Schwungrad für mehr Innovation und Wachstum: Venture Capital in der Start-up- und Wachstumsphase

Abbildung 1: ERP-Venture-Capital-Fondsinvestments

Dr. Ingrid Hengster, Mitglied des Vorstands, KfW, Frankfurt am Main - Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Markt für Wagniskapital hierzulande zwar noch vergleichsweise klein, aber die Autorin registriert viele hoffnungsvolle Ansätze von Unternehmens- und Gründergeist wie auch zunehmendes Interesse von deutschen wie internationalen Venture-Capital-Investoren. Defizite in dem verfügbaren Kapitalangebot sieht sie insbesondere in der Phase, in der das Wachstum Fahrt aufnimmt und für die jungen Unternehmen eine Erschließung der Märkte ansteht. Zusammen mit dem BMWi will ihr Haus dieser Angebotslücke mit zwei neuen Fonds begegnen. Beide Ansätze wertet sie als Impulsgeber für die Erneuerung der Unternehmenslandschaft in Deutschland. (Red.)

Die deutsche Wirtschaft steht - trotz vieler Herausforderungen - derzeit kerngesund da. Die Konjunktur wartet mit soliden Wachstumsraten auf, die Erwerbstätigkeit liegt auf Rekordniveau und der Bundeshaushalt kombiniert Zukunftsinvestitionen mit stabilen Staatsfinanzen. Globale Vernetzung, Innovationskraft und die breite Vielfalt der Unternehmenslandschaft sind Stärken, mit denen sich der Standort Deutschland immer wieder behauptet. Dieses Erfolgsmodell hat einen Namen: Mittelstand - der in Deutschland so stark und innovativ ist wie in kaum einem anderen Land. Der Mittelstand erfindet sich immer wieder neu, gespeist und herausgefordert von engagierten, mutigen Gründern und jungen Unternehmen, die neue Ideen und Geschäftsmodelle entwickeln und an den Markt bringen.

Standort Deutschland: Gründer und innovative Unternehmen gesucht

Die Lust auf "Zukunft" und "Karriere als selbstständiger Unternehmer" mit eigener Geschäftsidee steht im Fokus der aktuellen Gründergeneration. Jahr für Jahr wagen 800 000 bis 900 000 Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit, so die repräsentativen Erhebungen des KfW-Gründungsmonitors. Die Zahlen zeugen von der enormen Breite und der Dynamik des Reservoirs an Ideen und Geschäftsmodellen, aus denen Deutschland schöpfen kann. Für die Zukunftsfähigkeit des Standorts herausragende Bedeutung besitzen darunter dynamische Start-ups, die technologiegestützte Lösungen entwickeln. Häufig sind es diese jungen Unternehmen, die mit zukunftsweisenden Innovationen den Wandel vorantreiben, ganz neue Chancen und Perspektiven eröffnen.

Es ist erfreulich, dass Deutschland inzwischen über eine lebendige und facettenreiche Start-up-Szene verfügt. Berlin als kreative Hochburg braucht keinen internationalen Vergleich zu scheuen und auch an vielen anderen Orten entstehen erfolgreiche Startup-Cluster. Bei allen Unterschieden ihrer Betätigungsfelder haben die Start-ups eines gemein: Sie brauchen Kapital, um die ersten Schritte zu gehen, ihre Idee am Markt zu realisieren und - wann immer nötig - auch schnell wachsen zu können.

Der Markt für Wagniskapital ist in Deutschland im Vergleich zu Ländern wie den USA oder Großbritannien noch jung und - gemessen an der gesamten Wirtschaftsleistung - noch recht klein. Zahlen der OECD zufolge wird in Relation zum BIP in den USA rund zwölf Mal so viel Wagniskapital investiert wie in Deutschland. Doch die Zeichen in Deutschland stehen auf Wachstum. Die zahlreichen Start-ups und Entrepreneure mit ihren Ideen, ihrem Ehrgeiz und Unternehmergeist ziehen zunehmend das Interesse von deutschen wie internationalen Venture-Capital-Investoren auf sich. Gleichzeitig hat sich die VC-Landschaft in den vergangenen Jahren deutlich ausdifferenziert und professionalisiert. Es wächst eine immer vielfältigere Landschaft an VC-Fonds mit zum Teil hoher Branchenspezialisierung heran. Daneben entdecken Family Offices, konzerneigene Beteiligungsgesellschaften oder Business Angels das inzwischen erwachsener gewordene Wagniskapital-Segment zunehmend für sich.

Indes ist und bleibt der Einstieg bei einem jungen Technologieunternehmen ein Wagnis. Manchmal scheitert eine zunächst überzeugende Idee in der Praxis aus Gründen, die bei aller Analyse und Planung nur schwer vorherzusehen waren. Andere Start-ups wiederum schreiben trotz anfänglicher Schwierigkeiten eine Erfolgsgeschichte, die man nicht erwartet hätte. Solche Erfolgsgeschichten braucht das Land. Aber so wünschenswert es aus gesamtwirtschaftlicher Sicht auch ist, möglichst vielen Hightech-Start-ups finanziell die Chance zu geben, ihre Idee zu verwirklichen, so nachvollziehbar und richtig ist es, wenn Investoren beim Einsatz ihres Kapitals sehr wählerisch sind.

Impulse durch Partnerschaft von privaten und öffentlichen Kapitalgebern

Der volkswirtschaftliche Nutzen eines breiten Kapitalzugangs für junge Technologiefirmen einerseits und das Interesse von Kapitalgebern an Risikobegrenzung durch richtige Investitionsentscheidungen andererseits müssen sich nicht widersprechen. Beide Ziele lassen sich durch einen bewährten Ansatz miteinander vereinbaren: die Partnerschaft zwischen privaten und öffentlichen Kapitalgebern.

Beispielhaft hierfür steht zum einen der Hightech-Gründerfonds, der seit 2005 technologieorientierten Gründern Eigenkapital in der unmittelbaren Gründungsphase und für die ersten Jahre bereitstellt. Die KfW ist nach dem Bund der größte Investor im Hightech-Gründerfonds, an dem auch namhafte Industrieunternehmen beteiligt sind. Zum anderen ist der ERP-Startfonds zu nennen, der sich stets gemeinsam mit privaten Investoren "pari passu", das heißt in gleichem Umfang und zu gleichen Bedingungen, an jungen Technologiefirmen in der Wachstumsphase aus ganz unterschiedlichen Branchen beteiligt und der ebenfalls auf eine über zehnjährige Erfolgsgeschichte zurückblicken kann. Von 2005 bis Anfang 2016 hat der ERP-Startfonds mehr als 500 Unternehmen mit rund 600 Millionen Euro Beteiligungskapital unterstützt.

Venture-Capital-Finanzierung auf zwei Säulen neu aufgestellt

Ein genauerer Blick auf den Markt für Beteiligungsfinanzierungen zeigt dann auch, dass - unter anderem mit dem Hightech-Gründerfonds - für Unternehmen in der Seed- und unmittelbar angrenzenden Start-up-Phase ausreichend Kapital vorhanden ist. Auch für Unternehmen, die den Durchbruch geschafft und sich etabliert haben, ist der Kapitalzugang recht gut. Woran es fehlt, ist ein hinreichendes Kapitalangebot in der Phase, wenn das Wachstum Fahrt aufnimmt und die Unternehmen Märkte erschließen wollen.

Die KfW trägt dieser Angebotslücke Rechnung und erweitert gemeinsam mit dem Bund das Instrumentarium für VC-Finanzierungen. Sie setzt dabei auf marktnahe fondsbasierte Modelle, die auf zwei Säulen beruhen: Zum einen investiert die KfW mit ihrem im April 2015 gestarteten Förderprodukt ERP-Venture-Capital-Fondsinvestments in Venture-Capital-Fonds in Deutschland und Europa, die sich an jungen technologieorientierten Unternehmen in Deutschland beteiligen. Zum zweiten haben die KfW und das ERP-Sondervermögen - vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie - den Co-Investitionsfonds Coparion gegründet, der sich stets gemeinsam mit privaten Investoren direkt an jungen Technologieunternehmen beteiligt. Mit diesen beiden Säulen stellt die KfW dem VC-Markt in den kommenden Jahren insgesamt mehr als 600 Millionen Euro Wagniskapital bereit und hebelt damit ein Investitionsvolumen von insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro.

In dem neuen Förderprodukt ERP-Venture-Capital-Fondsinvestments finden VC-Fonds, die das Kapital unterschiedlicher Investoren bündeln und gezielt in innovative junge Unternehmen investieren, künftig einen neuen Ansprechpartner. Die KfW beteiligt sich sowohl an etablierten Fonds als auch an First Time Teams, also neu gegründeten Fondsgesellschaften. Das Engagement der KfW, insbesondere als signalgebender Ankerinvestor, stärkt nicht nur das Kapital der Fondsgesellschaft, sondern verbessert auch deren Perspektiven, im Rahmen des Fundraisingprozesses weitere in- und ausländische Investoren zu gewinnen. Ein überzeugendes Fondskonzept, eine klare Strategie und eine hohe Qualität des Fondsmanagements zählen zu den Kriterien, die für die KfW bei einer Beteiligung erfüllt sein müssen: Die Qualitätsmaßstäbe müssen hoch sein, wenn der VC-Markt seinen Weg erfolgreich fortsetzen will (Abbildung 1).

Als Förderbank verfolgt die KfW dabei einen branchenoffenen Ansatz. Entsprechend investiert sie nicht nur in Fonds mit Fokus auf E-Commerce und IT, die derzeit eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit genießen, sondern unterstützt auch Fonds mit Fokus auf Branchen wie Biotech, Life Science, Medtech oder Cleantech, also Branchen, von denen nachhaltige Wirkungen für den Technologiestandort Deutschland zu erwarten sind.

Für Investitionen in VC-Fonds stellt die KfW in den nächsten fünf Jahren bis zu 400 Millionen Euro bereit. Damit hebelt sie in den kommenden Jahren ein Investitionsvolumen von insgesamt rund zwei Milliarden Euro. Die bisherigen Rückmeldungen aus dem Markt zu dem neuen Angebot sind sehr positiv. In den ersten zwölf Monaten seit dem Start konnten die Bank bereits mit fünf Fondsgesellschaften Beteiligungen eingehen. Mit einer Reihe weiterer Fondsgesellschaften finden Gespräche und Verhandlungen statt, die zum Teil bereits weit fortgeschritten sind.

Coparion - neuer Co-Investitionsfonds von ERP-Sondervermögen und KfW

Um das Finanzierungsumfeld für junge Hightech-Unternehmen nachhaltig zu stärken, war es zudem erforderlich, neben dem Engagement bei VC-Fonds ein weiteres Finanzierungsangebot zu schaffen, das direkte Beteiligungen von privaten Kapitalgebern an jungen Hightech-Firmen erleichtert. Hierzu haben ERP-Sondervermögen und KfW im März 2016 den Fonds "coparion" aufgesetzt. Dieser agiert als Co-Investmentfonds, der sich stets gemeinsam mit privaten Beteiligungsgebern zu wirtschaftlich gleichen Konditionen bei innovativen Start-ups und jungen Technologieunternehmen engagiert. Zu diesen Kaptalgebern zählen beispielsweise Business Angels, Family Offices oder auch VC-Fonds.

Coparion löst das Neugeschäft des ERP-Starfonds unter dem Dach der KfW ab und operiert als eigenständige Gesellschaft außerhalb der KfW. Geleitet von dem Anspruch, Investoren wie Unternehmen möglichst schnell und effizient zu begleiten, kann das Fondsmanagement Entscheidungen über die Einzelinvestments unabhängig von den Prozessen einer auf das langfristige Kreditgeschäft ausgerichteten Förderbank treffen (Abbildung 2). Coparion ist mit einem Kapital von 225 Millionen Euro ausgestattet. Damit ermöglicht der Fonds ein Investitionsvolumen von bis zu 450 Millionen Euro. Pro Unternehmen kann er bis zu zehn Millionen Euro investieren. Mit einem erfahrenen Managementteam an der Spitze agiert Coparion markt- und performanceorientiert, mit marktüblichen Arbeitsweisen und Erfolgskriterien. Das Fondskonzept umfasst ein klares Bekenntnis zum Prinzip "Qualität vor Quantität" und setzt den Fokus auf Engagements mit einem guten Risiko-Rendite-Profil. Der Fonds hat jüngst die Geschäftstätigkeit aufgenommen und trifft auf eine ermutigende Marktresonanz. Innerhalb der ersten vier Wochen sind bereits Anfragen mit innovativen und viel versprechenden Geschäftsmodellen eingegangen. Das Coparion-Management ist zuversichtlich, noch im Laufe dieses Jahres die ersten Engagements abschließen zu können.

Gute Perspektiven für den deutschen VC-Markt

Die Start-up-Szene in Deutschland hat eine Qualität und Dynamik erreicht, die immer mehr potenzielle Investoren auf den Plan ruft. Es gilt jetzt, diese Entwicklung zu unterstützen und die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass mehr und auch größere Erfolgsgeschichten in Deutschland geschrieben werden können. Noch scheitert manches Technologieunternehmen an der Schwelle zum durchschlagenden Markterfolg, weil ihm die notwendige Skalierung des Geschäfts nicht gelingt. Um dies zu ändern, braucht Deutschland ein Finanzierungsumfeld, in dem Unternehmen auch für ambitioniertes Wachstum genügend Kapitalgeber finden. Daran hapert es leider noch. Dennoch ist Deutschland auf einem guten Weg, jungen Wachstumsunternehmen das Umfeld zu bieten, das sie brauchen, damit sie ihre Erfolgsgeschichte hierzulande nicht nur starten sondern auch langfristig fortschreiben können.

Als Förderbank mit dem notwendigen langen Atem wird die KfW die VC-Landschaft in Deutschland auf ihrem Weg zu einem eigenständig tragfähigen Markt weiterhin konstruktiv begleiten - als Schwungrad für das Wachstum junger, innovativer Technologieunternehmen und als Impulsgeber für die Erneuerung der Unternehmenslandschaft in Deutschland.

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