Welt ohne Banken

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

"Welt ohne Bienen" heißt ein Buch von Alison Benjamin und Brian McCallum, das das Aussterben der für den Menschen so wichtigen Insekten zum Thema macht. Damit ist auch der Mensch bedroht, denn es geht keineswegs nur um den Honig auf dem Frühstücksbrot, sondern um alles, was auf der Bestäubung durch die fleißigen Insekten beruht: Nahrung, Futtermittel, pflanzliche Rohstoffe. In den USA werden Teile der kalifornischen Mandelbäume bereits heute per Hand von eingereisten mexikanischen Hilfsarbeitern mit kleinen Pinselchen bestäubt, damit die Bäume überhaupt noch Früchte tragen. Ein aufwendiges und auch deutlich ineffizienteres Verfahren, als es die Natur eigentlich vorgesehen hat. Schuld am Bienensterben sind der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, eingeschleppte Viren, Veränderungen im Lebensraum und des Klimas.

Doch nicht nur Bienen sind bedroht. Jahr für Jahr veröffentlichen Naturschützer und Wissenschaftler ihre Listen mit den ausgestorbenen Tierarten. Und diese Zahlen sind bedenklich, wenn nicht gar erschreckend. Jahr für Jahr, so die Schätzungen der Experten, verschwinden zwischen 12 000 und 60 000 Arten. Zwar gibt es weltweit geschätzt immer noch zwischen fünf und neun Millionen verschiedene Tiere, allerdings nimmt der Prozess des Aussterbens an Tempo zu. Derzeit gelten zwischen 23 und 36 Prozent der vom Menschen als Nahrung genutzten Vögel, Säugetiere und Amphibien als bedroht.

Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Laut Weltbevölkerungsuhr der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung lebten Mitte 2017 rund 7,55 Milliarden Menschen auf der Welt. Bis 2050 wird es auf der Erde laut einer UN-Prognose schon 9,7 Milliarden Menschen geben, 2100 sogar 11,2 Milliarden. Die von Städten vereinnahmte Fläche wird sich Schätzungen zufolge in den kommenden Jahren annähernd verdoppeln. Das geht natürlich zu Lasten der Natur, der Artenvielfalt, der landwirtschaftlichen Flächen. Das Artensterben in Fauna und Flora wird also mit großer Wahrscheinlichkeit weitergehen. Vom Aussterben bedroht sind auch die deutschen Banken und Sparkassen. Zumindest dann, wenn man den sich brav wiederholenden Botschaften so mancher Auguren Glauben schenkt. Digitalisierung, Regulierung und Demografie seien Herausforderungen, die von der Kreditwirtschaft nicht so zu bewältigen seien, dass ein auskömmliches Überleben für jeden gesichert sei. Natürlich sind das Herausforderungen. Und vielleicht werden sie noch nicht überall von den Betroffenen als solche in ihrer ganzen Dramatik gesehen. Da spielen die Erfolge der Vergangenheit eine Rolle, die (zu) guten Ergebnisse der vergangenen Jahre natürlich auch. Mitunter liegt es sogar an den persönlichen Lebensumständen des ein oder anderen Vorstands, der kurz vor der wohlverdienten Rente keinen Komplettumbau des eigenen Hauses mehr anstoßen möchte und weiß, dass es für seine letzten Jahre im Haus noch langt. Und ganz sicher spielt auch das Frosch-Theorem eine Rolle: Denn was passiert mit einem Frosch, der in einen Topf mit kochendem Wasser geworfen wird? Er fängt an zu strampeln und versucht, so schnell wie möglich der Gefahr durch einen mutigen Sprung aus dem Topf zu entrinnen. Setzt man ihn aber in einen Topf mit kaltem Wasser und erwärmt dieses langsam, bleibt der arme Frosch brav sitzen und wird sterben. Auch die negative Entwicklung bei den Banken und Sparkassen ist schleichend, sodass mancher vermutlich zu lange verharren wird und schließlich verkocht.

Aber die große Mehrheit der Institute hat die Zeichen der Zeit erkannt und geht den Wandel an. Dazu gehört auch, dass man heute bereits in dem einen oder anderen Dorf keine Filiale einer Bank oder Sparkasse mehr findet. Das kann man verurteilen, schließlich ist nicht jeder Mitbürger in dem Maße mobil oder internetaffin, sich andernorts oder auf anderen Zugangswegen mit Bankdienstleistungen zu versorgen. Das muss man aber auch verstehen: Bei zwei Kundenbesuchen in der Woche ist es betriebswirtschaftlicher Irrsinn, bemannte Niederlassungen oder auch nur Bank- und Geldautomaten zu unterhalten. Die Konsequenz ist nicht dramatisch, aber doch spürbar. Zwischen 2000 und 2015 hat sich die Zahl der Bankfilialen einer KfW-Studie zufolge um 27 Prozent verringert. Im Schnitt wurden jedes Jahr 2 Prozent aller Filialen geschlossen, das entspricht einem Rückgang um 680 Niederlassungen pro Jahr. Dabei nimmt das Tempo des Bankstellenabbaus zu: Allein in den Jahren 2014 und 2015 wurden von den drei Bankengruppen 2200 Niederlassungen dichtgemacht, ein Rückgang um rund vier Prozent pro Jahr. Als Gründe macht die Untersuchung zum einen bestehende Überkapazitäten wie beispielsweise Doppelstrukturen aus, aber auch benötigte Effizienzgewinne und die Verlagerung von stationären auf den mobilen und Onlinevertrieb.

Mit einer Mär sei hier aufgeräumt. Deutschland ist overbanked! Auch das ist so ein Lieblingsargument von Verbraucherschützern, Wissenschaftlern oder Politkern, wenn es um die zunehmend schlechtere Ertragslage der deutschen Kreditwirtschaft geht. Zu viel Wettbewerb, zu geringe Margen, Fusionen müssen her, heißt es dann weiter. Laut KfW-Studie kommen derzeit auf 10 000 Bundesbürger 3,5 Bankfilialen. Ein dramatischer Spitzenwert? Nein, denn damit liegt Deutschland europaweit nur im gesicherten Mittelfeld und sogar unter dem Durchschnitt der 28 EU-Staaten, der 3,7 Filialen pro 10 000 Einwohner beträgt.

Bleibt die Frage, wie eine Versorgung der Bevölkerung in diesen Regionen vor allem mit Bargeld sichergestellt werden kann. Mobile Filialen wie Busse sind eine Möglichkeit. Warum aber nicht Entwicklungen zum eigenen Vorteil nutzen, die bislang mitunter noch als Bedrohung angesehen werden. Beispiel Cash Back. Die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld über Supermarktkassen ist aus Banksicht doch ein hervorragender Weg, den Filialabbau zum Positiven hin zu nutzen und trotzdem in den entsprechenden Ortschaften präsent zu bleiben. Natürlich ist beispielsweise die Rewe-Kasse neutral, ohne Logo der entsprechenden Bank, aber Marketinggesichtspunkte sollten hier doch eine untergeordnete Rolle spielen. Eine weitere Möglichkeit sind Gemeinschaftsfilialen. Ja, das gab es schon mal. Und ja, das hat sich nicht durchgesetzt. Aber warum sollten sich gerade die beiden großen Verbünde nicht dazu durchringen können, Kunden beider Bankengruppen in SB- oder sogar bemannten Filialen eine Grundversorgung anzubieten. Und auch das Crowdfunding muss doch nicht zum Nachteil der Institute sein. In der Regel handelt es sich hierbei um Projekte, die ohnehin keine Bankenoder Sparkassenfinanzierung bekommen würden. Warum also nicht mit Crowdfunding-Anbietern kooperieren oder eigene Angebote initiieren? Die klassischen Standardangebote der Banken und Sparkassen sind in der multimedialen Welt ohnehin hinsichtlich Preis und Ausstattung vollständig bekannt, wenn nicht gar austauschbar. Es drohen bei derartigen Kooperationen oder Erweiterungen der Vertriebs- und Präsenzkanäle keine Wettbewerbsnachteile. Mehr Mut also in einer Welt mit erfolgreichen Banken und Sparkassen. Dass die Kreditwirtschaft in hohem Maße anpassungs- und wandlungsfähig ist, hat sie immer wieder bewiesen.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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