Die Schwerpunkte der österreichischen Präsidentschaft im Bereich Finanzdienstleistungen

Hartwig Löger Foto: BMF, Wilke

Das Element der Europäischen Einlagensicherung als dritter Säule des Projektes der Bankenunion sieht der Autor ohne Fortschritte bei der Risikoreduzierung im Rohbau. Die Arbeit an der Finalisierung der Rechtvorhaben in diese Richtung nennt er ebenso als wesentliche Aufgabe der anstehenden österreichischen Ratspräsidentschaft wie Maßnahmen zum Abbau der NPLs und die Suche nach Kompromissen bei der Entwicklung der Kapitalmarktunion. Sein Land will er bei all diesen Aktivitäten als Brückenbauer zur Förderung einer guten Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten verstanden wissen. (Red.)

Österreich wird im Juli dieses Jahres bereits zum dritten Mal den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernehmen. Wir werden damit wesentlich zur gesetzgeberischen politischen Arbeit im Rat beitragen. Doch diese kommende EU-Präsidentschaft ist mit den vorhergehenden im Finanzdienstleistungsbereich nicht vergleichbar. Das erste Mal, als Österreich den Vorsitz übernahm, geschah dies im zweiten Halbjahr 1998. Aus Sicht des Finanzsektors war die Finalisierung der Vorbereitungen für die Währungsunion und damit die Einführung des Euros das prägende Ereignis. Acht Jahre später, also 2006, kam Österreich wieder an die Reihe. Schwerpunkt waren damals die Verhandlungen zur Zahlungsdienstleistungsrichtlinie.

Sicherheit und Stabilität auf allen Ebenen

Das Motto der diesjährigen österreichischen Ratspräsidentschaft wird lauten: Europa, das schützt. Wir wollen auf allen Ebenen für Sicherheit und Stabilität sorgen. So auch im Finanzdienstleistungsbereich. Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise liegt daher ein dichtes Arbeitsprogramm vor uns. Zur weiteren Verbesserung der Stabilität der Finanz- und Kapitalmärkte, aber auch des Vertrauens der Investoren, hat die Europäische Kommission in den letzten Jahren eine hohe Anzahl an Vorschlägen für Verordnungen und Richtlinien für eine umfassende Reform der Finanzmarktregularien vorgelegt. Mit diesen soll das Regelwerk für Finanzdienstleistungen und deren Aufsicht verbessert werden. Regulatorische Lücken sollen geschlossen und Transparenz erhöht werden, damit sich eine Krise in dem Ausmaß der letzten Jahre nicht wiederholen kann. Ebenso soll durch eine verstärkte Integration die enge Verbindung zwischen Banken und öffentlichen Finanzen durchbrochen werden. Bestens bekannt ist hierfür das große, bereits 2012 begonnene Projekt der Bankenunion. Die beiden ersten der drei Säulen - der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) und der Einheitliche Abwicklungsmechanismus (SRM) - sind bereits errichtet. Am Aufbau der dritten Säule, der Europäischen Einlagensicherung (EDIS) wird seit nunmehr fast drei Jahren gearbeitet.

Die Schaffung einer Europäischen Einlagensicherung, durch die die Bankenunion vollendet werden soll, ist ein umstrittenes Projekt, da das Konzept eine vielfach politisch nicht gewünschte Risikoteilung zwischen den Mitgliedstaaten vorsieht. Für mehrere Mitgliedstaaten ist es daher von zentraler Bedeutung, dass vor jeder Art der Risikoteilung die Risiken im Bankenbereich entsprechend reduziert werden. Nur so kann eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung mit einem zentralen europäischen Sicherungsfonds politische Akzeptanz finden. Diese Forderung ist auch in der Roadmap zur Bankenunion vom Juni 2016 enthalten. Demnach sollen politische Gespräche über EDIS erst dann stattfinden, wenn entspreche Fortschritte bei der Risikoreduzierung im Bankensektor erzielt werden. Kurz gesagt: ohne Risikoreduktion bleibt die dritte Säule der Bankenunion im Rohbau. Die Frage, wie dieses Risiko in der Bankenunion und möglichst in der gesamten EU nachhaltig reduziert werden kann, zieht sich wie ein roter Faden durch viele Themen, die uns während der österreichischen Präsidentschaft im Finanzdienstleistungsbereich beschäftigen werden.

Obwohl unermüdlich von allen Beteiligten an der Reduktion des Risikos gearbeitet wird, sind die diesbezüglichen Rechtsvorhaben noch nicht finalisiert. Es wird demnach an uns liegen hier weitere Fortschritte zu erzielen. Hervorzuheben ist insbesondere das sogenannte Paket mit Risk Reduction Measures (RRM-Paket), das im November 2016 durch die Europäische Kommission vorgelegt wurde. Das RRM-Paket umfasst unter anderem zentrale Maßnahmen für die Festlegung und Implementierung des Minimum Requirements for Eligible Liabilities (MREL) und Basel III sowie eine bindende Leverage Ratio und eine bindende Net Stable Funding Ratio. Besonders wichtig sind auch Vorschläge zur Verbesserung der Proportionalität im Bankenbereich, um ein adäquates Governance- und Aufsichtssystem einzurichten. Wir erwarten, dass unter der bulgarischen Präsidentschaft eine Einigung im Rat gefunden werden kann, sodass unsere Aufgabe sein wird, im Rahmen des Trilogs zu einem gemeinsamen Verständnis mit dem Europäischen Parlament zu kommen.

Noch zu viele notleidende Kredite

Ein weiterer Bereich der Risikoreduzierung, dem wir besondere Wichtigkeit beimessen, betrifft die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Adressierung des europäischen Problems, dass es immer noch zu viele notleidende Kredite (Non-Performing Loans - NPL) in den Bankbilanzen gibt. Das hohe Ausmaß an NPL drückt die Kreditvergabekapazitäten der Kreditinstitute und wirkt sich negativ auf deren Profitabilität aus. Die legislativen Vorschläge, die unter der österreichischen Präsidentschaft zu verhandeln sein werden, behandeln zum einen die Einführung eines aufsichtlichen Backstops. Durch diesen soll sichergestellt werden, dass alle Kreditinstitute ein Mindestmaß an Risikorückstellungen für die Deckung ihrer mit NPL verknüpften Risiken aufbauen. Zum anderen soll die Entwicklung des Sekundärmarktes für NPL forciert und eine außergerichtliche Durchsetzung von Sicherheiten in allen Mitgliedstaaten ermöglich werden. Die Verhandlungen dazu haben erst im April begonnen, aber angesichts der Sensibilität dieses Themas werden wir uns bemühen so weit wie möglich Verhandlungsfortschritte zu erzielen.

Wann nun eine nennenswerte Risikoreduktion vorliegt, soll anhand noch zu bestimmender Indikatoren gemessen werden. Die konkrete Vorgehensweise wird sich wohl erst beim ECOFIN-Rat beziehungsweise beim Europäischen Rat im Juni entscheiden. Erst dann werden wir auch wissen, ob politische Verhandlungen über EDIS begonnen werden können oder die technischen Vorbereitungsarbeiten dafür fortgesetzt werden.

Schwerpunkt Kapitalmarktunion

Ein zweiter Schwerpunkt unserer Arbeiten im Finanzdienstleistungsbereich betrifft die Kapitalmarktunion. Hier hat die EU- Kommission 2015 einen umfangreichen Aktionsplan vorgelegt, der zahlreiche legislative Maßnahmen enthält. Das Ziel der Kapitalmarktunion ist, durch Schaffung tiefer und besser integrierter Kapitalmärkte Wachstum und Beschäftigung zu forcieren. Die von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschläge weisen daher unterschiedliche Stoßrichtungen auf. So geht es um Verringerung der Fragmentierung, Diversifizierung der Finanzquellen, aber auch um Abbau von Barrieren für grenzüberschreitende Kapitalflüsse und generell um einen verbesserten Zugang von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) zu Finanzmitteln.

Die Europäische Kommission hat fast alle Richtlinien- und Verordnungsvorschläge dazu bereits vorgelegt. Manche davon sind auch vom Gesetzgeber verabschiedet sowie national umgesetzt worden beziehungsweise wird in den Mitgliedstaaten an der Umsetzung gearbeitet (zum Beispiel Verordnung für Prospektpflicht von Wertpapieren). Es gibt aber auch noch offene Vorhaben, die derzeit intensiv verhandelt werden. Dazu gehört beispielsweise der Vorschlag für die Schaffung eines EU-Rechtsrahmens für ein europäisches Altersvorsorgeprodukt (PEPP). Dieses stellt ein einfaches, aber gleichzeitig innovatives privates Vorsorgeprodukt dar und vergrößert grenzüberschreitend die Wahlmöglichkeit für Interessierte. Hier halten wir angesichts bisheriger Verhandlungsfortschritte eine Kompromissfindung im Rat und damit den Beginn der Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament durchaus für realistisch.

Ebenso liegt ein umfangreicher Vorschlag für die Verbesserung der Funktionsweise der Europäischen Aufsichtsbehörden vor (ESA-review), wobei die Europäische Wertpapieraufsicht (ESMA) auch die Kompetenz für die unmittelbare Beaufsichtigung bestimmter Produkte erhalten soll. Dieser Vorschlag wird bei den aktuellen Verhandlungen im Rat höchst kontroversiell diskutiert. In engem Zusammenhang dazu steht auch der Vorschlag zur Änderung der Verordnung über Derivate, zentrale Gegenparteien (CCPs) und Transaktionsregister (EMIR-review), durch den die Konvergenz bei der Aufsicht von CCPs forciert werden soll. Angesichts der darin auch enthaltenden Vorschläge zur Anerkennung von Drittstaaten-CCPs gewinnt das Thema aufgrund des Brexit an zusätzlicher Brisanz. Grundsätzlich findet das Thema Brexit - wenig überraschend - in fast jedes Dossier Eingang.

Abschließend sei erwähnt, dass die Europäische Kommission im März weitere Legislativvorschläge im Rahmen der Kapitalmarktunion verabschiedet hat. Hervorzu heben sind hier "Fintech" und "Sustainable Finance". Bei beiden Themen wurde zunächst ein breit angelegter Aktionsplan vorgelegt. Legislativvorschläge zur Taxonomie und der Verpflichtungen für institutionelle Investoren folgen im Mai. Aber auch der neue Vorschlag zur Regulierung von gedeckten Schuldverschreibungen (Covered Bonds) ist von besonderem Interesse, da mit dieser Richtlinie ein harmonisierter Rechtsrahmen geschaffen werden soll, ohne dabei existierende nationale Regelungen zu gefährden.

Wir werden im Rahmen der österreichischen Vorsitzführung bei all den vorgelegten Vorschlägen entweder die Verhandlungen aufnehmen beziehungsweise diese fortführen und unser Bestmöglichstes tun, um zahlreiche Einigungen im Rat herbeiführen zu können. Wir verstehen uns als Brückenbauer innerhalb der EU und werden in diesem Sinne eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten fördern.

Hartwig Löger Österreichischer Bundesminister für Finanzen, Wien
Noch keine Bewertungen vorhanden


X