Gespräch des Tages

Deutsche Börse - Gewieftes Wachstum

In Berlin wächst eine kleine, feine Börse heran. Zwar ist die Tradegate Exchange eigentlich kein neuer Handelsplatz. Bereits vor etwa zehn Jahren ist er zunächst ohne viel Brimborium als alternativer Handelsplatz von der Berliner Effektengesellschaft betrieben worden. Nachdem er sich vor Jahresfrist in eine amtlich regulierte Börse gewandelt hat, ist sein Anteil am hiesigen Retailmarkt allerdings deutlich auf mehr als ein Drittel angestiegen. Übertroffen wird er dabei nur noch vom Frankfurter Parkett, lediglich rund sechs Prozentpunkte fehlen noch zum Marktführer. Diese und mehr erhofft man sich in der Hauptstadt schon in wenigen Monaten erreicht zu haben, wenn die Frankfurter DWP Bank als größter Wertpapierabwickler den Zugang für Sparkassen und Genossenschaftsbanken zur Berliner Plattform freischaltet und somit im Rahmen der "Best-Execution" zusätzliche Orders nach Berlin fließen.

Der Clou: Zeitlich fast parallel zur Änderung der Rechtsform gingen seinerzeit 75 Prozent plus ein Anteil an der Tradegate Exchange sowie fünf Prozent an dessen Mutter Tradegate AG an die Deutsche Börse über, samt Optionen auf mehr. Dort steht auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) der Übergang vom Xontro- zum hauseigenen Xetra-System an - und damit zu einem der Tradegate ähnlichen Marktmodell. Zwar sieht man nach eigenen Angaben zu einer Fusion beider Retail-Plattformen beim Frankfurter Marktbetreiber erst einmal keinen Anlass. Aber auch ohne einen solchen hat die Deutsche Börse mit dem Erwerb von Tradegate und dem Umbau der FWB aus einem immer bedeutungsloser werdenden Geschäftsbereich - dem zuvor allein über den Frankfurter Präsenzhandel betriebenen Retailgeschäft - wieder ein profitables, modernes und zukunftsträchtiges Segment aufgebaut.

Auch in einer anderen Marktnische setzt sich der Frankfurter Handelsplatzbetreiber immer stärker durch kleinere Zukäufe fest. Kurz vor Jahresende hat die zusammen mit der schweizerischen SIX Swiss Exchange betriebene Tochter Eurex bekannt gegeben, die bislang von der Landesbank Baden-Württemberg gehaltenen Anteile an der Leipziger Strombörse European Energy Exchange übernehmen zu wollen. Zusammen mit den bereits zuvor erworbenen 35 Prozent hätte die Terminbörse dann sogar die Kontrollmehrheit an der EEX. Letztere darf in zum Teil noch unerschlossenen europäischen Energiemärkten für die kommenden Jahre ebenfalls ein gutes Wachstum erwarten, samt soliden Gewinnen (siehe auch Kreditwesen 1-2011).

Mit den Beteiligungen an Tradegate und EEX hat sich die Deutsche Börse also vergleichsweise kleine, dafür aber wachstumsstarke Investitionsprojekte ausgesucht - und verfolgt damit eine gewiefte Expansionsstrategie. Denn die großen Wettbewerber haben sich im Konsolidierungsprozess untereinander zu manövrierunfähigen Molochen entwickelt und trotz zum Teil gigantischer Übernahmekosten kaum die erhofften Synergien erreicht. Sollte es dem Frankfurter Marktbetreiber mit Tradegate und EEX ähnlich ergehen, ist wenigstens kein großer finanzieller Schaden entstanden. Im Moment sieht es zum Glück für die Deutsche Börse aber weder nach dem einen noch nach dem anderen aus.

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