Zweckentfremdung von Staatsfonds in Spanien und Irland

Prof. Dr. Jan Körnert, Foto: J. Körnert

Die Errichtung von Staatsfonds ist ein seit einigen Jahren verstärkt eingesetztes Instrument, um finanzielle Probleme von Staaten zu lösen, und zwar unabhängig davon, ob diese Staaten Demokratien oder Autokratien sind. Die Autoren des vorliegenden Beitrags geben zunächst einen Überblick über die verschiedenen Arten von Staatsfonds und welcher Art Staaten diese meist Nutzen. Vor allem autokratische Regime würden dieses Instrument nutzen, um kurzfristig Kapital für abruptes Handeln zur Verfügung zu haben. Allerdings können auch demokratisch legitimierte Staatsfonds Krisen anheimfallen. Körnert und Junghanns untersuchen Staatsfonds in Spanien und Irland und zeigen, dass sich selbst vollständige Demokratien als nicht immun gegen eine Zweckentfremdung ihrer Staatsfonds erweisen. (Red.)

Sondervermögen von Staaten - sogenannte Staatsfonds - erfreuen sich großer Beliebtheit. Viele von ihnen sind erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten entstanden. Beim überwiegenden Teil (55) der weltweit insgesamt 89 Staatsfonds speist sich das Vermögen aus Rohstofffunden im Territorium des jeweiligen Staates. Die restlichen 34 Staatsfonds agieren als Nicht-Rohstofffonds und erwirtschaften ihre Mittel durch Überschüsse in den Handels- und Zahlungsbilanzen, durch Devisengeschäfte oder Privatisierungen.

Verschiedene Länder, verschiedene Ausprägungen

Der norwegische Staatsfonds stellt ein prominentes Beispiel für einen Rohstofffonds dar. Er ist insofern auch ein repräsentatives Beispiel, weil 40 der 55 Rohstofffonds mit der Öl- und Gasförderung verbunden sind. Alles andere als repräsentativ ist der norwegische Staatsfonds dagegen mit Blick auf den Demokratie-Index des ihn beherbergenden Landes: Während Norwegen 2020 als vollständige Demokratie Platz 1 unter den 167 aufgelisteten Ländern einnahm, rangierten die anderen Länder mit ebenfalls sehr großen Staatsfonds wie die Volksrepublik China, Abu Dhabi oder Saudi-Arabien als autoritäre Regime im letzten Fünftel des Index.

Mit Staatsfonds werden spezifische Zwecke verfolgt, die ihre Mittelverwendung bestimmen. Typischerweise kategorisiert man sie - nicht immer ganz überschneidungsfrei - in Stabilisierungs-, Spar-, Rücklagen-, Entwicklungs- und Pensionsfonds. Stabilisierungsfonds dienen vor allem dort dem Ausgleich von Preisschwankungen, wo Staatshaushalte stark von der Nachfrage einzelner Güter abhängen (beispielsweise bestimmte Rohstoffe oder Devisen). Mit Sparfonds soll vor dem Hintergrund endlicher Ressourcen der Wohlstand zukünftiger Generationen gesichert werden. Während Rücklagenfonds zur Verwaltung von Devisenreserven eingesetzt werden, bezwecken Entwicklungsfonds die langfristige Förderung sozioökonomischer Projekte (beispielsweise Infrastrukturprojekte). Mit Pensionsfonds will man dagegen die zunehmenden Pensionszahlungen, die als Folge des demografischen Wandels nicht mehr nur in Industrieländern vermehrt auftreten, besser steuern.

Zu den Staaten, die den steigenden Pensionsverpflichtungen mittels Staatsfonds Rechnung tragen, zählen Spanien und Irland. Während man eine Zweckentfremdung von Staatsfonds womöglich eher dem abrupten Sinneswandel autoritärer Regime zuschreibt, kann abseits dessen die Frage gestellt werden, ob Änderungen in der Zweckbestimmung von Staatsfonds auch in vollständigen Demokratien stattfanden. Hierzu können die beiden EU-Länder Spanien und Irland als Beispiele herangezogen werden, die 2020 im Demokratie-Index die Plätze 22 und 8 belegten.

Staatsfinanzierung in Spanien

Im Zuge der Rezession im Jahr 1993 kam es in Spanien zu Reformbestrebungen innerhalb der Sozialversicherungen. Als Ergebnis der Reformbemühungen verabschiedete die spanische Regierung 1995 gemeinsam mit den Oppositionsparteien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden den sogenannten Pacto del Toledo. Mit diesem Abkommen wurde vereinbart, das Rententhema bei zukünftigen Haushaltsdebatten und Konflikten außen vor zu lassen. Ferner wurde ein Finanzierungskonzept zur Rente vorgelegt, in dessen Zusammenhang man sich entschloss, einen Reservefonds im Bereich der Sozialversicherung zu etablieren. Hierzu wurde im Jahr 2000 der sogenannte Social Securtiy Reserve Fund aufgelegt, der das Ziel der Sicherstellung der beitragsabhängigen Pensionszahlungen verfolgte. Zu diesem Zweck sollten die Überschüsse in der Sozialversicherung über den spanischen Staatsfonds investiert werden, um bei Defiziten im staatlichen Rentensystem einen Rückgriff zu ermöglichen.

Strategie trifft auf Wirklichkeit

Die nachhaltig und langfristig ausgelegte Strategie scheiterte jedoch: Als Spanien im Zuge der Staatsschuldenkrise in Schwierigkeiten geriet, erfolgten etliche Verstöße gegen die Zweckbestimmung des Fonds. So kaufte die spanische Regierung durch den Social Securtiy Reserve Fund massiv eigene Staatsanleihen mit dem Ziel, die spanische Staatsverschuldung zu refinanzieren. Infolgedessen bestand das Portfolio des Staatsfonds im September 2012 zu 90 Prozent aus spanischen Schuldtiteln der öffentlichen Hand.

Dies geschah entgegen der eigenen Anlagestrategie des Fonds, die vorschrieb, nur in Anleihen mit hoher Bonität zu investieren. Obwohl Standard & Poor´s die Bonität Spaniens lediglich mit "BBB" bewertete, erhöhte sich 2014 der Anteil spanischer Staatsanleihen im Fondsportfolio sogar auf 100 Prozent. Seither verharrt die Quote unbeweglich auf diesem Niveau.

Der Kauf eigener Staatsanleihen durch den Pensionsfonds war allerdings nicht der einzige Weg zur Finanzierung der Staatsschulden. So hob die spanische Regierung zur Bedienung der Pensionsansprüche das ursprünglich vorgesehene Auszahlungslimit des Staatsfonds an und erließ hierfür in den Jahren 2012, 2014 und 2017 eigene Gesetze. Auf diese Weise war es der Regierung möglich, erhöhte Mittel aus dem Staatsfonds freizusetzen, um mit ihnen die gestiegenen Sozialversicherungsausgaben auszugleichen.

Die Konsequenz aus den überproportional großen und außerplanmäßigen Entnahmen war, dass der Staatsfonds seit 2012 einen Großteil seines Vermögens einbüßte (siehe Abbildung). Von 2000 bis 2011 stieg das Fondsvermögen durch Einzahlungen und Anleihezinsen kontinuierlich an und erreichte schließlich 2011 mit einem Gesamtvermögen über 63 Milliarden Euro seinen höchsten Wert. Trotz weiterer Einzahlungen aus Zinscoupons verringerte sich das Fondsvermögen in den Folgejahren sukzessive. Das ist vor allem auf die außerplanmäßigen Entnahmen zurückzuführen, die ein Vielfaches der ursprünglich geplanten Entnahmen betrugen und die dabei offensichtlich nicht nur zur Deckung der Pensionsverpflichtungen eingesetzt wurden. So fanden unter der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy Abzüge in Milliardenhöhe statt, die als "nicht näher spezifizierter Finanzbedarf" deklariert wurden. 

Bankenrettung in Irland

Im Jahr 2001 gründete Irland den National Pensions Reserve Fund. Ursprünglicher Zweck des Staatsfonds war es, den zukünftig steigenden Pensionsverpflichtungen Irlands Rechnung zu tragen und das umlagefinanzierte Rentensystem des Landes zu sichern. Der Staatsfonds verfolgte das Ziel, für den Zeitraum von 2025 bis 2055 ein Drittel der Kosten im Bereich der Sozialhilfe und Pensionen zu übernehmen.

Gesamtvermögen und Entnahmen beim spanischen Social Securtiy Reserve Fund (in Milliarden Euro) Quelle: Eigene Darstellung nach Social Security Reserve Fund (2011), S. 6; (2012), S. 5; (2013), S. 5; (2014), S. 5; (2015), S. 10; (2016), S. 10; (2017), S. 14; (2018), S. 14 u. 16.

Zur Finanzierung des Fonds zahlte Irland jährlich ein Prozent seines Bruttonationaleinkommens in den Staatsfonds ein. Die langfristige Anlagestrategie war risikofreudig ausgerichtet, indem der Staatsfonds 80 Prozent seines Kapitals in Aktien und reale Vermögenswerte investierte. Tatsächlich zahlte sich die offensive Ausrichtung zunächst aus. Bis 2006 erzielte der Fonds eine jährliche Durchschnittsrendite von 6 Prozent. Auf seinem Höhepunkt 2008 verwaltete der irische Fonds ein Vermögen in Höhe von 23 Milliarden Euro.

Ursprüngliche Probleme bleiben ungelöst

Dies änderte sich jedoch im Zuge der Finanzkrise 2008, als der Fonds 30 Prozent seines Wertes einbüßte. Doch nicht nur der Staatsfonds wurde von der Krise getroffen, sondern auch das irische Bankensystem. Um die beiden Großbanken des Landes, die Allied Irish Banks und die Bank of Ireland, zu rekapitalisieren, zweckentfremdete der irische Staat die Finanzmittel seines Pensionsfonds, indem das Finanzministerium 20,7 Milliarden Euro zur Bankenrettung aus dem Fonds abzog.

Folglich bildete sich aus dem einstigen Pensionsreservefonds vorerst ein Stabilisierungsfonds. Die restlichen Vermögenswerte des National Pensions Reserve Fund wurden schließlich dem im Jahr 2013 neu aufgelegten staatlichen Entwicklungsfonds, dem Ireland Strategic Investment Fund, übertragen. Nach der Stärkung seines Bankensystems und der Übertragung der Vermögenswerte an den Ireland Strategic Investment Fund entstand letztendlich aus dem Stabilisierungsfonds ein Entwicklungsfonds.

Die Beispiele Spanien und Irland zeigen, dass vollständige Demokratien gegen eine Zweckentfremdung ihrer Staatsfonds nicht immun sind. Selbst wenn Änderungen in der Zweckbestimmung demokratisch legitimiert sind, bleiben Vertrauensverluste und das ursprüngliche Problem der Finanzierung steigender Pensionsverpflichtungen ungelöst zurück.

Fußnoten

1) SWFI (2019); Körnert/Junghanns (2019), S. 657.

2) Nolte/Nolting/Sarau (2004); SWFI (2020).

3) The Economist (2021).

4) Junghanns/Körnert (2019).

5) OECD (2001), S. 168.

6) Social Security Reserve Fund (2018), S. 7; o.V. (2018).

7) o.V. (2018).

8) Auf Spanisch lautet er: Fondo de Reserva de la Seguridad Social; Moss (2017).

9) Moss (2017); Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (2020).

10) Gruner Buckley (2013); Román (2013).

11) Tradingeconomics (>Spain).

12) Social Security Reserve Fund (2014), S. 34; (2015), S. 29; (2016), S. 25; (2017), S. 26; (2018), S. 27.

13) Social Security Reserve Fund (2018), S. 13; GDV (2019); CaixaBank Research (2015).

14) o.V. (2018).

15) Gruner Buckley (2013); o.V. (2018).

16) National Pensions Reserve Fund Commission (2002), S. 7.

17) GDV (2019).

18) Boland (2014).

19) GDV (2019).

20) National Treasury Management Agency (2012), S. 26.

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Prof. Dr. Jan Körnert Stiftungslehrstuhl für ABWL und Internationales Finanzmanagement / Kapitalmärkte, Universität Greifswald
Thomas Junghanns Doktorand, Stiftungslehrstuhl für ABWL und Internationales Finanzmanagement / Kapitalmärkte, Universität Greifswald
Prof. Dr. Jan Körnert , Stiftungslehrstuhl für ABWL und Internationales Finanzmanagement / Kapitalmärkte , Universität Greifswald
Thomas Junghanns , Equity Research Associate

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