Blessings Bilanz

Die deutschen Großbanken im Überblick Quelle: Unternehmensangaben

Das Jahr 2007 wird sicherlich nicht als einer der besseren Bankenjahrgänge in die Annalen eingehen. Denn just in diesem Jahr begann die Finanzkrise die Märkte durchzuschütteln. In Deutschland erwischte es zuerst die IKB, die durch eine konzertierte Aktion aller Bankengruppen (mancher sagt, der Deutschen Bank sei Dank) vor dem Zusammenbruch gerettet werden musste. Für die Commerzbank war 2007 trotz der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten ein ausgesprochen gutes Jahr. Das operative Ergebnis lag mit 2,51 Milliarden Euro fast wieder auf der Höhe des ausgezeichneten Vorjahres.

Der Konzernüberschuss stieg sogar weiter um 20 Prozent und erreichte mit 1,92 Milliarden Euro eine neue Rekordmarke. Dies entspricht einer Eigenkapitalrendite nach Steuern von 15,4 Prozent.

An diesem guten Ergebnis sollten auch die Aktionäre beteiligt werden, die Dividende wurde von 75 Cent auf einen Euro je Aktie erhöht. "Wir haben Wort gehalten und im letzten Jahr unsere Ziele trotz großer Herausforderungen erreicht beziehungsweise übererfüllt", freute sich Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller über seinen letzten Jahresabschluss und bezeichnete die Ertragskraft als Bestätigung für die Stärke und die Solidität des Geschäftsmodells. Die Kernkapitalquote von 6,9 Prozent sei zudem ein Beleg der guten Kapitalbasis. Es deutete also alles auf einen guten Start für Martin Blessing als neuem Vorstandschef im Mai 2008 hin.

Doch manchmal kommt es anders, das ist hinlänglich bekannt. Der Zusammenbruch von Lehman nur wenige Monate nach Blessings Amtsantritt brachte Kreditinstitute rund um den Erdball ins Wanken, das Vertrauen in das System war erschüttert, wenn nicht gar zerstört, Staaten mussten ihren Banken zu Hilfe kommen und diese mit Kapital stützen. Als wäre das nicht schon genug der Starthürden, wurde die eigentlich erst für Ende 2009 avisierte Übernahme der Dresdner Bank auf Anfang des Jahres vorgezogen. Martin Blessing verteidigt den sicherlich zumindest politisch motivierten Zusammenschluss heute immer noch ("Die strategische Entscheidung war richtig."), sieht lediglich den falschen Zeitpunkt als Ursache des Übels, das ihn die kommenden Jahre, mehr als ihm lieb sein konnte, beschäftigen würde. Und auch auf das von Müller "geerbte" üppige Portfolio an gewerblichen Immobilienfinanzierungen und Schiffskrediten - die von Müller seinerzeit als Giftpille gegen mögliche feindliche Übernahmen erworbene Eurohypo lässt grüßen - hätte Blessing sicherlich gut verzichten können. Nein, ein guter und einfacher Start sieht wahrlich anders aus.

Aber Blessing wäre nicht Blessing, wenn er, statt sich den massenhaften Problemen zu stellen, einfach weggelaufen wäre. Umso höher ist es einzustufen, wie er sich mit seiner letzten Bilanz für das Jahr 2015 von der Commerzbank verabschiedet. Der Konzerngewinn erreicht zwar nicht ganz den Wert des Rekordjahres 2007, liegt aber mit 1,062 Milliarden Euro endlich wieder über der Milliardenschwelle. Die Aktionäre werden mit 20 Cent je Aktie keineswegs so üppig bedient wie damals, aber es ist die erste Dividende seit 2007. Die Kernkapitalquote hat sich trotz deutlich verschärfter Berechnung auf 12 Prozent fast verdoppelt. Die Bank ist sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite quantitativ kleiner und qualitativ besser geworden. Die kundenbezogenen Finanzierungsaktivitäten beispielsweise sind spürbar gewachsen und machen heute mehr als ein Drittel der Aktivseite aus. Das lang laufende, großvolumige Geschäft, das heute mehr Eigenkapitalunterlegung erfordert, wurde im Gegenzug erheblich reduziert.

Das Funding ist ebenfalls deutlich granularer und damit schwankungsfester geworden, das externe Kapitalmarktfunding und die Klumpeneinlagen belaufen sich heute auf nur noch 25 Prozent der Bilanzsumme, 2007 waren das noch 54 Prozent. Und man darf es Martin Blessing sicherlich glauben, wenn er diesen Abschluss "irgendwo zwischen konservativ und fair" einordnet. Es wäre kaum möglich, für 2016, wie auf der Bilanzkonferenz geschehen, eine neuerliche Steigerung des Ergebnisses vorherzusagen, wenn allzu viele Effekte schon für den 2015er-Abschluss vorweg genommen und Probleme in die Zukunft ver lagert worden wären. Das ist nicht Blessings Stil.

Erfreulich aus Sicht der Commerzbank-Verantwortlichen ist auch, dass 2015 endlich wieder alle Geschäftsbereiche positiv zum Gesamtergebnis beigetragen haben. Das viele Jahre schwächelnde Privatkundengeschäft ist sowohl bei Kunden als auch bei verwaltetem Vermögen und den Erträgen weiter gewachsen. Das Ergebnis hat sich auf 751 Millionen Euro um mehr als 300 Millionen erhöht. Die Mittelstandsbank bleibt zwar Zugpferd und Cashcow des Konzerns, hat aber einen Ergebnisrückgang auf 1,06 Milliarden Euro vorzuweisen, trotz deutlich niedriger Risikovorsorge. Doch beim deutschen Mittelstandsgeschäft ebenso wie im internationalen und dem Großkundengeschäft sind die Erträge aufgrund des Niedrigzinsumfeldes zurückgegangen - auf hohem Niveau, wohlgemerkt. Auch die Business Unit Central & Eastern Europe mit dem Aushängeschild m-Bank musste leichte Ergebnisrückgänge hinnehmen. Hier stiegen zwar die Erträge, das wurde aber von spürbar höheren Aufwendungen überkompensiert. Allein 46 Millionen Euro mussten in Polen für die Bankenabgabe und den Fonds für notleidende Hypothekenkredite aufgewendet werden. Und die interne Bad Bank, die sogenannte NCA-Abteilung, hat ihr für Ende 2016 gestecktes Ziel bereits ein Jahr früher erreicht: Die Non-Core-Portfolios in den Bereichen Commercial Real Estate und Shipping wurden auf unter 20 Milliarden Euro gesenkt.

Es gibt viele, die dem scheidenden Commerzbank-Chef einen solchen Abschluss seiner insgesamt 15 Jahre in der gelben Bank gönnen. In der Tat steht die Commerzbank heute besser da als beispielsweise die Münchner Hypovereinsbank oder die Deutsche Bank. Doch Blessing ist auch klug genug zu wissen, dass man gehen soll, wenn es am schönsten ist und einem selbst die einstigen Kritiker noch ein paar Tränen hinterherweinen. Die kommenden Jahre werden für alle Banken nicht einfacher. Steigende Unsicherheiten für die Weltwirtschaft belasten die Unternehmen, mit Sicherheit höhere Risikovorsorgen im Kreditgeschäft drücken auf die deutschen Bankbilanzen, die niedrigen Zinsen lassen die Erträge weiter zusammenschmelzen und es wird immer schwieriger, all das über Kundenwachstum und Volumenausweitung auszugleichen, zumal die Digitalisierung den Druck auf die Vertriebsund Filialnetze erhöht. Es kann eigentlich nur schlechter werden. Das hat Blessing erkannt und überlässt es seinem Nachfolger, die Commerzbank auf diesem Weg weiterzuführen. Dass dieser noch nicht feststeht, liegt auch an Blessing selbst. Denn offensichtlich hat er den Aufsichtsratschef Müller zunächst dazu veranlasst, ihm einen neuen Vertrag anzubieten, um diesen dann umgehend nicht anzunehmen. Clever sagen die einen, nicht ganz die feine Art die anderen. Aber so ist das Geschäft. An der erfolgreichen Bilanz Blessings ändert das aber nichts.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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