Wohnungswirtschaft

Abgeltungssteuer für EK 02 des einen Freud', des andern Leid

Das Bundeskabinett hat am 8. August dieses Jahres den Entwurf des Jahressteuergesetzes 2008 verabschiedet. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der noch vorhandene Restbestand des so genannten Eigenkapitals 02 (EK 02) der Wohnungsgesellschaften mit einer einmaligen pauschalen Körperschaftssteuer von drei Prozent belastet werden soll.

Beim EK 02 handelt es sich um jenen Teil des steuerlich verwendbaren Eigenkapitals einer Wohnungsgesellschaft, das nicht mit Steuern belastetet ist, solange es thesauriert bleibt. Das EK 02 entstand, als 1990 ehemals gemeinnützige Wohnungsgesellschaften aus der steuerlichen Gemeinnützigkeit herausfielen und körperschaftssteuerpflichtig wurden. Die in der steuerfreien Zeit insbesondere in Immobilien entstandenen stillen Reserven sollten auf Unternehmensebene steuerfrei bleiben. In der steuerlichen Eröffnungsbilanz wurde deshalb zu Verkehrswerten bilanziert (Aufstockung); die aufgedeckten stillen Reserven wurden korrespondierend in das EK 02 eingestellt. Im EK 02 wurden alle steuerfreien Einkünfte, zum Beispiel auch steuerfreie Investitionszulagen, zusammengefasst; erst bei Auskehrung dieser Reserven soll nachträglich besteuert werden.

EK 02 - für Wohnungsunternehmen von hoher Bedeutung

Zunächst führt die Aufstockung zu einer höheren Bemessungsgrundlage bei den steuerlichen Abschreibungen. Wenn Wohnungen verkauft werden, entsteht handelsrechtlich zwar ein hoher Veräußerungsgewinn, dieser schlägt sich jedoch nicht in der Steuerbilanz nieder, weil die stillen Reserven sich dort bereits in den steuerlichen Buchwerten niedergeschlagen haben. Mietüberschüsse und Veräußerungsgewinne entstehen insoweit nur handelsrechtlich und können von der Gesellschaft somit quasi steuerfrei vereinnahmt werden.

Erst im Falle der Ausschüttung handelsrechtlicher Gewinne, denen insoweit keine steuerlichen Gewinne gegenüberstehen, fällt wegen Verwendung des EK 02 erstmalig Körperschaftssteuer in Höhe von 30 Prozent des ausgeschütteten Betrags an. Es kommt insoweit zu einer Ausschüttung der inzwischen realisierten stillen Reserven.

Die jetzige Regelung läuft im Jahr 2019 aus, eine spätere Ausschüttung wäre dann komplett steuerfrei. Viele Wohnungsunternehmen, deren Gesellschafter keinen "Ausschüttungsdruck" aufbauen, weil sie ihre Beteiligung eher als langfristige Anlage beziehungsweise mit Blick auf eine "Sozialrendite" betrachten, verzichten schlicht ganz oder teilweise auf Ausschüttungen bis 2019. Andere Unternehmen, die von jeher oder aufgrund eines zwischenzeitlichen Unternehmensverkaufs ihre Gesellschafter mit Liquidität respektive Gewin-nen versorgen, ist eine 30-prozentige steuerliche Belastung nahezu jeglichen Geldtransfers an den Gesellschafter ein gewaltiger Dorn im Auge. Nun soll jedoch eine einmalige, ausschüttungsunabhängige Pauschalsteuer von drei Prozent erhoben werden. Die Begründung: Die bisherige Besteuerungspraxis habe für eine Vielzahl von Unternehmen wie eine Ausschüttungsbremse gewirkt. Tatsächlich ist eine solche Pauschalsteuer für einige Wohnungsunternehmen eine Wohltat, für andere ein harter Schlag.

Ausschüttungsabhängige EK-02-Steuer - ein Verstoß gegen EU-Recht?

Der Anlass für diese Gesetzesnovellierung ist auch in einer Vorlage des deutschen Bundesfinanzhofs (BFH) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu sehen. Dieser prüft zurzeit, ob die EK-02-Steuer eine nach der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie grundsätzlich nicht zulässige sogenannte Quellensteuer darstellt. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Gewinnausschüttungen durch zwei verschiedene EU-Mitgliedsstaaten sieht die Mutter-Tochter-Richtlinie nämlich vor, dass der Staat der Tochtergesellschaft bei der Gewinnausschüttung an die Mut-ter grundsätzlich eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle zu gewäh-ren hat.

Der BFH knüpft in seinen Ausführungen überzeugend an vorhergehende EuGH-Entscheidungen an, nach denen ein Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie vorliegt, wenn die betreffende Steuer durch die Zahlung der Dividende ausgelöst wird und die Höhe der Steuer sich nach der Dividende bemisst. Unerheblich ist dabei, ob die Steuer auf Ebene der Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft erhoben wird. In einer Entscheidung zum griechischen System einer ausschüttungsabhängigen Besteuerung, die deutliche Parallelen zur deutschen EK-02-Steuer aufweist, hat der EuGH einen Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie angenommen.

Insofern wird allenthalben erwartet, dass der EuGH eine EU-Rechtswidrigkeit auch der deutschen EK-02-Steuer feststellen wird. Bei Feststellung der Rechtswidrigkeit ginge dem Fiskus das Besteuerungsrecht der bislang unversteuerten EK-02-Bestände womöglich endgültig verloren. Bevor also der EuGH mit großer Wahrscheinlichkeit beschließt, dass die aktuell praktizierte ausschüttungsabhängige Besteuerung des EK 02 gegen EU-Recht verstößt, versucht der Fiskus durch eine einmalige Pauschalbesteuerung zu retten, was zu retten ist.

Der nun vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf besagt: Die gesamten zum Stichtag 31. Dezember 2006 bestehenden EK-02-Restbestände müssen losgelöst von einer Ausschüttung - mit drei Prozent versteuert werden. Der

Anspruch würde in voller Höhe Ergebnis belastend im Jahr 2007 entstehen, kann aber in zehn gleichen Jahresraten 2008 bis 2017 gezahlt werden. Alternativ können Unternehmen einen Antrag auf vorzeitige Abgeltung des festgesetzten Körperschaftsteuerbetrags zum Barwert stellen. Die bisherige Besteuerung des EK 02 würde bereits mit Wirkung ab 2007 abgeschafft.

Lediglich Gesellschaften, die einen Antrag auf Besteuerung nach altem Recht stellen, räumt der Gesetzentwurf die Möglichkeit ein, sich weiterhin nach alter Regelung besteuern zu lassen: Es sind im Bereich der Wohnungsunternehmen jene Gesellschaften, die "ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen und an denen unmittelbar oder mittelbar ausschließlich juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind", heißt es im Entwurf - im Wesentlichen also zu 100 Prozent kommunale Wohnungsgesellschaften, die lediglich eigene Wohnungen bewirtschaften.

Im Klartext: In den Genuss dieses Wahlrechts kommen jene Wohnungsgesellschaften, die ausschließlich das Vermietungsgeschäft betreiben und nicht beispielweise Wohnungen kaufen und verkaufen, Fremdbestände bewirtschaften, einem Bauträgergeschäft nachgehen oder städtebauliche Sanierung und Entwicklung betreiben. Strenggenommen dürfen sogar jene Gesellschaften, die neben eigenen Wohnungsbeständen auch Kapitalvermögen (zum Beispiel Anlagen auf Festgeldkonten) verwalten, nicht wählen. Ebenfalls nicht wählen dürfen Gesellschaften, an denen neben den Kommunen auch Privatunternehmen beteiligt sind - wie klein dieser Anteil auch immer sein mag.

Rund 135 Millionen Euro Steuermehreinnahmen

Nach einer Erhebung von Deloitte ergab sich bei den betrachteten Wohnungsgesellschaften ein durchschnittliches EK 02 in Höhe von 40 000 Euro pro Wohnung bezogen auf den heutigen Wohnungsbestand. Die Bestände des insgesamt noch vorhandenen EK 02 belaufen sich nach Schätzungen des Gesamtverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) auf rund 98 Milliarden Euro, davon sind 78 Milliarden Euro als stille Reserven beim

Wechsel der westdeutschen Wohnungsunternehmen in die Steuerpflicht entstanden. 35 Milliarden Euro EK 02 entfallen auf kommunale, öffentliche und kirchliche Wohnungsgesellschaften, von denen jedoch nur ein Bruchteil die strengen Gesetzesbedingungen erfül-len kann, die zur Option auf die alte Steuerregelung berechtigen - also so lange keine Körperschaftssteuer auf das EK 02 zu zahlen, solange nichts ausgeschüttet wird.

Der Entwurf für das Jahressteuergesetz geht unter Berücksichtigung der Optionslösung für kommunale Wohnungsgesellschaften von Steuermehreinnahmen in Höhe von jährlich 135 Millionen Euro aus. Nach erster Einschätzung entfällt zwar ein deutlich zweistelliger Milliardenbetrag EK 02 auf jene Gesellschaften, die durch die neue Regelung von einer Ausschüttungssperre befreit werden. Die 135 Millionen Euro jährlich, das heißt zusätzlich zu den Einnahmen, die mit der bisherigen ausschüttungsabhängigen 30-Prozent-Regel zu erwarten wären, müssen zu einem großen Teil von jenen Wohnungsgesellschaften entrichtet werden, die nach derzeitigem Gesetzentwurf nicht optieren können - es aber getan hätten, da es ihrer bisherigen Unternehmensstrategie entsprach, auf Ausschüttungen zu verzichten.

Für diese Unternehmen, die sich darauf eingestellt hatten, bis zum Jahr 2019 auf Ausschüttungen ganz oder teilweise zu verzichten, stellen die drei Prozent Pauschalsteuer eine nicht eingeplante Zusatzbelastung dar. In Einzelfällen kommen sie sogar in Schwierigkeiten, die in 2007 zu passivierende Körperschaftssteuer zu verkraften und die Abgeltungssteuer zu zahlen. Für die Unternehmen jedoch, die höhere Ausschüttungen vornehmen wollen, wirkt sich die Neuregelung als Entlastung und Befreiung von steuerlichen Fußfesseln aus.

Bei einem bedingungslosen Wahlrecht jedoch würden die meisten Unternehmen wohl bei der bisherigen Regelung verbleiben und bei mutmaßlicher Feststellung der Europarechtswidrigkeit der EK-02-Besteuerung auch bei einer Ausschüttung ganz ohne Steuerbelastung auskommen. Jede Ausweitung des Wahlrechts würde den Fiskus Geld kosten.

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