Corporate Governance

Organe im Überkreuzgeflecht: Konsequenzen bei Differenzen?

Die Crux: Aufsichts- oder Verwaltungsräte können sich mangels tatsächlichen fachlichen Wissens und wegen zeitlicher Begrenzung nur sehr bedingt in Entscheidungsprozesse einbringen und sind auf die umfassende, korrekte Zuarbeit ihres Vorstandes angewiesen. Dessen Engagement können sie letztlich wenig einschätzen. Vorstandsmitglieder benötigen hier und da das Entgegenkommen des Aufsichtsrates. Beide Gremien konzedieren dem jeweils anderen Spielräume in Bezug auf anfallende Organkosten und persönliche Bedürfnisse. Bereits von daher bilden Vorstand und Aufsichtsrat/Verwaltungsrat eine "Schicksalsgemeinschaft". Konsequenzen bei Differenzen sind die Ausnahme.

Handeln nach bestem Wissen und Gewissen kann weit ausgelegt werden. Der genossenschaftliche Bankvorstand hat seine Aufgaben nach Dienstvertrag, Satzung, Geschäftsordnung und Geschäftsanweisung wahrzunehmen. Das Handeln für die Anteilseigner müsste im Vordergrund stehen, was auch immer die Pflichten des "ordentlichen Geschäftsleiters einer Genossenschaft" gemäß § 41 I, II GenG bedeuten mögen - die Auslegungen sind Legion. Bei Sparkassen gebührte der Erfüllung des öffentlichen Auftrags, etwa gemäß §§ 1, 2 SpakG (NRW) für die Kommune als Träger, oberste Priorität. Die diesbezüglichen Pflichten werden im alltäg lichen Bankgeschäft häufig nicht realisiert; § 1 GenG und die Sparkassengesetze bleiben "vor der Tür" (Borcherts Glanzstück über das Verdrängen von Verantwortung und Moral) und warten auf ihre Erfüllung wie auf "Godot" (Becketts absurdes Theater über "Sinnlosigkeit"). Wichtig scheint für Vorstände und Aufsichtsräte die vordergründige einvernehmliche Lösung anstehender Probleme in gemeinsamer Sitzung. Gelingt es, wie meistens, war es wieder ein "Glücklicher Tag" (Becketts Theaterstück über das Gutfühlen und gegenseitige Gutzureden in zunehmend prekärer Situation).

Vorstand und Aufsichtsrat sind in der Praxis nicht nur aufeinander angewiesen, sondern voneinander abhängig: Vorstandsmitglieder fragen für sich Kreditierungen nach und dürfen es nur bei dem eigenen Geldhaus, das heißt dem Aufsichtsrat als vorgesetztem Gremium. Auch Aufsichtsratsmitglieder haben Finanzierungswünsche, die möglichst unkompliziert und günstig erfüllt werden sollen. Daneben braucht man einander bei den Stichworten: Gehälter, Tantiemen, Dienstwagen, Spesen, (eigene) Kredite, Aufwandsentschädigungen, Tagungsorte und -dauer, Dienstreisen und nicht zuletzt die gegenseitige Bescheinigung adäquater Sorgfalt.

Bei diesen Überkreuzverpflichtungen fehlt es an jeglicher Kontrolle. Selbstverständlich kann der Aufsichtsrat Anliegen eigener Vorstandsmitglieder ablehnen und der Vorstand die des Aufsichtsrates. Weder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates noch die des Vorstandes geben für die konkrete Situation, Mitgliedern des jeweiligen anderen Organs Vorteile zu gewähren, etwas her. Deshalb ist eine Satzungsbestimmung notwendig, das zum Beispiel die Innenrevision bei Überkreuzhandlungen eine Stellungnahme abzugeben hat, mit der Verpflichtung, in General-, Vertreter- oder Gewährträgerversammlung eine Rechenschaftsfeststellung zu Organkrediten, finanziellen Aufwendungen und Vergünstigungen abzugeben. Es ist nichts weniger zu verlangen, als die Berufung eines Compliance-Beauftragten per Satzung und Beschluss der Anteilseigner, der dann für die Dauer eines Folgejahres unkündbar gestellt werden sollte. Die Feststellungen dieses "Organrevisors" wären in gemeinsamer Sitzung von Aufsichtsrat/Verwaltungsrat und Vorstand zu beraten. Bereits die psychologische Situation, gegebenenfalls in der Trägerversammlung eine Negativbescheinigung zu erhalten, dürfte zur konstruktiven Behandlung der jeweiligen Wünsche von Organmitgliedern führen. Die geschäftsmäßig gegenseitige Bestätigung richtigen eigenen Handelns kann bei Zweifeln zur Bloßstellung, auch in der Öffentlichkeit führen - siehe "Volksbank Münster" und "Vom Wesen der Spesen", in: ZfgK 16/2015.

Dann bleibt nur die Abberufung vom Amt - auch von Aufsichtsräten -, Lösung des Dienstvertrages, eventuell die Rückforderungsklage. Zur Erinnerung: § 6 KWG gibt die Möglichkeit, bei organisatorischen Mängeln des Kreditinstituts einzugreifen, und sei es auch nur im Rahmen eines Aufsichtsgesprächs. Dazu gehören auch Sachkundemängel und Bedenken gegen die persönliche Zuverlässigkeit von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern. Bei Tragfähigkeit von Organbeschlüssen nach selbstkritischer Betrachtung und dem furchtlosen Einsetzen einer internen Kontrollinstanz gibt es keine Konsequenzen - mangels Differenzen.

Hartmut Glenk, Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB) - Siegen/Berlin

Hartmut Glenk , Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin
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