Verbriefung von unbesicherten Konsumentenkrediten - eine ABS-Innovation

Andreas Glaser, Foto: Santander Deutschland

ABS-Transaktionen sind am deutschen Finanzmarkt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie England oder Frankreich, vor allem aber auch gegenüber dem US-amerikanischen Markt, erst spät aufgetreten. Erst in den 90er-Jahren gab es die erste Transaktion. Im Zuge der Finanzkrise, als zweifelhafte Verbriefungen für viel Wirbel an den Finanzmärkten sorgten, nahm die Zurückhaltung von Emittenten und Investoren gegenüber deutschen Verbriefungen dann spürbar zu. Entsprechend stolz ist die Mönchengladbacher Santander Consumer Bank, dass ihr im vergangenen Jahr trotz Corona eine ausgezeichnete Transaktion gelang, die sowohl von der Struktur als auch von der schieren Größe neue Maßstäbe setzt. Im folgenden Beitrag erläutern die Autoren Struktur und Herausforderungen der Platzierung. (Red.)

"ABS-Deal des Jahres" und "ABS-Emittent des Jahres". Die Santander Consumer Bank wurde von der Research Gesellschaft Global Capital im Sommer 2021 gleich doppelt ausgezeichnet. Grund ist die erfolgreiche Platzierung der ABS-Anleihe "SC Germany Consumer 2020-1". Bei so viel Lob lohnt ein Blick hinter die Details der Anleihe, ihre Struktur sowie auf die Bedingungen auf dem Verbriefungsmarkt zur Zeit der Platzierung.

Für eine Bank hat das Angebot von ABS-Anleihen weitreichende Vorteile: Durch die Ausplatzierung der bestehenden Kreditforderungen erhält sie liquide Mittel, die sie gewinnbringend einsetzen kann. Bei Strukturierung einer True-Sales-Verbriefung kann die Bank zudem ihre Bilanzkennzahlen wie Eigenkapitalquote, Liquiditätsgrad und Kapitalrentabilität optimieren und sich Spielräume zur Vergabe neuer Kredite schaffen. Davon profitieren grundsätzlich auch Unternehmen und Konsumenten. Des Weiteren überträgt die Bank mit dem Verkauf ihrer Forderungen auch deren Ausfallrisiko auf die Zweckgesellschaft. Mit diesem Risikotransfer kann eine regulatorische Entlastung des Eigenkapitals einhergehen. Denn für die verkauften Kredite muss die Bank in Abhängigkeit vom Sicherungsgeber und des ausplatzierten Risikos weniger oder kein haftendes Eigenkapital vorhalten. Vor allem dieser Aspekt ist für Banken interessant, nachdem die Regulatoren in den vergangenen Jahren ihre Kapitalanforderungen deutlich erhöht haben. Kurzum: ABS-Emissionen sind ein Instrument, um die Liquidität und das Kapital einer Bank zu steuern.

Nachteile von ABS-Transaktionen ergeben sich aus der komplizierten Konstruktion und den damit einhergehenden Kosten. Letztlich muss eine Transaktion so strukturiert sein, dass der Geldfluss aus den Krediten mindestens ausreicht, um die Zinszahlungen an die Investoren und die Kosten aus der Transaktion zu decken - eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe.

Struktur der öffentlichen Emission "SC Germany Consumer 2020-1" Quelle: Santander Consumer Bank AG

Eine Reihe von Besonderheiten

Im Herbst 2020 gelang Santander Deutschland, einer 100-prozentigen Tochter der spanischen Banco Santander, eine der größten Cash-Risk-Transfer-Transaktionen auf dem europäischen ABS-Markt. Die True-Sales-Transaktion hält eine Fülle von Besonderheiten bereit: Zunächst ist das Volumen mit 1,8 Milliarden Euro sehr groß. Zudem ist die ABS-Anleihe komplett durch Kreditforderungen besichert, die von Santander Deutschland an deutsche Konsumenten vergeben wurden, also mit einem granularen und performenden Portfolio. Damit handelt es sich bei der Transaktion um die erste öffentliche Platzierung von Class A (Senior) Notes von unbesicherten Konsumentenkrediten auf dem deutschen Markt und um das erste Full Stack ABS von Konsumentenkrediten in Deutschland. Es gab in Deutschland bereits Full-Stack-Transaktionen von anderen Emittenten - etwa für Auto-ABS, aber noch nie eine mit unbesicherten Verbraucherkrediten.

Aufgrund des großen Investoreninteresses konnten alle Tranchen der Trans -aktion platziert werden, auch das ist ein Erfolg, denn es waren sieben - so viele wie nie zuvor. Auf diese Weise bot Santander Deutschland den Investoren nicht nur verschiedene Risikoprofile an, sondern hielt auch die Kosten der Transaktion gering. Zu den einzelnen Klassen und ihren Spezifika siehe die Abbildung "Struktur der öffentlichen Emission "SC Germany Consumer 2020-1".

Marktturbulenzen durch Corona-Pandemie

Das Verbriefungsteam von Santander Deutschland wusste, dass die Investoren eine Gelegenheit zum Kauf eines deutschen Konsumentenkredit-ABS begrüßen würden. Allerdings machte die Corona-Pandemie die Transaktion komplizierter. Die Arbeit daran begann auf dem Höhepunkt der ersten Welle im Frühjahr 2020. Die Pandemie vergrößerte die allgemeine Unsicherheit, ob Kreditnehmer ihren Schuldendienst weiterhin würden leisten können. Das war auf den Märkten deutlich zu spüren.

Die Verunsicherung bekamen auch die Beteiligten bei der Strukturierung der ABS-Anleihe "SC Germany Consumer 2020-1" zu spüren: Vermögenswerte wurden neu bewertet. Ratingagenturen passten ihre Methodik an, vor allem bei der Analyse eher ausfallgefährdeter Tranchen. Für Kuponmargen gab es zwischenzeitlich keine vergleichbaren Transaktionen. Damit war auch der verfügbare Zinsüberschuss beziehungsweise Excess Spread unbestimmt. Damit gemeint ist die Differenz zwischen dem Ertrag aus einem verbrieften Forderungspool und den Finanzierungskosten. Der Excess Spread darf als zusätzliche Kreditsicherheit für ABS genutzt werden, was wiederum die Kosten für den Transfer von Risiken senken kann.

Orderbuchverfahren zur Preisfindung

In der Folge all dieser sowie weiterer, hier nicht aufgeführter Verwerfungen kam es während des Ratingprozesses zu unterschiedlichen Ergebnissen bei den Agenturen Moody's und Fitch. Die Angleichung der Ratings über alle Tranchen hinweg erforderte viele Iterationen zur Feinabstimmung der Kapitalstruktur sowie der verschiedenen Performance-abhängigen Trigger. Letztere definieren zum Beispiel, wann sich die Tilgungsreihenfolge der Tranchen verändert, um die Senior Note zusätzlich zu schützen.

Santander Deutschland setzte bei der öffentlichen Platzierung auf das Orderbuchverfahren zur Preisfindung, wobei die Eigenkapitaltranche G in Höhe von 40,5 Millionen Euro vorplatziert wurde. Das Bookbuilding für die verbleibenden Tranchen A bis F begann am 12. Oktober 2020. Bis zum Schluss des Verfahrens am Abend des 15. Oktobers reichten die Zeichnungen bei erhöhter Transaktionsgröße vom 1,2-Fachen bei der Senior- beziehungsweise A-Tranche bis zum 5,3-Fachen bei der Klasse D.

Weitere Emissionen in Planung

Das große Volumen der Emission ermöglichte eine hohe Investorenbeteiligung. Insgesamt 40 Investoren beteiligten sich an der Transaktion über alle Tranchen hinweg. Die Anlegertypen sind gut verteilt: Notenbanken wie die Europäische Zentralbank investierten in die A-Tranche, Banken in die Klassen A, B und C sowie Vermögensverwalter und Hedgefonds in alle Tranchen.

Die Finanzmittel, die dem Institut aus dem Verkauf aller Tranchen zuflossen, gingen mit einem hohen Risikotransfer einher: Die Transaktion entlastete das gesamte aufsichtsrechtliche Kapital der Bank in Bezug auf die Vermögenswerte. Nach diesem Erfolg werden ABS-Emissionen auch in Zukunft ein wichtiges strategisches Instrument von Santander Deutschland bleiben, um Liquidität und das Kapital zu steuern und um die solide Finanzposition zu sichern. Insgesamt hat die Bank in den vergangenen 24 Jahren mehr als 50 ABS-Transaktionen unterschiedlicher Art mit einem Gesamtvolumen von über 50 Milliarden Euro auf den Markt gebracht.

Andreas Glaser , Chief Financial Officer , Santander Consumer Bank AG
Tomasz Osipowicz , Leiter Verbriefungsabteilung , Santander Consumer Bank AG

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