Digitalisierung

"Betrugsprävention ist aktiver Verbraucherschutz" / Interview mit Heidrun Odenweller-Klügl

Heidrun Odenweller-Klügl, Vertriebsleiterin Banken und Finanzdienstleistungen, SCHUFA Holding AG, Wiesbaden Quelle: Schufa-Holding AG

Im Zeitalter der Digitalisierung haben sich auch die Anforderungen an Auskunfteien gewandelt. Statt nur um die Bonitätsauskunft geht es auch um Themen wie Bonitäts- oder Identitätsbetrug - und das nicht nur im Privatkundengeschäft. Dabei, so Heidrun Odenweller-Klügl, hilft nicht nur das Gegenseitigkeitsprinzip, mit dem die Schufa arbeitet. Auch der Schufa-Fraud-Pool, in den sogar einige Landeskriminalämter Betrugsfälle einmelden, hilft bei der Betrugsprävention. Davon profitieren können auch Opfer von Identitätsmissbrauch. Red.

Welche Rolle spielt Betrugsprävention aktuell für Banken und Kreditinstitute?

Eine große Rolle. Wenngleich Betrug kein Massenphänomen ist, gilt es für Unternehmen der Kreditwirtschaft, schon aus regulatorischen Gründen, folgende Fragen zu beantworten: Mit wem mache ich ein Geschäft? Darf ich das Geschäft überhaupt machen? Und wird das Geschäft erfolgreich verlaufen? Hierbei sind die Übergänge zwischen "klassischem" Risiko-Management und Fraud Prevention oft fließend, denn es stellt sich die Frage: Wo beginnt Betrug? Auf der einen Seite gibt es Kunden, die zum Beispiel einen Kredit beantragen, obwohl klar ist, dass sie ihn aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht zurückzahlen können. Auf der anderen Seite gibt es Betrüger, die zum Beispiel bewusst die Identität einer unbescholtenen Person missbrauchen, um sich Kredite oder sonstige Leistungen zu erschleichen. Hier müssen Risiko-Management und Fraud-Management Hand in Hand arbeiten.

Wie hat sich das Thema Betrug und Betrugsprävention in den letzten Jahren entwickelt?

Im Zuge der Digitalisierung der Finanzbranche spielt vor allem die zunehmende Anonymität eine große Rolle. Unternehmen und Kunden begegnen sich in vielen Fällen nicht mehr persönlich. So ist es heute üblich, dass zum Beispiel die Eröffnung eines Girokontos oder auch die Beantragung eines Kredits komplett online abgewickelt werden, der Kunde muss nicht mehr persönlich in der Filiale erscheinen. Was für Kunden und auch Unternehmen auf der einen Seite sehr bequem ist, birgt jedoch auch größere Anfälligkeit für Betrug. Bereits bekannte Betrugsarten werden vielfach durch die Anonymität im Netz erleichtert, es entstehen aber auch neue Wege für Betrüger, sich Leistungen oder Waren zu erschleichen.

Was sind aktuell die häufigsten Betrugsarten?

Bei Kreditinstituten spielt der Bonitätsbetrug in seinen unterschiedlichen Formen immer noch die größte Rolle. Betrüger versuchen zum Beispiel, durch manipulierte Verdienstbescheinigungen oder Kontoauszüge ihre Kreditwürdigkeit zu erhöhen, um sich finanziell besser darzustellen als sie sind. Ihr Ziel ist es, sich Kredite zu erschleichen. Auch der Identitätsbetrug spielt eine zunehmende Rolle. Betrüger arbeiten hier unter anderem mit fiktiven Identitäten, gefälschten Ausweisdokumenten, oder verwenden die Identitätsangaben einer unbescholtenen Person. Identitätsbetrug kann sowohl vor Ort in der Bank auftreten, aber vor allem im digitalen Antragsprozess durch Verwendung fiktiver oder gestohlener Identitäten. Unsere Erfahrung ist es, dass im E-Commerce/Online-Handel der Identitätsbetrug in seinen vielen Facetten nahezu 100 Prozent der Betrugsmuster ausmacht - in dieser Branche ist die Lage also eine völlig andere als in der Kreditwirtschaft.

Wie sieht es beim Geschäft mit Unternehmenskunden aus?

Eine typische Betrugsart im B2B-Geschäft ist der sogenannten "Mantelbetrug". Hierbei nutzen Betrüger eine bereits bestehende GmbH, die zum Beispiel aus Gründen einer fehlenden Unternehmensnachfolge zum Verkauf steht. Dieser "Firmenmantel" bietet die Basis, um eine intakte "alteingesessene" Firma vorzutäuschen, mit der Zielsetzung, den Bonitätsprüfungsprozess erfolgreich zu durchlaufen. In Folge werden jedoch die erhaltenen Kredite nicht bedient. Beim Versuch, die Forderungen einzutreiben, stößt man nur noch auf die wertlose "Mantel-GmbH", welche in der Regel insolvent ist. Die Betrüger sind dann natürlich schon längst über alle Berge.

Wie können Kreditinstitute sich vor neuen Betrugsformen schützen?

Betrug entwickelt sich sehr dynamisch, das heißt, Betrüger lernen, sich neuen Gegebenheiten anzupassen und trickreich neueste Entwicklungen und Technologien zu nutzen. Kreditinstitute müssen gleichermaßen handlungsbereit und idealerweise einen Schritt voraus sein.

Nach wie vor gilt allerdings: Man sieht dem Gegenüber nicht an, dass man es hier mit einem Betrüger zu tun hat. Daher sollte man sich auch im Filialgeschäft nie auf den persönlichen Eindruck allein verlassen, sondern wachsam bleiben und alle Angaben und Unterlagen genau prüfen. Auch ein regelmäßiges Monitoring von Bestandskunden ist sinnvoll, damit man auf Veränderungen entsprechend reagieren kann. Für das B2B-Geschäft gilt außerdem: Betrug wird immer von einer Person begangen, und nicht von einem Unternehmen. Daher muss man immer auch die Person(en) prüfen, die hinter einem Unternehmen stehen.

Was zählt, ist der Faktor "Mensch". Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen hat das Finanz verhalten von Entscheidern einen entscheidenden Einfluss auf die Finanzen des Unternehmens. Daher sind valide, objektive Informationen zur Unternehmensführung mindestens genauso wichtig wie Informationen zum Unternehmen an sich. Aktuell verfügt die Schufa über Informationen zu 5,3 Millionen registerlich geführten Unternehmen, Kleingewerbetreibenden und Selbstständigen.

Darüber hinaus enthält die Personendatenbank bonitätsrelevante Informationen zu 67,5 Millionen Privatpersonen. Informationen aus der Unternehmensdatenbank können daher von der Schufa wie von keiner anderen Auskunftei sonst mit Bonitätsinformationen zur Unternehmensführung aus der Personendatenbank kombiniert werden. Dies liefert bei Firmen mit weniger als 20 Mitarbeitern wertvolle Erkenntnisse zum Unternehmen, denn das private Finanzverhalten von Entscheidern und Inhabern kann die Finanzen des Unternehmens erheblich beeinflussen.

Wie kann die Schufa Kreditinstitute bei der Betrugsprävention unterstützen?

Zum einen sind natürlich die klassischen Bonitätsauskünfte bereits ein wichtiger Bestandteil in der Einschätzung, ob ein Kunde zum Beispiel seinen Kredit zurückbezahlen kann oder nicht, sie verhindern also bereits den Eingehungsbetrug. Auch Auskünfte zur Identitätsprüfung unterstützen unsere Vertragspartner bei der Identifikation ihrer Kunden und beugen somit Identitätsbetrug vor.

Bei Kreditinstituten verhindert außerdem noch die Pfändungsschutz-Auskunft, dass Personen bei mehreren Instituten Pfändungsschutzkonten führen und so Einkommen oder Vermögen vor ihren Gläubigern "verstecken". Die GwG-Auskunft hilft Unternehmen, die dazu gesetzlich verpflichtet sind, den oder die wirtschaftlich Berechtigten hinter einer Transaktion zu identifizieren und so zum Beispiel Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zu verhindern.

Wie wichtig ist dabei das Gegenseitigkeitsprinzip?

Die Schufa ist die einzige Auskunftei, die nach dem Gegenseitigkeitsprinzip arbeitet, das bedeutet, die rund 9 500 Vertragspartner beziehen Informationen von uns, melden aber auch kreditrelevante Informationen in den Datenbestand ein. Wir können zu nahezu jedem in Deutschland wirtschaftlich aktivem Verbraucher eine aktuelle, objektive Auskunft erteilen, sowohl zur Bonität als auch zur Identität.

Dies ermöglicht es Unternehmen, sich gegenseitig zu informieren und zu warnen, zum Beispiel mit Informationen zur Bonität und Identität ihrer Kunden, aber auch zu betrugsrelevanten Vorgängen. So werden Schäden von der Wirtschaft abgewendet und eine schnelle und sichere Kreditvergabe ermöglicht. Hiervon profitieren Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen. Nach diesem Grundprinzip der Gemeinschaft, die sich gegenseitig informiert, arbeiten wir seit unserer Gründung 1927.

Mit dem Schufa-Fraud-Pool wurde außerdem vor fast vier Jahren eine Lösung am Markt etabliert, die Banken und Finanzdienstleister noch gezielter bei der Erkennung und Verhinderung von Betrug unterstützt.

Wie funktioniert der Schufa-Fraud-Pool genau?

Der Schufa-Fraud-Pool (SFP) ermöglicht Kreditinstituten untereinander den Austausch von betrugsrelevanten Informationen, und zwar datenschutzkonform, standardisiert und in Echtzeit. Gesammelt und ausgetauscht wird ein fest definierter Katalog von Informationen über erkannte Betrugsverdachtsfälle, zum Beispiel Auffälligkeiten bei Ausweisprüfungen oder Verdienstbescheinigungen, sowie auch die Information, dass eine Bank Strafanzeige gegen einen potenziellen Betrüger gestellt hat.

Auch einige Landeskriminalämter beteiligen sich am SFP und melden ebenfalls Informationen ein. Das gemeinsame Ziel: die Tat zu vereiteln, eine Wiederholung zu verhindern und den Schaden möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen.

Da die Ergebnisse in Echtzeit beauskunftet werden, profitieren die teilnehmenden Institute von erhöhter Sicherheit ohne längere Bearbeitungszeit im Antragsgeschäft. Auch die Kunden profitieren von schnellen und sicheren Geschäftsabschlüssen und natürlich auch von insgesamt geringen Schäden durch Betrug in der Kreditwirtschaft, da diese letztendlich von den ehrlichen Kunden mitgetragen werden, zum Beispiel durch höhere Zinsen, Gebühren und Preise.

Wie wird das von den Instituten angenommen?

Aktuell nehmen 58 Unternehmen aus der Finanzwirtschaft am Fraud-Pool teil - Tendenz steigend. Pro Werktag erfolgen rund 81 000 Anfragen an den SFP, es gab bisher rund 47 000 Hinweise zu betrugsrelevanten Informationen und etwa 23500 erkannte Fraud-Fälle.

Jeder Teilnehmer Fraud-Pool leistet einen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft, denn mit jedem neuen Fall liefert er neue wertvolle Erkenntnisse zur Betrugsprävention. Seit dem Start am 1. Juli 2014 gab es durchweg positive Resonanzen der teilnehmenden Institute. Von Partnern, die erst seit Kurzem dabei sind, hören wir zum Beispiel, dass sie sich wünschten, viel früher dabei gewesen zu sein.

Welche Erkenntnisse haben Sie mit dem Fraud-Pool gewonnen?

Unsere Analysen der in den Fraud-Pool eingemeldeten Fälle zeigen, dass vor allem der Bonitätsbetrug ein weit verbreitetes Betrugsphänomen in der Kreditwirtschaft ist. 79 Prozent der eingemeldeten Fälle fallen in diese Kategorie. Betrüger versuchen zum Beispiel, durch manipulierte Verdienstbescheinigungen oder Kontoauszüge ihre Kreditwürdigkeit zu erhöhen, um sich finanziell besser darzustellen als sie sind.

Auch der Identitätsbetrug spielt eine zunehmende Rolle. 19 Prozent der eingemeldeten Fälle werden dieser Kategorie zugeordnet. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Fälle, in denen der Verdacht auf eine fiktive Identität besteht oder gefälschte Ausweisdokumente verwendet wurden.

Welche Präventionsmöglichkeiten gibt es im Fall von Identitätsbetrug?

Kreditinstitute können in den Fraud-Pool auch Personen einmelden, deren Identität für betrügerische Zwecke missbraucht wurde - selbstverständlich nur, wenn diese der Meldung zugestimmt haben. So beugen sie aktiv einem weiteren Missbrauch der Identität vor und schützen die Person damit vor Aufwand und Schaden, der dadurch entstanden wäre. Das ist aktiver Verbraucherschutz.

Ist das nicht auch etwas, womit man sich beim Verbraucher profilieren kann - auch im Sinne der Imagepflege?

Seit September 2016 bietet die Schufa Verbrauchern, die Opfer von Identitätsmissbrauch geworden sind, eine zusätzliche Schutzmöglichkeit: Sofern der Identitätsdiebstahl zur Anzeige gebracht wurde, können sie sich melden und werden durch einen entsprechenden Vermerk im Schufa-Datenbestand sowie im Fraud-Pool besser vor weiteren Schäden durch Wiederholungsmissbrauch ihrer Identität geschützt.

Ein anfragender Vertragspartner erhält neben der Bonitätsauskunft auch die Information, dass die angefragte Person als Identitätsbetrugsopfer bei uns gespeichert ist. Das anfragende Unternehmen kann nun den Vorgang gesondert prüfen und sicherstellen, dass es sich in diesem Fall tatsächlich um die Person handelt und nicht um einen erneuten Betrugsversuch.

So wird der Verbraucher vor weiterem Missbrauch seiner Identität geschützt, aber natürlich profitieren auch die anfragenden Unternehmen, da sie auf den damit verbundenen finanziellen Schäden nicht "sitzen bleiben". Dieser Service ist für Verbraucher kostenlos und hat keinen Einfluss auf deren Bonität.

Wie wird sich das Thema Betrugsprävention in den nächsten Jahren entwickeln?

Der Markt befasst sich gerade mit ganz vielen Themen. Das beginnt mit immer besseren Systemen zur Identitätsprüfung, geht über die Schaffung von betrugssicheren digitalen Identitäten bis hin zu immer schneller und präziser arbeitenden Algorithmen und selbstlernenden Systemen.

Gleichzeitig gibt es in der Öffentlichkeit, aber auch bei den Unternehmen selbst eine große Sensibilisierung, was den Umgang mit Daten angeht. Wir beobachten die Diskussionen und Entwicklungen sehr genau und beschäftigen uns mit ihnen. Im Rahmen von regelmäßigen Anwendertreffen erfassen wir den Bedarf unserer Kunden und generieren daraus Ideen für neue Produktenwicklungen.

Durch die inzwischen über 90-jährige Erfahrung und Kompetenz ist die Schufa in der Lage, für Unternehmen passgenaue Lösungen für Risikomanagement und Betrugsprävention zu entwickeln, die gleichzeitig hoch modern und effizient sowie datenschutzkonform sind. So kann Vertrauen zwischen Geschäftspartnern entstehen und beide Seiten profitieren von schnellen und sicheren Geschäftsabschlüssen - egal ob online oder offline.

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