Ein Ersatzanspruch gegen die Software ist wirtschaftlich nutzlos, da die Software selbst vermögenslos ist und die Alternative der Erfüllung nicht zielführend erscheint (so auch Bräutigam/Klindt, a.a.O. (Fn. 27), 1138).

28) Klein, a.a.O. (Fn. 4), 436; Pieper, DSRITB 2016, 971, 979.

29) MüKoBGB/Säcker, Einleitung Rn. 185 m.w.N.

30) Bolesch/Mitschele, a.a.O. (Fn. 3), 1128.

31) Heckmann/Kaulartz, a.a.O. (Fn. 17), 60.

32) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1032.

33) Zu den Subsumptionsproblemen im Falle eines EDV-Systemfehlers siehe MüKoBGB/Säcker, Einleitung Rn. 185.

34) Siehe nur Palandt/Ellenberger, § 119 Rn. 7.

35) MüKoBGB/Busche, § 133 Rn. 1; Jauernig/Mansel, § 119 Rn. 2.

36) Staudinger/Singer, § 133 Rn. 2 m.w.N.

37) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1029.

38) Börding/Jülicher/Röttgen/v. Schönfeld, CR 2017, 134, 138.

39) Wegweisend beschrieben von Lessing, S. 5.

40) MüKoBGB/Busche, § 133 Rn. 1; Heckmann/Kaulartz, a.a.O. (Fn. 17), 61.

41) Staudinger/Singer, § 133 Rn. 8 m.w.N.

42) Heckmann/Kaulartz, a.a.O. (Fn. 17), 61.

43) Palandt/Ellenberger, § 133 Rn. 6a m.w.N.

44) Zur Abgrenzung zwischen Irrtum und Dissens vgl. Palandt/Ellenberger, § 119 Rn. 8.

45) Palandt/Ellenberger, § 155 Rn. 5.

46) So auch Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1035.

47) So auch Schrey/Thalhofer, a.a.O. (Fn. 13), 1436.

48) OLG Naumburg, NJW 2013, 2367, 2370.

49) Schulze/Dörner, § 133 Rn. 14; Jauernig/Mansel, § 133 Rn. 2.

50) Palandt/Ellenberger, § 119 Rn. 1.

51) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1031; Kaulartz/Heckmann, CR 2016, 618, 622; insbesondere zu Irrtümern über Fachtermini MüKoBGB/Armbrüster, § 119 Rn. 74.

52) BGH, NJW 2014, 1242, 1242; Schulze/Dörner, § 119 Rn. 5 m.w.N.

53) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1031.

54) vgl. MüKoBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO, Rn. 54.

55) MüKoBGB/Armbrüster, § 119 Rn. 47.

56) MüKoBGB/Armbrüster, § 119 Rn. 47; Palandt/Ellenberger, § 119 Rn. 10.

57) Vgl. § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB; Palandt/Ellenberger, § 119 Rn. 10.

58) Milkau/Neumann/Bott, S. 24 ff.

59) BGH, NJW 1995, 190, 191; Palandt/Ellenberger, § 119 Rn. 10.

60) BAG, NJW 1971, 639, 640; Kaulartz, a.a.O. (Fn. 2), 204.

61) BAG, NJW 1971, 639, 640; Palandt/Ellenberger, § 119 Rn. 10.

62) gl. § 142 BGB.

63) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1035. Simmchen fordert gar programmierte Justizschnittstellen, die ein Eingreifen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ermöglichten (MMR 2017, 162, 164).

64) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1028 f. m.w.N.

65) BGH, NJW 1956, 1597 f.; MüKoBGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO, Rn. 48, 53; ausführlich Kling, S. 240 ff.

66) MüKoBGB/Emmerich, § 311 Rn. 1.

67) a. A.: MüKoZPO/Münch, § 1045 Rn. 2 für die Sprachenregelung bei Schiedsverfahren.

68) Wieczorek/Schütze, § 1045 ZPO Rn. 6; a. A.: Mü-KoZPO/Münch, § 1045 Rn. 2.

69) Staudinger/Singer, § 119 Rn. 18.

70) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1029.

71) Siehe nur MüKoBGB/Basedow, § 305 Rn. 63.

72) Vgl. § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

73) Dies gilt sogar bei Verwendung von Weltsprachen, denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass jeder diesen mächtig sei, Staudinger/Schlosser, § 305 Rn. 140 f.

74) MüKoBGB/Wurmnest, § 307 Rn. 246.

75) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1030.

76) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 26), 1030.

77) Stahl, S. 197 ff.

78) Kast, S. 86 f.; Schmolke, S. 132 jeweils m.w.N.

79) Bolesch/Mitschele, a.a.O. (Fn. 3), 1126.

80) Stichwort: "Code is Law", Lessing. Siehe auch Heckmann/Kaulartz, a.a.O. (Fn. 17), die dieses Dogma für unvereinbar mit deutschem nichtdispositivem Recht halten.

81) Bolesch/Mitschele, a.a.O. (Fn. 3), 1126; Seitz, a.a.O. (Fn. 2), 59.

82) Seitz, a.a.O. (Fn. 2), 59.

83) O'Brien (Bitcoinmagazine).

84) Kaulartz, a.a.O. (Fn. 2), 203.

85) O'Brien.

86) Geiling, S. 30 f.; O'Brien.

87) Zum InvG vgl. Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher/ Rozok, § 41 InvG Rn. 32.

88) Sester, WM 2012, 529, 532.

89) Geiling, S. 30 f.

90) Geiling, S. 30 f.

91) www.nasdaq.com.

92) Seitz, a.a.O. (Fn. 2), 59.

93) Nakamoto, S. 3.

94) Vgl. § 310 Abs. 1 S. 1 BGB.

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