"Vertrauen zwischen Geschäftspartnern ist die Basis erfolgreicher Geschäfte"

Interview mit Grit Bantow

Grit Bantow, Leiterin Center of Competence B2B, Schufa Holding AG, Wiesbaden Quelle: Schufa

Der Kauf auf Rechnung gilt auch im Business-to-Business-Geschäft (B2B) als eine der wichtigsten Bezahlmöglichkeit. Um für die Kunden schnelle Geschäftsabschlüsse zu gewährleisten und dabei Zahlungsausfälle zu vermeiden, brauchen Unternehmen ein Risikomanagement, das schnell valide Informationen zu potenziellen Geschäftspartnern bereitstellen kann. Über Betrugsformen und Präventionsmöglichkeiten gibt Grit Bantow von der Schufa Holding AG, Wiesbaden, Auskunft.

Seit ihrer Gründung 1927 steht die Schufa für Seriosität und Zuverlässigkeit. Wie haben sich die Herausforderungen seither gewandelt?

Durch die Digitalisierung und die große Anonymität im E-Commerce wird auch Betrug erleichtert. Händler und Kunden kennen sich nicht mehr persönlich; die Chance eines persönlichen Eindrucks entfällt. Außerdem entstehen durch den Online-Handel neue Betrugsmöglichkeiten, zum Beispiel dadurch, dass Dokumente oder Informationen vom Kunden nur noch digital zur Verfügung gestellt werden und diese vom Händler nicht mehr ohne Weiteres auf Echtheit geprüft werden können.

Ging es früher primär um die Prüfung der Bonität eines Kunden, so muss heute schon einen Schritt vorher angesetzt werden und auch die Identität eines potenziellen Geschäftspartners verifiziert werden. Seit Gründung der Schufa vor über 90 Jahren gilt, dass Vertrauen zwischen Geschäftspartnern die Basis erfolgreicher Geschäfte ist - das hat sich auch in einer digitalisierten Geschäftswelt nicht geändert.

Wo sehen Sie im B2B-Handel besondere Gefahren für die Unternehmen?

Gerade im B2B-Handel ist der Kauf auf Rechnung weit verbreitet und wird von den Kunden erwartet. Diese Bezahlart ist zwar besonders kundenfreundlich, birgt aber für den Händler das größte Risiko, da er Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt, die erst zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt werden. Bleibt die Zahlung aus, drohen Verluste. Außerdem erwarten Kunden heute auch im B2B schnelle Geschäftsabschlüsse. Dauert die Risikoprüfung zu lange, besteht die Gefahr, dass der Geschäftsvorgang abgebrochen wird. In einer Umfrage des Bundesverbands Credit Management gab zum Beispiel rund die Hälfte aller B2B-Online-Shop-Betreiber an, dass die Risikoprüfung bei Neukunden bis zu 24 Stunden dauern kann.

Um den Spagat zwischen der Vermeidung von Zahlungsausfällen auf der einen und schnellen Geschäftsabschlüssen für die Kunden auf der anderen Seite zu meistern, brauchen Unternehmen ein Risikomanagement, das schnell valide Informationen zu Geschäftspartnern liefert, auch zu Unternehmenskunden. Doch gerade im B2B-Geschäft sind manuelle Recherchen zu Bonität und Stammdaten von Kunden oder auch das Einholen von Selbstauskünften noch weit verbreitet. Dies kann allerdings sehr zeitaufwendig sein und führt meist zu sehr subjektiven Ergebnissen. Unternehmen drohen Forderungsausfälle und Verluste auf der einen Seite, aber auch Kaufabbrüche und Abwanderung der Kunden zum Wettbewerb auf der anderen Seite, wenn der Prozess der Bonitäts- und Identitätsprüfung im B2B-Geschäft zu zeitaufwendig ist.

Welche Betrugsformen gibt es?

Zwei typische Betrugsarten im B2B-Geschäft sind der sogenannte Mantelbetrug und der Stoßbetrug. Beim Mantelbetrug nutzen Betrüger eine bereits bestehende Kapital- oder Personengesellschaft, die sie für wenig Geld übernommen haben, beispielsweise weil kein Nachfolger bereitstand. So täuschen sie bei der Kreditprüfung eine "alteingesessene" Firma vor. Auf den guten Namen des bisherigen Inhabers oder des Unternehmens werden hochwertige Güter bestellt oder geleast und meist ins Ausland verschoben. Bezahlt wird natürlich nicht, und bei dem Versuch, die Forderungen einzutreiben, stößt man nur noch auf die wertlose "Mantel-Gesellschaft", die dann insolvent ist. Die Betrüger sind dann natürlich schon längst über alle Berge. Um solchen Betrügern nicht aufzusitzen, sind unter anderem aktuelle und digital verfügbare Informationen zu Inhaberwechseln unabdingbar.

Beim Stoßbetrug bestellen Betrüger zunächst kleine Mengen hochwertiger Produkte und akzeptieren hierbei ohne Verhandlungen den angebotenen Preis. Gezahlt wird sofort. Dies wird meist mehrere Male wiederholt, sodass das Unternehmen beim Händler eine positive Zahlungshistorie aufbaut. Dann folgt ein deutlich größerer Auftrag mit einer höheren Rechnungssumme und der Bitte um Gewährung eines Zahlungsziels. Währenddessen werden die gelieferten Waren bereits gewinnbringend weiterverkauft. Gezahlt wird nun nicht mehr, und Versuche, die offene Forderung einzutreiben oder zumindest die gelieferten Waren zurück zu erhalten, bleiben erfolglos, da Betrüger und Ware unauffindbar sind.

Wie können sich Unternehmen dagegen schützen?

Unternehmen müssen den Spagat zwischen effektivem Risikomanagement und schnellen, kundenfreundlichen Prozessen schaffen. Hierfür müssen objektive Informationen digital und in Echtzeit zur Verfügung stehen und ohne Medienbruch in die Prozesse integrierbar sein. Neben der "klassischen" Bonitätsprüfung werden Lösungen zur Betrugsprävention auch im B2B immer wichtiger. In einer Umfrage gaben rund 61 Prozent der befragten Unternehmen an, dass Betrugsprävention im B2B für ihr Unternehmen in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Entscheidend ist zu wissen, werhinter einem Unternehmen steht. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen hat das Finanzverhalten von Entscheidern einen bedeutenden Einfluss auf die Finanzen des Unternehmens. Wechselt der Inhaber eines bereits bekannten Unternehmens, so sollte auch dessen Identität und Bonität geprüft werden. Betrug wird immer von einer Person begangen, nicht von einem Unternehmen. Daher sind valide, objektive Informationen zur Unternehmensführung mindestens genauso wichtig für das Risikomanagement wie Informationen zum Unternehmen an sich.

Die Wirtschaftsauskünfte der Schufa haben dabei einen besonderen Vorteil: Wir können aktuell zu 5,3 Millionen registerlich geführten Unternehmen, Kleingewerbetreibenden und Selbstständigen valide Auskünfte liefern. Darüber hinaus enthält die Schufa-Personendatenbank Informationen zu 67,5 Millionen Privatpersonen. Informationen aus der Unternehmensdatenbank können mit Bonitätsinformationen zur Unternehmensführung aus der Personendatenbank kombiniert werden. Dies liefert bei Firmen mit weniger als 20 Mitarbeitern wertvolle Erkenntnisse zur Bonität des Unternehmens, denn das private Finanzverhalten von Entscheidern und Inhabern kann die Finanzen des Unternehmens erheblich beeinflussen. Das ist besonders bei den kleinen und mittleren Unternehmen wichtig, die einen Großteil des B2B-Geschäfts in Deutschland ausmachen. Eine neu gegründete GmbH etwa ist in der Regel ohne Negativmerkmale. Das gilt aber nicht immer für die Personen, die das Unternehmen führen. Hat es hier zum Beispiel Insolvenzen gegeben, sollte man dies als Geschäftspartner wissen. Mit den Wirtschaftsauskünften der Schufa können auch kleine Unternehmen und Neugründungen zuverlässig und in Echtzeit überprüft werden - für Mittelständler ein entscheidender Vorteil. So können sie den Kunden schnelle Geschäftsabschlüsse bieten und gleichzeitig ihr Ausfallrisiko minimieren.

Neben objektiven Wirtschaftsauskünften und einem Bestandskunden-Monitoring spielt die Sensibilisierung der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel sollten diese auf die AML-Faktoren (Anti Money Laundering, also Geldwäsche) achten. Gibt es zum Beispiel unerwartete oder häufige Wechsel des Geschäftsgegenstands oder in der Unternehmensführung? Wird das Eigenkapital aus dem Unternehmen herausgezogen? Hat das Unternehmen nur eine Mobilfunknummer und keinen Festnetzanschluss? All diese Faktoren sind nicht nur Hinweise auf mögliche Geldwäsche, sondern auch Indikatoren für Betrugsversuche.

Wie ist die Schufa selbst auf die Digitalisierung eingestellt?

Wir verfügen bereits heute über ein umfangreiches Netzwerk zur digitalen Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -bereitstellung. So kann die Schufa ihren Vertragspartnern digitale Wirtschaftsauskünfte in Echtzeit zur Verfügung stellen. Dies ist nicht nur im B2B-Onlinehandel von entscheidender Bedeutung für ein effizientes Risikomanagement, das schnelle und kundenfreundliche Geschäftsprozesse ermöglicht.

Die Schufa verfügt nach eigenen Angaben über Daten von rund 67,5 Millionen natürlichen Personen und 5,3 Millionen Unternehmen. Sie geben pro Tag etwa 400 000 Auskünfte. Wie schützen Sie diese Daten?

Der Datenschutz und insbesondere der sensible Umgang mit personenbezogenen Daten stehen bei der Schufa an erster Stelle. Wir speichern Daten ausschließlich auf Servern in Deutschland, und unsere Geschäftsaktivität unterliegt dem Bundesdatenschutzgesetz - einem der strengsten Datenschutzgesetze, die es weltweit gibt. Darüber hinaus wird die Schufa von der für sie zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde, dem Hessischen Datenschutzbeauftragten, kontrolliert. Die Behörde hat uneingeschränkten Zugang zu allen datenschutzrelevanten Vorgängen und Prozessen in unserem Haus, und wir stehen in einem kontinuierlichen Austausch miteinander.

Wie gewähren Sie in Zeiten von "Fake News" und "alternativen Fakten" deren Korrektheit?

Informationen aus sozialen Netzwerken oder den Medien werden von der Schufa weder gespeichert noch verwendet. Die Schufa erhält kreditrelevante Informationen, zum Beispiel zu Konten, Kredit- oder Mobilfunkverträgen und auch zu Zahlungsausfällen von ihren Vertragspartnern. Diese Informationen stammen aus Vertragsbeziehungen zwischen Endkunden und den Unternehmen und sind daher entsprechend qualitätsgeprüft und verifiziert. Informationen zu Unternehmen beziehen wir zum Beispiel aus öffentlichen Verzeichnissen wie dem Handelsregister und dem elektronischen Bundesanzeiger.

Auf welche Entwicklungen in den kommenden Jahren müssen sich die Schufa und die Unternehmen generell einstellen?

Wir beobachten, dass der Markt sich gerade mit ganz vielen Themen befasst. Das beginnt mit immer besseren Systemen zur Identitätsprüfung, geht über die Schaffung von betrugssicheren digitalen Identitäten bis hin zu immer schneller und präziser arbeitenden Algorithmen und selbstlernenden Systemen. Gleichzeitig gibt es in der Öffentlichkeit aber auch bei den Unternehmen selbst eine große Sensibilisierung, was den Umgang mit Daten angeht. Wir beobachten die Diskussionen und Entwicklungen sehr genau und beschäftigen uns mit ihnen.

Durch unsere inzwischen über 90-jährige Erfahrung und Kompetenz sind wir in der Lage, für Unternehmen passgenaue Lösungen für Risikomanagement und Betrugsprävention zu entwickeln, die gleichzeitig hochmodern und effizient sowie datenschutzkonform sind.

Die Fragen stellte Kati Eggert, Redaktion.

Das Scoreverfahren der Schufa
 
Das Thema Scoring gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird immer häufiger auch in der Öffentlichkeit und den Medien diskutiert. Dabei geht es oft um folgende Fragen: Was genau ist Scoring? Wo wird es eingesetzt? Wem nutzt der Einsatz derartiger Verfahren?- Die für die Schufa zuständige Aufsichtsbehörde hat das Scoreverfahren geprüft und befand es für datenschutzrechtlich zuverlässig. Darüber hinaus hat die Schufa als einzige Auskunftei in Deutschland ihr Scoreverfahren 2010 dem Bundesdatenschutzbeauftragten und den Datenschutzbeauftragten aller Bundesländer offen gelegt.- Zudem wird das Vorgehen der Schufa regelmäßig von Universitäten und unabhängigen Fachinstituten wie beispielsweise dem Statistischen Beratungslabor des Institutes für Statistik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München überprüft und für aussagekräftig befunden. Die von Kreditinstituten genutzten Verfahren werden regelmäßig von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf ihre Aussagefähigkeit hin geprüft.- Immer wieder wird gefordert, dass Auskunfteien ihre konkrete Berechnungsmethode der Öffentlichkeit gegenüber transparent darlegen. Öffentlich bekannte Scoreverfahren bergen jedoch die Gefahr, das Verfahren zu manipulieren, um Scorewerte zu verbessern.- Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat Anfang 2014 dazu festgestellt, dass es sich bei dem Schufa-Scoreverfahren um ein schützenswertes Geschäftsgeheimnis handelt. Zu den als Geschäftsgeheimnis geschützten Inhalten zählen demnach die allgemeinen Rechengrößen, wie etwa statistische Werte, die Gewichtung einzelner Berechnungselemente bei der Ermittlung des Wahrscheinlichkeitswertes und die Bildung etwaiger Vergleichsgruppen als Grundlage von Scorekarten.
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