Sparkassen auch in der Krise leistungsfähig - Regulierung darf Kreditvergabe nicht behindern

Peter Schneider, Foto: Ines Rudel_SVBW

Die Corona-Krise wird die Gesellschaft noch lange beschäftigen. Davon ist der Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg überzeugt. Dennoch sieht er die Zeit reif für ein erstens Zwischenfazit. Schneider ist der Überzeugung, dass der öffentlich-rechtliche Verbund in der Krise gut funktioniert. Sowohl die Versorgung der Kunden und die internen neuen Arbeitsabläufe hätten reibungslos geklappt. Damit das aber auch weiterhin in der anhaltenden Krise funktionieren kann, fordert er dazu auf, eine Generaldebatte über die Regulierung zu führen. Er lobt zudem die schnellen temporären Erleichterungen der Aufsicht. Es drohe aber bei einer Rückkehr zu harter Regulierung eine Kreditklemme für die Wirtschaft. So fordert Schneider unter anderem, die finale Umsetzung von Basel III auf den Prüfstand zu stellen. Überdenkenswert sei auch der immer größer werdende Datenhunger im Meldewesen an die Aufsichtsbehörden. (Red.)

Die Folgen der Corona-Pandemie werden das Land noch lange beschäftigen. Durch die gleichzeitige Betroffenheit vieler Branchen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite unterscheidet sich die Corona-Krise von früheren Wirtschaftskrisen. Unabhängig von der Frage, ob eine zweite Infektionswelle droht, hat die Pandemie schon jetzt ein viel höheres Krisenpotenzial als es zum Beispiel die Finanzkrise hatte.

Wenn auch aktuell niemand verlässlich abschätzen kann, wie groß der Konjunktureinbruch am Ende sein wird, sind sich alle Experten einig: Es ist die größte Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Deutschland und insbesondere Baden-Württemberg sind in dieser Krise besonders exponiert, da sie mit ihrer exportorientierten Wirtschaft stärker als andere von internationalen Entwicklungen abhängig sind.

Erste Erkenntnisse

Auch wenn es noch mitten in der Krise ist, können einige Erkenntnisse heute bereits festgehalten werden: 1. Der öffentlich-rechtliche Verbund funktioniert. Deutschland kann froh sein, dass es ihn gibt. Seit dem ersten Tag der Krise stehen die 51 Sparkassen in Baden-Württemberg ebenso wie ihre Verbundunternehmen, die LBBW, die SV Sparkassenversicherung und die LBS Südwest, an der Seite ihrer Kunden. Sie sind bereit, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise so gut es geht abzufedern. Dafür konnten zum Glück in den vergangenen, wirtschaftlich guten Jahren Reserven ausgebaut werden, die jetzt eine hohe Risikotragfähigkeit ermöglichen.

s-26_grafik-1_entwicklung_vxl.jpg

Ziel der Sparkassen war und ist es, ihren Kunden in der Corona-Krise schnell zu helfen. So wurde die Kreditvergabe deutlich ausgeweitet. Gleichzeitig erfahren die Kunden in diesen Tagen, wie wertvoll eine Hausbank mit persönlichem Kontakt und einem flächendeckenden Filialangebot ist - gerade im Vergleich zu den sogenannten Direktbanken. Ihr vermeintlicher Kostenvorteil wird in der Krise zum Nachteil, wenn statt eines direkten Kontakts nur ein Callcenter irgendwo auf der Welt für anspruchsvolle Fragen und drängende Probleme zur Verfügung steht - zum Beispiel wenn es um eine passgenaue Förderung zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses geht.

Umsicht bei der Kreditvergabe

Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 stiegen die Kreditzusagen bei den baden-württembergischen Sparkassen für Unternehmenskunden gegenüber dem Vorjahreszeitraum um eine Milliarde Euro. Gemeinsam mit den Krediten an Privatkunden und weitere Darlehensnehmer wuchs der Kreditbestand der Sparkassen in Baden-Württemberg damit Ende Mai auf über 139 Milliarden Euro - ein Plus von rund 6,2 Milliarden Euro gegenüber dem Stand Ende Mai 2019. In den Krisenmonaten März bis Mai lagen die Kreditzusagen gut 50 Prozent über dem Jahresanfang.

Gleichzeitig ermöglichten die Sparkassen bis Anfang Juli über 48 000 Privat- und Firmenkunden, ihre Kreditraten für mindestens drei Monate auszusetzen. Insgesamt stunden sie ihren Kunden damit eine Summe von über 900 Millionen Euro. Viele nutzen die Möglichkeit, bei den Ratenzahlungen nicht nur drei Monate zu pausieren, sondern bis zu neun Monate. In vielen Tausend Beratungsgesprächen haben die Sparkassen mit ihren Kunden Lösungen für finanzielle Engpässe gesucht und gefunden.

Neben der Aussetzung von Ratenzahlungen handelt es sich dabei in erster Linie um neue Kredite, Überbrückungsgelder und natürlich die Zuschuss- und Förderkreditangebote aus den Programmen der staatlichen Förderbank KfW sowie der landeseigenen L-Bank und der Bürgschaftsbank. Bis Anfang Juli haben die Sparkassen über die LBBW rund 3 650 Kreditanträge ihrer Kunden mit einem Volumen von 1,48 Milliarden Euro an die KfW weitergereicht. Darüber hinaus gingen rund 200 Kreditanträge mit einem Volumen von gut 50 Millionen Euro an die landeseigene L-Bank.

Bei der Kreditvergabe agieren die Sparkassen mit Umsicht. Grundsätzlich gilt, dass neue Kredite, selbst wenn sie mit einer Haftungsfreistellung des Staates verbunden sind, zu Zins- und Tilgungsleistungen führen, die der Kreditnehmer tragen muss. Den Kunden ist nur mit einem Kredit geholfen, der ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht überfordert. Die Sparkassen prüfen die Kreditanträge so zügig wie möglich, aber auch mit der notwendigen Sorgfalt und tragen damit auch den Anforderungen der Aufsicht und der Förderbanken Rechnung.

Gerade bei den Förderkrediten zeigt sich besonders die Leistungsfähigkeit im Verbund. Das Know-how bündelt die Sparkassen-Finanzgruppe in einer eigenen Abteilung in der LBBW. Über 100 Mitarbeiter sind Spezialisten für Förderkredite. Sie arbeiten an den Standorten Stuttgart, Mannheim, Mainz und Leipzig direkt mit den Sparkassen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz sowie in Sachsen auf der einen Seite und den Förderbanken auf der anderen Seite zusammen. Allein zwischen März und Anfang Juli hat die LBBW- Abteilung über 4 000 Anträge mit einem Volumen von rund vier Milliarden Euro bearbeitet.

Aber auch weit über das Förderkreditgeschäft hinaus hat die Zusammenarbeit im Verbund sehr gut funktioniert. So hatte dank der Liquiditätsabsicherung der LBBW keine Sparkasse in Baden-Württemberg zu irgendeinem Zeitpunkt Engpässe. Einmal mehr konnten sich die Primärinstitute auf ihre Zentralbank verlassen.

2. Eigenkapital macht Sparkassen krisenfest. Sparkassen sind als Teil der Wirtschaft in der Rezession durch Wertpapier- und Kreditabschreibungen ebenfalls betroffen und zugleich als Kreditgeber durch ihren öffentlichen Auftrag extrem gefordert. Die Kunden der Sparkassen werden durch die Soforthilfen und die Kreditprogramme des Bundes und der Länder zwar entlastet, auf die Sparkassen selbst kommen dennoch große Herausforderungen zu: Trotz der Hilfsprogramme werden nicht alle Unternehmen gut durch die Krise kommen. So werden die Sparkassen belastet, auch wenn ihr Kreditportfolio mit einem hohen Anteil an Privatkundendarlehen breit diversifiziert ist.

Erhöhte Risikovorsorge

So werden die Sparkassen in Baden-Württemberg in diesem Jahr ihre Risikovorsorge deutlich erhöhen. Im Jahr 2009, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, hatten sie rund 600 Millionen Euro Vorsorge gebildet. Blickt man jetzt auf die betroffenen Branchen, so könnten diesmal diese Beträge je nach Krisenverlauf sogar noch übertroffen werden. Da gleichzeitig die Geldpolitik der EZB die Ergebnisse belastet, müssen die Sparkassen damit rechnen, dass das Betriebsergebnis stark schrumpfen wird.

s-28_grafik-2_kredite_vxl.jpg

Daher ist der SVBW froh, dass die Träger aller Sparkassen in Baden-Württemberg seine Strategie seit der Finanzkrise mitgetragen haben: Gewinne werden nicht ausgeschüttet, sondern mit ihnen wird das Eigenkapital der baden-württembergischen Sparkassen gestärkt. Anfang 2009 waren es noch knapp 13 Milliarden Euro. Ende 2019 hatten die Sparkassen rund 22 Milliarden Euro Eigenkapital gebildet. Das erweist sich jetzt als großer Vorteil, denn es ist ein solides Polster für die Kreditvergabe und mögliche Ausfälle.

3. Digitales Arbeiten in der Sparkassen-Finanzgruppe klappt aus dem Stand. Die Corona-Krise war auch ein Stresstest für die IT-Systeme und die Flexibilität der Beschäftigten. Wer hätte noch im Februar gedacht, dass sich Tausende Arbeitsplätze innerhalb weniger Tage ins Homeoffice verlagern lassen, ohne dass Kundenberatung und Abstimmung untereinander Schaden nehmen?

Stresstest für die IT-Systeme

Seit den ersten Tagen der Krise sorgen die rund 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg dafür, dass wichtige Kernelemente des Finanzwesens - zum Beispiel die Bargeldversorgung, der Zahlungsverkehr und das Wertpapiergeschäft - weiter problemlos vollumfänglich zur Verfügung stehen. Den Beratern ist der SVBW sehr dankbar, dass sie trotz eigener Einschränkung durch Kontaktverbot, Homeoffice und Schul- beziehungsweise Kitaschließungen so engagiert arbeiten.

Dabei zeigte auch der zentrale IT-Dienstleister, die Finanz Informatik, was sie kann: Die Kapazität der Leitungen konnte schnell ausgebaut werden, weitere Hardware - zum Beispiel viele weitere Token für die sichere Einwahl in die IT-Systeme von zu Hause aus - stand rasch zur Verfügung.

s-28_grafik-3_antraege__vxl.jpg

4. DSGV und Regionalverbände ergänzen sich. Die Vielfalt der Länder spiegelt sich in Verbänden. Die Krise hat auch gezeigt, dass die Sparkassen-Finanzgruppe mit einem Dachverband und den Regionalverbänden sehr gut aufgestellt ist. Während der Deutsche Sparkassen- und Giroverband in der Bundespolitik und auf europäischer Ebene aktiv war, konnten die Regionalverbände vor Ort die 16 Landesregierungen kompetent und schnell beraten. Allein in Baden-Württemberg hat die Landesregierung seit Beginn der Krise in vielen Telefon- und Videokonferenzen die Kreditverbände um ihre Einschätzung gebeten und konkrete Vorschläge, zum Beispiel für die Ausgestaltung von Förderprogrammen, übernommen und in die Diskussion auf Bundesebene eingebracht. Gleichzeitig standen Abgeordnete, aber auch die landeseigene Förderbank (L-Bank) sowie die Regionaldirektion der Bundesbank in einem engen und direkten Austausch mit dem Sparkassenverband Baden-Württemberg.

Auch die Sparkassen haben in der Krise einmal mehr erfahren, wie wichtig vertraute und kompetente Ansprechpartnerinnen und -partner im Regionalverband sind. Der Sparkassenverband Baden-Württemberg unterstützt die Sparkassen in allen übergeordneten und vielen praktischen Fragen - zum Beispiel zur Vergabe von Förderkrediten und zum Aufsichtsrecht. Gleichzeitig hat die Sparkassenakademie seit Beginn der Krise 500 Webinare mit über 5 000 Teilnehmern zu vielen Themen im Zusammenhang mit der Corona-Krise angeboten.

Die Stimmen, die die Verbandsstruktur der Sparkassen-Finanzgruppe als ineffizient und veraltet kritisiert haben, waren seit Anfang März nicht mehr zu hören. Denn das Gegenteil ist der Fall: Die Struktur hat sich bewährt - gerade auch, weil die Bundesrepublik Deutschland 16 starke Landesregierungen hat, die sich mit ihrer ganzen Kraft gegen die Folgen der Pandemie stellen.

5. Es braucht eine Generaldebatte darüber, welche Art von Regulierung und Aufsicht in Zukunft sinnvoll ist. Es ist erfreulich, dass neben der Politik auch die Aufsicht rasch reagiert hat, insbesondere mit Erleichterungen bei Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen. Der Sparkassenverband Baden-Württemberg hat bereits Mitte März konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung staatlicher Förderprogramme und für Erleichterungen im Aufsichtsrecht vorgestellt. Wir haben unsere Sichtweise in die politische Diskussion eingebracht und sind dankbar, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg, insbesondere die Wirtschafts- und auch die Finanzministerin, viele Punkte aufgegriffen haben.

Erleichterungen für Banken durch "CRR quick fix"

Allerdings braucht es eine Generaldebatte, welche Art von Regulierung und Aufsicht in Zukunft sinnvoll ist. Eine Aufsicht, die viele Vorschriften in den ersten Tagen einer schweren Krise gleich wieder über Bord werfen muss, muss sicher verändert werden. Es stimmen alle darin überein, dass das Leben nach Corona nicht mehr das gleiche sein wird, wie vor der Pandemie. Trotzdem plant die Aufsicht, alle Veränderungen und Erleichterungen wieder zurückzudrehen.

Es stimmt hoffnungsvoll, dass die EU-Kommission gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und dem Rat in vergleichsweise kurzer Zeit die EU-Bankenverordnung an einigen Punkten korrigiert hat. Dieser "CRR quick fix" bringt für die Sparkassen und Banken einige Erleichterungen. Die Regelungen müssen jedoch durch weitere ergänzt werden, um insbesondere den krisenverstärkenden Auswirkungen einiger Regelungen wirksam Einhalt zu gebieten. Im Mittelpunkt muss dabei stehen, dass die Fähigkeit der Institute, Kredite zu vergeben, nicht eingeschränkt werden darf.

Zunehmender Datenhunger

Auf den Prüfstand gehört deshalb auch die finale Umsetzung von Basel III in Europa. Mit regulatorischen Eigenkapitalerhöhungen für die Kreditvergabe von bis zu 40 Prozent, wie Proberechnungen zeigen, ist eine Kreditklemme für die Realwirtschaft absehbar. Das konterkariert auch die wirtschaftliche Erholung Europas nach der Corona-Krise. Ebenso darf sich die Nachhaltigkeit zu keinem bürokratischen Regulierungsmonster für die Kreditinstitute entwickeln und stabilitätsgefährdende Fehlanreize setzen, da grüne Investitionen nicht automatisch risikoärmer sind.

Außerdem müssen in der Bankenregulierung die Kosten in den Blick genommen werden, die jede Sparkasse und Bank direkt schultern muss: Die Rechnungen der BaFin, der Bundesbank, der Europäischen Bankenaufsicht, der EZB et cetera: Alle diese Einrichtungen sind in den vergangenen Jahren mit dem Segen der Politik stark gewachsen und schicken jetzt ihre immer höheren Rechnungen an die Kreditinstitute, die von ihnen beaufsichtigt werden. Wenn es schon keine Reduzierung gibt, muss wenigstens der Status quo eingefroren werden. Auch die Bankenabgabe ist ein Ärgernis, da die meisten Sparkassen und Banken sie zwar jedes Jahr zahlen, aber davon nie profitieren werden. Wenigstens die steuerliche Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe muss im deutschen Steuerrecht verankert werden.

Hinzu kommt ein Meldewesen, das einem nicht zu stoppenden Datenhunger der verschiedenen Aufsichtsbehörden zu dienen versucht. Dies ist auf der einen Seite verständlich, denn jede Behörde will natürlich nachweisen, wie gründlich sie die von ihr beaufsichtigten Institute im Blick hat. Die Corona-Pandemie führt hier jedoch nicht zu einem Einlenken, sondern die Sparkassen und Banken sollen jetzt noch mehr Daten liefern. Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat dazu Anfang Juni eine europäische Vorgabe veröffentlicht, die noch in nationales Recht umgesetzt werden muss. Auch wenn die Verbände dabei soweit möglich helfen, brauchen wir ein Moratorium für immer neue Abfragen und die Umsetzung der mit der "Small Banking Box" versprochenen Erleichterungen von 10 bis 20 Prozent im Meldewesen für kleinere Kreditinstitute. Das kann jedoch nur ein Anfang sein für eine proportionale Ausgestaltung der Bankenregulierung in Europa.

Es stimmt, dass die Sparkassen und Banken deutlich stabiler in diese Krise gegangenen sind als es 2007 der Fall war. Insbesondere die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung ist viel besser. Aber diese Stabilität erhält sich nicht von selbst. Regulierung und Aufsicht müssen sie verstärkt in den Blick nehmen und alle bestehenden und neuen Anforderungen daraufhin prüfen, welcher finanzielle und personelle Aufwand damit für die Sparkassen und Banken verbunden ist.

Peter Schneider Präsident, Sparkassenverband Baden- Württemberg, Stuttgart
Peter Schneider , Präsident , Sparkassenverband Baden-Württemberg e.V., Stuttgart

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X