Stimmungstest

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

Die glücklichsten Menschen Deutschlands leben in Schleswig-Holstein. Im aktuellen "Deutsche Post Glücksatlas 2016" erreichen die Nordlichter 7,41 von 10 möglichen Punkten. Die Saarländer kommen über alle Altersgruppen gerechnet mit 7,08 Punkten nur auf den 13. Platz und sind damit die unglücklichsten Westdeutschen. Nimmt man allerdings nur die Gruppe der 35- bis 65-Jährigen, dann liegt die Region Saarland/Rheinland-Pfalz deutlich weiter vorn. Besonders zufrieden sind die Saarländer beim Thema Geld und mit ihrer Arbeitsstelle, weniger glücklich mit der Wohnsituation, obwohl mehr als die Hälfte in den eigenen vier Wänden lebt. Böse Zungen spotten, die doch hohe Zufriedenheit liege einfach nur daran, dass die Hauptstadt Saarbrücken am weitesten von der Bundeshauptstadt Berlin entfernt liege und die Strecke in das schöne Paris nur knapp halb so weit ist.

Kann nun von Saarbrücken trotzdem eine Signalwirkung in Richtung Bund und damit Berlin ausgehen? Die Gewinner der Wahl in einem der kleinsten Bundesländer Deutschlands (2 570 Quadratkilometer Bodenfläche) hätten das natürlich gerne. Die Verlierer, allen voran SPD, Grüne und AfD, spielen die Bedeutung dagegen herunter. Sie scheinen recht zu haben. Zum einen gab es auch keine positiven Signale von Berlin ins Saarland. Trotz der Wahlkampfunterstützung vor Ort durch Martin Schulz, der nur wenige Tage zuvor mit 100 Prozent zum neuen Heilsbringer der SPD gekürt wurde und dem viele zutrauen, ein echter Gegner für die Kanzlerin zu sein, wurde es bekanntermaßen nichts, mit der Regierungsübernahme durch die Genossen. Im Gegenteil. Die SPD verlor sogar gegenüber den letzten Wahlen, der viel beschworene "Schulz-Effekt" verpuffte also wirkungslos.

Doch Berlin ist nicht Saarbrücken und Saarbrücken nicht Berlin. Wenn man das Saarland schon als Stimmungsindikator für Größeres hernehmen möchte, lassen sich vielleicht folgende Punkte herausgreifen: Erstens ist es meist doch schwerer als gedacht, erfolgreiche Amtsinhaber zu verdrängen und so einen Politikwechsel herbeizuführen. Die Saarländer waren sehr zufrieden mit der Arbeit ihrer Ministerpräsidentin und der großen Koalition. Entsprechend haben sie abgestimmt. Zweitens geht das nur, wenn die Unzufriedenheit groß ist. Ist sie aber nicht. Die Grundstimmung ist positiv, die Veränderungsbereitschaft entsprechend gering. Den Deutschen allgemein und damit auch den Saarländern geht es sehr gut, wie auch der Glücksatlas belegt. Die Wirtschaft brummt, die Arbeitsmarktlage ist hervorragend, Löhne und Gehälter steigen und die geopolitischen Turbulenzen sind für viele noch nicht spürbar und damit weit weg.

Und drittens schließlich kehren neue Besen nicht immer überall gleich gut. Ein neuer Chef mag neuen Schwung in eine Organisation bringen. Daraus aber direkt abzuleiten, dass Misserfolge fortan der Vergangenheit angehören, ist eine zwar viel beschworene, damit aber nicht zutreffendere Mär. Denn mit jedem "Neuen" ist immer auch eine Gewöhnungsphase verbunden, die intern wie extern Unsicherheit befördern kann. Was will er? Welche Akzente setzt sie? Wie ist die künftige Ausrichtung?

Die Mär von den übersinnlichen Kräften des neuen Chefs gilt übrigens nicht nur für die Politik, sondern mehr fast noch für Fußballvereine und Unternehmen. Trainerwechsel können im Abstiegskampf funktionieren, müssen es aber nicht. Den erfolglosen Vorstandschef aus dem Haus zu jagen, mag den Aktienkurs kurzfristig stabilisieren, doch schon nach wenigen Wochen wird auch der Neue an seinen Erfolgen gemessen, die dem Vorgänger mit der gleichen Mannschaft, den gleichen Geschäften, dem gleichen sportlichen oder wirtschaftlichen Umfeld und den gleichen Rahmenbedingungen nicht gelungen sind. Der Wechsel verspricht nur dann Erfolg, wenn neben den Erfolgen auch die Ausstrahlung und die Überzeugungskraft der neuen Verantwortlichen stimmen. Macht der amtierende Amtsinhaber und Konkurrent aber so viel richtig, wie Annegret Kramp-Karrenbauer, helfen alle personellen Maßnahmen nichts. Das ist die Botschaft aus dem Saarland.

All das gilt auch für die Granden des privaten Bankgewerbes. Wenn diese sich am 5. und 6. April zum 21. Deutschen Bankentag in Berlin versammeln, ist auch da der eine oder andere Neue dabei. Die beiden größten privaten Banken kommen beide mit neuen Chefs in die Bundeshauptstadt. Die eine wechselte das Personal in größter Not, die andere gezwungenermaßen, weil der Amtsinhaber amtsmüde geworden war. Für beide Häuser gilt: Noch wird möglichst viel aufgeräumt und dem Vorgänger in die Bilanz gepackt, noch ist ein echter Aufschwung keineswegs zu spüren. Und zu den glücklichsten Menschen zählen Banker derzeit ohnehin nicht, egal ob im Saarland oder anderswo in der Republik.

Der 21. Deutsche Bankentag muss also eine ganze Menge leisten, um zur Stimmungsaufhellung beitragen zu können. Er muss die unterschiedlichen Interessen der Großbanken, Regionalbanken, Privatbankiers, der Auslandsbanken und der Kreditinstitute mit Sonderaufgaben von ganz klein bis ganz groß bestmöglich vereinen. Das ist natürlich kein neues Phänomen, aber das Gefühl der Zusammengehörigkeit wird mit wachsendem Druck für jeden einzelnen der Betroffenen naturgemäß kleiner. Dabei sind die Bedrohungen recht eindeutig zu bestimmen: Da ist die EZB mit ihrer Geldpolitik, da sind die Europäer mit ihren Wunsch nach Harmonisierung und Regulierung, da ist die Politik, die nicht mehr bereit ist, für Managementfehler der Banken geradezustehen, da sind die Verbraucher, die Bankgeschäfte an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr erledigen wollen, da sind all die neuen technischen Anforderungen, die sich so schön unter dem Totschlagargument "Digitalisierung" verpacken lassen.

Man darf also sehr gespannt sein, wie die Verantwortlichen um Bankenpräsident Hans-Walter Peters und Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer diese Themen anspielen werden, welche Signale in Richtung der eigenen Mitglieder, der Politik und der Aufsichtsbehörden in Deutschland und Europa gesendet werden. Zu wenig kann als Schwäche ausgelegt werden, zu viel als Maßlosigkeit. Es gilt, die richtigen Themen in der richtigen Tonlage anzusprechen, die Reihen geschlossen zu halten, einen gewissen Stolz auf das Erreichte zuzulassen ohne Zufriedenheit aufkommen zu lassen und konstruktive Unruhe mit Blick auf das Kommende zu schüren. Der Grat ist schmal. Aber daran wird der Erfolg von Bankentagen von der Branche und für die Branche gemessen werden.

Das dringlichste Problem lässt sich aber auch mit dem Bankentag nicht lösen. Die Geldpolitik und damit die anhaltend belastende Niedrigzinsphase werden sich ebenso wenig ändern wie marktverzerrende Eingriffe der Notenbank. Für die EZB zählen andere Kriterien als ein unterkühltes Verhältnis zur deutschen Kreditwirtschaft.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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