Von Verbünden und Verbündeten

Philipp Otto

"Das erste deutsche Wort, das ich in Brüssel gelernt habe, war Sparkasse." Diese Aussage von EU-Finanzmarktkommissar Jonathan Hill deutet zweifelsohne auf gute Lobbyarbeit der S-Organisation in der belgischen und europäischen Hauptstadt hin. Und auch wenn bereits manche Spezialität der deutschen Bankenlandschaft im Allgemeinen und der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft im Besonderen bis nach Brüssel durchgedrungen ist, was mitunter sogar zu einer besonderen Berücksichtigung bei regulatorischen und sonstigen Vorgaben geführt hat, so bleibt doch noch jede Menge zu tun.

Das gilt im Übrigen nicht nur für die S-Finanzgruppe, sondern in gleicher Weise für die heimischen Kreditgenossen, was mehr und mehr zu einem Verbünden der beiden Verbünde bei der Argumentation führt, obwohl man ansonsten im Markt in fröhlichstem Wettbewerb zueinander steht. Aber es gilt, die Zukunft zu sichern. Da sind fortwährende regulatorische Attacken auf Strukturen und Geschäftsmodelle mit dem Blick durch die Brüsseler Harmonisierungsbrille vielleicht verständlich, für die Betroffenen aber alles andere als förderlich.

Für die Verantwortlichen der Sparkassen-Finanzgruppe kommt der Ende April in Düsseldorf stattfindende Sparkassentag 2016 gerade recht. Angesichts der großen medialen Aufmerksamkeit und der hohen politischen Prominenz und Präsenz lässt sich doch gar wunderbar für die eigene Sache werben, nämlich die enorme Bedeutung der Sparkassen, Landesbanken und anderen Verbundinstitute. Das geht von der Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen über die Sicherung des Alterswohlstands bis hin zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft durch die Kreditvergabe an große, aber vor allem mittlere und kleine Unternehmen und damit die Zukunft des Standortes Deutschland und seiner Rolle in der Europäischen Union. Plakativ zusammengefasst: Ohne die Sparkassen gäbe es kein starkes Deutschland und damit habe dann auch die EU und der Euro ein Problem.

Da ist was Wahres dran. Sparkassen und Landesbanken gehören zweifelsohne zu den Trägern des föderalen Deutschlands. Marktanteile von über 50 Prozent bei den Spareinlagen, von über 40 Prozent bei Krediten an Unternehmen und immerhin noch mehr als 30 Prozent der Ausleihungen an Privatpersonen belegen das eindrucksvoll. Und auch die öffentlichen Finanzen profitieren ordentlich von "ihren" Kreditinstituten. 24 Prozent der Buchkredite an die Gemeinden kommen von den Landesbanken, 22 Prozent von den Sparkassen. Und bei den Bundesländern sind es immer noch 28 Prozent durch die Landesbanken und 6 Prozent durch die Primärbanken. Die Verwurzelung der Institute zeigt sich auch bei der regionalen Verteilung. Keine Großbank hat auch nur annähernd so viel Geschäft in tendenziell eher strukturschwächeren Gebieten abseits der lukrativen Metropolregionen gemacht wie die öffentlich-rechtlichen Banken. Es sollte also nicht allzu schwer sein, die Politik und die Öffentlichkeit zu mehr Fürsprache und Fürsorge aufzufordern.

Apropos Landesbanken: Gleich in mehreren Beiträgen wundern sich die Autoren dieser Ausgabe über die fortgesetzte Diskussion um die richtige Zahl der Institute und den Wettbewerb der Häuser untereinander. Diese Fragestellung gebe es nur bei den öffentlich-rechtlichen Banken, nicht aber bei den privaten, stellt beispielsweise Herbert Hans Grüntker fest. Es wird betont, dass eine Konsolidierung doch schon längst stattgefunden habe und noch weiter stattfindet, von Sachsen über Mainz und Düsseldorf bis nach Hamburg und vielleicht sogar Hannover. Und all das, ohne dass die Landesbanken ihre Aufgaben sichtbar vernachlässigt hätten. Zwar ging ihr Anteil an der Bilanzsumme aller deutschen Banken von 15 Prozent im Jahr 1991 nach der Wiedervereinigung über den Höhepunkt Ende 2007 mit stolzen 21 Prozent auf aktuell noch rund 12 Prozent zurück. Allerdings waren die Kredite an inländische Unternehmen keineswegs in gleichem Umfang rückläufig. Betrugen diese Ende 1999 noch rund 160 Milliarden, waren es in der Spitze 2009 etwa 240 Milliarden Euro und sind es aktuell zirka 180 Milliarden Euro. Gemeinsam mit den Sparkassen, die seit 2013 mehr Kredite an inländische Unternehmen vergeben als die Landesbanken, kommt der Sparkassensektor auf einen Anteil von 41 Prozent an der Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft.

Die Marktbedeutung ist aber nur die eine Sache. Darüber hinaus müssen die Veranstalter die Sparkassentage in Düsseldorf zum Schulterschluss, zur inneren Stärkung und zur Stärkung des Selbstbewusstseins nutzen. Immerhin kommen all die Regionalfürsten, Primärbankenvorstände, die Chefs der Landesbanken, Leasinggesellschaften, IT-Dienstleister, Landesbausparkassen und öffentlich-rechtlichen Versicherer nicht so oft so zahlreich so eng zusammen. Die Rahmenbedingungen haben sich seit dem letzten Sparkassentag in Dresden weiter verschlechtert. Konnte man damals noch davon ausgehen, dass die Niedrigzinsphase und die unorthodoxe Geldpolitik ein vorüberziehender Wahnsinn seien, herrscht heute längst Gewissheit darüber, dass dieses nicht nur noch lange anhalten wird, sondern auch keiner, nicht einmal die Notenbanker wissen, wie man das Rad wieder zurückdrehen kann. Berücksichtigt man noch die ebenfalls keineswegs günstige demografische Entwicklung und die regulatorischen Belastungen kann das sicherlich erklären, warum vielerorts in den Primärbanken die Stimmung deutlich schlechter ist als die aktuelle Lage. Der Blick nach vorne verheißt einfach zu wenig Gutes, auch wenn die vergangenen Jahre gut waren und auch gut genutzt wurden, um die Reserven zu stärken.

Apropos Zukunft: Manch ein Teilnehmer wird vielleicht auch ein wenig Abbitte bei DSGV-Präsident Georg Fahrenschon leisten, der, relativ frisch im Amt, angesichts der sehr starken Konzentration auf das Thema Digitalisierung in Dresden damals recht heftigen Gegenwind aus den eigenen Reihen erfahren musste. Heute dürfte es auch bis in das letzte Dorf im Bayrischen Wald oder die Uckermark klar sein, dass er damit nicht falsch gelegen hat und die moderne Technik das Bankgeschäft in Zukunft noch stärker verändern wird, als sich das selbst die technikaffinen Mitglieder der S-Finanzgruppe vor drei Jahren vorstellen konnten beziehungsweise wollten.

Aber es gehört zur Kultur der Sparkassen, dass die Dinge eben ihre Zeit brauchen zu reifen, in der so verbundeigenen Geschwindigkeit. Man wird den Herausforderungen nur gemeinsam begegnen können. Und wie so oft erzeugt großer äußerer Druck ein noch engeres Zusammenrücken. Das spürt man alleine schon an den Beiträgen in diesem Heft, wo sich zu den meisten zentralen Themen nicht nur sehr ähnliche Ansichten, sondern fast die gleichen Aussagen finden, gleich ob bei Primären, Landesbankern oder Funktionären. Düsseldorf muss als Startschuss in eine neue Sparkassenzeit verstanden werden, mit den gleichen Idealen, angepassten Strukturen und moderneren Prozessen. Denn sich nur eingraben und in ein paar Jahren wieder hervorzukommen, um zu schauen, wer sonst noch überlebt hat, wie es ein Sparkassenvorstand mal scherzhaft formuliert hat, kann nicht die Antwort sein.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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