Der Spagat zwischen Digitalisierung und persönlicher Note

Dr. Ingo Wiedemeier, Foto: Frankfurter Sparkasse (Jochen Kratschmer)

Die Situation ist schwer für die Kreditinstitute. Die Abhängigkeit von dem kontinuierlich zusammenschmelzenden Zinsergebnis ist laut Wiedemeier in den meisten Kreditinstituten weiterhin hoch. Zudem steigen die regulatorischen Kosten immer weiter bei zunehmendem Wettbewerb. Er sieht gerade bei den Filialbanken mit ihrem kostenintensiven Filialnetz in dieser Situation eine besondere Herausforderung. Da gleichzeitig ein Wandel in der Kanalnutzung der Kunden - nochmals beschleunigt durch die Corona-Pandemie - stattfinde, müssen den Sparkassen und anderen Filialbanken der Spagat zwischen Digitalbanking und Präsenz vor Ort gelingen. Die Filiale solle dabei weiterhin das Herzstück bleiben, dennoch müsse das Filialnetz überprüft und dort ausgedünnt werden, wo es betriebswirtschaftlich unumgänglich ist. Zudem werde das Augenmerk auf der Verschlankung von Prozessen und der Digitalisierung von Kundenschnittstellen liegen. (Red.)

Negativ- beziehungsweise Niedrigzinsen, Regulatorik, Digitalisierung und steigender Wettbewerb - dies sind gravierende Herausforderungen, welche seit Jahren in der gesamten Finanzbranche vorherrschen. Die Abhängigkeit vom seit nunmehr über 10 Jahren erodierenden Zinsgeschäft ist in den meisten Kreditinstituten unverändert sehr hoch. Die regulatorischen Vorschriften und damit verbundene Zusatzkosten nehmen stetig zu und es treten immer mehr Wettbewerber in den Markt, die sich im Kampf um den Kunden beteiligen. Hinzu kam im vergangenen Jahr die Corona-Pandemie, die nicht absehbar war und die Ertragslage der Banken und Sparkassen noch einmal deutlich verschärft hat. Anhand dieser Herausforderungen ist deutlich erkennbar, dass es die Banken inzwischen schwer haben, unter diesen Rahmenbedingungen noch profitabel zu arbeiten, zumal die Herausforderungen nicht weniger, sondern auch in Zukunft eher mehr werden. Insbesondere im Pandemiejahr 2020 hat sich zudem eine gut funktionierende und flexible interne Organisation noch einmal mehr ausgezahlt, um schnell und kontinuierlich auf die neue, unbekannte Situation reagieren zu können.

Welche Herausforderungen haben aber insbesondere Filialbanken wie Sparkassen und Volksbanken zu meistern, deren Kundschaft seit jeher einen flächendeckenden Filialservice gewohnt ist? Das Kundenverhalten unterliegt seit Jahren großen Veränderungen. Die Digitalisierung, die weniger auf persönlichen Service vor Ort, als vielmehr auf Onlinebanking mittels PC, Tablet oder Smartphone ausgerichtet ist, macht für viele Kunden den regelmäßigen Besuch vor Ort entbehrlich. Der jederzeitige Zugriff auf Produkte, Dienstleistungen und Beratungs-Chats macht das Banking-Erlebnis rund um die Uhr verfügbar und das völlig ortsunabhängig. Internet-Vergleichsportale machen Konditionen komplett transparent, nicht immer aber die dahinterliegende fehlende Beratungsqualität und Flexibilität der scheinbar günstigsten Anbieter.

Abbildung 1: Entwicklung der Nutzung digitaler Kanäle bei der Frankfurter Sparkasse (Januar bis April 2020) Quelle: zeb-Studie "Nutzung digitaler Kanäle"

Kundenabwanderung und schrumpfende Margen durch Fintechs

Diese Entwicklung setzt die gesamte klassische Finanzbranche unter Druck und immer mehr neue Wettbewerber treten mit immer moderneren Produkten, Prozessen und Dienstleistungen in den Markt. Direktanbieter sparen sich dabei die Investition in teure Vor-Ort-Infrastruktur. Vor allem Fintech-Unternehmen nehmen zunehmend am Wettbewerb teil und sorgen für Kundenabwanderung und schrumpfende Margen bei vielen Banken und Sparkassen. Durch die Corona-Pandemie hat die Entwicklung nochmals an Fahrt aufgenommen. Die Nutzung von digitalen Anwendungen wurde zunehmend größer, während Filialen immer weniger Besucher erfahren. Diese Entwicklung war nicht nur in den Banken wahrzunehmen - auch der stationäre Handel hat vor allem im vergangenen Jahr einen spürbaren Wandel zu verzeichnen. Online-Shopping erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Einzelhändler denken darüber nach, samstags nicht mehr oder die Verkaufsräume nur noch nach Terminvereinbarungen zu öffnen.

Vor allem im vergangenen Jahr wurde unter Corona-Bedingungen bewiesen, dass eine Beratung auf Distanz über Video oder Telefon sowie Services, die zuvor der Bankberater übernommen hat, ebenfalls über das Onlinebanking oder die App möglich sind. Selbst jene Kunden, die zuvor aus verschiedenen Gründen wie beispielsweise aus Gewohnheit, aufgrund der Bevorzugung persönlicher Kontakte mit Menschen oder Komplexität oder aus Datenschutzgründen digitale Services über Onlinebanking oder App nicht genutzt haben, sind auf diesen Zug aufgesprungen und haben sich während der Corona-Zeit mit den digitalen Möglichkeiten auseinandergesetzt.

Auch die Frankfurter Sparkasse hat das geänderte Verhalten und somit der verstärkten Nutzung von Mobile Banking, Onlinebanking oder der Videoberatung wahrgenommen. Die Anzahl der Kontaktpunkte der Kunden nehmen deutlich zu. Doch finden diese nicht mehr ausschließlich in der Filiale statt. Viele der Kunden nutzen stattdessen die Möglichkeiten des digitalen Bankings oder der digitalen Kontaktaufnahme mit ihren Beratern. In konkreten Zahlen ausgedrückt war in den vergangenen Monaten eine Erhöhung der eingehenden Telefonkontakte im Kundenservice-Center um 25 Prozent, der Telefonkontakte des Beraters zum Kunden um 100 Prozent, der Onlinebanking-Nutzungsquote um 25 Prozent sowie der Nutzung des Mobilen Bankings über App um 50 Prozent zu verzeichnen. Der Trend wird auch weiterhin anhalten, da Kunden die Vorteile der Möglichkeiten erkennen, viele Services selbstständig und rund um die Uhr zu erledigen. Analysen gehen davon aus, dass zukünftig nur noch 20 Prozent der Kunden der Frankfurter Sparkasse in einer Filiale vor Ort betreut werden, während sich 60 Prozent situationsbedingt entweder stationär oder digital beraten lassen wollen. Weitere 20 Prozent der Kunden beabsichtigen, ausschließlich über digitale Wege mit der Frankfurter Sparkasse zu kommunizieren.

Laut Ergebnissen der Studie zu "Digital Finance 2020" des Digitalverbandes Bitkom von Anfang 2021 nutzen mittlerweile bereits 73 Prozent aller Bundesbürger in Deutschland digitale Bankangebote. Unter den 30- bis 49-Jährigen nutzt fast jeder (96 Prozent) Onlinebanking. Auch interessant ist das Ergebnis einer telefonischen Umfrage des Digitalverbandes, welches zeigt, dass Digitalisierung und die Nutzung digitaler Bankservices mittlerweile nicht mehr nur für die jüngere Kundschaft relevant ist, sondern auch für die älteren Generationen. So hat sich laut dieser repräsentativen Umfrage der Anteil der Menschen ab 65 Jahren, welche Bankgeschäfte online abwickeln, im vergangenen Jahr von 22 Prozent auf 39 Prozent deutlich erhöht (siehe Abbildung 2).

Enorme finanzielle Ressourcen durch Filialpräsenz gebunden

Ist die Filiale somit ein Auslaufmodell? Sind nicht die Filialen von stationären Banken und Sparkassen eigentlich der langjährige Anker des Kontaktpunktes der Kundschaft zu ihrer Bank vor Ort? Eines steht fest: Die Filialen sind und bleiben weiterhin das Herzstück des Vertriebs und die Basis des Kundengeschäfts von stationären Banken und Sparkassen. Die Kunden spiegeln, dass sie - trotz zunehmender Verlagerung hin zu digitalen Anwendungen - auf die Filiale in ihrer Nähe nicht verzichten wollen. Vor dem Hintergrund, dass jedoch die Aufrechterhaltung lokaler Filialpräsenz zusätzlich zu enormen Investitionserfordernissen in die neue digitale Welt, enorme finanzielle Ressourcen bindet, nehmen alle Filialbanken ihr Filialnetz aufgrund betriebswirtschaftlicher Gründe und aufgrund des geänderten Kundenverhaltens verstärkt unter die Lupe und dünnen ihr Filialnetz -- dort wo es betriebswirtschaftlich unumgänglich ist - aus.

Alle diese Entwicklungen zeigen, dass viele Filialbanken in den vergangenen Jahren einen Transformationsprozess anstoßen, um langfristig im hart umkämpften Finanzmarkt überleben zu können.

Das Resultat ist eine starke Dynamik hinsichtlich der Anpassung der Geschäftsmodelle. Dabei ist es erforderlich, dass sich klassische Filialbanken strategisch neu ausrichten, um in diesem hart umkämpften Wettbewerb mittel- und langfristig mitzuhalten. Der Spagat einer Filialbank wie der Sparkasse liegt insbesondere darin, die ursprünglichen Werte und die Philosophie beispielsweise hinsichtlich der Kundennähe und dem Qualitätsanspruch zu bewahren, die diese Banken und Sparkassen seit Beginn des Bestehens ausmachen und gleichzeitig die Entwicklungen der Digitalisierung so mitzugehen, dass sie allen Bedürfnissen ihrer zukünftigen Kunden gerecht werden. Um sich von Mitbewerbern abzugrenzen, benötigt es neben dem zeitgerechten Ausbau der digitalen Services und Beratungsangebote einer persönlichen Nähe, welche die Bank oder Sparkasse von morgen ausmacht.

1822 gegründet, um Geringverdienern und Handwerkern die Möglichkeit zu geben, ihre Ersparnisse sicher anzulegen - die Frankfurter Sparkasse ist die Bank vor Ort, tief verankert in der Region Frankfurt und Rhein-Main und den dort lebendenden und arbeitenden Menschen kulturell und sozial stark verbunden, eine der größten Sparkassen Deutschlands und Marktführerin im Privatkundengeschäft im Rhein-Main-Gebiet. Sparkassen wie die Frankfurter beweisen, dass sie im harten Wettbewerb am Finanzplatz Frankfurt mithalten können. Die Domänen der Sparkassen sind eine qualifizierte und individuell auf ihre Kunden zugeschnittene Beratung sowie die regionale Verbundenheit. Die Sparkasse und ihre Mitarbeitenden kennen die Region, ihre Menschen und deren Eigenheiten. Das ist die persönliche Nähe, welche vor allem Filialbanken wie die Frankfurter Sparkasse mit sich bringen.

Die Frankfurter Sparkasse befindet sich aufgrund des geschilderten Wandels derzeit mitten in einem Transformationsprozess, um langfristig ihre Position am Finanzplatz in Frankfurt zu sichern. In diesem Wandlungsprozess stehen insbesondere der Ausbau des digitalen Vertriebs, die Schaffung von schlanken und effizienten Prozessen sowie die Digitalisierung von Kundenschnittstellen stark im Vordergrund. Dabei müssen vor allem veraltete Strukturen aufgebrochen werden, um genau an den notwendigen Stellen Einheiten zusammenzulegen und Aufgaben zu bündeln und dementsprechend Kräfte dort einzusetzen, wo sie an anderer Stelle zukünftig benötigt werden. Den vorgenannten Entwicklungen entsprechend werden die digitalen Möglichkeiten noch stärker ausgebaut als in den Jahren zuvor, um allen Kunden den Service oder die Beratung zu ermöglichen, die sie benötigen.

Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter gefragt

Auch die Veränderungsbereitschaft der eigenen Mitarbeiter ist gefragt, denn nur mit ihnen kann der Weg der neuen Strategie bestritten werden. Hierunter wird vor allem das gemeinsame Verständnis und die Überzeugung subsumiert, dass Veränderungen und die Entwicklungen in die digitale Welt notwendige Schritte sind, um die Sparkasse weiterhin zukunftsfähig aufzustellen.

Den Spagat zwischen Digitalisierung und persönlicher Nähe stellt im Transformationsprozess eine besondere Herausforderung dar, ist aber zusammen mit den Werten der Sparkasse vereinbar und zu meistern. Die Sparkasse wird sich weiterhin kundenorientiert aufstellen und ihre Kundschaft auf den Wegen beraten, wie sie es wünschen. Noch nicht alle Kundinnen und Kunden wollen ausschließlich über den digitalen Kanal beraten werden. Im Zielbild ergänzen sich somit ein fokussiertes, leistungsstarkes und wettbewerbsfähiges Filialnetz sowie ein ausgebautes und umfangreiches Angebot von digitalen Services und Beratungen. Nähe heißt nicht mehr nur unbedingt vor Ort sein, sondern Nähe bedeutet mittlerweile, sich den Kundenbedürfnissen entsprechend anzupassen und dann und dort zu sein, wo die Kunden die Angebote der Sparkasse nachfragen.

Der Fokus der Frankfurter Sparkasse liegt immer auf den Bedürfnissen der Kundschaft. Das Unternehmensleitbild mit seinen Grundsätzen, nach denen es sich ausrichtet, die einen motivieren und nach denen gestrebt wird, sind unter anderem Leistungsbereitschaft, Engagement, Dienstleistungsmentalität und ein soziales Miteinander. Diese Werte beschreiben, wie sehr sich das Institut auf seine Kunden einstellt, ihre Bedürfnisse versteht, auf sie eingeht und wie wichtig es ist, noch besser in allen Belangen zu werden. Veränderungsbereitschaft ist dabei fester Bestandteil der Unternehmensstrategie der Frankfurter Sparkasse, da sie sich seit ihrer Gründung 1822 stetig verändern und flexibel ausrichten und manchmal auch neue, unkonventionelle Wege gehen musste, um bereits heute fast 200 Jahre am Markt zu bestehen.

Entwicklung der Nutzung des Onlinebankings (in Prozent) Quelle: Bitkom - Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.

Gesellschaftliche Verantwortung

Abschließend sollte noch einmal hervorgehoben werden, was eine lokale, stationäre Bank von einem rein digitalen Anbieter unterscheidet: Insbesondere ist es die gesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Menschen in der Region, die sie wahrnimmt. Es sind vor allem die regionalen Banken und Sparkassen, die sich gesellschaftlich durch vielfältige Projekte in den Bereichen Kultur, Soziales, Heimat oder Bildung engagieren. So unterstützt die Frankfurter Sparkasse beispielsweise neben den wiederkehrenden Projekten wie dem Frankfurter Bürgerpreis, dem Universitätspreis, Stoltze-Museum oder die Frankfurter Schulmusiktage in noch vielen weiteren Projekten ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger der Stadt und des Rhein-Main-Gebiets.

Sparkasse als Ansprechpartner und Vermittler

In den Jahren seit Bestehen der Frankfurter Sparkasse hat sie sich ebenfalls ein großes regionales Netzwerk in der Region in und rund um Frankfurt aufgebaut. So baut sie die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ansprechpartnern, Organisationen und Einrichtungen stetig aus. Dieses Netzwerk kommt auch dem Stiftungs- und Nachlassmanagement der Frankfurter Sparkasse zugute, das sich über Jahrzehnte hinweg als zuverlässiger und kompetenter Partner bei der Gründung und Verwaltung von mittlerweile insgesamt rund 80 Kundenstiftungen etabliert hat. Stiftungen sind neben Spenden und Sponsoring ebenfalls Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements und verbinden ideelles und materielles Engagement für die Gemeinschaft. Mit der langjährigen Expertise zählt das Stiftungs- und Nachlassmanagement der Frankfurter Sparkasse in diesem Bereich zu den ersten Adressen im Stadtgebiet und der gesamten Region. Auch mit ihren drei eigenen Stiftungen der Frankfurter Bürgerhilfe, der Stiftung der Frankfurter Sparkasse und der Main-Frankfurt-Stiftung. So ist die Frankfurter Sparkasse Ansprechpartner und Vermittler zwischen ihrer Kundschaft und relevanten Organisationen und Einrichtungen in der Region.

All diese Besonderheiten, das kundenorientierte Denken sowie das Miteinander in der Region sind entscheidende Faktoren, um den Spagat zwischen den Entwicklungen in der Digitalisierung und der persönlichen Note zu schaffen. Die Menschen in der Region wollen auch weiterhin einen persönlichen Ansprechpartner in verschiedenen Finanzangelegenheiten an ihrer Seite haben, ob vor Ort oder über digitale Medien. Mit den Werten, welche eine Sparkasse oder Bank vor Ort ausmachen und dem gleichzeitigen Ausbau digitaler Methoden, um den wandelnden Kundenbedürfnissen zu entsprechen, sind die Herausforderungen auch in Zukunft zu meistern.

Dr. Ingo Wiedemeier , Vorsitzender des Vorstands , Frankfurter Sparkasse

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