Sparkassen - Modell mit Zukunft

Gerhard Grandke, Foto: SGVHT

Die aktuelle Geldpolitik der Notenbanken registriert der Autor auf absehbare Zeit als Beschränkung der Ertragsseite von Banken und Sparkassen. Und auch in Regulierungsfragen erwartet er trotz der Verabschiedung des Bankenpaketes keine Entspannung, sondern eher einen wachsenden Datenhunger der zuständigen Instanzen. Vor diesem Hintergrund betont er als wichtige Handlungsoptionen der Sparkassen in Zeiten der Digitalisierung besonders die Fortschritte bei diversen Produkten und Dienstleistungen im Zahlungsverkehr sowie Aktivitäten beim Auf- und Ausbau einer Finanzplattform als Reaktion auf das veränderte Kundenverhalten. Die Filialen sieht er in diesem Anpassungsprozess zwar ebenfalls einem Wandel weg von reinen Servicefunktionen unterzogen, verweist aber auf ihre anhaltend große Bedeutung bei komplexen Finanzthemen. In allen Altersgruppen attestiert er der stationären Verankerung einen hohen Stellenwert bei der Stärkung der regionale Verwurzelung der Institute und der Wahrung der persönlichen Kundenkontakte und damit als Sinnbild für die öffentliche Daseinsvorsorge. (Red.)

Der Deutsche Sparkassentag bietet traditionell eine gute Gelegenheit, sich mit Grundsatzfragen zu beschäftigen, die für die Sparkassen-Finanzgruppe in Zukunft von Bedeutung sein werden. Das wird auch in Hamburg der Fall sein. Denn Herausforderungen gibt es zur Genüge.

Dauerniedrigzinsphase und regulatorischer Wandel

Die künftigen Herausforderungen sind nicht neu, sondern eher alte Bekannte. Das gilt vor allem für die Dauerniedrigzinsphase, die ein Erbe der Weltfinanzkrise von 2007/2008 ist. Während in den USA die Zinswende längst begonnen hat, ist in Europa ein Ende der ultraexpansiven Geldpolitik der EZB nicht in Sicht. Die Sparkassen müssen deshalb wie die gesamte Branche weiterhin mit sinkenden Zinsüberschüssen leben - und das, obwohl sie ihr Kundengeschäft ausbauen. Die dauertiefen Zinsen verhindern, dass sie auch auf der Ertragsseite die Früchte ihres Erfolges ernten können.

Banken und Sparkassen müssen zudem mit einem wachsenden Verwaltungsaufwand rechnen, der sich aus den ständig komplexer werdenden regulatorischen Anforderungen ergibt. Allein 2018 sind Großprojekte wie MiFID II, PSD2, die Datenschutzgrundverordnung und im Meldewesen das Register Ana-Credit für Unternehmenskredite in Kraft getreten. Jedes dieser neuen Themen hat es in sich. Dazu kommen immer wieder neue aufsichtliche Anforderungen und Auslegungen, die oft eine Neuausrichtung der Prozesse nach sich ziehen. Auch die regulatorischen Routinen binden Ressourcen. In der Summe und in der Synchronität bringt die Regulatorik vor allem kleine Häuser an ihre Grenzen. Das EU-Bankenpaket versucht gegenzusteuern. Das ist zu begrüßen. Die dort formulierte Devise nach mehr Proportionalität muss aber auch gelebt werden. Denn in der Praxis wächst der Datenhunger der Aufsicht ungebremst weiter. Davon zeugen zum Beispiel der umfangreichere LSI-Stresstest, die neue Umfrage zu Immobilienfinanzierungen und das neue ILAAP-Meldewesen zur Liquiditätsrisikosteuerung.

Digitaler Wandel

Die dritte große Herausforderung ist der digitale Wandel. Er hat für die Sparkassen zwei Aspekte. Der erste ist der wachsende Wettbewerb mit Fintechs und den Weltkonzernen, die immer tiefer in den Markt für Finanzdienstleistungen eindringen. Diese Konkurrenz ist ernst zu nehmen und zugleich selbstbewusst anzugehen. Denn gerade im umkämpften Zahlungsverkehr ist die Sparkassenorganisation schon lange Standardsetzer und innovativer Treiber. Mit der Girocard sind die Sparkassen wie die gesamte Deutsche Kreditwirtschaft schon lange erfolgreich am Point of Sale präsent. Im 1. Halbjahr 2018 stiegen die Bezahlvorgänge mit dieser Karte um 14,4 Prozent auf fast 1,8 Milliarden und der Umsatz um 11,7 Prozent auf 87 Milliarden Euro. Die Menschen akzeptieren die Girocard, weil sie sicher und zuverlässig ist.

Die Sparkassen haben die Girocard ins digitale Zeitalter überführt. Sie wurde erst mit einer Kontaktlosfunktion ausgestattet und dann ins Smartphone integriert. Seit Juli 2018 können Sparkassenkunden mobil und kontaktlos zahlen. Im Januar 2019 wurde die millionste Transaktion durchgeführt. Auch die Echtzeitüberweisung haben die Sparkassen früh für sich entdeckt. Ende 2017 haben sie das Handy-zu-Handy-Zahlverfahren Kwitt eingeführt, das inzwischen 1,3 Millionen Nutzer hat. Seit Juli 2018 kann auch via Internet-Filiale und Sparkassen-App Geld überwiesen werden, das innerhalb weniger Sekunden auf dem Empfängerkonto gutgeschrieben wird. Sparkassenkunden führen bereits rund 60 000 Echtzeitüberweisungen am Tag durch.

Mit anderen Banken bieten die Sparkassen im E-Commerce mit Paydirekt ein Bezahlverfahren an, das mit Leistungsfähigkeit, Servern im Inland und hohen Sicherheitsstandards punktet. Im elektronischen Zahlungsverkehr mit den Kommunen hat die Sparkassenorganisation mit Giro-Check out ein sicheres und kostengünstiges Produkt im Einsatz. Dank dem S-Rechnungsservice können Kommunen schon heute elektronische Rechnungen empfangen und verarbeiten, wie es ab April 2020 gesetzlich vorgeschrieben ist.

Die Sparkassenorganisation bietet ihren Kunden im Zahlungsverkehr eine leistungsfähige Infrastruktur aus einem Guss, die stetig weiterentwickelt wird. So soll Kwitt noch 2019 um eine Händler-App ergänzt werden, die vor allem für kleine Gewerbetreibende interessant ist, die kein Karten-Terminal haben. Auch Sammelüberweisungen in Echtzeit sind geplant.

Finanzplattform als Reaktion auf das veränderte Kundenverhalten

Der zweite Aspekt des digitalen Wandels ist das veränderte Kundenverhalten. Viele Sparkassenkunden möchten für Transaktionen wie den Zahlungsverkehr oder den Abschluss von einfacheren Produkten nicht mehr in die Filiale gehen, sondern sie direkt im Internet abschließen. Sie erwarten ein umfassendes digitales Angebot, das reibungslos funktioniert und einfach zu bedienen ist - also das, was die Sparkassen mit der Internet-Filiale und ihrer App liefern, die von Stiftung Warentest zur besten Banking-App gekürt wurde.

Internet-Filiale und Sparkassen-App sind der Ansatzpunkt für das wichtigste Digitalisierungsprojekt, das die Sparkassenorganisation derzeit umsetzt. Beide sollen sukzessive zu einem digitalen Ökosystem in Form einer Finanzplattform ausgebaut werden, die für den Kunden die zentrale Anlaufstelle für all seine Finanzfragen sein wird. Durch die Einbindung von Drittanbietern soll der Kunde Zugang zu erweiterten Dienstleistungen und Mehrwerten bekommen, was das gefühlte Preis-Leistungs-Verhältnis verbessern wird und die Gewinnung neuer Kunden möglich macht. Der Ausbau soll sukzessive erfolgen. Noch 2019 wird es eine automatische Kategorisierung und grafische Aufbereitung der Umsätze, eine Kontostandsprognose sowie einen Vertragscheck geben.

Mit der neuen Finanzplattform erhält der Kunde Zugang zu einem deutlich erweiterten Serviceangebot im Internet und kann gleichzeitig auf Beratung zurückgreifen, die vor allem bei komplexen Finanzthemen von allen Altersgruppen weiter genutzt wird. Befragungen zeigen, dass vor allem der persönliche Kontakt und die persönliche Nähe in die Kundenzufriedenheit einzahlen.

So liegt die Gesamtzufriedenheit bei Kunden, die ein Beratungsgespräch hatten, bei den Sparkassen in Hessen und Thüringen um 15 Prozentpunkte höher als ohne Beratung. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird nach der Beratung um 8 Prozentpunkte, die Kundenbetreuung sogar um 24 Prozentpunkte besser beurteilt. Auch das Image, die Treue und die Weiterempfehlungsbereitschaft verbessern sich deutlich.

Filialen als Sinnbild für die öffentliche Daseinsvorsorge

Wegen der hybriden Wünsche ihrer Kunden halten die Sparkassen die verschiedensten Zugangskanäle offen. Das gilt auch für die Filialen, die immer weniger frequentiert werden. Viele Institute haben ihr Filialnetz dem veränderten Kundenverhalten angepasst. Die Sparkassen werden sich aber nicht wie andere Banken aus der Fläche zurückziehen, sondern dafür sorgen, dass überall eine Grundversorgung in vertretbarer Nähe existiert. Das ergibt sich aus dem öffentlichen Auftrag, der für sie weiterhin handlungsleitend sein wird. Die Filiale ist ein Sinnbild für die öffentliche Daseinsvorsorge der Sparkassen. Sie steht für deren regionale Verwurzelung und persönlichen Kundenkontakt, die schon immer den Erfolg der Sparkassen ausmachen.

Mit ihrem Multikanalansatz aus Flächen- und Digitalpräsenz sind die Sparkassen gut für die Zukunft gerüstet. Sie richten sich damit gezielt an den Bedürfnissen ihrer Kunden aus, die so alle Optionen haben: Sie entscheiden, wie sie bezahlen, wie und wann sie mit ihrem Institut in Kontakt treten und ob und in welcher Form sie Beratung wünschen. Dieser Multikanalansatz, der durch die Finanzplattform weiter vorangetrieben wird, hat sich bewährt. Das unterstreicht nicht zuletzt das seit Jahren wachsende Kundengeschäft, mit dem die Sparkassen den dauerniedrigen Zinsen entgegenarbeiten.

Die Sparkassen haben in ihrer langen Geschichte gezeigt, dass sie mit allerlei Widrigkeiten fertig werden und wandlungsfähig sind. Sie haben ein funktionierendes Geschäftsmodell. Sie sind immer noch tief in der Region verwurzelt und nahe bei den Menschen. Ihr Kundengeschäft ist intakt und sie sind gut kapitalisiert. Die Sparkassen sind deshalb gut aufgestellt, um die vor ihnen liegenden Herausforderungen weiterhin erfolgreich zu meistern.

Gerhard Grandke

Geschäftsführender Präsident, Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen (SGVHT), Frankfurt und Erfurt

Gerhard Grandke , Geschäftsführender Präsident, Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen (SGVHT), Frankfurt und Erfurt
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