Zehn Jahre ohne Gewährträgerhaftung - Konsequenzen für den Sparkassensektor

Dr. Gunter Dunkel, Präsident, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, e. V., Berlin, und Vorsitzender des Vorstands, NORD/LB Norddeutsche Landesbank, Hannover - Das Thema Haftung hat die deutsche Sparkassenorganisation nicht nur im Frühjahr dieses Jahres intensiv beschäftigt, sondern auch vor zehn Jahren. Damals markierte das Ende der Übergangszeit für die Gewährträgerhaftung einen markanten Einschnitt. Seither sieht der Autor die Landesbanken nicht zuletzt unter dem Eindruck der Finanzkrise wieder auf Geschäftsmodelle mit kundenorientierten, risikoarmen Geschäften sowie auf eine enge Partnerschaft mit den Sparkassen fokussiert. (Red.)

Der 18. Juli 2005 kam nicht überraschend, aber er bedeutete zweifelsfrei eine tiefe Zäsur für die deutschen Landesbanken und die Sparkassen als ihre wesentlichen Eigentümer. An diesem Tag endete die Übergangszeit für die Haftungsautomatismen von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, was bei nahezu allen Landesbanken zu spürbaren Veränderungen in der Ausrichtung ihrer Geschäftsmodelle führte und sie zugleich vor große Aufgaben stellte. Heute, zehn Jahre später, zeigt sich beim Blick in den Rückspiegel, dass in diesen Prozessen auch schmerzhafte Fehler gemacht wurden, die auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise teilweise zu dramatischen Verlusten und starken Kurskorrekturen geführt haben. Es wird aber auch sichtbar, dass die gelebte Partnerschaft und Verbindung zwischen Sparkassen und Landesbanken nicht schwächer, sondern enger und besser wurde.

Auswirkungen der "Verständigung I" und Lehren aus der Finanzmarktkrise

Bereits im Vorfeld des Wegfalls der Haftungsgrundlagen war klar, dass sich mit der sogenannten "Verständigung I" die Langfristratings der Landesbanken weg von der Bestnote "Triple-A" verändern würden. Dies wiederum führte zu einem zunehmenden Wettbewerbsdruck für, aber auch durch den öffentlichen Bankensektor, der gleichzeitig durch den Eintritt neuer Marktteilnehmer aus dem Ausland sowie die seit Beginn dieses Jahrzehnts anhaltende Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft verstärkt wurde. Alle Konzerne und Verbünde haben sich daher spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends mit Hochdruck auf die neue Situation vorbereitet, weil sich Kreditinstitute mittelfristig nur über ihre Strategie differenzieren können.

Ein Ergebnis dieses Prozesses war mancherorts, dass auf Basis des noch geltenden Triple-A-Ratings Kapital in ungekannter Größenordnung aufgenommen wurde, das aber wiederum auch Geld verdienen musste, was um die Jahrtausendwende in einem ausgeprägten Niedrigzinsumfeld nicht leicht war. Um bei diesen Marktbedingungen also Erträge zu erzielen, wurde mehr Risiko in Kauf genommen und Kreditersatzgeschäfte gesucht - und von vielen leider auch getätigt. Manche Bank, auch Landesbank, hätte die Folgen der Subprime-Krise nicht ohne die Hilfe ihrer Eigentümer bewältigen können, sondern wäre, wie zahlungsunfähige Industrie- und Handelsunternehmen gleicher Größe in die Insolvenz gegangen.

Zweifelsfrei wurden in einigen Landesbanken die neuen Geschäftsmodelle ohne Anstaltslast und Gewährträgerhaftung mit Ausbruch der internationalen Finanzmarktkrise massiv zurückgeworfen. Im Ergebnis führte es aber dazu, dass nun Geschäftsmodelle gelebt werden, die nicht neu sind, sondern alt, weil sie daran anknüpfen, was Landesbanken in der Zeit vor dem Wegfall der staatlichen Garantien ausgemacht hat: rein kundenorientierte, risikoarme Geschäfte mit stabilen Kundenbeziehungen zu Unternehmen, zur Immobilienwirtschaft, zur öffentlichen Hand und zu Privatkunden.

Landesbanken als Finanzierer der deutschen Wirtschaft

"Die Wirtschaft verlangt nach frischem Geld", "Die Industrie klagt über einen Kreditengpass und sieht die Konjunkturerholung gefährdet." - Überschriften wie diese in deutschen Medien sind nicht aus dem letzten Jahrhundert, sondern gerade erst sechs Jahre alt. Die Furcht der deutschen Wirtschaft und der Politik vor einer veritablen Kredtiklemme auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise war groß. Die Bundesregierung hatte damals eigens einen Kreditmediator eingeführt, der Unternehmen helfen sollte, die Schwierigkeiten haben, zu vernünftigen Bedingungen an Kredite zu kommen. Tatsächlich schien es in der Finanzkrise, als würde der Kredit als "Schmierstoff" der deutschen Wirtschaft knapp werden.

Viele ausländische Banken, die in den Jahren zuvor ihre Aktivitäten im deutschen Markt ausweiteten, zogen sich im Zuge der Krise wieder zurück. Eigenkapital, die Basis für jede Finanzierung, war knapp und teuer. Gerade die deutsche Wirtschaft ist überwiegend mittelständisch geprägt und im Gegensatz zum Ausland in hohem Maße auf Bankkredite bei der Finanzierung angewiesen. Durch die besondere Stellung des Produkts Kredit ist für die deutsche Volkswirtschaft ein starkes und leistungsfähiges Bankensystem von besonderer Wichtigkeit. An dieser Bedeutung des Bankkredits in Deutschland wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern, auch wenn sich in den letzten Jahren auch Mittelständler an den Kapitalmarkt gewagt haben.

Die deutsche Wirtschaft benötigt also Banken als verlässliche Partner. Mit einem Anteil von knapp 25 Prozent nehmen die Landesbanken heute einen Spitzenplatz bei der Finanzierung von Unternehmen in Deutschland ein. Im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern sind Landesbanken bereit und aufgrund ihrer finanziellen Stärke heute auch in der Lage, Risiken selbst auf die eigene Bilanz zu nehmen und nicht verbrieft in den Kapitalmarkt zu geben. Dies zeigt, dass die Landesbanken in erheblichem Maße zur Finanzierung der deutschen Wirtschaft beitragen, insbesondere für Immobilienkunden, Großunternehmen und den Mittelstand, der je nach Unternehmensgröße gemeinsam mit den Sparkassen betreut wird.

Das spiegelt sich auch bei den generellen Bankbeziehungen deutscher Unternehmen wider: 30 Prozent des gehobenen deutschen Mittelstands mit einem Umsatz von 50 bis 1 000 Millionen Euro arbeiten mit einer Landesbank zusammen. Bei den Großunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 1 Milliarde Euro sind es sogar mehr als 60 Prozent, die das Dienstleistungsangebot von Landesbanken nutzen. Dabei haben 18 Prozent dieser Kundengruppen, also des gehobenen Mittelstands und der Großunternehmen, eine der Landesbanken sogar als Hauptbank gewählt.

Sparkassen als Eigentümer, Partner und Kunden

Heute bildet der öffentlich-rechtliche Bankensektor mit den Sparkassen und Landesbanken ein stabiles Fundament der mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft.

Der Verbund mit den Sparkassen sichert vor allem mittelständischen Firmen und Privaten die Versorgung mit nationalen und internationalen Finanzdienstleistungen und ist damit Bindeglied für die Kunden in den globalen Wirtschaftsraum. Über einen intensiven Wettbewerb sorgt er zudem für marktgerechte Preise und Konditionen im Bankensektor. Sparkassen und Landesbanken sind auch in der Zukunft Voraussetzung für leistungsfähige und effiziente Strukturen im deutschen Kreditwesen. Dieses Grundverständnis spiegelt sich auch im Zusammenhalt und der Zusammenarbeit in der Sparkassen-Finanzgruppe wider, die das Ziel hat, die Effizienz durch gemeinsam entwickelte Finanzdienstleistungen zu steigern und ihre Marktposition zu stärken.

In der Welt zu Hause

Als Zentralbank der Sparkassen und integraler Bestandteil der Sparkassen-Finanzgruppe sind die Landesbanken Dienstleister für die Partnerinstitute der Gruppe und helfen durch ihre Betreuungs- und Produktkompetenz, vorhandene Marktpotenziale gemeinsam mit den Sparkassen zu erschließen und deren Ertragskraft zu erhöhen. Dieser enge Zusammenhalt bringt allen Beteiligten Vorteile. Mit einem bedarfsgerechten Produkt- und Dienstleistungsangebot können die Landesbanken neue Kunden gewinnen und ihre Geschäftsergebnisse erhöhen. Dabei sind die Erträge weiter zu steigern, die Kosten zu senken und Risiken marktadäquat zu bepreisen und weiter einzugrenzen. Die intensive partnerschaftliche Marktbearbeitung mit den Sparkassen ist heute bei allen Landesbanken eine wesentliche Säulen des Geschäftsmodells.

Internationale Geschäftsaktivitäten gewinnen auch für mittelständische Firmenkunden zunehmend an Bedeutung. Deshalb gibt es eine Vielzahl von gemeinsamen maßgeschneiderten Angeboten zur Begleitung dieser Kunden ins Ausland. Neben den klassischen Bankprodukten wie Zahlungsverkehr, Finanzierungen und Leasing sind die Landesbanken auch der Türöffner für die Kunden der Sparkassen, weil sie auf den Wachstumsmärkten der Welt Knowhow und Netzwerke zur Verfügung stellen können, die den Markteintritt, zum Beispiel mit dem Zugang zu lokalen Dienstleistungen, erleichtern. Mit dem S-Country-Desk steht darüber hinaus ein internationales Netzwerk der Sparkassen-Finanzgruppe für das Auslandsengagement der Sparkassenkunden zur Verfügung. Hier fließt das Spezialistenwissen aller Partner zu einem kompletten Leistungspaket zusammen - ganz einfach abrufbar bei der Sparkasse vor Ort.

Doch begleiten Landesbanken nicht nur ihre heimischen Kunden auf den internationalen Märkten und Finanzplätzen. In ihren jeweiligen Kompetenzfeldern sind sie oft auch Partner internationaler Kunden und finanzieren so die weltweite Nachfrage nach Produkten, die im heimischen Kerngeschäftsgebiet gefertigt werden. Wenn die Norddeutsche Landesbank beispielsweise neue Airbus-Jets für eine asiatische Airline finanziert, dann profitiert hiervon auch die norddeutsche Luftfahrtindustrie. Und auch die Transformation von "klassischen" Kreditrisiken in alternative Kreditanlageprodukte ist längst auch für internationale institutionelle Investoren interessant.

Stärkerer Konkurrenzdruck - auch untereinander

Die vergangenen zehn Jahre waren für alle Banken, egal ob privat, genossenschaftlich oder öffentlich-rechtlich, durchgängig herausfordernd. Während zunächst der Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zu Veränderungen in der strategischen Ausrichtung führte, waren dann die Finanzmarktkrise und die Folgen in der Regulierung prägend. Es waren oftmals harte Zeiten, die auch den Anteilseigner und Mitarbeitern viel abverlangt haben. Heute zeigt sich, dass sich durch den Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung im Ergebnis die Ausgangssituation im Wettbewerb von privaten und öffentlichen Banken deutlich angenähert hat. Der Konkurrenzdruck ist stärker geworden, auch untereinander.

Dennoch sind Sparkassen und Landesbanken unverzichtbarer Teil des deutschen Bankenmarktes, die sich mit ihren jeweiligen Stärken passgenau ergänzen. Wer heute die Landesbanken infrage stellt, muss auch die Antwort darauf geben, wer an deren Stelle als führender Unternehmensfinanzier treten soll. Er wird eine ernsthafte Antwort schuldig bleiben müssen, auch weil schon heute das Angebot von leistungsfähigen und auf den gehobenen Mittelstand fokussierten Banken in Deutschland überschaubar ist.

Der deutsche Mittelstand sucht auch heute vor allem einen verlässlichen Bankpartner mit solider Eigenkapitalbasis, der ihn mit dem Ankerprodukt Kredit bei der Zukunftssicherung des Unternehmens unterstützt - und zwar nachhaltig, durch alle Konjunktur- und Unternehmenszyklen. Die nachhaltige Kundenbeziehung, die auch schwere Zeiten übersteht, ist eine klar definierte Leistungserwartungshaltung im Mittelstand, aber auch verstärkt bei den Großunternehmen. Hierfür stehen Landesbanken und Sparkassen wie kein anderer Marktteilnehmer, weil sie im Sinne ihrer Kunden aneinander anknüpfen. Darin liegt eine große Chance für die gemeinsame Zukunft.

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