Ein guter Tag

Ergebnisse des Comprehensive Assessments 2014 Quelle: BaFin/Bundesbank

Der 26. Oktober 2014 war ein guter Tag für die deutsche Kreditwirtschaft. Alle deutschen Banken haben den Comprehensive Assessment von der Europäischen Zentralbank bestanden, mit Ausnahme der Münchener Hypothekenbank sogar alle ohne die im laufenden Jahr durchgeführten Kapitalmaßnahmen. Der gegenwärtige Kapitalbedarf selbst in einem adversen Stressszenario ist also bei den 24 untersuchten Häusern gleich Null. Fazit: Das deutsche Bankensystem ist stabil.

Darüber darf man sich freuen. Auch die Aufsichtsbehörden, wenngleich deren Blick natürlich schon wieder vorauseilt. Schließlich drohen angesichts der Niedrigzinsphase und der hohen Abhängigkeit der Mehrheit der Institute vom Zinsgeschäft Ertrags einbußen. Wenn man hört, dass es gerade einmal sechs Prozent der deutschen Banken gelingt, ihre Eigenkapitalkosten zu erwirtschaften, vermag das schon zu erschrecken.

Ob allerdings die viel propagierte Konsolidierung immer die Lösung sein kann, darf bezweifelt werden. Denn es ist keineswegs so, dass die großen Häuser stets mit besseren Zahlen aufwarten als die kleinen. Auch ist nicht erwiesen, dass durch weniger Spieler der Wettbewerb geringer und damit die Margen besser werden. Und drittens schließlich sind Lehren aus anderen europäischen Ländern ob allzu unterschiedlicher Wirtschafts- und damit auch Kreditwirtschaftssysteme immer etwas schwierig. An Kosteneinsparungen führt aber sicherlich ebenso kein Weg vorbei wie an einer ständigen Überprüfung der Geschäftsmodelle und Wettbewerbsfähigkeit. Daran wird und muss die künftige Aufsicht ansetzen.

Erwartung 1: Die europäische Aufsicht wird quantitativer. Das gilt für die direkte Aufsichtspraxis durch die EZB ebenso wie für die indirekte über die nationalen Aufsichtsbehörden. Die Aufsichtsbehörden haben durch AQR und Stresstest eine bislang nicht gekannte Fülle an einheitlichen (nicht immer vergleichbaren) Daten an die Hand bekommen, die sie in die "beneidenswerte" Situation versetzt, mittels breiter Analyse sehr viel bessere Frühwarnsysteme entwickeln zu können, als das bislang in Europa möglich war. Diesen Vorteil wird sich die europäische Aufsicht nicht nehmen lassen, sodass die Anforderungen an das Meldewesen sehr hoch bleiben und wahrscheinlich sogar steigen werden. Investitionen in die Datensammlung, Datenbeschaffung und Datenaufbereitung sind für alle Banken ein Muss.

Erwartung 2: Die europäische Aufsicht wird intensiver. Im Rahmen des auf Früherkennung und Krisenvermeidung ausgerichteten Aufsichtsansatzes wird neben den steigenden Anforderungen an die Daten auch die Anzahl der Vor-Ort-Prüfungen zunehmen. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass die Bandbreite der Prüfungsarten größer wird. Stresstests werden zur laufenden Übung werden, wenn man den Vertretern von BaFin und Bundesbank Glauben schenken darf. Und die Überprüfung der Geschäftsmodelle in Säule 2 im Rahmen des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) wird bei den direkt beaufsichtigten Instituten einmal im Jahr und bei den kleineren Volksbanken und Sparkassen wohl alle drei Jahre stattfinden. Auch das ist eine deutliche Verschärfung der Einblicknahme gegenüber der bisherigen Praxis.

Erwartung 3: Die europäische Aufsicht ist proportional und wird individueller. Banken und Sparkassen werden künftig in vier Kategorien eingeteilt werden, von großen, bedeutenden Instituten bis zu kleinen Häusern mit einem beschränkten Produkt- und Geschäftsportfolio. Nach dieser Kategorisierung richtet sich auch die Intensität der Aufsichtspraxis. Darüber hinaus werden ausgehend von der guten Datenbasis und der Kenntnis der Geschäftsmodelle Schlüsselindikatoren für die Risikoeinschätzung eines jeden Institutes definiert. Dies kann beispielsweise die Entwicklung der Arbeitslosigkeit bei Retailinstituten oder der Beleihungsauslauf bei immobilienkreditlastigen Häusern sein. Die Indikatoren werden quartalsweise betrachtet und lösen bei Abweichungen Aufsichtshandlungen aus, die von Eigenkapitalzuschlägen bis zu Eingriffen in die Geschäftspolitik reichen können.

Am 4. November startet eine neue Zeitrechnung in der Aufsicht - für alle Beteiligten.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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