PODIUMSDISKUSSION

Open Banking ante portas

Philipp Otto interviewt Frank-Christian Pauli, Referent, zuständig für den Bereich Banken mit den Schwerpunkten Kredit und Zahlungsverkehr, Verbraucherzentrale Bundesverband; Doris Dietze, Referatsleiterin, zuständig unter anderem für die Referate Digitale Finanztechnologien und Zahlungsverkehr, BMF; Dr. Andreas Martin, Vorstandsmitglied, Bundesverband der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken; Christian Schäfer, Direktor, Deutsche Bank, Head of Payment Products and Solutions, Initiative Director des konzernweiten PSD2-Projektes (v.l.) (Foto: Deutsche Bundesbank)

Welche Auswirkungen wird die Umsetzung der europäischen Zahlungsverkehrsrichtlinie PSD2 auf das hiesige Bankgewerbe haben? Bedeutet der offene Zugang Dritter zu Kunden- und Transaktionsdaten das Ende der hierzulande bekannten Geschäftsmodelle? Oder werden die Banken ihrerseits die Chancen ergreifen und nutzen können, die mit dem vieldiskutierten Open Banking verbunden sind? Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion verweisen auf die aus Sicht der Banken vergleichsweise kurze Umsetzungszeit, geben sich aber zuversichtlich, dass die Branche den Raum für Innovationen zu nutzen und ihren Vertrauensvorsprung bei den Kunden zu erhalten sucht. Tenor: Die Entwicklung bleibt gleichermaßen spannend wie herausfordernd, angefangen von Sicherheit und Datenschutz über die Verteilung der Kosten für die Infrastruktur und die Preisbildung bis hin zur künftigen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Banken und Zahlungsverkehrsdienstleister in einem zunehmend globalen Markt. (Red.)

Philipp Otto: Frau Dietze, was würden Sie als größte persönliche Herausforderungen sehen, die mit Digitalisierung zusammenhängt? Mal unabhängig vom eigentlichen Thema, über das wir reden wollen.

Doris Dietze: Eine persönliche Herausforderung ist es, in der Schnelligkeit ein technologisches Grundverständnis zu entwickeln, um die mit den digitalen Entwicklungen einhergehenden gesellschaftlichen Folgen gut beurteilen zu können. Denn Technik ist zunächst einmal neutral.

Sie ist weder positiv noch negativ. Ihr Einsatz hat aber Vorteile und Nachteile für die Gesellschaft oder für den Einzelnen. Dies zu überblicken halte ich für eine Herausforderung.

Philipp Otto: Herr Pauli, wie offen sind Sie, was neue Technologien betrifft, probieren Sie neue Sachen immer gleich aus?

Frank-Christian Pauli: Ja, ich bin offen für Technik und probiere entsprechend neue Dinge auch früh aus. Ich habe beispielsweise schon mit dem Handy über NFC gezahlt, als das noch in den Kinderschuhen steckte.

Philipp Otto: Hat es geklappt?

Frank-Christian Pauli: Ja und nein. Hier in Deutschland schon, aber beispielsweise nicht in Schweden. In meinem Supermarkt hieß es dann irgendwann: "Ach Sie sind der, der immer mit dem Handy bezahlt." Da konnte ich mir jegliche weitere Marktuntersuchung sparen.

Aber noch einmal zu dem, was Doris Dietze angesprochen hat. Die Digitalisierung bietet für Verbraucher jede Menge Chancen. Aber sie stellt Verbraucher auch vor immer neue Anforderungen und nicht jeder Verbraucher hat ein gleiches Verhältnis zur Digitalisierung. Was für den einen einfach und normal ist, ist es für den anderen nicht. Die Herausforderung ist, Digitalisierung zu schaffen, ohne dabei jemanden stehen zu lassen.

Philipp Otto: Herr Martin, wie ist es bei Ihnen. Sind Sie eher ein Technikmuffel oder der Vorreiter?

Andreas Martin: Ich probiere schon viel aus, tue das aber vermutlich etwas zurückhaltender als jüngere Menschen, für die das zu ihrem Naturell geworden ist. Wenn ich zum Beispiel die Wahl habe zwischen der kontaktlosen Karte oder der digitalen Karte im Smartphone und nicht darüber nachdenke, nehme ich immer die kontaktlose Karte und bezahle eben nicht mit dem Handy. Aber da bin ich wohl nicht allein, denn Umfragen zufolge geht es den meisten Menschen so, dass sie zunächst noch ein wenig an dem gewohnten wie der haptischen Karte festhalten.

Philipp Otto: Herr Schäfer, wie digital sind Sie persönlich, wie ist Ihr Verhältnis zur Technik?

Christian Schäfer: Ich bin schon jemand, der Innovationen sehr früh ausprobiert. Was mich dann immer wieder überrascht, ist, wie schnell man sich an Dinge gewöhnt. Das Bezahlen über Apple Pay ist für mich ruckzuck zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Das ist dann auch unabhängig von verschiedenen Generationen, wenn Lösungen entwickelt werden, die massentauglich sind und für alle unabhängig vom Alter funktionieren, wie es Frank-Christian Pauli angesprochen hat: Meine Eltern beispielsweise, die sind 86 und 88, freuen sich, dass sie noch nie so gut über das Tun ihrer fünf Kinder informiert waren, seit sie über ein Smartphone Mitglied der Whats-App-Gruppe sind.

Philipp Otto: Frau Dietze, weiter mit dem Stichwort PSD2 und damit sicherlich einer der sicht- und spürbarsten Folgen der rasanten technologischen Entwicklung im Zahlungsverkehr. Sie haben die PSD2 ein gutes Stück weit federführend verhandelt. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis? Gilt auch hier: Ein Kompromiss, über den jeder schimpft, ist ein guter Kompromiss?

Doris Dietze: Wie zufrieden ich mit der PSD2 bin, wird sich erst im September und den Monaten danach zeigen, wenn die letzten Vorschriften live geschaltet sind. Erst dann werden tatsächlich Effekte spürbar werden. Im Moment gibt es noch sehr viele Ängste und Befürchtungen. Das gilt sowohl für den Bereich der Kreditwirtschaft als auch für die Fintech-Branche. Aber es zeigt sich anhand der Anzahl von Anfragen bei der BaFin auch, dass das Interesse der so genannten Auslösedienste und Informationsdienste durchaus groß ist.

Philipp Otto: Nun hat es insgesamt sieben Jahre gedauert von der Idee bis zur Umsetzung. Ist ein solcher Zeitrahmen angesichts des raschen technischen Fortschritts nicht zu groß? Kann ein Gesetzgebungsprozess, in dem auf europäischer Ebene sehr viel Abstimmung nötig ist, überhaupt so weit verkürzt werden, dass er rascher auf Marktentwicklungen reagieren kann?

Doris Dietze: Die PSD2 ist ein Beispiel dafür, wie lange es von einem ersten Kommissionsentwurf bis zur finalen Umsetzung brauchen kann. Das ist in der Tat eine Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen. Gerade in digitalen Zeiten. Da gibt es keine leichten Antworten, um das vorwegzunehmen. Manche Prozesse lassen sich in einer Demokratie nur zu einem bestimmten Punkt verkürzen und beschleunigen. Immerhin, wenn es ganz dringend ist, kann es auch sehr schnell gehen.

Im besten Fall funktionieren Regeln unabhängig von technologischen Entwicklungen. Wir betonen deshalb immer wieder die Wichtigkeit der Technologieneutralität von Regulierung.

Philipp Otto: Herr Martin, in seinem Vortrag hat Andreas Krautscheid es eben angesprochen, so lang der Gesetzgebungsprozess gedauert hat, so kurz ist die Umsetzungsphase. Wie ist der Stand der Umsetzung aus Sicht bei den Genossenschaftsbanken? Wird ein geordneter Übergang im September erreicht werden?

Andreas Martin: Die deutschen Volksbanken Raiffeisenbanken sind mit ihrer PSD2-Schnittstelle testbereit. Aber wir stellen fest, dass so viele testwillige Drittanbieter bei der Fiducia & GAD bisher gar nicht angeklopft haben. Das macht mir ein wenig Sorge, denn der Zahlungsverkehr ist ein Ökosystem, das nur dann erfolgreich funktioniert, wenn alle Beteiligten den gleichen Stand der Umsetzung haben.

Herrn Krautscheid muss ich recht geben, insgesamt war der Zeitrahmen schon recht kurz. Es wäre sicherlich EU-seitig besser gewesen, sich frühzeitiger zu überlegen, was genau der Auftrag an die EBA sein soll, wie tief die Verordnung regulieren will, wie tief tatsächlich bis auf Spezifikationsebene in Vorgaben hineingegangen werden soll. Und man hätte sich auch früher Gedanken machen müssen, wie man eine europaweite Standardisierung hinbekommen will. Die Kreditwirtschaft hat investiert und geliefert. Da darf es nicht passieren, dass es nun nicht gelingt, Schnittstellen einheitlich zu nutzen, weil andere vielleicht noch nicht so weit sind. Das wäre eine Strafe für die, die sich an den Fahrplan gehalten, investiert und umgesetzt haben. Statt über Verschiebungen oder eine Aufweichung der PSD2 nachzudenken, sollte lieber darauf gedrängt werden, den Fahrplan einzuhalten.

Philipp Otto: Herr Schäfer, Sie sind konzernweit in der Deutschen Bank für das Projekt PSD2 verantwortlich, das heißt nicht nur in Deutschland. Wird noch nachgebessert werden müssen, denn die technischen Standards in den einzelnen Ländern Europas sind nicht einheitlich?

Christian Schäfer: Aus Sicht der Kreditwirtschaft ist diese Frage eindeutig zu beantworten: Diese wird liefern, was regulatorisch gefordert ist. Gerade die deutschen Banken und Sparkassen haben immer wieder bewiesen, dass sie über die Berlin- Group oder die entsprechenden Arbeitsgruppen der DK sehr gut zusammenarbeiten und eine Regularie proaktiv im Sinne des Gesetzes umsetzen können.

Die Gespräche mit großen Händlern und andere Interessengruppen haben aber gezeigt, dass es ein Reihe von Funktionalitäten gibt, die diese Kundengruppen gerne hätten, die nicht in der PSD2 enthalten sind.

Deswegen ist es sehr wichtig, dass Banken und Sparkassen nach der Migration im September in eine zweite Phase einsteigen dürfen, in der Mehrwertleistungen und attraktive Produkte entwickelt werden, um genau diese Bedürfnisse abzudecken. So können wir gegenüber den amerikanischen und den ostasiatischen Angeboten sehr gut bestehen.

Philipp Otto: Die Deutsche Bank hat eine Chance bereits genutzt und sich auch als Drittdienstleister registrieren lassen, sowohl im Retail- als auch im Firmenkundengeschäft. Was sind die Vorteile? Ist das eine der Chancen, die die neue Regulierung bietet?

Christian Schäfer: Absolut. Die PSD2 bietet viel Raum für Innovationspotenziale. Die Deutsche Bank hat den Anspruch, diese für sich und ihre Kunden zu realisieren. Daher haben wir uns auf der Retailseite sehr früh entschieden, Drittdienstleister im Sinne eines Kontoinformationsdienstleister zu sein. Das wurde von Kunden sehr gut angenommen.

Philipp Otto: Und wie ist es auf der Firmenkundenseite?

Christian Schäfer: Hier arbeiten wir sehr gut mit der Luftfahrtindustrie im Bereich der Bezahlverfahren im Internet zusammen. Es wurden bereits die ersten Transaktionen abgewickelt. Das Angebot wird sehr positiv gesehen und hat auch das Interesse anderer großer Händlergruppen geweckt. Mein Gefühl ist: Kunden und Unternehmen schätzen nach wie vor die Verlässlichkeit einer Bank, entsprechend hoch ist das Vertrauen, welches die Kunden uns und unseren Lösungen entgegenbringen. Und entsprechend groß sind demzufolge auch die Chancen, in dieses Geschäft einzusteigen.

Philipp Otto: Herr Pauli, die Komplexität nimmt immer nur zu. Überfordert das den Verbraucher nicht irgendwann. Im Moment bekommt er Post von seiner Bank, das ist noch überschaubar, doch künftig auch von vielen Dienstleistern. Beunruhigt Sie das?

Frank-Christian Pauli: Ein bisschen beunruhigt mich das schon, auch wenn die Verbraucher der Digitalisierung gegenüber grundsätzlich offen sind. Denn die Komplexität ist in der Tat groß. Und Erfahrungen zeigen, dass Verbraucher heute teilweise schon überfordert sind, wenn verschiedene Zahlungsdienstleistungen kombiniert werden. Zahlungsverkehr ist eine völlige Nebensache für Verbraucher, die konzentrieren sich auf das Bezahlen, nicht auf den Prozess dahinter. Von daher ist es in einem System des "Open Banking" ganz wichtig, dass es einen zentralen Ansprechpartner gibt. Es darf nicht sein, dass zum Beispiel ein Kunde, der eine unbefugte Paypal-Zahlung aus Versehen nicht direkt bei Paypal, sondern bei seiner Bank moniert hat, dann Schwierigkeiten bekommt.

Philipp Otto: Aber dieses Problem nimmt doch unter der PSD2 nur noch zu, wie kann man da den Verbraucher besser schützen?

Frank-Christian Pauli: In der Tat, denn ab September wollen Drittdienste die Zugangsdaten von den Verbrauchern, von denen diese noch nie etwas gehört haben. Das wird für viel Verunsicherung sorgen und ich glaube auch, dass das angedachte System am Anfang haken wird, weil viele Verbraucher eine Herausgabe ihrer Daten an ihnen unbekannte Dienstleister verweigern werden. Das wird sich mit der Zeit einspielen. Aber dann sehe ich das nächste Risiko kommen: Denn irgendwann werden die Betrüger dieses System für sich entdecken und sich unter dem Vorwand eines Drittdienstleisters auf die Jagd nach Zugangsdaten machen. Das kann Stand heute kein Verbraucher sauber kontrollieren. Da müssen wir noch ein Stückchen weiterdenken.

Philipp Otto: Frau Dietze, ich höre hier eine gewisse Sorge heraus, dass das System keineswegs sicherer wird, trotz Gesetzen und Regulierung. Stimmt das?

Doris Dietze: Die PSD2 enthält eine ganze Reihe von Maßnahmen, um Verbraucherinnen und Verbraucher abzusichern. Und man darf auch nicht vergessen, dass es solche Dienstleister bislang auch schon gab, nur aufsichtsrechtlich unreguliert. Insofern wird nun durch die Notwendigkeit einer BaFin-Lizenz eine zusätzliche Sicherheit eingezogen. Hinzu kommt ein Haftungsregime, das es früher ebenfalls nicht gab und das sicherstellt, dass der Verbraucher im Schadenfall nicht auf den Kosten sitzen bleibt.

Philipp Otto: Herr Schäfer, ändert sich durch dieses neue Haftungsregime etwas für die Banken? Wer haftet?

Christian Schäfer: Zunächst mal die Bank, denn die bleibt der erste Ansprechpartner für den Konsumenten, sprich den Kontoinhaber. Deswegen ist die Kreditwirtschaft auch so bemüht, möglichst sichere Kundenauthentifizierungsmerkmale zu schaffen. Im zweiten Schritt halten wir Banken uns dann gegebenenfalls an die Drittdienstleister, durch die das Problem oder der Schaden entstanden ist. Hier sorgt die PSD2 auf jeden Fall für mehr Sicherheit, denn wie von Doris Dietze angesprochen, müssen diese Dienstleister registriert sein und sich gegenüber den Banken digital als ein solcher zugelassener Dienstleister ausweisen.

Frank-Christian Pauli: Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich rechne nicht mit Problemen bei zugelassenen Diensten. An den Schnittstellen zu diesen Diensten hat man mit der PSD2 ein Hochsicherheitstor gebaut. Da passiert nichts. Aber um das Tor herum steht an manchen Stellen noch ein Jägerzaun, nämlich immer dann, wenn sich ein Verbraucher mit seinen Zugangsdaten, die er für das normale Onlinebanking nutzt, irgendwo einloggen muss. Meinem Verständnis nach greift hier keine Haftungsregelung, da der Verbraucher die Daten freiwillig weitergegeben hat. Hier wäre mehr Klarheit wünschenswert, denn die PSD2 löst dieses Problem nicht.

Philipp Otto: Frau Dietze direkt dazu.

Doris Dietze: Es gibt nicht nur den regulierten Zugang, es gibt auch noch die von Herrn Schäfer angesprochene starke Kundenauthentifizierung. Diese führt bei Zahlungen im Internet oder beim Onlinebanking zu einer dynamischen Verlinkung, die einen zusätzlichen Schutz generiert und damit dem Szenario, welches Herr Pauli gerade geschildert hat, ein Stück weit vorbeugt.

Philipp Otto: Herr Martin, es gibt im Zahlungsverkehr immer wieder Diskussionen über die Verteilung der Kosten für die Infrastruktur. Kommt die PSD2 den Banken, die einen Großteil dieser Kosten tragen, entgegen?

Andreas Martin: So wie die PSD2 angelegt ist, nein! Die Banken tragen den Großteil der Investitionen und auch die Arbeit und das Risiko der Regulierung eventueller Schäden. Selbst wenn man sich im Missbrauchsfall davon etwas zurückholen kann, ist es zunächst ein Aufwand. Da die Drittdienstleister zudem nicht durch Entgelte der Banken direkt belastet werden dürfen, gibt es beim Faktor Kosten ohnehin eine mangelnde Symmetrie. Das hat man politisch in Kauf genommen. Ich hoffe, dass solche Punkte bei künftigen Regulierungen besser beachtet werden. Denn diejenigen, die investieren sollen, sollten auch die Möglichkeit eines "business case" eingeräumt bekommen.

Christian Schäfer: Das kann ich nur bestätigen. Die Kreditwirtschaft muss bei all diesen Themen proaktiv und wirtschaftlich aktiv bleiben können. Nachdem nun mit der PSD2 eine gute Basis durch Banken gelegt wurde, muss man uns nun auch die Chance geben auf dieser Basis neue Produkte und Geschäftsmodelle aufzubauen. Für die Zukunft der Kreditwirtschaft ist es entscheidend, an der Kundenschnittstelle auch durch Innovation relevant zu sein und zu bleiben.

Philipp Otto: Die PSD2 wurde ursprünglich angedacht, um Fintechs und Startups den Markteintritt zu erleichtern. Nun wollen mit Amazon, Google oder Facebook aber ganz andere Kaliber durch diese Tür. Ist das ein Problem? Die Deutsche Bank arbeitet schon mit Apple zusammen: Ist das eine partnerschaftliche Zusammenarbeit oder müssen sich Banken den "Tech-Giganten" unterordnen.

Christian Schäfer: Das kann man nicht pauschal beantworten, denn es gibt bei diesen Unternehmen sehr unterschiedliche Profile und Verhaltensmuster. Apple beispielsweise vermittelt auf mich den Anspruch, sich selbst und die Welt besser zu machen. Es geht diesem Unternehmen sehr stark um das Kundenerlebnis und darum dieses besser zu machen. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die den Kunden in das Zentrum ihrer Überlegungen stellen und nach innovativen Lösungen mit kompetenten Partnern suchen, erlebe ich durchweg als kooperativ, komplementär und positiv. Andere Tech- Giganten sind da meinen persönlichen Erfahrungen zufolge deutlich aggressiver unterwegs.

Philipp Otto: Wer verursacht bei Ihnen eigentlich die größeren Sorgenfalten, Herr Pauli: Die etablierte Kreditwirtschaft, die Sie nun seit 15 Jahren intensiv begleiten und kennen, oder die neue Welt des "open banking" mit Spielern wie Amazon oder Apple?

Frank-Christian Pauli: Auch das lässt sich nicht einfach so pauschal beantworten. Der Verbraucher muss sich immer die Frage stellen, womit verdient ein Unternehmen sein Geld. Bei Banken bezahlt er für die Kontoführung und den Zahlungsverkehr und weiß, wofür er bezahlt und wie das Geschäftsmodell dahinter funktioniert. Das ist bei all den neuen Diensten keineswegs immer so klar. Warum bieten die das jetzt an? Warum gibt's das umsonst? Dazu gibt es bislang nur sehr geringe Erfahrungswerte.

Aber die Kontodaten sind sozusagen die Kirschen auf dem Kuchen der Verbraucher. Das sind die persönlichsten Daten. Woher kommt das Geld? Wie oft ist jemand wo einkaufen? Was kauft man? Wie oft geht man zum Arzt? Wer zu den Antworten auf all diesen Fragen Zugang hat, hebt einen enormen Datenschatz. Durch geschickte Herausarbeitung von Informationen können zum Beispiel durch eine individualisierte Preisbildung ganze Wettbewerbskreisläufe gestört oder gar beschädigt werden. Für Verbraucherschützer läuten da die Alarmglocken, weil wir uns fragen, wie der Kunde gegensteuern kann, um nicht gläsern zu werden. Können Verbraucher das verhindern?

Philipp Otto: Können sie es denn verhindern?

Frank-Christian Pauli: Eine technische Neuerung, eine neues Angebot muss die Mehrzahl der Verbraucher überzeugen, sonst wird es links liegen gelassen. Die Telekommunikationsunternehmen waren die ersten, die das Bezahlen per Handy eingeführt haben. Wirklich durchgesetzt hat es sich nicht. Google Pay und Apple Pay kamen dagegen erst sehr spät auf den Markt, fast als Letzte. Das heißt, es gibt eine Menge technische Möglichkeiten, die hinsichtlich ihres Erfolges ganz neutral am Kundennutzen zu bewerten sind, nicht am Business Case, was damit zu verdienen ist. Die Verbraucher sind letztendlich die Schiedsrichter im Markt und sie haben schon sehr häufig im digitalen Zahlungsmarkt in Deutschland gesprochen und Entwicklungen nicht zum Durchbruch verholfen. Nicht, dass die digitalen Neuerungen schlecht gewesen wären, aber sie haben nicht dem Nutzwert der Verbraucher entsprochen.

Philipp Otto: Herr Schäfer, das Image der Kreditwirtschaft als Innovator und Vorreiter technischer Entwicklungen ist nicht allzu gut. Hat man in den vergangenen Jahren zu viel Boden verloren und kann man das jetzt noch aufholen? Mit welchen Angeboten können etablierte Kreditinstitute Verbraucher von ihren Leistungen überzeugen?

Christian Schäfer: Es gibt zwischen den Beteiligten, aber häufig auch innerhalb der Institute, heterogene Interessenlagen. Diese müssen nun ausmoderiert werden und es müssen einvernehmliche Lösungen gefunden werden. Ich sehe dazu ein breite Bereitschaft in der Deutschen Kreditwirtschaft und auch über unsere Landesgrenze hinaus. Aber dass Banken nicht innovativ sein können, stimmt nicht. Ich habe mich immer mit Innovations- und Produktentwicklungsthemen beschäftigt. Die Einführung von Sepa ist hier nur ein Beispiel. Auch institutsübergreifend sehe ich viele erfolgreiche Produktentwicklungen. Mein aktuellstes Beispiel dazu ist das der Arbeitsgruppe des Euro Retail Payments Board (ERPB) zu den Sepa API Access Scheme. Dort gingen die wesentlichen Impulse von den Händlern und den Banken aus. Man vergleicht Banken so gerne mit den schweren Tankern und die Fintechs mit den Schnellbooten. Im Moment habe ich ganz stark das Gefühl, dass der Tanker klar ausgerichtet ist und Gas gibt, während sich das ein oder andere Fintech eher auf Migrationsthemen konzentrieren möchte.

Andreas Martin: In Sachen Kundenbequemlichkeit können Banken sicherlich noch mehr tun, was auch daran liegt, dass sie noch zu oft ihre Systemwelten im Kopf haben. Denn überall dort, wo es gelingt, Dinge im Kundeninteresse zusammenzuführen und zu vereinfachen, honorieren die Kunden das und da sind Banken dann auch erfolgreich. Ich nehme nur mal das elektronische Postfach der Genossenschaftlichen Finanzgruppe als Beispiel: Hier findet der Kunde alles vom Kontoauszug und der Kreditkartenabrechnung der Bank über den Auszug der Union Investment und die Mitteilungen der R+V zu den Versicherungen. So muss sich der Kunde nicht mehr mehrere Passwörter merken. Das ist schon eine Vereinheitlichung und Vereinfachung im Sinne des Open-Banking-Ansatzes.

Philipp Otto: Was macht Sie so zuversichtlich, dass Banken nicht eben genau diese Schnittstelle zum Kunden verlieren, nur noch das Konto führen dürfen und verschiedene Dienstleister mit spezialisierten Angeboten die Gebühren abschöpfen?

Andreas Martin: Dass das eine Gefahr der aktuell forcierten Entwicklungen ist, kann niemand abstreiten. Umso wichtiger ist es, dass wir das Konto in den Mittelpunkt stellen. P2P-Zahlungen können von separaten Dienstleistern abgewickelt werden, wie es globale Anbieter vormachen, können aber auch direkt vom Konto aus vorgenommen werden. Auch Instant Payments gehören direkt ans Konto. Es sollte nicht sein, dass derjenige, der instant bezahlen möchte, auf einen separaten Dienstleister zugreifen muss, der das über eine intermediäre Lösung abwickelt.

Christian Schäfer: Das kann ich voll unterschreiben. Das Erfolgsmodell für die Banken sind integrierte Lösungen. Es reicht nicht aus, einen Peer-to-Peer-Dienst zu haben, einen Instant-Payment-Dienst oder einen Onlinekredit. Das muss alles integriert sein in einer Kundenerfahrung. Wenn das gelingt, werden Banken hochgradig relevant bleiben. Wenn nicht, sehe ich die Gefahr, dass wir Service für Service disintermediert werden.

Philipp Otto: Ist es inakzeptabel, wenn eine Instant-Payment-Zahlung beispielsweise 0,2 Cent kostet, Banken dafür aber deutlich mehr berechnen. Wann sind Eingriffe in Preise und Gebühren aus Ihrer Sicht gerechtfertigt, Frau Dietze, wann muss der Gesetzgeber im Sinne der Verbraucher eingreifen?

Doris Dietze: Für die ganz krassen Fälle gibt es ja ein gesetzliches Wucherverbot. Im Übrigen glaube ich, dass vieles der Markt regeln kann, wenn er funktioniert. Das festzustellen ist Sache der Wettbewerbsbehörden. Im Zweifel werden Anbieter, die zu hohe Preise verlangen, auf lange Sicht nicht wettbewerbsfähig sein.

Philipp Otto: Herr Martin bitte direkt dazu.

Andreas Martin: Ich wundere mich immer über diesen gleichen Reflex. Es kommt eine neue Leistung auf den Markt, die einen echten Zusatznutzen bietet. Damit es dazu kam, waren hohe Investitionen vorausgesetzt. Und auch die Leistung verursacht spezifische zusätzliche laufende Kosten im täglichen Betrieb. Doch es wird nur gefragt: Warum kostet das etwas? Es wird nicht der Nutzen gesehen, sondern nur die Bepreisung. Dabei ist es doch wirklich ein Fortschritt, wenn beim Autokauf kein Bargeld mehr ausgetauscht werden muss und der Händler das Geld direkt auf seinem Konto hat, wenn Großeltern den Kindern am Geburtstagstisch schnell noch etwas überweisen wollen. Das alles sind Situationen, die für unsere Kunden einen Wert darstellen. Warum sollen Banken für diese Leistung kein Entgelt nehmen dürfen? Mir erschließt sich dies nicht, zumal die Höhe im Regelfall niedriger liegen dürfte als ein Anruf beim European Song Contest.

Philipp Otto: Herr Pauli, brauchen wir diese Eingriffe trotzdem?

Frank-Christian Pauli: Preise regeln sich im Wettbewerb, das ist richtig und wichtig. Das fordern auch die Verbraucherschützer. Wir sind nicht diejenigen, die ständig nach Preisregulierungen rufen. Beispiel Basiskonto: Der Gesetzgeber hätte vorschreiben können, dass dieses kostenlos angeboten werden muss. Wir waren einverstanden, diese Dienstleistung, die von Banken erbracht werden muss, zu bepreisen, aber fair zu bepreisen.

Für Situationen, in denen dies nicht funktioniert, muss allerdings ebenfalls eine Lösung gefunden werden. Bei Instant Payments reicht das Gebührenspektrum von 0 Cent bis 2 Euro. Und warum sollen die Banken allein die Investitionen tragen und die Verbraucher nun dafür die Gebühren zahlen? Wer hat den Vorteil? Bei den Beispielen von Andreas Martin, Gebrauchtwagenkauf und Enkel oder auch Kinder im Ausland, hat ein Verbraucher den Nutzen, da können auch die Kosten getragen werden. Aber beim Einkaufen im Supermarkt hat doch der Händler einen enormen Vorteil. Er hat weniger Aufwand für das Bargeldhandling, hat das Geld aber trotzdem anders als bei anderen bargeldlosen Bezahlverfahren sofort auf dem Konto. Es kann nicht richtig sein, dass derjenige, der die Zahlung auslöst, die gesamten Kosten tragen muss, und nicht auch derjenige, der den Nutzen hat. Das ist noch ein Webfehler in der aktuellen Regulierung. Die im Übrigen auch die Gefahr birgt, das sich das System nicht durchsetzen wird, wenn es Verbrauchern zu teuer erscheint. Es kommt nun stark darauf an, wie die Verbrauchererfahrung sein wird. Aber ich denke, in Sachen Kostenverteilung muss nachgebessert werden.

Christian Schäfer: Auch da würde ich Frank-Christian Pauli sofort zustimmen. Dies wurde als Thema auch schon im ERBP identifiziert. Wenn der Händler einen Nutzen aus der Dienstleistung Instant Payment hat, kann das nicht allein zulasten des Konsumenten gehen. Denn dann besteht in der Tat die Gefahr, dass ein Konsument fünf Mal Instant Payments nutzt, weil er es schick findet und sich dann über Kosten von 7,50 Euro so erschreckt, dass er es nie wieder tut. Es ist allerdings kein Webfehler der Regulierung, Herr Pauli, sondern es ist meines Erachtens Aufgabe der Marktteilnehmer, in diesem Fall Handel und Kreditwirtschaft, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eigenständig im gemeinsamen Dialog Lösungen zu finden.

Philipp Otto: Herr Martin, im Vortrag von Andreas Krautscheid vorhin klang durch, dass die Deutsche Kreditwirtschaft sehr viel intensiver in die Gespräche um ein europäisches Zahlungsverkehrsscheme eingebunden ist als früher. Wie ist der Stand der Dinge? Was wird konkret besprochen?

Andreas Martin: Es gab ja schon einige Versuche eines europäischen Gemeinschaftssystems. Nach dem Euro-Scheck-Sys tem im letzten Jahrhundert folgten in der Euro-Zeit Ideen wie Monnet und EAPS, die sich aber alle, unter anderem wegen sehr eng definierter regulatorischer Rahmenbedingungen, nicht durchsetzen konnten. In den aktuellen Gesprächen ist nun eine deutlich höhere Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln zu spüren. Ich denke, das liegt am zunehmenden Druck aus West und Ost, also den USA und Asien. Denn Europas Banken und Zahlungsverkehrsdienstleister müssen sich die Frage stellen, was sie dem entgegenzusetzen haben. Das sehen auch die politischen Vertreter samt der europäischen oder nationalen Institutionen wie der EU-Kommission und der Deutschen Bundesbank so und erhöhen sowohl den Druck wie gleichzeitig die Gesprächsbereitschaft. Denn am Ende sollen die Verbraucher in Europa profitieren, und das geht nur, wenn die europäische Zahlungsverkehrsindustrie wettbewerbsfähig bleibt.

Philipp Otto: Bleibt die Bereitschaft zur Gemeinsamkeit auch dann noch hoch, wenn bestens eingeführte nationale Systeme wie beispielsweise die Girocard betroffen wären?

Andreas Martin: Ein neues System wird nicht auf der grünen Wiese entstehen, sondern muss auf Bewährtes zurückgreifen und darf Bewährtes nicht kannibalisieren. Die Herausforderung ist es also, ausgehend von dem, was in Europa vorhanden ist, einen europäischen Lösungsansatz zu finden, der auf Dauer ein Benchmark in Effizienz ist, denn sonst ist er nicht wettbewerbsfähig, und gleichzeitig auch tatsächlich die Autonomie von Verbrauchern und Unternehmen und letztlich auch Banken in Europa stärkt. Dies zu schaffen haben wir uns vorgenommen.

Philipp Otto: Herr Schäfer, Sie sitzen als Bankenvertreter in einer Arbeitsgruppe bei der EZB. Ist die Wahrnehmung von Herrn Andreas Martin richtig, dass die Zeit heute reifer ist mit Blick auf gemeinsame europäische Lösungen oder ist das nur eine deutsche Sicht? Sind Marktteilnehmer aus anderen Ländern auch offen für mehr Europa?

Christian Schäfer: Es gibt einen totalen Konsens über alle Länder hinweg, egal ob in Nordeuropa, Südeuropa, Westeuropa oder Osteuropa. Alle ziehen mit und sehen die hohe Relevanz dieses Themas gleichermaßen.

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