Rot bleibt Rot

Philipp Otto, Chefredakteur , Foto: Verlag Fritz Knapp GmbH

Der Blick zurück: Sparkassen sind seit über 200 Jahren ein wesentlicher Teil der Gemeinschaft. Bereits mit der Errichtung der frühen Spar- und Leihkassen am Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Grundstein für den Finanzverbund gelegt, der heute rund 600 Unternehmen umfasst. Sparkassen haben Kriege überstanden, die industrielle Revolution begleitet, Deutschland wachsen und schrumpfen gesehen, die Gründung der Bundesrepublik erlebt, die Wiedervereinigung begleitet, den Euro eingeführt, die Finanzkrise bewältigt und geholfen, die schlimmsten Corona-Krisen-Schäden abzumildern. Und sie sind immer noch da. Für ihre Eigentümer. Aber vor allem für ihre Kunden. Was mitunter das Gleiche ist. Denn wie Dietrich Hoppenstedt einmal richtig sagte: "Sparkassen sind nicht staatlich, sondern als Institute der Bürgerinnen und Bürger kommunal gebunden." Daraus entsteht die besondere Aufgabe ebenso wie die besondere Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute. Die sie überwiegend gut gelöst haben.

All das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis harter Arbeit. Darauf darf man stolz sein in dieser S-Finanzgruppe. Aber man darf sich auf dem erarbeiteten Status nicht ausruhen. Was kommt? Was bleibt? Was geht? Selten in den vergangenen Jahrzehnten waren diese Fragen schwieriger zu beantworten als heute. Wie viele Corona-Wellen werden noch über uns schwappen? Welche gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen werden noch folgen? Welche Konsequenzen bringt ein europäisches Harmonisierungsstreben, das sich zunehmend an nationalen Interessen reiben muss? Wie werden Menschen in Zukunft wohnen, leben, arbeiten und bezahlen wollen? Mit welcher Potenz werden sich technische Entwicklungen weiter beschleunigen? Wie werden sich die Machtverhältnisse zwischen den großen Nationen und Kontinenten dieser Erde entwickeln? Welche Veränderungen für Gesellschaft und Wirtschaft bringt der Klimawandel mit sich? Man könnte diese Aufzählung beliebig fortführen.

Alldem müssen sich Banken und Sparkassen in der Bundesrepublik stellen. Sie tun dies. Und sie tun dies immer noch aus einer einigermaßen auskömmlichen Position der Stärke. Denn ohne Banken und Sparkassen geht es eben trotz allen technischen Fortschritts und trotz aller Unkenrufe der Plattformökonomen nach einem baldigen Ende der Intermediäre eben doch noch nicht. Und wenn Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing auf dem Petersberger Sommerdialog vor deutschen und europäischen Vertretern aus Politik und Wirtschaft kritisch und eindrucksvoll die Schwächen Deutschlands und Europas im internationalen Wettbewerb herausarbeitet, ist das mehr als ein gutes Zeichen. Denn viel zu lange waren die Vertreter der deutschen Kreditwirtschaft viel zu still, viel zu lange hat das medial erzeugte Bild vom bösen Banker die öffentliche Wahrnehmung getrübt. Es ist ein gutes Zeichen, denn es zeugt von einer Ungeduld, ohne die echte Fortschritte nicht zu erzielen sind. Das gilt für die großen Banken ebenso wie für die großen Verbünde. Vielleicht für diese sogar noch umso mehr. Denn es ist diesen Verbünden immanent, dass das Ringen um Veränderungen immer etwas länger dauert. Das ist nicht unbedingt eine Schwäche. Denn weder Sparkassen noch Volksbanken und Raiffeisenbanken müssen jedem Modetrend sofort hinterherlaufen. Und wenn es dann doch einmal beschlossen ist, erfolgt die Umsetzung mit großer Überzeugung und großer Kraft.

Ein wenig dieser notwendigen Ungeduld vermisst der geneigte Chronist dieser Tage bei der S-Finanzgruppe, der diese besondere Ausgabe der ZfgK gewidmet ist. Er würde sich gerne ein wenig mehr Unzufriedenheit bei den Verantwortlichen wünschen, zu denen auch der Präsident des DSGV zählt, er würde sich gerne ein paar mehr wünschen, die drängeln und quengeln und antreiben. Natürlich war es wichtig und richtig, sich in den vergangenen 14 Monaten vor allem um die Kunden zu kümmern. Doch Corona nimmt den wichtigen Themen der S-Finanzgruppe nichts von ihrer Dringlichkeit.

Da ist die Frage nach der Zukunft der Landesbanken. Helmut Schleweis hat - getrieben von der Ungeduld, die sich in den vielen Jahren als erfolgreicher Sparkassenvorstandsvorsitzender aufgebaut hat - die Diskussion um ein einziges Zentralinstitut ins Rollen gebracht. Das ist zwei Jahre her. Geschehen ist seitdem nicht viel - aus den bekannten und genannten Gründen. Doch wenn man heute in die Gruppe hineinhört, darf mitunter Zweifel aufkommen, ob diese Diskussion "Post-Corona" überhaupt weitergeführt werden wird, ob es ein solches Zentralinstitut überhaupt braucht. Denn mit einer vernünftigen Arbeitsteilung der Landesbanken und des einen oder anderen Verbunddienstleisters wie der Dekabank und einem spürbar höheren Spezialisierungsgrad der Institute könnte sehr viel einfacher, nämlich ohne die äußerst komplexen Eigentümerfragen, eine vielleicht nahezu vergleichbare Wirkung für die Gruppe und in erster Linie für die Primärbanken erzielt werden.

Denn es stellt sich auch die Frage, wozu immer größere und damit immer leistungsfähigere Sparkassen überhaupt noch Landesbanken brauchen. Vielleicht ist diese Frage zu pauschal gestellt. Natürlich brauchen auch große Sparkassen mit Bilanzsummen von 25 und mehr Milliarden Euro Dienstleister. Und vielleicht brauchen sie diese gar nicht einmal weniger als kleine Institute mit 2, 3 oder 4 Milliarden Bilanzsumme. Aber sie brauchen ganz sicherlich andere Dienstleistungen, was die Bandbreite dessen, was Landesbanken und Verbundunternehmen können müssen, leisten müssen, weiter erhöht. Da würde mehr Spezialisierung sicherlich helfen.

Konsolidierung im Verbund braucht es auf jeden Fall. Angesichts tendenziell weiter sinkender Zinsüberschüsse, die von wachsenden Provisionsüberschüssen ein wenig, aber nicht ganz kompensiert werden können, sind Erleichterungen über die Kostenseite zwingend notwendig. Und: Mehr Effizienz heißt bei uns immer mehr Gemeinsamkeit, hat es der Präsident in dieser Ausgabe verhältnismäßig zurückhaltend, aber keinesfalls weniger deutlich als Botschaft an alle Beteiligten formuliert. Der Zusammenschluss zur Finanz Informatik sollte allen Eigentümern von Landesbausparkassen und öffentlichen Versicherern Mut machen.

Darum muss gerungen werden. Ebenso wie um die Befüllung des von der EZB geforderten Einlagensicherungstopfes neben der bewährten Institutssicherung gerungen wird - den die Kreditgenossenschaften übrigens schon seit einigen Jahren haben. Nun muss die stolze Summe von 5 Milliarden Euro von der S-Finanzgruppe zu einer Unzeit mit steigenden Belastungen durch Administration und Regulatorik, sinkenden Überschüssen und wieder steigenden Risikokosten aufgebracht werden. Die öffentlich-rechtlichen Banken werden aber auch dieses Thema lösen, das ist unstrittig.

Nicht unstrittig ist, ob es diesen zusätzlichen Topf tatsächlich gebraucht hätte. Denn - wie der Sparkassen-Präsident gerne betont - noch nie ist eine Kunde aufgrund einer Pleite eines Instituts zu Schaden gekommen. Allerdings hat der Rettungsprozess der Nord LB einige Schwächen aufgrund fehlender Verantwortlichkeiten offenbart. Natürlich wurde sich geeinigt und wurde gerettet, aber es dauerte eben furchtbar lange. Das soll sich nun ändern. Auch soll - wie es so schön heißt - der Steuerzahler nicht mehr für Fehler der Banken haften. Kann das richtig sein? Solange sich Unternehmen im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, muss diese für ihre Eigentümerverpflichtung einstehen. Wer daran etwas ändern will, muss früher ansetzen und grundsätzlich über Sinn oder Unsinn öffentlicher Beteiligung an Wirtschaftssubjekten nachdenken. Dafür ist derzeit aber ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Denn die Zahl der Unternehmen in staatlichem Eigentum wächst. Das ist kein schlechtes Geschäft übrigens: Allein 2020 hat der Bund einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums zufolge rund 2,1 Milliarden Euro Dividenden aus seinen Beteiligungen erhalten.

Doch zurück zu den Sparkassen und der S-Finanzgruppe. Diese hat in den vergangenen Monaten eindrucksvoll gezeigt, wozu sie in der Lage ist, sei es im alltäglichen Kundengeschäft, sei es beim Thema digitale Transformation, sei es beim Trend zu größerer Nachhaltigkeit. Das können sie alles. Wenn es nun noch gelingt, den europäischen Institutionen die Bedeutung des Drei-Säulen-Systems noch besser näherzubringen und weitere Belastungen durch mehr Proportionalität abzufedern, dann gilt, was gelten muss: Rot bleibt rot!

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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