Finanzstabilität II

Inflations-Gefahren

Quelle: Deutsche Bundesbank

Für die Finanzstabilitätswächter der Bundesbank ist es ein Novum. Erstmals mussten sie sich ernsthaft mit dem Thema Inflation auseinandersetzen. Denn als der Finanzstabilitätsbericht 2003 das erste Mal veröffentlicht wurde, damals noch im Rahmen des Monatsberichtes, lag die Inflationsrate in Deutschland bei gerade einmal 1,1 Prozent. Und bewegte sich seitdem - mit einem kleinen Ausreißer im Jahr der Finanzkrise 2008 auf 2,6 Prozent - zwischen 1 und 2 Prozent, war also eine vernachlässigbare Größe. Das ist längst anders. Im November 2021 stieg die Inflationsrate in Deutschland auf 5,2 Prozent und damit den höchsten Wert seit 29 Jahren und hat dabei längst die 6 Prozent im Visier.

Es wird intensiv diskutiert, ob das nur ein bald vorübergehendes Phänomen sein wird oder ob man sich vielleicht doch längerfristig auf höhere Inflationsraten einstellen muss. Letzteres hätte auch Auswirkungen auf die Banken. Nämlich dann, wenn sich die Notenbanken "endlich" zum Handeln gezwungen sähen und von der langjährigen Null-Zins-Politik abrücken würden. Bei der Fed in Amerika ist man mit solchen Überlegungen offensichtlich schon ein ganzes Stück weiter als bei der EZB in Frankfurt. "Ich denke, das Risiko höherer Inflation hat zugenommen", sagte Fed-Chef Jerome Powell vor einem Ausschuss des US-Kongresses. Und stimmte die Märkte gleich auf eine schnellere Abkehr von der expansiven Geldpolitik ein, als bislang erwartet werden konnte. Es sei angemessen, darüber nachzudenken, den als Tapering bekannten Prozess einige Monate früher abzuschließen, so Powell. Die US-Wirtschaft sei sehr stark und zugleich der Inflationsdruck hoch. Und er signalisierte, dass sich die Fed von der Formulierung verabschieden dürfte, dass die Inflation vorübergehend sei. Die Federal Reserve fährt ihre Wertpapier-Zukäufe seit Mitte November um monatlich 15 Milliarden Dollar zurück. Sollte das Tempo der Rückführung nun weiter beschleunigt werden, worüber auf der Dezember-Sitzung der Fed diskutiert werden soll, könnte es bereits im zweiten Quartal 2022 zu einer ersten Zinserhöhung in den USA kommen.

Hiervon ist die EZB noch weit entfernt. Die deutsche Direktorin Isabel Schnabel beteuerte kürzlich noch einmal: "Wir gehen davon aus, dass im November der Höhepunkt der Inflationsentwicklung erreicht ist und dass die Inflation im kommenden Jahr wieder allmählich zurückgehen wird, und zwar in Richtung unseres Inflationsziels von zwei Prozent." Die pandemiebedingten Lieferengpässe würden sich allmählich wieder auflösen und auch die Energiepreise würden nicht mit dem gleichen Tempo wie bisher weiter steigen. Für Stirnrunzeln und Kopfschütteln sorgte Schnabel mit ihrer Einschätzung, dass "wir eher eine zu niedrige Inflation sehen." Das "auf mittlere Sicht" kam da schon zu spät, die Empörung war da, denn viele Experten außerhalb der mächtigen Notenbank sehen eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Inflationsrate längere Zeit spürbar über den als Ziel vorgegebenen 2 Prozent verharren wird und sich damit zu einem anhaltend negativen Faktor für die Geldbeutel und damit die Kaufkraft der privaten Haushalte, die Sparer und die Altersvorsorge entwickelt. Handlungsbedarf verspürt die EZB bislang nicht, weder bei den Anleihekäufen und erst recht nicht bei den Zinsen.

Claudia Buch, Vize-Präsidentin der deutschen Bundesbank und verantwortlich für die Finanzstabilität, sieht die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. "Es gibt viele temporäre Effekte wie die Mehrwertsteuer oder die Lieferengpässe, aber die Aufwärtsrisiken nehmen zu", sagte sie bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichtes. Diese hätten in Form von Zinserhöhungen auch Folgen für die Banken und Sparkassen. Entsprechend aufmerksam beobachten die Finanzstabilitätswächter laut Buch, wie die einzelnen Häuser mit einem möglichen Zinsanstieg umgehen können. Und hier stellt die Bundesbank-Vorständin eine unterschiedliche Betroffenheit fest. "Häuser mit hoher Fristentransformation sind tendenziell stärker gefährdet als die größeren Institute, die meist auch besser gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert sind", führte Buch aus. Vorstandskollege Joachim Wuermeling ergänzte: "Unser Appell an die Banken ist, sich auf einen Zinsanstieg vorzubereiten. Dabei könnte das gesamte System mit einem langsamen Zinsanstieg gut klarkommen, eine schnelle und abrupte Zinserhöhung wäre dagegen ein Risiko für die Finanzstabilität." Auch das hängt an der Inflationsentwicklung.

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