Redaktionsgespräch mit Martin Reck

"Private Investoren sollen bei der Börse Frankfurt direkten Einfluss auf die Preisfindung haben"

Dr. Martin Reck, Geschäftsführer der Frankfurter Wertpapierbörse und Leiter des Kassamarktes der Deutsche Börse AG, Frankfurt am Main

In Deutschland hat die Frankfurter Wertpapierbörse mit den beiden Handelsplätzen Xetra und Börse Frankfurt einen Umsatzanteil von 90 Prozent. Auf letzterem Handelsplatz, auf den etwa 3 Prozent des Marktanteils entfallen, wird nach dem Spezialistenmodell gehandelt. Dort sieht man sich als Begleiter der Konsolidierung unter den Maklern. Die Erweiterung dieses Spektrums an Handelsplätzen durch die 75-prozentige Beteiligung der Deutschen Börse an der Berliner Tradegate Exchange bezeichnet Martin Reck im Redaktionsgespräch als richtige strategische Entscheidung. Der Leiter des Kassamarktes der Deutschen Börse geht auch auf aktuelle Themen ein wie beispielsweise das Scheitern von Bondcube, der Plattform, mit der die Deutsche Börse neue Standards im Handel von festverzinslichen Werten setzen wollte. Oder die Reaktion der Frankfurter Wertpapierbörse auf das Aufheben der Pflicht zur Erstellung von Quartalsberichten durch den deutschen Gesetzgeber. Die Reaktion der FWB darauf wird der Börsenrat noch im November diskutieren. (Red.)

Wie würden Sie die aktuelle Struktur von Frankfurter Wertpapierbörse und Deutscher Börse beschreiben?

In Deutschland ist die Börse eine öffentlich-rechtliche Institution. Träger der Frankfurter Wertpapierbörse ist die Deutsche Börse AG. Unter dem Dach der Frankfurter Wertpapierbörse laufen zwei Handelsplätze. Das ist zum einen Xetra und zum anderen Börse Frankfurt.

Xetra wurde 1997 als vollelektronische Plattform gestartet und ist seitdem sehr erfolgreich. Der Handelsplatz ist weltweiter Referenzmarkt für deutsche Wertpapiere. Auf Basis dieser Preise wird auch der Dax-Index berechnet. Xetra hat rund 200 direkt angeschlossene Teilnehmer, die aus Deutschland kommen, aber auch aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, aus Skandinavien oder aus Hongkong - insgesamt aus 18 Ländern weltweit. Etwa 55 Prozent der Orders stammen alleine aus Großbritannien. Xetra ist äußerst liquide, hierüber werden von 9 bis 17.30 Uhr etwa 1 000 Aktien und rund 1 400 Exchange Traded Products (ETPs) gehandelt. Das Orderbuch ist offen, das heißt, Orders können direkt eingesehen werden. Das kann bei der Einschätzung helfen, wohin sich der Preis kurzfristig bewegt.

Börse Frankfurt ist durch eine größere Produktauswahl deutlich breiter aufgestellt. Gehandelt wird nach dem Spezialistenmodell mit längeren Handelszeiten, nämlich von 8 bis 20 Uhr. Der Spezialist vereint dabei drei Rollen auf sich. Erstens managt er als Intermediär das Orderbuch. Zwar läuft auch dieses System elektronisch, doch hier bestimmt nicht der Algorithmus, wann es zum Handel kommt, sondern eben der Spezialist. Dieser sorgt auch für Transparenz im Markt, denn er stellt Geld-/Brief-Spannen bereit, die jederzeit über unser Portal boerse-frankfurt.de einsehbar sind. Zweitens transportiert der Spezialist auch Informationen aus Referenzmärkten aus der ganzen Welt, etwa von Xetra oder von US-amerikanischen Börsen. Mit den Spezialisten ist außerdem seit November 2013 eine Qualitätsgarantie vereinbart, die beinhaltet, dass Orders bis zu einer Größe von 7 500 Euro in hoch liquiden Wertpapieren mindestens so gut auf Börse Frankfurt wie am jeweiligen Referenzmarkt ausgeführt werden. Und drittens stellt er natürlich auch Liquidität bereit.

Welches Produktspektrum wird auf Börse Frankfurt gehandelt?

Börse Frankfurt ist von der Abdeckung der Instrumente her Komplettanbieter, unsere Auswahl zählt zur weltweit größten überhaupt. Auf Börse Frankfurt sind über 1,3 Millionen Instrumente handelbar. Das sind etwa 10 000 Aktien, rund 27 000 Anleihen, zirka 3 000 Fonds und rund 1400 Exchange Traded Products (ETPs). Die größte Menge machen die mehr als 1,3 Millionen strukturierten Produkte aus.

Wie beziffern Sie die Marktanteile von Xetra und Börse Frankfurt?

Insgesamt hat die Frankfurter Wertpapierbörse in Deutschland einen Umsatzanteil von 90 Prozent. Davon entfallen etwa 87 Prozent auf Xetra und rund 3 Prozent auf Börse Frankfurt.

Empfinden Sie das Profil von Börse Frankfurt als ausreichend im Vergleich zu den Wettbewerbern, das heißt in Deutschland im Vergleich zu den anderen Regionalbörsen?

Absolut. Börse Frankfurt ist mit dem aktiven Handelssaal wohl der bekannteste Handelsplatz in Deutschland. Von dort berichten die Medien täglich über 80-mal - und zwar in alle Welt. 40 000 Besucher kamen allein im vergangenen Jahr, um sich vor Ort über den Börsenhandel zu informieren.

Viele der Wettbewerber machen den Privatanleger außerdem zum reinen Price-Taker: Anleger sehen einen Quote und können darauf nur reagieren, indem sie ihn annehmen und handeln oder eben nicht. Bei Börse Frankfurt hingegen besteht für Privatanleger die Möglichkeit, beispielsweise eine Limit-Order direkt in den Spread zu platzieren. Der Spezialist muss diese Order dann ab einer gewissen Größenordnung anzeigen. Börse Frankfurt soll auch künftig beständig weiterentwickelt werden, sodass auch private Investoren stärker zu Price-Makern werden können - also selbst direkten Einfluss auf die Preisfindung haben.

Wie sehen Sie die Rolle der Spezialisten am Handelsplatz Börse Frankfurt? Deren Zahl schrumpft weiter und die zwei bis drei Großen scheinen zunehmend zu dominieren. Welches ist die ideale Zahl an Maklern?

Wir haben elf Wertpapierhandelsbanken, die als Spezialisten fungieren. Es gibt keine Zahl an Spezialisten, mit der sich der Handelsplatz per se wohlfühlen sollte. Das Betreiben der Börse sollte sicherlich auf mehreren Schultern lasten. Da unser Produktangebot so breit ist, sind auch die Ansprüche an das Know-how sehr groß - sei es bei nationalen oder internationalen Aktien, Renten, Warrants oder Fonds.

Wenn weniger Firmen dieses Know-how abdecken können und entsprechenden Service erbringen, dann ist das okay. Wir werden nicht in eine mögliche Konsolidierung bei Spezialisten eingreifen, denn offensichtlich ist hier eine Marktkraft im Gange, die die Konsolidierung antreibt. Natürlich begleiten wir diesen Vorgang aber.

Hat sich die Mandatsvergabe an die Spezialisten bei Erstnotierungen auf Basis der Emittentenwünsche bewährt? Wie funktioniert dieses System? Bringt es nicht automatisch mehr Orderzufluss für die drei oder vier großen Makler?

Bis vor wenigen Jahren existierte bei Börsengängen ein Modell der Zuordnung von Spezialisten anhand von Branchen. Heute gibt der Emittent eine Empfehlung ab. Das bringt sehr viel mehr Wettbewerb in das System. Es ist hervorragend, wenn während des Lebenszyklus eines Produktes oder Prozesses wettbewerbliche Kräfte in Gang gesetzt werden.

Können Spezialisten in dem engen Regelwerk überhaupt Geld verdienen?

Die von den Spezialisten erbrachte Leistung wird mit den von der Börse ausgeschütteten Gebühren angemessen bezahlt. Selbstverständlich haben sie einen hohen Aufwand: Spezialisten müssen Infrastruktur vorhalten, sich mit Preisfeeds versehen und Personal auf dem Parkett vorhalten. Doch das geschieht nicht ohne Gegenleistung. Fakt ist: Der Handelsplatz Börse Frankfurt hat nicht die Rolle eines Low-Cost-Anbieters. Wichtig ist, dass aus den Dialogen und der Interaktion von Börse und Spezialisten stets ein gemeinsames Streben zur Weiterentwicklung des Handelsplatzes erkennbar ist. Im November 2013 konnten wir zeigen, wie flexibel das Spezialistenmodell ist, als wir innerhalb kurzer Zeit die Qualitätsgarantie für Privatanleger eingeführt haben.

Wenn man Xetra außen vor lässt, werden in Deutschland etwa 60 Prozent der Retail-Umsätze über die Tradegate Exchange gehandelt, an der die Deutsche Börse mit 75 Prozent beteiligt ist. Rund 25 Prozent laufen über das Frankfurter Parkett, gefolgt von Stuttgart mit rund 11 Prozent. Wieso macht sich Börse Frankfurt mit Tradegate selbst Konkurrenz? Und damit auch ihren eigenen Spezialisten?

Deutsche Börse Cash Market ist breit aufgestellt. Wir haben Xetra als Referenzmarkt, auf den sich auch Tradegate Exchange und Börse Frankfurt beziehen. Mit Tradegate bieten wir den Retail-Kunden einerseits ein Angebot ohne Gebühren - aber mit einer deutlich schmaleren Produktabdeckung. Börse Frankfurt als Vollanbieter ist also zwischen Xetra und Tradegate positioniert. Selbstverständlich gibt es Überlappungen im Produktangebot von Xetra, Börse Frankfurt und Tradegate, beispielsweise in den Dax-Werten. Das ist aber nicht schädlich im Hinblick auf das Gesamtangebot.

Sich mit der Tradegate Exchange an einem ganz neuen Format zu beteiligen, das sich in Deutschland sehr gut etabliert hat, war eine strategische Entscheidung. Die Entscheidung ist 2009 gefallen und muss auch heute noch als komplett richtig eingeordnet werden. Für uns war es absehbar, dass sich ein Modell mit gebührenfreiem Handel zu Null etablieren würde, mit nur wenigen Marktspezialisten, die Quotes stellen, auf die man handeln kann. Dieses Angebot wird derzeit in Deutschland von einigen anderen Anbietern kopiert.

Wäre eine Modifikation Ihres eigenen Modells, also von Börse Frankfurt, damals nicht eine Alternative gewesen?

Eine Weiterentwicklung des eigenen Modells ist immer eine Alternative. Das ist permanente Aufgabe des Trägers. Dabei muss man sich aber immer fragen, inwiefern ein Markt beziehungsweise die Intermediäre bereit sind, diesem Weg zu folgen. Für uns war die Beteiligung an der Tradegate Exchange der direkteste Weg, einem etablierten Format zu weiterem Wachstum zu verhelfen.

Der Deutschen Börse wird kein übertrieben gutes Verhältnis zu den Regionalbörsen nachgesagt. Haben diese in Ihren Augen eine Daseinsberechtigung?

Das ist ein Ammenmärchen. Es existiert ein sehr konstruktiver Dialog zwischen uns und den Regionalbörsen. Natürlich herrscht zwischen den Börsenbetreibern Wettbewerb, doch alle haben auch einen kurzen Draht zueinander. Das Verhältnis ist sportlich, aber es herrschen keine Misstöne.

Vor Kurzem wurden zum Beispiel die Xontro-Verträge sehr einvernehmlich realisiert und umgesetzt. Die Deutsche Börse ist an Braintrade, der Betreibergesellschaft von Xontro, beteiligt. Braintrade hat für den Betrieb von Xontro wiederum bis 2020 die IT der Deutschen Börse beauftragt. Wir selbst nutzen Xontro für die Preisfeststellung an der Frankfurter Wertpapierbörse nicht mehr. Einige Banken nutzen Xontro aber noch als Orderrouting-Komponente.

Spüren Sie als der große Marktteilnehmer die Bemühungen von München mit Gettex und Düsseldorf mit Quotrix?

Jeder kann Statistiken lesen und daraus erkennen, wer in den letzten Monaten und Jahren an Volumen gewonnen hat. Tradegate Exchange ist einer der Gewinner in Deutschland. Betrachtet man Tradegate, Xetra und Börse Frankfurt zusammen, dann haben wir einen Marktanteil von 95 Prozent. Da spielen sich Veränderungen an den weiteren deutschen Börsen im kleinen Prozentbereich ab. Aber der Wettbewerb ist willkommen. Es gibt immer Märkte und Nischen, die bedient werden wollen. Jeder sollte sich dazu eingeladen fühlen, Lösungen für Märkte anzubieten, die er als noch nicht bedient betrachtet.

Haben die kleineren Börsen einen Vorteil, wenn es um Innovationen geht?

Das denke ich nicht. Letztlich geht es bei Innovationen um Produkt-Kompetenzen und IT-Power. Breite Kundenbeziehungen spielen eine wichtige Rolle, ebenso die komplette Abdeckung der Wertschöpfungskette.

Inwiefern bietet Regulierung einen Anlass zu Innovationen?

Im vorletzten Jahr beispielsweise wurde in Deutschland ein Gesetz zur Regulierung des Hochfrequenzhandels umgesetzt. Deutsche Börse Cash Market hat als Marktführer bei der Entwicklung der Standards gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden unterstützt. Dabei ging es unter anderem um das Algo-Flagging, wodurch Handelsteilnehmer algorithmisch generierte Aufträge kennzeichnen und den verwendeten Algorithmus kenntlich machen müssen.

Die vorherrschenden Fragen waren, was mit der Regulierung erreicht werden soll und wie sich diese Absicht technisch implementieren lässt. Letztlich waren wir hierfür die Piloten in Europa. Andere Anbieter schauen dann auf uns und werden sicherlich nicht das Rad neu erfinden. Wir sind guter Dinge, dass das Algo-Flagging mit MiFID II auch zum europäischen Standard wird, analog zum deutschen Vorgehen.

Befinden Sie sich hier auch international in einer Vorreiterrolle?

Auch im internationalen Wettbewerb behaupten wir unsere Position durch wichtige Innovationen. Ein aktuelles Beispiel ist die Volume Discovery Order, kurz VDO, die Ende des Jahres mit Xetra Release 16 eingeführt wird. Die Simulationsphase für die Teilnehmer läuft bereits erfolgreich. Die VDO ist eine MiFID II-konforme Lösung für die diskrete und schnelle Abwicklung von Großaufträgen. Denn MiFID II erlaubt nur noch eine sehr begrenzte Ordermenge über Dark Pools abzuwickeln, was bislang besonders für große Aufträge interessant war. Die VDO hat von der ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) und der Hessischen Börsenaufsicht grünes Licht für eine Ausnahmegenehmigung erhalten, sodass diese Orders nicht von der Beschränkung betroffen sind.

Konkret muss man sich das so vorstellen: Die VDO basiert auf der bekannten Iceberg Order. Statt das Gesamtvolumen einer Block-Order preiszugeben, wird im Xetra-Orderbuch nur eine festgelegte Spitze sichtbar - ganz wie bei einem Eisberg. Ist die Spitze ausgeführt, wird der nächste Teil der Order im Buch angezeigt. Die VDO ermöglicht Teilnehmern nun, dass über ein weiteres Limit der große, verborgene Teil ihrer Order gegen andere VDOs ad hoc ausgeführt werden kann - und zwar zum Mittelpunkt der aktuellen Geld-Brief-Spanne im Xetra-Orderbuch. Damit werden die Ausführungswahrscheinlichkeit und die Geschwindigkeit der Ausführung von großen Orders deutlich erhöht.

Können Sie damit Orderflows, die bisher in Dark Pools verschwunden sind, wieder an eine regulierte Börse bekommen?

Ja, es gibt unter MiFID II die Handelsverpflichtung für Aktien, das heißt, Investoren werden aufgefordert, entweder an einem regulierten Handelsplatz oder über einen Systematischen Internalisierer zu handeln. Wir sehen MiFID II von der Zielsetzung her als richtig an. Es ist eine Verpflichtung von Märkten zu mehr Transparenz. Von der EU-Kommission beziehungsweise ESMA sind gerade die finalen Versionen der technischen Standards herausgekommen. Wenn etwas reguliert wird, sollte Liquiditätsbereitstellung immer das oberste Ziel in den Märkten bleiben. Es werden einige Anforderungen mit Hinblick auf das Definieren und Verfolgen von Marketmaking kommen, die man sich sehr genau anschauen muss.

Ist für Sie diese Regulierung also mehr eine Chance als eine Belastung?

Ja, sie ist eine Chance. Regulierung macht überall da Sinn, wo sie den Anforderungen der Märkte genügt, wo Transparenz und Zugänge geschaffen werden. Die Prinzipien Integrität, Transparenz und Stabilität halten wir als Börsenbetreiber sehr hoch.

Welche Pläne gibt es im Kassamarkt für festverzinsliche Produkte, die seit ewigen Zeiten ein Leben außerhalb der Börse führen? Sehen Sie eine Chance, dass Sie institutionellen Flow von Dark Pools auf ihre Plattform bekommen?

Über Börse Frankfurt sind 27 000 Anleihen handelbar. Das stellt ein gewisses Asset dar. Doch der überwiegende Teil des Handels ist außerbörslich. Mit MiFID II kommen erste Transparenzpflichten, die Bonds betreffen. Die Frage, wie der Handel in Anleihen, seien es Staats- oder Unternehmensanleihen, stärker elektronisch ausgestaltet werden könnte, ist und bleibt allerdings offen und das nicht erst seit gestern.

Initiativen gab es dazu in den vergangenen Jahren eine ganze Menge. Mit Eurex Bonds hat auch die Gruppe Deutsche Börse eine Plattform, die genauso gute oder schlechte Zeiten erlebt wie die Wettbewerber.

Der Anspruch von Eurex Bonds war es keineswegs, eine führende Bondplattform zu bauen, die den OTC-Handel international ablösen könnte. Die Teilnehmer sind hier überwiegend auf Deutschland bezogen, mit einer klaren Rolle der Finanzagentur.

Um sich erfolgreich auch breiter aufzustellen, muss man analysieren, wer die Player sind und wie die Strukturen aussehen. Doch selbst wenn man die Handelsformate kennt und elektronisiert, dann ist noch kein Garant dafür gefunden, dass das System wirklich funktioniert und auch Liquidität anzieht. Offenbar ist es keine rein technologische Frage, die zu klären ist, sondern auch eine des Markt-Setups. Bislang kamen die Market Maker oft von den Banken. Dort gehen aber die Aktivitäten aufgrund von steigenden Kapitalanforderungen zurück. Der Impuls für Veränderungen ist also im Markt. Die neue Rollenverteilung und die elektronische Ausgestaltung sind noch offen.

Warum hat Bondcube nicht funktioniert?

Mit Bondcube haben wir im vergangenen Jahr eine Initiative in diesem Bereich gestartet und kürzlich wieder beendet. Es hatte sich über mehrere Wochen über Indications of Interests Liquidität aufgebaut, aber es kam nicht zum Handel. Und hier liegt auch eine der Antworten auf die Frage, was man noch lösen muss. Allein das Anzeigen von Liquidität reicht in diesem großen Spektrum von mehreren 10 000 Instrumenten offenbar nicht aus. Dennoch haben wir hier viele wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Wie gestalten Sie das Projekt Venture Network aus, das auch auf Betreiben der Politik ins Leben gerufen wurde?

Als Marktbetreiber ist es unser Kerngeschäft Kapitalanbieter und Kapitalnachfrager zusammenzubringen. Mit Venture Network haben wir eine Initiative für Unternehmen gestartet, die noch nicht börsennotiert sind. Diese Firmen befinden sich in einer Wachstumsphase und wir helfen ihnen dabei, ihr Wachstum zu finanzieren. Das geschieht über drei Module.

Erstens ist das digitale Rückgrat des Programms eine Plattform, auf der sich Unternehmen und Investoren registrieren können. Sie finden sich dort zusammen und können Finanzierungsrunden initiieren. Zweitens führen wir unter diesem Programm auch Unternehmen und Investoren bei Roadshows zusammen. Es finden Events hierzulande statt, aber zum Beispiel auch in den USA. Und drittens haben wir ein Trainingsprogramm ausgearbeitet, das den Firmen hilft, sich auf ihrem Wachstumspfad weiterzuentwickeln. Die Unternehmen können sich damit vertraut machen, was es bedeutet, an den Kapitalmarkt heranzutreten und Geld aufzunehmen.

Deutsche Börse Venture Network wurde im Sommer dieses Jahres gestartet. Seitdem wächst es: Beim Start waren 27 Unternehmen dabei, jetzt sind es 44. Aus 42 Investoren sind 85 geworden.

Was bringt Ihnen die Initiative in betriebswirtschaftlicher Hinsicht?

Es entspricht unserem Rollenverständnis, solche Bemühungen zu unterstützen. Als Plattformbetreiber überlegen wir, was wir für Unternehmen tun können, die noch nicht an der Börse sind. Zudem besteht die berechtigte Hoffnung, dass aus der Initiative auch IPOs entstehen. Wenn wir Unternehmen früh kennenlernen, mit ihnen im Dialog stehen und gemeinsam auf Roadshow gehen, dann werden sie sich im Falle eines Börsenganges auch an uns wenden.

Der deutsche Gesetzgeber wird die Pflicht zur Erstellung von Quartalsberichten aufheben; was bedeutet das für das Regelwerk der Deutsche Börse? Sie verlangen im Prime Segment ja diese Berichte.

Das stimmt, der deutsche Gesetzgeber ist derzeit dabei, EU-Vorgaben umzusetzen und die Quartalsberichterstattung im regulierten Markt, General Standard, aufzuheben. Wir haben das Gesetzgebungsverfahren aufmerksam verfolgt und uns natürlich Gedanken über die Folgen und die Fortentwicklung der Regelwerke gemacht. Die Deutsche Börse plant, weiterhin eine verpflichtende Quartalsberichterstattung im Prime Standard vorzusehen. Gegenüber dem herkömmlichen Quartalsfinanzbericht beabsichtigen wir jedoch, die inhaltlichen Anforderungen künftig abzuschwächen.

Wann werden Sie dem Börsenrat der FWB Vorschläge unterbreiten, bereits für die November-Sitzung?

So ist es, wir haben in der FWB-Geschäftsführung beschlossen, das Thema der Quartalsberichtserstattung im Prime Standard in die November-Sitzung des Börsenrates einzubringen.

Wie könnte eine Neuregelung des § 51 der Börsenordnung der FWB aussehen; werden Sie dem Vorschlag der Initiative "Flexibilisierung der Quartalsberichtserstattung folgen"?

Die Deutsche Börse hat in den vergangenen Monaten mit der Initiative zusammengearbeitet, wir waren stets im Austausch. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich hierauf nicht im Detail eingehen kann, weil ich der Börsenratssitzung nicht vorgreifen möchte.

Aus dem Kreis der gelisteten Emittenten sind häufig Klagen zu hören, dass ihnen die Börse zu wenig Möglichkeiten zum Dialog mit Marktteilnehmern anbietet. Dabei gibt es ja das Eigenkapitalforum, wird das nicht mehr gut aufgenommen?

Doch, es wird gut aufgenommen. Wir haben 1 000 One-on-Ones dieses Jahr, es wird noch besser laufen als in den beiden zurückliegenden Jahren. Nichtsdestoweniger arbeiten wir aber immer an Verbesserungen und sind mit den beschriebenen Initiativen auf dem absolut richtigen Weg. Auch wir fragen uns natürlich immer, was wir den Emittenten noch an weiteren Dienstleistungen anbieten können - und dazu haben wir auch einige Ideen. Hier haben besonders digitale Medien sehr viel Potenzial. Gerade im Lifecycle des Going-Public und des Being-Public werden digitale Medien eine größere Rolle spielen und von den Emittenten verstärkt genutzt werden.

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