Aufsätze

EU-Regulierungsvorhaben aus Sicht der öffentlichen Banken - Eine Bewertung zu Beginn der Ratspräsidentschaft Zyperns

Die europäische Ratspräsidentschaft Zyperns in der zweiten Hälfte 2012 wird wesentlich von der weiteren Entwicklung der Staatsschuldenkrise und wichtigen Weichenstellungen in der Finanzmarktregulierung geprägt sein. Besonders bedeutsame Dossiers, wie zum Beispiel der Abschluss der Umsetzung der neuen Baseler Eigenkapitalvorschriften in der Europäischen Union, die Richtlinienvorschläge zur Bankenrestrukturierung und zur Einlagensicherung, der Vorschlag zur Verschärfung der Regulierung von Ratingagenturen sowie die Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), werden in den nächsten Monaten intensiv beraten und benötigen daher eine strikte Agenda. Zudem haben die Staats- und Regierungschefs noch kurz vor Beginn der zypriotischen Ratspräsidentschaft unter dem Stichwort "Bankenunion" mit der kurzfristigen Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht ein äußerst ambitioniertes und sehr weitrei chendes Projekt beschlossen. Bereits im September soll die Europäische Kommission hierzu konkrete Vorschläge präsentieren (vergleiche zur europäischen Bankenunion Heft 14-2012, S. 687). Alle diese Maßnahmen haben umfassende und tiefgreifende Konsequenzen für die Finanzmärkte und ziehen kumulative Mehrbelastungen für die Kreditwirtschaft nach sich.

Basel III und CRD IV

Die intensiven Verhandlungen zwischen EU-Parlament und Ministerrat zur Umsetzung von Basel III in europäisches Recht dauern an. Eine Einigung wird derzeit frühestens im Oktober erwartet. Da die Umsetzung beziehungsweise Anwendung der Bestimmungen des sogenannten CRD-IV-Maßnahmenpaketes rechtzeitig vor dem geplanten Erst anwendungstermin am 1. Januar 2013 praktisch unmöglich ist, hält der VÖB es für unumgänglich, das Inkrafttreten der neuen Regeln um mindestens sechs Monate zu verschieben.

In der Gesamtschau bewegt sich der EU-Rechtsetzungsprozess in vielen Detailfragen in die richtige Richtung. Jedoch wird das übergeordnete Ziel, ein europaweit einheitliches Regelwerk, also ein level playing field, zu schaffen, weiterhin durch die Möglichkeit der Einzelstaaten torpediert, die vereinbarten Kapitalanforderungen zu verschärfen. Mit Sorge sieht der VÖB weiterhin die nicht absehbaren kumulierten Auswirkungen aller regulatorischer Einzelmaßnahmen. Basel III bleibt damit ein Maßnahmenpaket mit Risiken und möglichen Nebenwirkungen. Es besteht die Gefahr, dass die neuen Anforderungen nicht ohne den Abbau von Kreditgeschäft, gerade auch im margenarmen Bereich, eingehalten werden können. Insgesamt gesehen darf das CRD-IV-Paket im internationalen Wettbewerb nicht zu einer Schwächung der europäischen Kreditwirtschaft führen. Die schleppende Umsetzung der neuen Regeln in wichtigen Finanzzentren außerhalb der EU, insbesondere in den USA, sollte durchaus als ernst zu nehmendes Warnzeichen verstanden werden.

Krisenmanagement

Eine weitere Priorität der Ratspräsidentschaft Zyperns ist die Schaffung eines Rechtsrahmens für das Krisenmanagement. Die EU-Kommission hat hierzu nach langer Vorarbeit im Juni einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Dessen Zielsetzung, die Geschäftsfortführung und geordnete Abwicklung von Banken zu ermöglichen, geht in die richtige Richtung. Es orientiert sich grundsätzlich an der bereits seit 2010 in Kraft befindlichen deutschen Restrukturierungsgesetzgebung. Mit der neuen Richtlinie kann daher auch ein level playing field in der EU wiederhergestellt werden. Ablehnend steht der VÖB der von der Kommission vorgeschlagenen Pflicht zur gegenseitigen grenzüberschreitenden Hilfe leistung von nationalen Bankenabwicklungsfonds gegenüber. Die von den VÖB-Banken in einen deutschen Abwicklungsfonds ein gezahlten Gelder dürfen nicht im Wege der Vergemeinschaftung zur Sanierung von Banken in den Euro-Krisenstaaten genutzt werden. Im Ergebnis liefe dies auf eine Haftungsgemeinschaft hinaus, in der gerade die starken Staaten keinerlei wirkliche Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten haben.

Von besonderer praktischer Bedeutung ist zudem die Ausnahme der Förderbanken vom Anwendungsbereich der Richtlinie. Denn die Anwendung von Sanierungs- oder Abwicklungsregelungen auf Banken mit staatlichen Garantien oder vergleichbaren Haftungsinstrumenten ist weder sachgerecht noch erforderlich. Der VÖB plädiert zudem für eine praxisgerechte Ausgestaltung der Eingriffsbefugnisse bei frühzeitigem aufsichtlichem Tätigwerden. Die in dem Richtlinienvorschlag geforderten Sanierungs- und Abwicklungspläne tendieren zur Überregulierung; sie müssen sich auf einen praxisgerechten Detaillierungsgrad beschränken. Schließlich darf die Einrichtung nationaler Abwicklungsfonds nicht zu Redundanzen mit den bereits bestehenden Einlagensicherungsfonds führen. Insofern ist es sachgerecht, dass der Kommissionsvorschlag den Mitgliedstaaten bei Organisation und Finanzierung der Abwicklungsfonds innerhalb oder außerhalb bestehender Einlagen sicherungsstrukturen größtmögliche Entscheidungsfreiheit lässt.

Reform der Einlagensicherung

Bereits im Juli 2010 hatte die EU-Kommission ihr Vorhaben, die Absicherung von Kundeneinlagen in den Mitgliedstaaten weiter zu verbessern, mit viel Elan gestartet. Mittlerweile scheint es, als könne das Vorhaben noch kurz vor dem Ziel wegen unversöhnlicher Positionen von Rat und EU-Parlament scheitern. Der VÖB unterstützt insofern den geplanten neuen Anlauf der zypriotischen Ratspräsidentschaft und den Beginn der zweiten Lesung im September 2012. Der in Brüssel zuletzt im Trilog diskutierte Entwurf berücksichtigt weitgehend deutsche Positionen. Insbesondere erlaubt er die Fortführung der im Interesse der Kunden besonders leistungsfähigen Systeme aus gesetzlicher und freiwilliger Einlagensicherung sowie den Haftungsverbünden und Institutssicherungssystemen.

Europäischer Harmonisierungsdruck darf nicht dazu führen, dass die Einlagen deutscher Bankkunden künftig weniger gut geschützt werden, als dies bereits heute und seit vielen Jahren der Fall ist. Es wäre den Bankkunden nicht zu vermitteln, dass die langjährig aufgebauten, besonders leistungsfähigen Einlagensicherungssysteme im Wege der Vergemeinschaftung künftig auch für die Absicherung von Spareinlagen in Euro-Krisenstaaten herangezogen werden sollen. Eine solche Haftungsgemeinschaft ohne Einfluss und Kontrolle über Risiken geht deutlich über den europäischen Solidaritätsgedanken hinaus. Sie ist überdies auch rechtlich sehr zweifelhaft. Letzten Endes würde damit die von den VÖB-Banken über viele Jahre aufgebauten Fonds zur Disposition gestellt und in ihrer Leistungsfähigkeit für die Bewältigung inländischer Stützungs- oder Sicherungsfälle wesentlich geschwächt.

Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID)

Die Europäische Kommission hat im Oktober 2011 ihre Vorschläge zur Überarbeitung der MiFID vorgelegt. Hiermit sollen die spezifischen Anforderungen an die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, die Wohlverhaltensregeln und die Organisation für die Wertpapierdienst leister verschärft werden. Daneben werden Marktstrukturthemen wie die Handelstrans parenz, das Transaktionsmeldewesen, der Derivatehandel und die Handelsplatzorganisation grundlegend neu geregelt. Die Ratspräsidentschaft Zyperns strebt hierzu eine allgemeine Ausrichtung des Ministerrates für Oktober 2012 an.

Dem Regulierungsvorhaben bezüglich des Hochfrequenzhandels stimmt der VÖB grundsätzlich zu. Dabei ist es allerdings unerlässlich, den Hochfrequenzhandel vom sonstigen algorithmischen Handel genau zu trennen. Im Hinblick auf die Ausweitung der Transparenzregeln im Vor- und Nachhandelsbereich sind die Besonderheiten des Anleihehandels noch nicht ausreichend berücksichtigt. Ähnliches gilt im Hinblick auf das Vorhaben, den Derivatehandel zu standardisieren und ausschließlich auf organisierte Handelsplattformen zu verlagern.

Der VÖB unterstützt ohne Wenn und Aber den Anleger- und Investorenschutz. Allerdings sollte eine Überregulierung, wie sie bei der Aufzeichnungspflicht der telefonisch erteilten Orders ersichtlich wird, unbedingt vermieden werden. Die Förderung der Honorarberatung als Beratungsalternative für den Anleger ist zu begrüßen, eine Diskriminierung bestehender und am Markt etablierter Geschäftsmodelle ist jedoch nicht zielführend. Aus diesen Gründen setzt sich der VÖB für eine maß- und sinnvolle Erweiterung des Anlegerschutzes ein.

Die Europäische Kommission hat vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Staatsschuldenkrise einen Vorschlag zur Verbesserung der Regulierung von Ratingagenturen vorgelegt, der gegenwärtig im EU-Parlament und Ministerrat beraten wird. Die zypriotische Ratspräsidentschaft plant eine politische Einigung mit dem EU-Parlament für Herbst 2012. Die von der Kommission vorgeschlagene Rotationspflicht für Ratingagenturen widerspricht jedoch zum Teil den bisherigen Zielen der Ratingverordnung.

Obwohl dieses System Interessenskonflikte vermeiden und den Wettbewerb erhöhen soll, wird die Rotation zu einer erhöhten Ratingvolatilität führen, die nicht auf tatsächliche Änderungen der Kreditwürdigkeit des Emittenten, sondern nur auf den Wechsel der Ratingagentur zurückzuführen wäre. Zudem würde ein erzwungener Wechsel die Ratinghistorie vieler Agenturen unterbrechen und die Validierung aufgrund historischer Erfahrungswerte der eigenen Methodologien unmöglich machen. Ferner ist zu bezweifeln, dass es genügend Ratingagenturen mit der notwendigen Expertise und Ressourcenausstattung gibt. Der VÖB fordert deshalb, von einem Rotationssystem derzeit abzusehen und die bisherigen Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenskonflikten, wie die Rotation von Analysten, zu überprüfen. Grundsätzlich ist eine Reduzierung der Abhängigkeit von Ratingagenturen zu begrüßen. Dies sollte jedoch nicht über eine Regulierung der Ratingagenturen, sondern nur durch eine Über arbeitung des Bankaufsichtsrechts geschehen.

Unter kritischer Beobachtung

Die zypriotische Ratspräsidentschaft kommt zu einem Zeitpunkt besonderer europäischer Herausforderungen und steht daher unter besonders kritischer Beobachtung, nicht nur der EU-Mitgliedstaaten. Mit Recht darf die Frage gestellt werden, ob ein so kleiner Mitgliedstaat mit einem besonders sensiblen Bankensektor überhaupt in der Lage ist, das bis Jahresende 2012 anstehende sehr ambitionierte Programm hinreichend zu bewältigen. Letztlich wird es daher umso mehr am Konsens der großen Mitgliedstaaten liegen, die europäischen Vorhaben mit nüchternem Blick auf das ökonomisch Vernünftige und politisch Machbare voran zu treiben. Dem guten Funktionieren der Achse Berlin-Paris und dem guten Einvernehmen der größeren Mitgliedstaaten wird daher auch unter zypriotischer Ratspräsidentschaft eine besondere Bedeutung zukommen.

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