Wenn's um Geld geht ...

Vier Szenarien zur Zukunft der Zahlungssysteme in Deutschland / Quelle: Studie "Bezahlen 2025", SRC in Kooperation mit Z_punkt The Foresight Company und dem Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT

Zahllose Leute, so heißt es im Volksmund, haben Ärger mit Geld - aber lange nicht so viel wie ohne! Die Menschen brauchen also Geld. Und die Menschen wollen Geld, vor allem Bargeld. Denn Geld gibt Menschen das Gefühl der Freiheit, gibt ihnen Stolz, sich etwas leisten zu können, macht sie glücklich, wenn sie ihre Bedürfnisse befriedigen können, verschafft ihnen Anerkennung, wenn sie es vernünftig einsetzen. Georg Simmel schrieb dazu in seiner Philosophie des Geldes: "Wenn es eine Philosophie des Geldes geben soll, so kann sie nur diesseits und jenseits der ökonomischen Wissenschaft vom Gelde liegen: sie kann die Voraussetzungen darstellen, die, in der seelischen Verfassung, in den sozialen Beziehungen, in der logischen Struktur der Wirklichkeiten und der Werte gelegen, dem Geld seinen Sinn und seine praktische Stellung anweisen."

Bargeld erfüllt also weit mehr Funktionen als die klassischen eines reinen Tausch- oder Wertaufbewahrungsmittels sowie einer Recheneinheit, wie sie traditionell in der Geldtheorie dargestellt werden. Wenn es um das liebe Geld geht, verstehen die wenigsten Menschen Spaß. Vor allem, wenn es den Inhalt des eigenen Portemonnaies betrifft, werden die Betroffenen schnell emotional und mitunter auch zornig. Das musste in diesem Frühjahr schmerzhaft Finanzminister Wolfgang Schäuble erfahren, der mit seinem Vorschlag zur Einführung einer Obergrenze für das Bezahlen mit Bargeld so viel öffentliche Aufregung erzeugte, dass sogar auf höchsten politischen Ebenen plötzlich über Bargeld gesprochen werden musste. Es kam einfach zu viel zusammen in diesem Frühjahr, sodass nicht nur die einfachen Bürger einen Angriff des Staates auf ihr Geld vermuteten. Die Bezahlobergrenze mit Bargeld bei 5000 Euro, die Abschaffung des 500-Euro-Scheins durch die EZB und der clevere Marketingschachzug der Händler der nahe an der holländischen Grenze gelegenen Kleinstadt Kleve, den Münzumlauf durch Auf- und Abrunden auf Fünfbeziehungsweise Zehn-Cent-Beträge zu reduzieren, waren einfach zu viel. "Die wollen das Bargeld abschaffen!" Das Volk schrie auf und randalierte.

Denn das Verhältnis der Deutschen zu Bargeld ist ein ganz besonderes, weswegen auch Erfahrungen aus anderen Ländern mit weniger Bargeldumlauf hierzulande kaum für Erkenntnisgewinne sorgen. Die Zuneigung zu Barem ist sicherlich nicht zuletzt in der Geschichte unseres Landes begründet. Beispiel 1: Die Währungsreform vom 20. Juni 1948, als jeder Bürger 40 D-Mark sogenanntes "Kopfgeld" bar auf die Hand erhielt. Einen Monat später gab es noch einmal 20 DM. Vorbei waren die Zeiten der wilden Inflation der Kriegsjahre, das Wirtschaftswunder konnte starten. Beispiel 2: Die deutsche Wiedervereinigung 1989. Zwar gab es das sogenannte Begrüßungsgeld für DDR-Bürger schon seit 1970, um diesen die Einreise in die Bundesrepublik zu erleichtern. Echte politische und wirtschaftliche Bedeutung erhielt es aber erst im November 1989 mit dem Mauerfall, als zehntausende ehemalige Ostdeutsche vor Banken und Sparkassen in Berlin Schlange standen. Die Institute ließen ihre Geschäftsstellen sogar in der Nacht des 10. Novembers größtenteils durchgehend geöffnet. Beispiel 3: Die Euro-Bargeldumstellung 2002. So groß der Zweifel der Bundesbürger an der Standhaftigkeit der neuen Gemeinschaftswährung im Vergleich zur überaus soliden D-Mark auch war, das Starter-Kit erfreute sich größter Beliebtheit auch hierzulande. Für 20 DM konnte man bei den Kredit ins tituten im Herbst 2001 ein rotes Samtsäckchen mit 20 Euro-Münzen im Wert von 10,23 Euro erwerben oder besser vielleicht eintauschen. All das sind im Wortsinne handgreifliche Erfahrungen - Bargeld war und ist nicht nur geprägte, sondern vielmehr tatsächlich gefühlte Freiheit.

Und die ist nun in Gefahr. Künftig sollen die Verbraucher - geht es nach den Vorstellungen vor allem keynesianisch geprägter Ökonomen aus Harvard - nicht mehr mit Schein und Münze, sondern nur noch mit Karte, Überweisung oder auch dem Smartphone bezahlen. Was ist der Sinn? Das dritte Bargeldsymposium der Deutschen Bundesbank, dem sich diese besondere Ausgabe der ZfgK intensiv widmet, kam zur richtigen Zeit, um so manche Dinge erklärend darzustellen.

Erkenntnis 1: Die Deutschen zahlen am liebsten bar. Allen Bemühungen von Banken und Kartenindustrie zum Trotz ist es bislang keineswegs gelungen, den Bundesbürger umzuerziehen. Rund 60 Prozent der Bezahlvorgänge an den Kassen des Handels erfolgen in bar. Der Anteil des Bargeldumlaufs an der Geldmenge M3 ist seit Einführung des Euro kontinuierlich gewachsen, auf inzwischen rund neun Prozent.

Erkenntnis 2: Bargeld ist nicht so teuer wie vielfach angenommen. Der Aufwand für den Bargeldkreislauf ist groß. Im Jahr 2015 zahlte die Bundesbank so insgesamt rund 498 Milliarden Euro in Form von Banknoten und gut 3,8 Milliarden Euro in Form von Münzen aus, zurück kamen von den Geschäftsbanken rund 453 Milliarden Euro in Scheinen und knapp 3,5 Milliarden Euro in Münzen. 2015 bearbeitete die Bundesbank 15 Milliarden Banknoten, eine Milliarde Stück wurde geschreddert. Aber: Bei den Kosten pro Transaktion schlägt das Bargeld aus Verbrauchersicht sowohl die Debitkarte als auch die Kreditkarte.

Erkenntnis 3: Sowohl eine Bargeldobergrenze als auch die Abschaffung der 500-Euro-Scheine werfen verfassungsrechtliche Bedenken auf. Gesetzliche Verbote von Bargeldzahlungen unabhängig von der jeweils gewählten Obergrenze könnten ohne ausreichende Begründung und ohne hinreichende Verhältnismäßigkeit als Eingriffe in die ebenfalls gesetzlich garantierte Eigentumsfreiheit, Vertragsfreiheit und das Recht auf die informelle Selbstbestimmung ausgelegt werden. Und auch Konflikte zu der im Unionsrecht festgeschriebenen Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit können keinesfalls ausgeschlossen werden.

Erkenntnis 4: Die Bedeutung des Bargeldes zur Bekämpfung von Kriminalität lässt sich nicht einwandfrei belegen. Zwar liegt es nahe zu glauben, dass die organisierte Kriminalität und der Terrorismus bei ihren illegalen Geschäften gerne auf Bargeld zurückgreifen. Allerdings gibt es noch keine einschlägigen Studien, die belegen, dass eine Einschränkung des Bargeldverkehrs hier tatsächlich die Gefahr von verbrecherischen Handlungen vermindert. Und das, obwohl es in mittlerweile 13 EU-Ländern längst Bargeldobergrenzen gibt. Von daher ist es klug, die Ergebnisse der EU-Kommission abzuwarten, die im Rahmen eines Aktionsplans zur besseren Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung in Aussicht stellt, anonyme Zahlungsmittel wie Prepaid-Karten und Umtauschplattformen für virtuelle Währungen strenger zu regulieren, und auch die Bedeutung des Bargeldes, des anonymsten Zahlungsmittels überhaupt, in diesem Zusammenhang überprüft, bevor weitere Schritte erwogen werden.

Erkenntnis 5: Bargeldobergrenzen und ähnliche Eingriffe machen im Alleingang keinen Sinn, sondern müssen auf EU-Ebene erfolgen. Das deutsche Finanzministerium hat schnell, wenn auch zu spät, erkannt, wie heiß das Eisen Bargeld ist. Von daher plädiert man nun für eine harmonisierte europäische Lösung im europäischen Binnenmarkt, die eindeutig einer nationalen Lösung vorzuziehen sei (siehe Beitrag Holle).

Erkenntnis 6: Negativzinsen lassen sich ohne Bargeld sehr viel leichter durchsetzen. Aber das will ja gar niemand. Oder etwa doch?

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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