Willkommene Gelegenheit

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

"Die Sparkassen sind erfolgsrelevant für dieses Land", sagte Georg Fahrenschon einst. Damit hat er zweifellos recht. Die knapp 400 öffentlich-rechtlichen Primärbanken samt der zahlreichen Verbundinstitute sind wichtige kreditwirtschaftliche Dienstleister in Deutschland, haben die meisten Kunden und verzeichnen im Privatkundengeschäft, der Betreuung des Mittelstandes oder bei der Kommunalfinanzierung die größten Marktanteile. Sie sind nahezu überall noch präsent, was auch daran liegen mag, dass der öffentliche Auftrag der Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen selbst dann eingehalten werden muss, wenn die nackte Betriebswirtschaft schon andere Schlüsse nahelegen würde. Das macht Sparkassen, deren Geschichte weit über 200 Jahre bis 1778 zurückreicht, zu etwas Besonderem. Etwas Besonderem im eigenen Selbstverständnis, aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung.

Umso behutsamer muss man sich als Sparkässler verhalten, gleich ob als Funktionär oder als Bankmitarbeiter. Georg Fahrenschon hat dies fast sechs Jahre lang gemacht. Nun nicht mehr. Georg Fahrenschon ist nicht mehr Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Eine "Riesendummheit" kostete ihn seinen Job noch vor Ablauf seiner ersten Amtszeit. Er wird als neunter Präsident in die Geschichte eingehen. Dass es entgegen aller bisherigen Planungen bei dieser einen Amtszeit bleiben wird, liegt nicht etwa an den für Sparkassen so typischen intensiven Diskussionen um Strukturen und Strategien, um Aufgaben und Ausrichtungen, die 1972 sogar dazu geführt haben, dass mit Ludwig Poullain ein DSGV-Präsident zurücktrat. Man mag dem ehemaligen bayerischen Finanzminister gerne vorwerfen, dass es ihm immer noch am betriebswirtschaftlichen Grundverständnis für seine Mitgliedsbanken fehle, dass er in Sachen Teamfähigkeit Steigerungspotenziale aufweise oder dass er bei den Sparkassen nicht wirklich angekommen sei, es ihm an der räumlichen Nähe fehle, wobei er die doch mit Blick auf die Kunden so vehement als Erfolgsgarant einer dezentralen Verbundgruppe verteidigte. Aber all das müsste schon 2012 klar gewesen sein, als man sich für Georg Fahrenschon und damit für einen Politiker ohne jeglichen S-Stallgeruch entschied.

Man mag gerne auch darüber streiten, ob der scheidende Präsident den Verbund vehement genug auf eine immer schwieriger werdende Zukunft aus Niedrigzinsphase, hohem regulatorischen Druck und sich verändernden Kundenbedürfnissen vorbereitet hat. Es gibt für manche immer noch zu viele Landesbanken, für andere zu viele Landesbausparkassen und öffentlich-rechtliche Versicherer, es fehlen mitunter auch Antworten auf die Margenrückgänge im Zinsgeschäft und den Ausbau der provisionsgetriebenen Einnahmen. Hier kann der Sparkassenpräsident kraft Amtes indirekt und mitunter als Verwaltungsratsmitglied- oder gar vorsitzender etwas direkter auf die Verantwortlichen einwirken, entscheiden müssen aber immer Vorstände und vor allem Eigentümer. Und da ist es in der öffentlich-rechtlichen Landschaft mit vielen Partikularinteressen nicht immer einfach, Mehrheiten zu finden, wenn der ein oder andere dafür etwas aufgeben muss. Das gilt für Politiker und Funktionäre ebenso wie für die Vorstände vor Ort. Mancher mag sich auch noch an den ersten Sparkassentag unter Georg Fahrenschon 2013 in Dresden erinnern, den der damals noch recht frische Präsident sehr viel intensiver unter das Motto "Digitalisierung" stellen wollte, als das seinen Mitgliedern lieb war, die einen Angriff von innen auf das eigene, über so viele Jahre doch so erfolgreiche Geschäftsmodell witterten. Das war eine heftige Begegnung mit den "Bewahrern", die den Sparkassen-Präsidenten fortan schon ein wenig prägte.

Eines kann man Georg Fahrenschon aber sicherlich nicht vorwerfen, nämlich dass er das, wofür er vor allem in das Amt gewählt wurde, nicht gemacht hätte. Er hat sich aufgrund seiner vielfältigen politischen Kontakte egal ob in Berlin oder in Frankfurt, in Brüssel, London oder Basel intensiv und erfolgreich für die Interessen der deutschen Sparkassen und damit auch der deutschen Verbünde eingesetzt. Gemeinsam mit Uwe Fröhlich, dem früheren Präsidenten des BVR, wurde sehr erfolgreiche Lobbyarbeit betrieben, wurde manch größeres Übel verhindert. Nicht zuletzt sind die Bemühungen der deutschen Bundesregierung um mehr Proportionalität in der Bankenaufsicht und die Veränderung der geplanten europäischen Einlagensicherung zu nennen. Selbst noch ganz kurz vor seinem Rücktritt forderte er auf der 63. Kreditpolitischen Tagung von einer neuen Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass die erfolgreiche Symbiose aus facettenreichem Mittelstand und mittelständischer Kreditwirtschaft nicht beschädigt werde und weitreichende Eingriffe in die Produkt- und Preispolitik der Sparkassen, die den Bewegungsspielraum der Institute einschränkten, zu verhindern. Wer keinen unternehmerischen Spielraum in der Bepreisung seiner Leistung habe, "der kann sie auch nicht überall in gleicher Intensität anbieten".

Dass Georg Fahrenschon seine Sache als Präsident in all den Jahren gut gemacht haben muss, trotz interner Widerstände, trotz Kritik an seiner Amtsführung, zeigt auch, dass seine Wiederwahl für eine zweite Amtsperiode im November 2017 als ausgemachte Sache galt, dass es noch nicht einmal hinter vorgehaltener Hand einen Gegenkandidaten gab. Der inzwischen 49-Jährige stolperte nicht über so einflussreiche Widersacher wie den ehemaligen Präsidenten des SVWL, Rolf Gerlach, nicht über die widrigen Marktgegebenheiten, irgendwelche Affären oder gar politische Ränkespiele. Er stolperte schlicht und einfach über sich selbst. Dass er als ehemals oberster Dienstherr der bayerischen Finanzämter seine Steuererklärungen verspätet abgegeben und damit womöglich Steuern hinterzogen hat, ist kein Kavaliersdelikt und wie von ihm selbst gesagt eine Riesendummheit. Das hätte man ihm vielleicht - einen Freispruch erster Klasse vorausgesetzt - noch verzeihen können. Aber seine Überheblichkeit, zu glauben, den einige Monate alten Strafbefehl bis nach der Wahl geheim halten zu können, ist ein unverzeihlicher Vertrauensbruch. So verlor er jeglichen Rückhalt innerhalb des DSGV und innerhalb der Organisation. Das macht man nicht.

Für seine Widersacher in Politik wie im Verbund war das die willkommene Gelegenheit. Dass der Anstoß mit dem Durchstecken des Strafbefehls gegen Georg Fahrenschon wohl aus dem bayerischen Finanzministerium kam, lässt viel Raum für Spekulationen, wobei die politischen Ambitionen Fahrenschons in Bayern selbst nach einem Abdanken seines ehemaligen Förderers Horst Seehofer äußerst klein waren. Von daher stellt sich statt dem "Wer war's?" vielmehr die Frage "Wem nützt es?". Das wird sich aber erst zeigen, wenn zur Wahl des neuen Sparkassen-Präsidenten geladen wird. Thomas Mang, der kommissarisch die Geschäfte führt, hat bereits abgewinkt. Auch für andere Sparkassenfunktionäre dürfte es gemessen an den Erfahrungen der Vergangenheit schwer werden. Denn seit Ludwig Poullain war das Amt stets politisch und stets CDU/CSU-lastig besetzt. Selbst Heinrich Haasis, der als Präsident des Baden-Württembergischen Sparkassenverbandes an die Spitze des DSGV rückte, blickte davor auf eine lange politische Karriere zurück. Der Kandidat wird also mitunter auch Rückschlüsse auf denjenigen zulassen, der den bisherigen Präsidenten zu Fall brachte. Das ist Politik, das ist wohl auch immer noch Sparkasse.

Die Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes 1924 - 1935: Ernst Eberhard Kleiner1935 - 1945: Johannes Heintze (eingesetzt vom Reichswirtschaftsministerium)1945 - 1953: Fritz Butschkau als Geschäftsführender Direktor1953 - 1967: Fritz Butschkau1967 - 1972: Ludwig Poullain1972 - 1993: Helmut Geiger1993 - 1998: Horst Köhler1998 - 2006: Dietrich H. Hoppenstedt2006 - 2012: Heinrich Haasis2012 - 2017: Georg Fahrenschon
Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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